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Ungeimpfte Zahnarzthelferin aus Flensburg hatte (Teil) Erfolg

Ungeimpfte Zahnarzthelferin aus Flensburg hatte (Teil) Erfolg
FOCUS-Online-Chefreporter Göran Schattauer
Donnerstag, 16.06.2022, 14:13

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat eine bundesweit bedeutsame Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht gefällt. Demnach ist das bisherige Vorgehen der Gesundheitsämter rechtswidrig, von Pflegern und Krankenschwestern Impfnachweise zu fordern und Bußgelder anzudrohen. FOCUS Online erklärt, was die Richter bemängelten und welche Folgen dieser Beschluss nun hat.


Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat eine weitreichende Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht getroffen. Dabei erklärte es die bisherige Praxis der Gesundheitsämter für „rechtswidrig“, von Pflegern und Krankenschwestern Impfnachweise zu fordern und ihnen Bußgelder anzudrohen. Der noch unveröffentlichte Beschluss (Az.: 1 B 28/22) erging am 13. Juni 2022 und liegt FOCUS Online exklusiv vor.

Mit seiner Entscheidung gab das Gericht einer Zahnarzthelferin aus Flensburg recht, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen will. Das zuständige Gesundheitsamt hatte die Frau mit Bescheid vom 28. April 2022 aufgefordert, bis Anfang Juni einen Impf- oder Genesenennachweis bzw. ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht gegen Corona geimpft werden darf.

Gericht: Bescheide der Gesundheitsämter „rechtswidrig“
Sollte sie der Aufforderung nicht nachkommen, könne sie mit „einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro“ bestraft werden. Weiterhin sei beabsichtigt, der Frau das Betreten sowie die berufliche Tätigkeit in der Zahnarztpraxis zu untersagen.




In dem Schreiben ordnete das Gesundheitsamt die „sofortige Vollziehung“ des Verwaltungsaktes an. Das bedeutet, dass ein Widerspruch und eine Klage gegen den Bescheid keine „aufschiebende Wirkung“ hätten. Mit dieser Klausel wollen die Behörden erreichen, dass das Verfahren beschleunigt wird und nicht durch langwierige Rechtsbehelfsverfahren ins Stocken gerät.



Ungeimpfte Zahnarzthelferin aus Flensburg hatte Erfolg

Die Zahnarzthelferin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und suchte am 24. Mai 2022 um einstweiligen Rechtsschutz nach. Darin beantragte sie, dass ihr Widerspruch – anders als vom Gesundheitsamt beabsichtigt – aufschiebende Wirkung hat.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht gab ihr nun recht: „Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache Erfolg“. Mit dem Beschluss werde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs „wiederhergestellt“. Zur Begründung verwies die 1. Kammer auf eine „umfassende Interessenabwägung“. 

Diese habe ergeben, dass das „private Aufschubinteresse“ der Zahnarzthelferin höher einzustufen sei als das „öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes“.

Die detaillierte Begründung lässt aufhorchen: „Die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Anordnung zur Vorlage eines Impfnachweises ... ist offensichtlich rechtswidrig“, so das Gericht. 
Denn das Gesundheitsamt hätte die Einsicht in die Impfstatus-Unterlagen „nicht in der Form eines Verwaltungsaktes“ anordnen dürfen. Zitat aus dem Beschluss: „Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes setzt neben der inhaltlichen Rechtmäßigkeit insbesondere voraus, dass die Behörde in der Handlungsform eines Verwaltungsakts vorgehen darf.“

Impfpflicht für Pfleger kein Zwang, sondern „indirekter Druck“

In diesem Zusammenhang verweist das Gericht mit Sitz in Schleswig auf die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes. Demnach hat der Gesetzgeber den Gesundheitsämtern überlassen, ob sie ungeimpften Pflegern, Krankenschwestern und Ärzten das Betreten oder die Arbeit in ihren Einrichtungen untersagt. Dabei handele es sich immer um „Ermessensentscheidungen“.

Dieses Regelungsgefüge spreche dafür, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht „keine unmittelbare, notfalls mit Verwaltungszwang durchsetzbare Impfpflicht, keinen Impfzwang, statuiert“, so das Gericht. Stattdessen solle durch die Androhung von beruflichen Nachteilen für ungeimpfte Mitarbeiter im Gesundheitswesen lediglich ein „indirekter Impfdruck“ erzeugt werden.

Gerichtssprecherin: Beschluss „bundesweit von Bedeutung“
Friederike Lange, Sprecherin des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts, stuft die Entscheidung als weitreichend ein.

 „Der Beschluss betrifft eine Frage der Auslegung des Bundesrechts und ist insoweit auch bundesweit von Bedeutung“, sagte sie an diesem Mittwoch zu FOCUS Online.

 Zwar gelte der Beschluss „grundsätzlich nur für den Einzelfall“. Allerdings könnten sich andere Betroffene gegenüber dem Gesundheitsamt „auf die Rechtsprechung berufen“. Wenn die Behörde dennoch nicht einlenke, könnten die Betroffenen „selbst einen Antrag bei Gericht stellen“, so Lange.

Zum konkreten Fall sagte sie: „Die Antragstellerin hat zunächst nur erreicht, dass die angeordnete Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder einer ärztlichen Bescheinigung über eine Impfungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht durch einen Verwaltungsakt mit anschließendem Verwaltungszwang durchgesetzt werden kann.“

 Dennoch müsse die ungeimpfte Zahnarzthelferin mit Sanktionen rechnen. Friederike Lange: „Die Behörden können zwar eine solche Vorlage nun nicht mehr durch Verwaltungsakt anordnen. Ihnen verbleibt jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, gegenüber den Betroffenen ein Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.“

Nur wer Widerspruch einlegt, kann vorerst aufatmen

Die bislang ergangenen Bescheide der Gesundheitsämter sind nach Auffassung der Kammer „rechtswidrig und damit anfechtbar“, betonte die Sprecherin. 

Zugleich verweist sie darauf, dass nur diejenigen um den sofortigen Vollzug des Bescheids herumkommen, die dagegen Widerspruch einlegen. Zudem muss die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gerichtlich bestätigt werden. „Ansonsten muss der Bescheid von den jeweils Betroffenen im Einzelfall befolgt werden.“

Gegen den Beschluss im Fall der Zahnarzthelferin kann das Gesundheitsamt innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig einlegen.

Rechtsanwalt: „Keiner muss aktuell Angst vor Bußgeld haben“
Der Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig, über dessen Team die Zahnarzthelferin gegen die Ausgestaltung der einrichtungsbezogenen Impflicht vorgegangen war, spricht von einem „überraschend deutlichen Erfolg“. Hannig zu FOCUS Online: „Der Gerichtsbeschluss bedeutet, dass die Briefe und Bußgeldandrohungen der Gesundheitsämter rechtswidrig sind. Kein Mitarbeiter im Gesundheitswesen muss aktuell Angst vor dem angedrohten Bußgeld haben – zumindest dann nicht, wenn andere Gerichte das genauso sehen.”

In den vergangenen Wochen erhielten deutschlandweit Zehntausende Pfleger, Krankenschwestern, Ärzte, Sanitäter, Hebammen und Behinderten-Betreuer entsprechende Briefe von den Gesundheitsämtern. Mit ihrer Entscheidung gegen eine Covid-19-Impfung verstoßen sie gegen die seit Mitte März 2022 gültige einrichtungsbezogene Impfpflicht, die das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich für rechtens erklärt hat.

Kommentare

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Karibusana 17.06.2022 10:02
Kannst Du bitte den Artikel noch verlinken?
Ich möchte dieses Urteil gern an Betroffene weiter leiten und da macht sich ein Link besser.
Danke.
 
schaloemchen 17.06.2022 10:15
https://www.focus.de/politik/deutschland/justiz-hammer-drohbescheide-des-gesundheitsamts-an-ungeimpfte-pfleger-rechtswidrig_id_107967975.html

https://www.focus.de/politik/deutschland/justiz-hammer-drohbescheide-des-gesundheitsamts-an-ungeimpfte-pfleger-rechtswidrig_id_107967975.html
 
Karibusana 17.06.2022 10:41
Danke, Schaloemchen.
 
Avokado 17.06.2022 10:47
Jes 50,11 Habt aber acht, ihr alle, die ihr ein Feuer anzündet und euch mit feurigen Pfeilen* wappnet! Geht hin in die Flamme eures eigenen Feuers und in die feurigen Pfeile, die ihr angezündet habt! Dieses widerfährt euch von meiner Hand, dass ihr in Qualen** liegen müsst.

Pfeile haben eine ähnliche Funktion wie Spritzen*
Qualen gleich Nebenwirkungen**
 
Rena 17.06.2022 12:46
Sagt man das so?
Zahnarzthelferin?
 
calando 17.06.2022 12:51
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung des Antragsgegners, mit der ihr als Angehörige eines Berufes im Gesundheitswesen nach § 20a Abs. 5 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgegeben wird, einen
Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen,
dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könne.
Die Antragstellerin arbeitet in einer zahnärztlichen Einzelpraxis als Behandlungsassistentin.
Die Arbeitgeberin der Antragstellerin teilte dem Antragsgegner mit, dass die Antragstellerin
nicht bis zum 15. März 2022 einen Nachweis über die vollständige Impfung gegen die
Coronavirus-Krankheit, einen Genesungsnachweis oder ein ärztliches Zeugnis über die
Impfunfähigkeit vorgelegt habe.
Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin mit Bescheid vom 28. April 2022 auf, bis
zum Ablauf des 3. Juni 2022 einen Impfnachweis im Sinne von § 2 Nr. 3 SchAusnahmV,
einen Genesenennachweis im Sinne von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könne, vorzulegen. Sollte der Aufforderung nicht innerhalb der Frist
nachgekommen sein, müsse darauf hingewiesen werden, dass eine Nichtmeldung eine
Ordnungswidrigkeit gemäß § 73 Absatz 1a Nr. 7h in Verbindung mit § 20a Abs. 5 Satz 1
IfSG begründe und mit einem Bußgeld von bis zu 2.500 € geahndet werden könne. Hinsichtlich der Anforderung der genannten Unterlagen werde die sofortige Vollziehung nach
§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Weiterhin sei beabsichtigt, sofern der Aufforderung
innerhalb der Frist nicht nachgekommen werde, gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG der Antragstellerin das Betreten sowie die berufliche Tätigkeit in der Zahnarztpraxis zu untersagen. Gemäß § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG habe die Antragstellerin dem Gesundheitsamt, in
dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befinde, auf
Anforderung einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 vorzulegen. Dazu sei die Antragstellerin unter entsprechender Fristsetzung mit diesem Schreiben aufgefordert worden. Da die Überprüfung des Impfstatus der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung für die Aufrechterhaltung
der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens sei, überwiege hier das öffentliche Interesse an der Vorlage der angeforderten Unterlagen gegen eventuell bestehende Rechtsschutzinteressen, zumal die Vorlage von vorhandenen Unterlagen das mildeste denkbare
Mittel zur Überprüfung des Impfstatus sei. Aus diesem Grunde sei es gerechtfertigt, die
sofortige Vollziehung der Anforderung anzuordnen, sodass Widerspruch und Klage keine
aufschiebende Wirkung hätten.
Die Antragstellerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und hat am 24. Mai 2022
um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2022 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
 
calando 17.06.2022 13:02
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache Erfolg.
Das Rechtsschutzbegehren ist durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom
28. April 2022 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle
des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung
eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt
erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden.
-
Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits
und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits( § 80 II Nr.4 VwGO). 
Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung erlangen. Lässt sich die
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil
an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich
rechtmäßig (vgl. zu diesem Merkmal: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 1995 – 2 BvR 1179/95 –, Rn. 46, juris), bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch
eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2003 –
1 BvR 1594/03 –, Rn. 22, juris). Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses
besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst
identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2010 – 7 VR 1/10 –, Rn. 13, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 06. August 1991 – 4 M 109/91
–, juris).
Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Antrag als begründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der durch Verwaltungsakt ausgesprochenen Anordnung überwiegt vorliegend nicht das Interesse, von dem Vollzug der Vorlageanordnung vorläufig verschont zu bleiben. Die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Anordnung zur Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines ärztlichen Zeugnisses darüber, dass aufgrund einer medizinischen Kontraindikationen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann, ist offensichtlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid dürfte nicht bereits deshalb wegen nicht hinreichender Bestimmtheit im Sinne von § 108 Abs. 1 LVwG rechtswidrig sein, weil der Antragsgegner in
dem angefochtenen Bescheid unter anderem einen Impfnachweis im Sinne von § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis im Sinne von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV gefordert und damit offensichtlich auf die bis zum 18. März 2022 geltenden Fassung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung ohne Berücksichtigung der Änderung
durch die Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl. I Seite 478) Bezug genommen hat. Die
maßgeblichen Definitionen eines Impfnachweises oder eines Genesenennachweises finden sich seitdem in § 22a Abs. 1 und 2 IfSG. Es dürfte aber aus der maßgeblichen Sicht
eines verständigen Empfängers deutlich sein, dass der Antragsgegner auf die jeweils aktuell geltenden Definitionen hat Bezug nehmen wollen, sodass der Inhalt der Anordnung des
Antragsgegners noch hinreichend bestimmt ist.
Die Anforderung der Unterlagen durch den angefochtenen Bescheid ist allerdings rechtswidrig, weil der Antragsgegner die Vorlage nicht in der Form eines Verwaltungsaktes anordnen durfte. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes setzt neben der inhaltlichen
Rechtmäßigkeit insbesondere voraus, dass die Behörde in der Handlungsform eines Verwaltungsakts vorgehen darf. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3
GG in Verbindung mit den Grundrechten) fordert, dass das Vorgehen durch Verwaltungsakt
gesetzlich vorgesehen ist, wenn eine für den Adressaten oder sonstige Betroffene ungünstige Entscheidung getroffen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 – 8
C 105.83 –, BVerwGE 72, 265-269, Rn. 12). Denn die mögliche Bestandskraft eines Verwaltungsakts legt dem Betroffenen die Anfechtungslast auf, so dass schon die Verwendung
der Handlungsform als solche in dessen Rechte eingreift (Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens,
9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 25; § 44 Rn. 55-63 mit weiteren Nachweisen). Es ist aber
keine a u s d r ü c k l i c h e gesetzliche Grundlage erforderlich, vielmehr genügt eine
Grundlage, die im Wege der Auslegung ermittelt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 2.
Juli 1991 – 1 B 64.91 –, Rn. 3, juris).
 
calando 17.06.2022 13:05
Die Auslegung nach dem Wortlaut des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG allein lässt noch nicht den
Schluss auf eine bestimmte Absicht des Gesetzgebers zu, der Behörde in diesem Zusammenhang die Durchsetzung der in der Vorschrift genannten Verpflichtung zur Vorlage bestimmter Nachweise durch Verwaltungsakt zu ermöglichen oder nicht zu ermöglichen. Nach
dieser Vorschrift haben die in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen dem Gesundheitsamt,
in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet,
auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Eine solche gesetzlich
vorgesehene Vorlagepflicht kann im Einzelfall – worauf der Antragsgegner unter Bezug auf
die Regelung des § 29 Gewerbeordnung zutreffend hinweist – auch die Befugnis der Behörde eröffnen, die Verpflichtung durch Verwaltungsakt für den Einzelfall verbindlich zu
konkretisieren. Andererseits kann sogar aus der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, die
Vorlage bestimmter Nachweise anzuordnen, noch nicht darauf geschlossen werden, dass
eine solche Anordnung durch Verwaltungsakt erfolgen kann. 
 
calando 17.06.2022 13:18
So sehen die Vorschriften des
§ 14 Abs. 1 und 2 FeV etwa verschiedene Tatbestände vor, in denen die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel
die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV) oder eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (vgl. auch § 11 Abs. 3 FeV) anordnet oder anordnen
kann. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer
Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Gutachtensanordnung rechtmäßig,
insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist, und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 – juris). Es handelt sich
bei der Anordnung durch die Fahrerlaubnisbehörde um eine vorbereitende Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO und nicht um einen Verwaltungsakt.
Die weitere Auslegung des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, des Zusammenhangs mit anderen Regelungen in § 20a IfSG und der
Sinn und Zweck der Vorschrift lassen nur den Schluss zu, dass die in dieser Vorschrift
begründete Nachweispflicht durch die Behörde nicht durch einen Verwaltungsakt konkretisiert werden sollte, bevor das gesetzlich vorgesehene Betretens- oder Tätigkeitsverbot
nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG durch Verwaltungsakt ausgesprochen wird. Es handelt sich
vielmehr im Hinblick auf das gesetzlich vorgesehene Betretens- oder Tätigkeitsverbot um
eine vorbereitende Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO. Nach dieser
Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig
mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
Bereits die Begründung des Entwurfs der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
FDP eines Gesetzes zur Stärkung der Prävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (Bundestags-Drucksache 20/188, Seite 42) lässt darauf schließen, dass eine Durchsetzung auch der Vorlagepflicht durch Verwaltungsakt nicht beabsichtigt war. Es heißt dort: „Das Gesundheitsamt
kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer
angemessenen Frist vorlegt oder der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht
Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten
Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume
betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. 
 
calando 17.06.2022 13:25
. Aufgrund dieser Rechtsfolge ist von einer zwangsweisen Durchsetzung der ärztlichen Untersuchung abzusehen.“ Entsprechendes muss dann aber wegen der gleichen Rechtsfolge
auch für die Vorlagepflicht gelten.
Gegen eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, die Vorlagepflicht durch Verwaltungsakt
anzuordnen und durchzusetzen, spricht auch die gesetzliche Ausgestaltung der Nachweispflicht. Der Gesetzgeber hat sich bei der sogenannten einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht (§ 20a IfSG) nicht für eine unmittelbar geltende Impfpflicht entschieden. Personen, die in den in § 20a Abs. 1 IfSG aufgeführten Einrichtungen und Unternehmen tätig sind, müssen ab einem bestimmten Zeitpunkt über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügen (§ 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG). Diesen haben sie der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vorzulegen (§ 20a Abs. 2 Satz 1,
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 IfSG). Auf gesonderte Anforderung ist dieser auch dem Gesundheitsamt vorzulegen (§ 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG). Dieses kann, wenn es Zweifel an der
Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des vorlegten Nachweises hat, eine ärztliche Untersuchung anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann (§ 20a Abs. 5 Satz 2 IfSG). Personen, die den geforderten Nachweis der Einrichtungs- oder Unternehmensleitung nicht
vorlegen, dürfen in der entsprechenden Einrichtung bzw. dem entsprechenden Unternehmen nicht tätig oder beschäftigt werden (§ 20a Abs. 3 Sätze 4 und 5 IfSG).
Das Gesundheitsamt kann Personen, die den Nachweis trotz Anforderung nicht vorlegen
oder die der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leisten, das Betreten
oder Tätigwerden in den entsprechenden Einrichtungen oder Unternehmen untersagen
(§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG). Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gesundheitsamts. Dieses Regelungsgefüge spricht dafür, dass § 20a IfSG keine unmittelbare, notfalls mit Verwaltungszwang durchsetzbare Impfpflicht, keinen Impfzwang, statuiert, sondern
durch die an die Nichtbefolgung der Nachweisvorlage- bzw. Untersuchungspflicht anknüpfenden beruflichen Nachteile lediglich einen indirekten Impfdruck erzeugen soll. Wer ungeimpft bleiben will, muss bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 1, § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG) und einem ebenfalls
bußgeldbewehrten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG
genannten Einrichtungen und Unternehmen rechnen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3, § 73
Abs. 1a Nr. 7f IfSG; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, Rn. 114,
juris). Der Gesetzgeber hat die Impfentscheidung für die Betroffenen nicht selbst getroffen,
wie etwa im Fall medizinischer Zwangsbehandlungen oder Zwangsmedikationen von Untergebrachten. 
 
calando 17.06.2022 13:29
Daher besteht das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Selbstbestimmungsrecht zumindest dem Grunde nach fort. 

Es ist jedem von § 20a Abs. 1 IfSG Adressierten grundsätzlich möglich, eine Impfung abzulehnen, wenngleich dies regelmäßig mit
einem nicht unerheblichen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG einhergeht und der Gesetzgeber
den Betroffenen eine insoweit schwierige und mit potentiell weitreichenden Konsequenzen
und konkreten Nachteilen verbundene Entscheidung abverlangt (BVerfG, Beschluss vom
27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, Rn. 221, juris). Im Gegensatz zur geltenden gesetzlichen
Regelung sah der – im Ergebnis vom Deutschen Bundestag am 7. April 2022 abgelehnte –
Gesetzentwurf zur Einführung einer weitergehenden Impfregelung demgegenüber eine
spezielle Vorschrift für die Verwaltungsvollstreckung vor. So sah der zur Abstimmung gestellte Kompromissentwurf in § 54c Infektionsschutzgesetz-Entwurf vor, dass zur Durchsetzung der vorgesehenen Nachweisvorlagepflichten ausschließlich das Zwangsmittel des
Zwangsgeldes zulässig ist und insbesondere die Ersatzzwangshaft oder Erzwingungshaft
ausgeschlossen sind (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Pandemievorsorge durch Aufklärung, verpflichtende Impfberatung und Immunisierung der Bevölkerung gegen SARS-CoV2, BT-Drs. 20/1353, S. 11 ff., § 54c auf S. 22; ausführlich: Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 2022 Zur Vollstreckung in
Bezug auf COVID-10-Impfpflichten – Nachfrage zu WD 3 - 3000 - 199/21 (bundestag.de)).
Solche Vorschriften zur Durchsetzung der Nachweispflicht enthält die Regelung des § 20a
Abs. 5 IfSG gerade nicht.
Darüber hinaus spricht der weitere Regelungszusammenhang der maßgeblichen Vorschrift
des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gegen die Möglichkeit und das Erfordernis, die Vorlage der
erforderlichen Nachweise durch Verwaltungsakt zu verlangen. Für den Fall, dass auf die
Anforderung des Gesundheitsamtes der Vorlagepflicht nicht nachgekommen wird, sieht
§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG die Möglichkeit vor, Betretens- oder Tätigkeitsverbote in Bezug
auf dort benannte Einrichtungen zu erlassen. Dass es sich dabei um Verwaltungsakte handelt, belegt § 20a Abs. 5 Satz 4 IfSG, der für derartige Betretens- oder Tätigkeitsverbote
den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug vorsieht. Für die Anforderung nach § 20a Abs. 5
Satz 1 IfSG ist dies gerade nicht vorgesehen. Insofern spricht schon die Systematik der
Norm dafür, dass allein das Betretens- und Tätigkeitsverbot Maßnahmen mit eigenem Regelungsgehalt darstellen, während die Anforderung eines Nachweises nach § 20a Abs. 5
Satz 1 IfSG vielmehr dazu dient, dem Gesundheitsamt die notwendigen Informationen zur
Kontrolle und Durchsetzung der Nachweispflicht zu beschaffen und insofern vorbereitenden
Charakter hat (VG Hannover, Beschluss vom 11. Mai 2022 – 15 B 1609/22 –, Rn. 12, juris)
 
calando 17.06.2022 13:32
der mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 20 Abs. 5 Satz 4 IfSG verfolgte Beschleunigungszweck würde teilweise vereitelt, wenn die für ein sofort vollziehbares
Betretens- und Tätigkeitsverbot erforderliche Aufforderung zur Vorlage der Nachweise erst
durch einen Verwaltungsakt erfolgen müsste, der dann aber im Gegensatz zum Betretens- und Tätigkeitsverbot nicht schon kraft Gesetzes vorläufig vollziehbar wäre. Ein solch mehrstufiges Verfahren mit aufeinander aufbauenden Verwaltungsentscheidungen, deren sofortige Vollziehbarkeit auch noch unterschiedlich geregelt wäre, würde nicht dem vom Gesetzgeber mit der Regelung des§ 20 Abs. 5 Satz 4 IfSG verfolgten Beschleunigungszweck entsprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf
den § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz
 
calando 17.06.2022 13:34
hörte sich alles erstmal gut an 

doch der letzte Absatz gibt mir schon wieder den Rest
 
calando 17.06.2022 13:45
danke auch von mir Schalömchen

so konnte ich den Artikel jetzt auch bei den kritischen Richtern und Staatsanwälten posten und kommentieren
 
Natali10 17.06.2022 16:11
Danke Calando für die umfangreiche Information. Ist sehr hilfreich!
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