Einübung in Opportunismus
16.02.2022 14:00
Einübung in Opportunismus
16.02.2022 14:00
Einübung in Opportunismus
Einen Nichtschwimmer in tiefes, kaltes Wasser zu werfen, ist
keine gute Methode, ihm das Schwimmen beizubringen.
Aber genau nach dieser Methode
sollen unsere Studenten das
Recht erlernen. Vom ersten
Semester an müssen sie
Prüfungsklausuren schreiben.
Dabei kommt es vor allem darauf
an, dass sie den ersten Abschnitt
ihres Studiums, in dem sie sechs
bis acht Klausuren schreiben
müssen, möglichst schnell absolvieren. Was tut nun ein
Nichtschwimmer im tiefen Wasser? Er greift nach
Strohhalmen. Davon treiben genug auf der
Wasseroberfläche herum. Es sind Anleitungsbücher, wie
man Hausarbeiten und Klausuren nicht gut, sondern
„erfolgreich" schreibt, alphabetisch geordnete Listen von
Definitionen der Begriffe, die in Gesetzen vorkommen, und
Aufbauschemata für die verschiedenen Fallkonstellationen
in allen Rechtsgebieten. Weil diese Bücher möglichst dünn
sein sollen, damit sie unauffällig in jeder Hosen- oder
Jackentasche transportiert werden können, werden die
Definitionen und Aufbauschemata weder erklärt, noch an
Beispielen demonstriert.
Die Studenten lernen sie auswendig, denn vor der
Anwendung jedes Rechtsbegriffs auf einen Einzelfall wird
von ihnen verlangt, dass sie erst einmal die Definition des
Begriffs niederschreiben. Würden sie diese Definitionen
einmal kritisch analysieren, so würden sie merken, dass sie
den Namen Definition nicht verdienen und ihnen bei der
Lösung ihres Falles meistens wenig weiterhelfen. Was nun
die Aufbauschemata betrifft, so vergisst man sie leicht ganz
oder teilweise, wenn man sie nicht verstanden hat, und
wendet sie falsch auf den Fall an. Hat man aber einmal die
Zusammenhänge verstanden, die da schematisch und
stichworthaft dargestellt werden, so wird man keine
Aufbaufehler mehr begehen.
Aber Studenten von heute haben keine Zeit mehr zum
Verstehen. Dazu ist der Stoff, den sie in den ersten
Semestern lernen sollen, viel zu umfangreich. Kritisches
Denken, Interesse an der Sache, wissenschaftliche Neugier
und intellektuelle Freude wird unseren Studenten durch
diesen geistigen Drill schon von Anfang an gründlich
ausgetrieben.
Wer die ersten drei Semester absolviert hat, ist meistens so
verunsichert und geistig entmutigt, dass er gar nicht mehr
versucht, sich zu irgendeinem Rechtsproblem eine eigene
Meinung zu bilden. Umso besser, denn wer keine eigene
Meinung hat, der braucht auch keine zu vertreten und kann
keine verraten. Man richtet sich also danach, was man
glaubt, dass der Professor oder Prüfer oder
Korrekturassistent von einem hören will. Deshalb verlangen
die Studenten von ihren Lehrern, dass sie sie in Klausurtaktik
unterrichten. Diese Klausurtaktik besteht darin, nicht den
einfachsten und überzeugendsten Weg zur Lösung eines
Rechtsfalles zu gehen, sondern denjenigen, der möglichst
viel Gelegenheit bietet, angelerntes Wissen auszubreiten.
Ein bekannter Repetitor macht erfolgreich Reklame mit dem
Slogan: Probleme schaffen, nicht wegschaffen. Man soll eine
Falllösung also so aufbauen, dass einem kein „Problem"
entgeht.
Die Fälle sind nun meistens so konstruiert, dass man dieses
Ziel erreicht, indem man stets der sog. herrschenden Lehre
folgt. Folgt man dagegen gemäß seiner Überzeugung einer
sog. Mindermeinung, so kann die Klausur schnell zu Ende
sein, so dass man wenig Punkte bekommt. Abgesehen
davon wird den Studenten auch mehr oder weniger
unverhohlen klargemacht, dass es für sie am besten ist, stets
der hl zu folgen. Folgen sie dennoch einer sog.
Mindermeinung, so müssen sie das besonders sorgfältig und
gut begründen, während meist ein paar hohle Phrasen
genügen, um die hL zu begründen und gegebenenfalls eine
Minderheitsmeinung schwungvoll abzuschmettern. Das
kostet wenig Zeit und noch weniger Nachdenken und man
bekommt dafür mindestens genauso viele Punkte.
Wenn sich die Studenten danach richten, so ist das noch
kein Opportunismus. Denn in der Klausur geht es ja nicht um
wirkliche Menschen und wirkliches Recht, sondern um
fiktive Personen namens A und B und deren fiktive
Interessen. Was macht es also, wenn man dem fiktiven
Kläger, Beklagten oder Angeklagten nach der eigenen
Rechtsauffassung Unrecht tut? Aber es ist Einübung in
Opportunismus. Wer auf der Universität gelernt hat, nicht
das zu sagen, was er für richtig hält, sondern das, was gut
für ihn ist, wird im späteren Berufsleben wahrscheinlich
nicht anders verfahren. Aufrechte Juristen mit Rückgrat
bildet man jedenfalls so nicht heran. Und wenn es trotz
alledem noch aufrechte Juristen gibt, dann nicht wegen,
sondern trotz ihrer Ausbildung.
von Ingeborg Puppe
Die Autorin ist em. o. Professorin für Strafrecht,
Strafprozessrecht und Rechtstheorie an der Uni Bonn
keine gute Methode, ihm das Schwimmen beizubringen.
Aber genau nach dieser Methode
sollen unsere Studenten das
Recht erlernen. Vom ersten
Semester an müssen sie
Prüfungsklausuren schreiben.
Dabei kommt es vor allem darauf
an, dass sie den ersten Abschnitt
ihres Studiums, in dem sie sechs
bis acht Klausuren schreiben
müssen, möglichst schnell absolvieren. Was tut nun ein
Nichtschwimmer im tiefen Wasser? Er greift nach
Strohhalmen. Davon treiben genug auf der
Wasseroberfläche herum. Es sind Anleitungsbücher, wie
man Hausarbeiten und Klausuren nicht gut, sondern
„erfolgreich" schreibt, alphabetisch geordnete Listen von
Definitionen der Begriffe, die in Gesetzen vorkommen, und
Aufbauschemata für die verschiedenen Fallkonstellationen
in allen Rechtsgebieten. Weil diese Bücher möglichst dünn
sein sollen, damit sie unauffällig in jeder Hosen- oder
Jackentasche transportiert werden können, werden die
Definitionen und Aufbauschemata weder erklärt, noch an
Beispielen demonstriert.
Die Studenten lernen sie auswendig, denn vor der
Anwendung jedes Rechtsbegriffs auf einen Einzelfall wird
von ihnen verlangt, dass sie erst einmal die Definition des
Begriffs niederschreiben. Würden sie diese Definitionen
einmal kritisch analysieren, so würden sie merken, dass sie
den Namen Definition nicht verdienen und ihnen bei der
Lösung ihres Falles meistens wenig weiterhelfen. Was nun
die Aufbauschemata betrifft, so vergisst man sie leicht ganz
oder teilweise, wenn man sie nicht verstanden hat, und
wendet sie falsch auf den Fall an. Hat man aber einmal die
Zusammenhänge verstanden, die da schematisch und
stichworthaft dargestellt werden, so wird man keine
Aufbaufehler mehr begehen.
Aber Studenten von heute haben keine Zeit mehr zum
Verstehen. Dazu ist der Stoff, den sie in den ersten
Semestern lernen sollen, viel zu umfangreich. Kritisches
Denken, Interesse an der Sache, wissenschaftliche Neugier
und intellektuelle Freude wird unseren Studenten durch
diesen geistigen Drill schon von Anfang an gründlich
ausgetrieben.
Wer die ersten drei Semester absolviert hat, ist meistens so
verunsichert und geistig entmutigt, dass er gar nicht mehr
versucht, sich zu irgendeinem Rechtsproblem eine eigene
Meinung zu bilden. Umso besser, denn wer keine eigene
Meinung hat, der braucht auch keine zu vertreten und kann
keine verraten. Man richtet sich also danach, was man
glaubt, dass der Professor oder Prüfer oder
Korrekturassistent von einem hören will. Deshalb verlangen
die Studenten von ihren Lehrern, dass sie sie in Klausurtaktik
unterrichten. Diese Klausurtaktik besteht darin, nicht den
einfachsten und überzeugendsten Weg zur Lösung eines
Rechtsfalles zu gehen, sondern denjenigen, der möglichst
viel Gelegenheit bietet, angelerntes Wissen auszubreiten.
Ein bekannter Repetitor macht erfolgreich Reklame mit dem
Slogan: Probleme schaffen, nicht wegschaffen. Man soll eine
Falllösung also so aufbauen, dass einem kein „Problem"
entgeht.
Die Fälle sind nun meistens so konstruiert, dass man dieses
Ziel erreicht, indem man stets der sog. herrschenden Lehre
folgt. Folgt man dagegen gemäß seiner Überzeugung einer
sog. Mindermeinung, so kann die Klausur schnell zu Ende
sein, so dass man wenig Punkte bekommt. Abgesehen
davon wird den Studenten auch mehr oder weniger
unverhohlen klargemacht, dass es für sie am besten ist, stets
der hl zu folgen. Folgen sie dennoch einer sog.
Mindermeinung, so müssen sie das besonders sorgfältig und
gut begründen, während meist ein paar hohle Phrasen
genügen, um die hL zu begründen und gegebenenfalls eine
Minderheitsmeinung schwungvoll abzuschmettern. Das
kostet wenig Zeit und noch weniger Nachdenken und man
bekommt dafür mindestens genauso viele Punkte.
Wenn sich die Studenten danach richten, so ist das noch
kein Opportunismus. Denn in der Klausur geht es ja nicht um
wirkliche Menschen und wirkliches Recht, sondern um
fiktive Personen namens A und B und deren fiktive
Interessen. Was macht es also, wenn man dem fiktiven
Kläger, Beklagten oder Angeklagten nach der eigenen
Rechtsauffassung Unrecht tut? Aber es ist Einübung in
Opportunismus. Wer auf der Universität gelernt hat, nicht
das zu sagen, was er für richtig hält, sondern das, was gut
für ihn ist, wird im späteren Berufsleben wahrscheinlich
nicht anders verfahren. Aufrechte Juristen mit Rückgrat
bildet man jedenfalls so nicht heran. Und wenn es trotz
alledem noch aufrechte Juristen gibt, dann nicht wegen,
sondern trotz ihrer Ausbildung.
von Ingeborg Puppe
Die Autorin ist em. o. Professorin für Strafrecht,
Strafprozessrecht und Rechtstheorie an der Uni Bonn
Kommentare
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calando 16.02.2022 14:09
ich habe das wegen der Frage in Sausewinds Blog gepostet
(Nutzer gelöscht) 16.02.2022 14:35
Aufschlussreicher Text - Danke dafür, Calando!
Ich frag mich, ob es im Medizinstudium genauso abläuft....?
Ist doch generell auf Schulen schon so, das derjenige die besten Karten hat, der einfach nur das Vorgegebene auswendig lernen, behalten und wiedergeben kann.
Wegen nichts anderem konnte sich doch, von geistig unguter Seite inspirierte, Evolutionstheorie in den Köpfen der Menschen als eine "wahre Tatsächlichkeit" festsetzen.
Ich frag mich, ob es im Medizinstudium genauso abläuft....?
Ist doch generell auf Schulen schon so, das derjenige die besten Karten hat, der einfach nur das Vorgegebene auswendig lernen, behalten und wiedergeben kann.
Wegen nichts anderem konnte sich doch, von geistig unguter Seite inspirierte, Evolutionstheorie in den Köpfen der Menschen als eine "wahre Tatsächlichkeit" festsetzen.
schaloemchen 16.02.2022 16:34
UMerziehung der Stundenten und Kinder läuft auf Hochtouren
sie sind die Zukunft
sie werden das Morgen gestalten oder spuren
ps
spuren ist Klaus Schwab und Co. sicher lieber 😭
sie sind die Zukunft
sie werden das Morgen gestalten oder spuren
ps
spuren ist Klaus Schwab und Co. sicher lieber 😭
Herbstprince 16.02.2022 17:28
Unser Staat hat schon lange für die Bildung kein Geld gehabt. Ich habe mal gehört, ein Jurist kostet den Staat für das Studium angeblich ca. 30.000,00 €, ein Medizinstudent € 200.000,00 und mehr.
Deswegen sind die Medizinstudienplätze schon seit vielen Jahren von der Pharma gesponsert worden... und was sie lernen sie dann ? Wie gut die Medikamente sind.
Ich will niemand schlecht machen und wir brauchen Ärzte, wie Chirurgen, Zahnärzte , Gynäkologen etc. und diese mchen ihren guten Job. Aber das Verschreiben von Medikamenten hat schon seinen Grund und die Pharmagläubigkeit auch.
Deswegen sind die Medizinstudienplätze schon seit vielen Jahren von der Pharma gesponsert worden... und was sie lernen sie dann ? Wie gut die Medikamente sind.
Ich will niemand schlecht machen und wir brauchen Ärzte, wie Chirurgen, Zahnärzte , Gynäkologen etc. und diese mchen ihren guten Job. Aber das Verschreiben von Medikamenten hat schon seinen Grund und die Pharmagläubigkeit auch.
EchtePerle 16.02.2022 18:20
@Nanouk 16.02.22 14.35 Uhr 👍
Dabei sagt schon die Bezeichnung selbst, was es ist:
Eine Evolutions- Theorie!
Dabei sagt schon die Bezeichnung selbst, was es ist:
Eine Evolutions- Theorie!
(Nutzer gelöscht) 16.02.2022 20:20
Wer aktuell in Deutschland seine Berufung als Arzt leben muss, hat es wahrlich nicht einfach ...
(Nutzer gelöscht) 16.02.2022 21:40
calando 20:54:
Gilt natürlich auch so für viele andere Länder.
Ich stelle mal die Frage anders herum:
Ist aktuell in Deutschland ein Arzt erwünscht, dem es wirklich um die Gesundheit seiner Patienten geht ?
Wie schaut denn aktuell die Bezahlung durch die Krankenkassen aus ? Wofür bekommt ein Arzt wirklich Geld ?
Für die Beratung bekommt der Arzt von der Krankenkasse gerade mal 5 bis 7 Minuten bezahlt. Für eine passende Beratung wäre aber sicher in vielen Fällen ein längerer Zeitraum notwendig.
Geld gibt es für die Verschreibung von Medikamenten, für Impfungen und für Gerätemedizin.
Besonders lukrativ sind sicher Impfungen, aber möglichst ohne Beratung, die nur unnötig Zeit kostet ...
Am meisten ist mit chronisch kranken Menschen verdient ...
Da gibt es ja so ein alt bekanntes Zitat glaube von Eugen Roth:
"Was bringt den Doktor um sein Geld? Die Gesundheit und der Tod.
Darum hält er ihn, auf das er lebe, zwischen beidem in der Schwebe."
Würde der Arzt dafür bezahlt, das er einem Menschen wirklich wieder zur vollständigen Gesundheit verhilft, was ja eigentlich die Aufgabe und Berufung eines Arztes wäre, dann hätten wir hier andere Zustände.
Schöne positive Beispiele sind hier sicher zum Beispiel Mannschaftsarzt bei einem Fußballverein. Es geht für den Arzt darum, dass ein kranker Spieler möglichst schnell wieder einsatzfähig ist. In unserer Gesellschaft ist aber hier genau das Gegenteil davon der Fall. Ein Arzt verdient dann das meiste Geld mit einem Menschen, wenn er sich diesen möglichst lange chronisch krank hält ...
Gilt natürlich auch so für viele andere Länder.
Ich stelle mal die Frage anders herum:
Ist aktuell in Deutschland ein Arzt erwünscht, dem es wirklich um die Gesundheit seiner Patienten geht ?
Wie schaut denn aktuell die Bezahlung durch die Krankenkassen aus ? Wofür bekommt ein Arzt wirklich Geld ?
Für die Beratung bekommt der Arzt von der Krankenkasse gerade mal 5 bis 7 Minuten bezahlt. Für eine passende Beratung wäre aber sicher in vielen Fällen ein längerer Zeitraum notwendig.
Geld gibt es für die Verschreibung von Medikamenten, für Impfungen und für Gerätemedizin.
Besonders lukrativ sind sicher Impfungen, aber möglichst ohne Beratung, die nur unnötig Zeit kostet ...
Am meisten ist mit chronisch kranken Menschen verdient ...
Da gibt es ja so ein alt bekanntes Zitat glaube von Eugen Roth:
"Was bringt den Doktor um sein Geld? Die Gesundheit und der Tod.
Darum hält er ihn, auf das er lebe, zwischen beidem in der Schwebe."
Würde der Arzt dafür bezahlt, das er einem Menschen wirklich wieder zur vollständigen Gesundheit verhilft, was ja eigentlich die Aufgabe und Berufung eines Arztes wäre, dann hätten wir hier andere Zustände.
Schöne positive Beispiele sind hier sicher zum Beispiel Mannschaftsarzt bei einem Fußballverein. Es geht für den Arzt darum, dass ein kranker Spieler möglichst schnell wieder einsatzfähig ist. In unserer Gesellschaft ist aber hier genau das Gegenteil davon der Fall. Ein Arzt verdient dann das meiste Geld mit einem Menschen, wenn er sich diesen möglichst lange chronisch krank hält ...