„Menschliches Versagen“
29.01.2022 10:58
„Menschliches Versagen“
29.01.2022 10:58
„Menschliches Versagen“
Denn dem Menschen, der vor ihm wohlgefällig ist, gibt er Weisheit und Erkenntnis und Freude.
Dem Sünder aber gibt er das Geschäft einzusammeln und aufzuhäufen, um es dem abzugeben, der vor Gott wohlgefällig ist.
Auch das ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind. (Prediger 2:26, Elb)
„Menschliches Versagen“
„Menschliches Versagen“, wie es manchmal nach einem Unfall heißt, ist eine Lebenswirklichkeit, der wir nicht entgehen können. Wenn wir diese Realität ernst nehmen, werden wir in unserem Urteilen vorsichtiger und in unserem Verhalten barmherziger sein. Die Akzeptierung des Tragischen in unserem menschlichen Dasein macht uns menschlicher. Es wäre auch ein Kriterium für religiöse Erziehung, ob sie uns menschlicher macht!
Der Tod bleibt trotzdem aller Erkärungen und Deutungen noch immer das letzte Rätzel des Lebens. Ist er das Ende oder ein Übergang in eine andere Wirklichkeit? Ist er notwendig oder naturwidrig? Ist er eine Panne im Leben, die repariert werden müßte, oder erfüllt sich im Tod vielleicht ein letzter Sinn? Jede Religion hat ihre spezifische Antwort auf diese sogenannten letzten Fragen. Wichtig ist beim Gedanken an den Tod nicht nur die Frage nach seiner Bedeutung, sondern auch die nach der Vorbereitung auf das Sterben. Müssen wir diesen Abschnitt des Lebens als peinlich empfinden und verdrängen und die Sterbenden als Störung der Gesellschaft aussperren? Muß der Tod, weil er lebensfeindlich ist, so weit wie möglich hinausgeschoben werden, wie es der Eid von unseren Ärzten verlangt? In seinem Psalm des Alten Testamentes werden wir aufgefordert, unserer Sterblichkeit zu gedenken und dadurch Klugheit zu erlangen.
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (Ps 90:12, Luther)
Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen!
(Ps 90:12, Schlacher)
Tue mir kund, HERR, mein Ende und welches das Maß meiner Tage ist, damit ich erkenne, wie vergänglich ich bin! (Ps 39:5, Elb)
Die Verdrängung des Todes und des Sterbens aus unserem gesellschaftlichen Leben ist sicher nicht sehr klug. Sterben muß gelernt werden, wenn es nicht nur angst machen soll. Wichtig ist dabei aber die Entdeckung, daß der Prozeß des Sterbens nicht erst unmittelbar vor dem Tod beginnt, sondern ein dauernder Prozeß ist, der überhaupt erst in die Fülle des Lebens Eingang verschafft. Jede Angst hat es irgendwo auch mit dem Sterben zu tun, und umgekehrt ist dieselbe Angst auch immer eine Angst vor dem Leben, denn Leben ist mit Risiko verbunden. Wer nicht risikofreudig ist, wird auch nicht voll zur Lebensfreude durchdringen. Diese Haltung aber ist Mutsache. Erst wenn ich bereit bin, das Leben zu riskieren, das heißt den Tod in Betracht zu ziehen, komme ich in den vollen Genuß des Lebens. Das beginnt mit dem Risiko der Schwangerschaft und Geburt und wird jedesmal wieder erlebt, wo ein neuer Lebensabschnitt, ein Neuanfang, zu wagen ist.
Wie hilfreich und befreiend ist da eine Frömmigkeit, die mit einem Gott in Verbindung bringt, der über Leben und Tod Herr ist, bei dem auch die Verstorbenen lebendig sind, und die Lebenden nicht ängstlich besorgt sein müssen, daß ihnen ja nichts zustößt. Es gibt so viel biologisches Leben bei Menschen, das eigentlich als tot zu bezeichnen ist, weil es kein Vertrauen mehr wagt und alle Energie darauf verwendet, versichert zu sein. Zu sehr um seine Gesundheit besorgt zu sein ist auch eine Krankheit!
Die apokalyptischen Vorstellungen vom Ende der Welt sind Gegenstand vieler religiöser Diskussionen. Inzwischen hat sich Apokalyptik auch in der Politik zu einem Begriff entwickelt. Auch da hören wir von schrecklichen Dingen im Blick auf das mögliche Ende der Welt. Hier ist sicher keine Vogel-Strauß-Haltung am Platze. Die Möglichkeit, ja fast schon die Wahrscheinlichkeit eines katastrophalen Endes ist allen sehr nahe und erscheint viel wahrscheinlicher als die Bilder der Hoffnung.
Neben den religiösen Apokalyptikern, besonders auch im christlichen Lager, erscheinen die immer noch Hoffnungsvollen, an ein Wunder der Umkehr Glaubenden wie Naive und Blinde, die sich der Wirklichkeit nicht stellen wollen. Die Alternative zwischen beidem ist aber auch nicht die einzig mögliche Haltung gegenüber der Zukunft. Weder blinder Optimismus noch destruktive Weltuntergangsstimmung entsprechen einem Glauben, der die Welt als Schöpfung Gottes versteht. Die Möglichkeit des Unheils zu sehen und ernst zu nehmen ist eine Komponente der Wirklichkeit. Die andere Seite ist aber das Vertrauen zum Schöpfer und zu seinen Geschöpfen, denen er diese Erde anvertraut hat. Es ist ein Vertrauen in die Gaben und Kräfte und in die Entschlossenheit, sie einzusetzen, um das Unvorstellbare zu verhindern und eine Zukunft zu beginnen, die rettend ist.
Der Schöpfer ist nicht der Abwesende, der seinen Untertanen die Aufgabe der Bewahrung und Erhaltung anvertraut hat und selbst unwirksam bleibt. Nach christlicher Lehre ist der Schöpfer gegenwärtig in der Kraft seines Geistes. Er ist geistesgegenwärtig in allen, die sich für das Leben einsetzen. Der Glaube an den Retter schließt gerade diejenigen ein, die sich als Menschen des Friedens und der Hoffnung für diese Welt einspannen lassen – in das schwierige Unternehmen, die unterschiedlichen Wege der Hoffnung zusammenzusehen und andere nicht auszuschließen oder sie zu verdächtigen. Ein weltumspannender Glaube kann sich nicht zufriedengeben mit der Rettung einer Teilwelt oder einiger Auserwählter. Das Evangelium, das im Neuen Testament berichtet wird, beginnt mit seiner Botschaft des Friedens für die ganze Erde und setzt in den Herzen der Menschen an, die guten Willens sind.
…
(Wilhard Becker, „Glaube in wachsenden Ringen“, 1987)
Dem Sünder aber gibt er das Geschäft einzusammeln und aufzuhäufen, um es dem abzugeben, der vor Gott wohlgefällig ist.
Auch das ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind. (Prediger 2:26, Elb)
„Menschliches Versagen“
„Menschliches Versagen“, wie es manchmal nach einem Unfall heißt, ist eine Lebenswirklichkeit, der wir nicht entgehen können. Wenn wir diese Realität ernst nehmen, werden wir in unserem Urteilen vorsichtiger und in unserem Verhalten barmherziger sein. Die Akzeptierung des Tragischen in unserem menschlichen Dasein macht uns menschlicher. Es wäre auch ein Kriterium für religiöse Erziehung, ob sie uns menschlicher macht!
Der Tod bleibt trotzdem aller Erkärungen und Deutungen noch immer das letzte Rätzel des Lebens. Ist er das Ende oder ein Übergang in eine andere Wirklichkeit? Ist er notwendig oder naturwidrig? Ist er eine Panne im Leben, die repariert werden müßte, oder erfüllt sich im Tod vielleicht ein letzter Sinn? Jede Religion hat ihre spezifische Antwort auf diese sogenannten letzten Fragen. Wichtig ist beim Gedanken an den Tod nicht nur die Frage nach seiner Bedeutung, sondern auch die nach der Vorbereitung auf das Sterben. Müssen wir diesen Abschnitt des Lebens als peinlich empfinden und verdrängen und die Sterbenden als Störung der Gesellschaft aussperren? Muß der Tod, weil er lebensfeindlich ist, so weit wie möglich hinausgeschoben werden, wie es der Eid von unseren Ärzten verlangt? In seinem Psalm des Alten Testamentes werden wir aufgefordert, unserer Sterblichkeit zu gedenken und dadurch Klugheit zu erlangen.
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (Ps 90:12, Luther)
Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen!
(Ps 90:12, Schlacher)
Tue mir kund, HERR, mein Ende und welches das Maß meiner Tage ist, damit ich erkenne, wie vergänglich ich bin! (Ps 39:5, Elb)
Die Verdrängung des Todes und des Sterbens aus unserem gesellschaftlichen Leben ist sicher nicht sehr klug. Sterben muß gelernt werden, wenn es nicht nur angst machen soll. Wichtig ist dabei aber die Entdeckung, daß der Prozeß des Sterbens nicht erst unmittelbar vor dem Tod beginnt, sondern ein dauernder Prozeß ist, der überhaupt erst in die Fülle des Lebens Eingang verschafft. Jede Angst hat es irgendwo auch mit dem Sterben zu tun, und umgekehrt ist dieselbe Angst auch immer eine Angst vor dem Leben, denn Leben ist mit Risiko verbunden. Wer nicht risikofreudig ist, wird auch nicht voll zur Lebensfreude durchdringen. Diese Haltung aber ist Mutsache. Erst wenn ich bereit bin, das Leben zu riskieren, das heißt den Tod in Betracht zu ziehen, komme ich in den vollen Genuß des Lebens. Das beginnt mit dem Risiko der Schwangerschaft und Geburt und wird jedesmal wieder erlebt, wo ein neuer Lebensabschnitt, ein Neuanfang, zu wagen ist.
Wie hilfreich und befreiend ist da eine Frömmigkeit, die mit einem Gott in Verbindung bringt, der über Leben und Tod Herr ist, bei dem auch die Verstorbenen lebendig sind, und die Lebenden nicht ängstlich besorgt sein müssen, daß ihnen ja nichts zustößt. Es gibt so viel biologisches Leben bei Menschen, das eigentlich als tot zu bezeichnen ist, weil es kein Vertrauen mehr wagt und alle Energie darauf verwendet, versichert zu sein. Zu sehr um seine Gesundheit besorgt zu sein ist auch eine Krankheit!
Die apokalyptischen Vorstellungen vom Ende der Welt sind Gegenstand vieler religiöser Diskussionen. Inzwischen hat sich Apokalyptik auch in der Politik zu einem Begriff entwickelt. Auch da hören wir von schrecklichen Dingen im Blick auf das mögliche Ende der Welt. Hier ist sicher keine Vogel-Strauß-Haltung am Platze. Die Möglichkeit, ja fast schon die Wahrscheinlichkeit eines katastrophalen Endes ist allen sehr nahe und erscheint viel wahrscheinlicher als die Bilder der Hoffnung.
Neben den religiösen Apokalyptikern, besonders auch im christlichen Lager, erscheinen die immer noch Hoffnungsvollen, an ein Wunder der Umkehr Glaubenden wie Naive und Blinde, die sich der Wirklichkeit nicht stellen wollen. Die Alternative zwischen beidem ist aber auch nicht die einzig mögliche Haltung gegenüber der Zukunft. Weder blinder Optimismus noch destruktive Weltuntergangsstimmung entsprechen einem Glauben, der die Welt als Schöpfung Gottes versteht. Die Möglichkeit des Unheils zu sehen und ernst zu nehmen ist eine Komponente der Wirklichkeit. Die andere Seite ist aber das Vertrauen zum Schöpfer und zu seinen Geschöpfen, denen er diese Erde anvertraut hat. Es ist ein Vertrauen in die Gaben und Kräfte und in die Entschlossenheit, sie einzusetzen, um das Unvorstellbare zu verhindern und eine Zukunft zu beginnen, die rettend ist.
Der Schöpfer ist nicht der Abwesende, der seinen Untertanen die Aufgabe der Bewahrung und Erhaltung anvertraut hat und selbst unwirksam bleibt. Nach christlicher Lehre ist der Schöpfer gegenwärtig in der Kraft seines Geistes. Er ist geistesgegenwärtig in allen, die sich für das Leben einsetzen. Der Glaube an den Retter schließt gerade diejenigen ein, die sich als Menschen des Friedens und der Hoffnung für diese Welt einspannen lassen – in das schwierige Unternehmen, die unterschiedlichen Wege der Hoffnung zusammenzusehen und andere nicht auszuschließen oder sie zu verdächtigen. Ein weltumspannender Glaube kann sich nicht zufriedengeben mit der Rettung einer Teilwelt oder einiger Auserwählter. Das Evangelium, das im Neuen Testament berichtet wird, beginnt mit seiner Botschaft des Friedens für die ganze Erde und setzt in den Herzen der Menschen an, die guten Willens sind.
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(Wilhard Becker, „Glaube in wachsenden Ringen“, 1987)
Kommentare
(Nutzer gelöscht) 29.01.2022 13:46
Das ist ein wirklich guter Beitrag zu einem wichtigen Thema. Menschen versagen. So mancher denkt in seinem Herzen: DAS HABE NICHT GEWOLLT. Das nennt man wohl Reue. Auch gläubige Christen versagen. Wer es sich eingesteht und wem es leid tut, der geht barmherziger mit anderen um. Für Menschen, die an ihre Grenzen kommen, ist Gott Hoffnung, denn Gottes Geist bewirkt Erneuerung. Niemand muss verzweifeln, wenn er versagt.