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"Habe Geduld mit dir und andern..."

"Habe Geduld mit dir und andern..."
„Höhe- und Tiefpunkte im Leben“

Wer das Meer kennt, der weiß, daß die Flut nicht an einem stetigen Steigen des Wassers zu erkennen ist, sondern daß die eine Welle, die das Land berührt, zurückfließt und von der nächsten überholt wird. Auch sie fließt wieder zurück, um von der dritten überholt zu werden. - Unser Glaubensleben wächst in ähnlichen Intervallen. Wichtig sind nicht die Höhen- bzw. Tiefpunkte unseres Lebens, - wichtig ist allein die Tendenz: Zeigt unser Glaubensleben bei allem Auf und Ab eine Tendenz nach oben, zum Wachsen, oder eine Tendenz zum Abstieg? Krisen und Krankheit, Rückschlag und Enttäuschung gehören genauso lebensnotwendig zum geistlichen Wachstum wie Wind und Regen zum Reifen der Frucht. Deshalb: „Habe Geduld mit dir und andern; laß dich durch Höhepunkte nicht täuschen und durch Niederlagen nicht entmutigen.“
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Ähnliches gibt es auch im Glaubensleben. Der Neubekehrte möchte gern auf der Höhe der Gefühle bleiben, die er bei seiner Bekehrung erlebt hat. Es sagt ihm vielleicht auch keiner, daß zum geistlichen Wachstum Arbeit und noch einmal Arbeit, Disziplin und Zucht gehören, daß Bibelstudium und Beten keine Angelegenheit der Lust und des Bedürfnisses sind, sondern notwendige Arbeiten, die zum Wachstum gehören. Der Teufel will uns einreden, daß das echte Glaubensleben sich auf den Wogen des „Immer fröhlich, immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein“ bewegt. Was wären das für kraft- und saftlose Christen, die nur ein solches Sonnenscheinleben kennen würden! Anfechtung, Zweifel, Widerstand gehören genauso zu unserm Glaubensleben wie nicht erhörte Gebete und Mißerfolge trotz fleißigen Arbeitens. Die Apostel und der Herr Jesus selbst sprechen im Neuen Testament mit einer großen Selbstverständlichkeit von Kampf und Leiden, genauso wie sie auch selbstverständlich vom Sieg und von der Frucht sprechen.

Bei den meisten beginnt das Glaubensleben auf der Ebene des Gefühls. Es beginnt mit dem Gefühl der Verlorenheit und geht hin zu dem Gefühl des Gerettetseins, des Glücks, der Geborgenheit, der Liebe. Bleibt unser Glaubensleben aber auf dieser Ebene, ist es hinfällig, kurzlebig, abhängig von Menschen, abhängig vom Erfolg, abhängig von guten oder schlechten Gefühlen. - Bei manchen beginnt das Glaubensleben im Gedanklichen, oder es wächst aus dem Gefühl heraus in die Ebene des Denkens. Es können glückhafte Stunden sein, in denen uns neues, tiefes Erkennen geschenkt wird und wir verstehen, was Gott will. Auch Sündenerkenntnis und Selbsterkenntnis sind ja Vorgänge, die zunächst einmal in unserem Denken verankert liegen. Bleibt aber unser Glaube auf dieser Basis stehen, werden wir auf die Dauer eingebildet und problematisch. Wir werden unzuverlässig, weil wir nur noch das tun, was wir verstehen. Der echte Glaube will den Willen erreichen. Jesus hat seine Jünger nicht gefragt, ob sie sich gerufen „fühlten“, sondern er hat sie gefragt: „Wer will mir nachfolgen?“ Der Wille kann da sein, auch wenn das Gefühl aussetzt; der Wille kann vorwärts gehen, auch wenn der Verstand noch im Dunkeln ist oder gar nein sagt. Erst wenn unser Glaube auf dieser Ebene verankert ist, werden wir aus den großen Schwankungen herauskommen und fähig sein, auch in Krisen stabil zu bleiben. Erst dann werden wir für Gott und Menschen zuverlässig. Erst dann beginnt die Selbstbeherrschung. Deswegen ist die bewußte Auslieferung unseres Willens ein so wesentlicher Faktor unserer Hingabe an Gott.

Zum rechten geistlichen Wachstum gehört auch die Fähigkeit des Loslassen-könnens. Wer an seiner bisherigen Erfahrung festhält und nicht bereit ist, neue Erfahrungen zu machen, wird in seinem Wachstum stehenbleiben. Genauso wichtig ist es aber auch, Menschen loslassen zu können. Auch in der Seelsorge haben wir nur einen zeitbegrenzten Auftrag aneinander. Es wird uns wohl niemand durch sämtliche Entwicklungs- und Altersstufen des Glaubens hindurchführen. Wir werden immer wieder in den Enflußbereich und unter die Prägung verschiedener Vorbilder kommen, um weiterzuwachsen. Es ist verkehrt und unrecht, sein geistliches Kind zu stark an sich zu binden. Genauso verkehrt wäre es, sich krampfhaft an einen Seelsorger zu klammern. Hier soll natürlich nicht dem ständigen Wechsel des Seelsorgers das Wort geredet werden, sondern es geht um ein gesundes Weiterwachsen.

Dasselbe finden wir in allen anderen Lebensbereichen auch. Ein Klavierlehrer wird seinen Schüler auch nur bis zu einem bestimmten Reifegrad erziehen können, um ihn dann an einen besseren Meister abzugeben.

Das Loslassen ist darum auch in der Gemeinde- und Missionsarbeit nötig. Wie wichtig ist es, daß ein Prediger nach einiger Zeit die Gemeinde wechselt – für ihn selbst, aber auch für das Wachstum der Gemeinde. Der Anfänger wird zwar leicht der Gefahr unterliegen, sich einzubilden, daß mit seinem Kommen, mit seiner Arbeit eine neue Ära der Gemeindegeschichte begonnen habe. Diesem Trugschluß kann auch eine Mannschaft erliegen. Deshalb gehört zu einer gesunden Selbstkritik auch der Mut, nach einer Woche die Arbeit loszulassen, um sie dem Herrn der Ernte anheimzustellen, der für das weitere Wachstum sorgt. Es gibt so viel falsches Verantwortungsbewußtsein im Reiche Gottes!

Gleiche Erfahrungen machen auch Eltern mit ihren Kindern. Wie gern möchten Eltern ihre Kinder allein erziehen und prägen. Und doch gehört es zur gesunden Entwicklung, daß die Kinder von den Miterziehern in Schule, Beruf, Umwelt und Gemeinde miterzogen werden und daß sie sich in der Reifezeit mehr und mehr vom Elternhaus lösen. Wie viele Eltern wollen ihre Kinder mit Gewalt an sich binden und machen sie dadurch unmündig. Sie hindern sogar ihre gesunde Entwicklung. Gerade hier sind Vertrauen, Geduld und Warten-können so entscheidend. Wir sind als Menschen nicht in der Lage, die Verantwortung zu tragen, aber wir sind verantwortlich dafür, unsere Sorge Gott zu überlassen, damit er die Verantwortung übernimmt.

In der Geduld liegt auch die Fähigkeit zur Hingabe. Sie ist das Ziel geistlichen Wachstums, die Loslösung und Erlösung von unserem Selbst. Sie bewirkt eine immer engere Bindung an Gott. Oder anders ausgedrückt: Ziel des Reifens ist das Unabhängigwerden von den zeit- und naturbedingten Schwankungen unseres Gefühls, unseres Körpers sowie aller materiellen Dinge um uns herum und das alleinige Abhängigwerden von IHM, der sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15:5)

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.

Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.

Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen. (Joh 15:5-7, Elb)

(Wilhard Becker, „Angriff der Liebe“, 1963)

Kommentare

 
Zeitzeuge 19.12.2021 13:22
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