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„Staunen und nicht verachten!“

„Staunen und nicht verachten!“
„Staunen und nicht verachten!“

Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch!


Seid freundlich im Umgang mit allen Menschen; ihr wisst ja, dass das Kommen des Herrn nahe bevorsteht. (Phil 4:4-5.NGÜzwinkerndes Smiley

Wir müssen es in Zukunft lernen, mit Gegensätzen zu leben, sie aber nicht nur zu ertragen, sondern sie als notwendig, als lebensnotwendig zu betrachten. Es ist für uns alle neu, den anderen im einzelnen und die anderen als Gruppe oder Konfession nicht nur zu tolerieren, sondern als notwendig zu empfinden. Wir müssen endlich damit anfangen, unsere Waffen, zu denen wir unsere Erkenntnisse geschmiedet haben, abzugeben. Dieser totale Verzicht aufs Kämpfen muß sicher mühevoll und demütig gelernt werden; wir müssen lernen, über die Andersartigkeit zu staunen und sie nicht zu verachten. Den anderen anzuhören, ohne schon beim Zuhören die Gegenargumente zu sammeln, ist eine schwere Kunst. Die eigene Erkenntnis und Meinung so vorzutragen, daß sie nicht polemisch klingt, erfordert viel Bescheidenheit und Zurückhaltung.

Wir müssen die Formulierungen, mit denen wir  unsere Erkenntnis und unseren Auftrag bezeichnet haben, genau überprüfen und alle darin versteckte Anmaßung und Überheblichkeit ausmerzen. Diese Haltung wird am Anfang wie eine Hilflosigkeit empfunden. Früher standen wir uns auf einem Podest gegenüber: gewappnet, wachsam und zum Schlagabtausch bereit. Die Mißerfolge des anderen erzeugten ein Gefühl heimlicher Schadenfreude und waren uns eine Bestätigung für seine Verkehrtheit und für unser Rechthaben. Es ist unsere Aufgabe, dieses Podest zu verlassen und uns auf die Ebene der Liebe und Demut zu begeben und einander kennenzulernen – nicht wie wir den anderen gesehen haben, sondern wie er sich selbst versteht.

In vielen Diskussionen und theologischen Gesprächen hin und her über die Zäune haben wir erlebt, wie ungeschickt wir noch bei diesen Lernprozeß sind. Immer wieder bricht das alte Wesen der Rechthaberei, der Überlegenheit durch. Immer wieder freut uns der eigene Erfolg, immer wieder gehen wir, wenn der andere mundtot gemacht ist, mit innerem Triumph nach Hause. Wir fühlen uns geradezu gönnerhaft, wenn wir dem anderen zugestehen, daß er unser „Bruder“ ist oder wenn wir ihn auch als Christen anerkennen; wieweit sind wir davon entfernt, ihn als Geschenk Gottes und als notwendige Ergänzung anzunehmen!

Eine Hauptschwierigkeit zur Verständigung liegt in der Sprache. Wer einmal in die DDR fährt merkt, daß dort zwar auch deutsch gesprochen wird, aber viele Begriffe einen andern Inhalt haben. Wenn dies schon nach 25 Jahren Trennung so ist, wieviel größer muß der Unterschied sein, wo seit mehr als 450 Jahren eine höhere Mauer als diejenige, die Deutschland teilt, evangelisches und katholisches Glaubensgut voneinander trennt. Daß wir eine gemeinsame Sprache sprechen, besagt nichts, weil jeder unter dem, was er sagt, etwas anderes versteht. Stundenlange Diskussionen lösen sich zum Schluß in Wohlgefallen auf, weil man plötzlich merkt, daß man etwas völlig anderes gemeint hat, als der andere dauernd verstand.

Auch das gehört zum Abliefern der Waffen, daß bei Meinungsunterschieden zunächst einmal die Vermutung aufkommen muß, daß es sich nur um Unterschiede in der Verständigung handelt, aber noch nicht das betrifft, was wir geigentlich meinen. Alle Begriffe, die im freikirchlichen Raum geläufig sind, wie z.B. Bekehrung, gläubig, wiedergeboren, Gemeinde usw. erwecken bei Gliedern anderer Konfessionen zum Teil völlig andere Vorstellungen. Dies gilt umgekehrt für viele Begriffe der traditionellen Großkirchen.

Waffen abliefern heißt auch Vorurteile abgeben. Ganz allgemein sind wir gern bereit, zuzugeben, daß wir Vorurteile haben. Im speziellen Fall aber sind wir ganz sicher, daß unsere Meinung über den anderen sachlich richtig ist. Wenn wir mehr Humor hätten, könnten wir öfter lachen über die komischen Vorstellungen, die wir voneinander haben. Es ist geradezu zu einer Unsitte ausgeartet, daß Christen übereinander Notizen, Berichte, Broschüren, ja sogar Bücher schreiben, ohne je miteinander gesprochen zu haben. Wenn der Beschriebene dann liest, wer er ist und was er alles gesagt und getan haben soll, ist das sicher manchmal zum Lachen, viel öfter aber wohl zum Weinen.

Auch unsere Abneigungen sind als Waffen abzuliefern. Die Art der Frömmigkeit, die wir lieben, und häufig auch die Bereiche der Erkenntnis, die wir hochschätzen, sind vielfach Geschmackssache. Dem einen liegt das kontemplative, verinnerlichte Leben vor Gott – eine Frömmigkeit, die als Mittelpunkt das Kämmerlein hat, und die aller äußeren Betriebsamkeit abhold, jegliche Aktivität als ungeistlich verdächtigt; der andere ist mit Leib und Seele im Dienst, hat eine brennende Liebe zu den Verlorenen und nutzt jede Gelegenheit, ihnen von Jesus und der Möglichkeit der Rettung zu sagen. Wieder ein anderer ist engagiert in einer sozialen Verantwortung und weiß, daß Menschen, die verhungern, nicht große Worte, sondern verantwortliches Handeln brauchen. Wenn wir doch nur einsehen könnten, daß diese Unterschiede Typfragen sind! Wie jammervoll, wenn es nur einen Typ gäbe, und wie schrecklich, wenn jeder alles sein müßte! Wenn uns aber beim anderen etwas mißfällt, müssen wir prüfen, ob das nicht aus einer Abneigung kommt, die von unserem Typ bestimmt wird.

Die letzten Waffen, die abzuliefern sind, heißen Selbstsicherheit und Rechthaberei. Daß ein neubekehrter Christ den Kreis, der ihn gewonnen hat, als den einzig richtigen und besten anerkennt, werden wir ihm sicher gern zugestehen. Wer aber in der Länge seines geistlichen Lebens nur seinen Kreis kennt und nicht merkt, daß das Reich Gottes größer ist als das, was er bisher erkannt hat, ist sicher nicht als mündiger Christ anzusehen. Daß jeder Pastor versucht, seine Schäfchen zusammenzuhalten, ist auch verständlich, zumal wenn seine finanzielle Existenz von ihrer Zahl abhängig ist. Auch ständige Grenzgängerei ist gewiß nicht zu unterstützen; es ist aber nötig, daß jeder im Laufe seiner geistlichen Entwicklung auch andere Bereiche kennenlernt. Ein ängstliches Zusammenhalten des eigenen Häufleins ist nicht ein Zeichen von Anziehungs- und Überzeugungskraft. Wer aber seine Leute zusammenhalten muß, indem er die anderen schwarzmalt, sie als die armen Verirrten, als Irrlehrer oder geistig-geistlich Unreife bezeichnet, offenbart damit seine eigene Schwäche. Diese häufig zur Schau getragene Sicherung der eigenen Erkenntnis, die sich allen anderen gegenüber überlegen fühlt, ist nichts anderes als die Kompensation einer tiefverborgenen Unsicherheit. Wer seiner Meinung gewiß ist, braucht die des anderen nicht zu fürchten oder zu bekämpfen. Wer den anderen nicht stehenlassen kann, steht selbst nicht fest.

(Wilhard Becker, „Diktiert von der Freude“, 1970)

Kommentare

 
(Nutzer gelöscht) 05.12.2021 13:27
Aus Johannes 15...

Und so lautet mein Gebot
Liebt einander, wie "ICH" euch geliebt habe.
+
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern (wahren Nachfolgern!!): Wie mich der Vater geliebt hat, 'SO' habe auch "ICH" euch geliebt.

'Dann' wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. 

Dies trage "ICH" euch auf: Liebt einander!

 
(Nutzer gelöscht) 05.12.2021 13:48
https://youtu.be/cIWJa7hHrLo?list=RDMM
 
(Nutzer gelöscht) 05.12.2021 15:09
Zu 13.27

Gedanke...

*Warum wohl hatte JESU diese Fähigkeit, Seine Jünger - die ER ja auch 'seine Freunde' nannte - göttlich, also wie der VATER zu lieben?

Vielleicht ist die Antwort recht einfach, recht naheliegend und mit 'kindlichem 💕' zu verstehen und auch 'zu begreifen'.

Warum sagt wohl Dein VATER..."mein" KIND zu Dir??

-
Könnte 'das' die Antwort auf die *Frage sein ??
-
Weil JESUS 'von oben' getauft und von Seinem VATER gesegnet wurde?

Gut 700 Jahre, bevor Jesus Mensch wurde, gab es bei Jesaja diese Prophezeiung über Jesus und den Heiligen Geist: „und der Geist des HERRN wird auf IHM ruhen: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Heldenkraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.“ (Jesaja Kapitel 11, Vers 2; Menge Bibel).


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