"Aufbruch oder Zusammenbruch"
23.10.2021 08:39
"Aufbruch oder Zusammenbruch"
23.10.2021 08:39
"Aufbruch oder Zusammenbruch"
Als Zeitzeuge kann ich bei diesem Thema aus den 68zigern nicht wirklich einen Beitrag leisten, aber es könnte uns vielleicht hilfreich sein, unsere heutigen Probleme einmal vor dem Hintergrund der damaligen Ereignisse zu sehen.
Ich zitiere aus dem Buch von Wilhard Becker, „Diktiert von der Freude“, 1970:
Unsere Zeit: „Aufbruch oder Zusammenbruch?
Beunruhigend sind die Nachrichten und Beobachtungen, die in zunehmendem Maße auf uns einstürmen. Die Welt ist erfüllt mit Krawallen, Protestmärschen, Demonstrationen, Sitzstreiks etc. Die Unruhe wird auch schon in die Kirchen hineingetragen, etwa durch Studenten, die den Gottesdienst stören und die Predigt unterbrechen. Sollten wir uns unter diesen Umständen als Christen nicht noch mehr aus der Öffentlichkeit zurückziehen und darum bitten, daß die Tür der Arche, die uns durch die Fluten der Zeiten tragen soll, bald geschlossen wird?
Sicher gibt es viele Christen, die so empfinden. Beunruhigen kann uns dabei nur die Frage, ob der Zeitpunkt schon da ist, einen solchen Rückzug anzutreten, oder ob Gott von uns erwartet, daß wir im Gegenteil die schützenden Wände unserer Kirchenfrömmigkeit noch einmal verlassen, um mitten in diese Unruhen und die anscheinend ziel- und sinnlose Bewegung hineinzugehen. Von dieser Vorentscheidung hängt sehr viel ab. Es ist die Entscheidung darüber, wie wir das, was heute um uns in der Welt geschieht, beurteilen. Ist es der totale Zusammenbruch aller Ordnungen und aller Kultur, oder ist es ein Aufbruch, bei dem durch den Einsturz der Mauern der gewohnten Ordnungen eine neue Hoffnung aufbricht?
Es gibt eine Fülle von negativen Zeitanalysen. Es ist nicht nötig, sie hier um eine weitere zu vermehren. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, die Oberfläche der Beobachtungen etwas zu durchstoßen, um die eigentlichen Motive und Hintergründe freizulegen, die hier am Werk sind. Die Frage ist, ob die Unruhe, die unsere Welt erschüttert, von Gott kommt oder vom Teufel. Es ist gut, diese Frage einmal ganz offen auszusprechen. Gibt es ein gemeinsames Anliegen, das unbewußt allen diesen Bewegungen zugrunde liegt, selbst wenn das die jungen Menschen, die sich daran beteiligen, gar nicht so erkennen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Protesten der Studenten wegen der Hochschulreform, den Schüleraktionen gegen Fahrpreiserhöhung und den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und vielleicht auch den Umzügen der Rassenkämpfer in Amerika? Offensichtlich ist es der Protest gegen Zustände, die man nicht ändern kann oder will und mit denen sich die jungen „Protestanten“ einfach nicht mehr abfinden können. Es ist der Protest gegen eine bürgerliche Gleichgültigkeit, die nicht mehr den Mut hat, Ungewöhnliches zu tun und bei der die Meinung vorherrscht, daß alles gut ist, wenn es so bleibt, wie es ist. Es ist eine Unruhe auf den Straßen, die dahin zielt, so lange und so laut gegen alle zu protestieren die Macht und Verantwortung haben, bis sie diese Verantwortung ernstnehmen. Wenn schon vor Jahren der holländische Theologe Hoekendijk sagte, daß den Christen nichts anderes mehr heilig sei als der „status quo“, dann sind hier Revolutionäre am Werk, die diesen Status nicht anerkennen. Erstaunlich ist der Einsatz, der in diesen Aktionen zum Ausdruck kommt, besonders wenn wir die riskanten Unternehmungen der Studenten im Ostblock sehen. Gehören in diesen Zusammenhang nicht auch die zunächst seltsam anmutenden Erscheinungen wie die Bewegung der Gammler, der Hippies und der LSD-Propheten und ihrer Anhänger?
Auch hier wird ein Ausbruch aus der zivilen Gesellschaftsordnung versucht und der Wille bekundet, nicht mehr so zu leben wie die ältere Generation. Es ist die ungebändigte Sehnsucht, nicht einer engen Welt der Tabus, der religiösen und bürgerlichen Ordnungen und leeren Formen verhaftet zu bleiben. Man will nicht die engen Grenzen des Bewußtseins akzeptieren, sondern sie durchbrechen, um in den Bereichen des psychisch Unerforschten eine neue Welt zu entdecken – , eine Welt, die Leben verheißt.
Auch unter Christen ist ein Fragen und Suchen nach echtem Leben und eine Unzufriedenheit mit dem, was bisher an Wahrheit und Wirklichkeit geboten worden ist. Diese Unruhe kann verheißungsvoll sein, wenn sie die richtige Antwort bekommt.
Ob es sich bei dem, was wir heute in unserer Welt erleben, um einen Aufbruch oder um einen Zusammenbruch handelt, wird weithin davon abhängen, ob wir als Christen, denen Gott eine Antwort anvertraut hat, bereit und fähig sind, diese Antwort zu geben; es wird davon abhängen, ob es dem Geist Gottes gelingt, uns aus einer trägen Gleichgültigkeit oder Hilflosigkeit zu erwecken, um uns für diese Welt wieder neu zu bevollmächtigen.
Unsere Welt ist reif. Wer wird aber diese reife Welt ernten? Die Aufforderung Jesu an seine Jünger: „bittet den HERRN der Ernte, daß er Arbeiter sende“ hat heute sicher wieder eine brennende Aktualität. Was ist aber dieser Welt in ihren so unruhigen und revolutionären Fragen als Antwort zu geben? Welche Leitbilder sind stark genug, die aufgebrochenen Kräfte wieder auf einen guten Weg zu leiten? Gesucht wird ein Leitbild für die Gesellschaft, die gemerkt hat, daß die bisherigen Ordnungen und Systeme nicht mehr fassungsstark genug sind, um die große Vielfalt zu vereinigen, zusammenzuhalten und fruchtbar werden zu lassen. Was heute an Neuem angeboten wird, sind keine Leitbilder, sondern Idole oder Ideologien.
Welches Bild vom Menschen aber ist klar und leuchtend genug, um suchende Menschen zu faszinieren? Welche Gemeinschaftsform ist dynamisch und umfassend genug, um die Spannungen der Generationen, der Rassen, der Erkenntnisse in sich aufzunehmen? Als Jünger Jesu wissen wir, daß Gott dieser Welt ein Leitbild für den neuen Menschen gegeben hat, für den Menschen, der nicht nur geschaffen ist für ein besseres Jenseits, sondern der fähig ist, auf dieser Erde den Schöpfungsauftrag Gottes zu verwirklichen. Jesus ist uns von Gott als Modell des neuen Menschen vorgestellt worden.
Für die neue Gesellschaftsordnung hat Gott schon vor zweitausend Jahren das Modell geliefert. Es ist nur sehr kurze Zeit modellhaft geblieben und dann sehr bald verfälscht worden und heute vielfach nur noch als Karikatur wiederzuerkennen. Es ist
das Bild der Gemeinde, der Gemeinschaft der Heiligen. In Jesus und in seiner Gemeinde sind zwei Leitbilder gegeben, die eine neue Aktualität entwickeln können, wenn es gelingt, sie so zu verkündigen und aufzuzeigen, daß sie von den Suchenden gefunden und von den Fragenden geglaubt werden.
Es ist die junge Generation, die intensiv nach Wegen und Möglichkeiten sucht, das Leben und diese Welt zu bewältigen. Sie sucht nicht andächtig und vornehm; sie klopft nicht bei der älteren Generation an und befragt nicht ehrfürchtig die Geschichte, sondern sie protestiert. Sie ist nicht mehr bereit, sich mit halben Lösungen zufriedenzugeben. Der Protest wirkt deshalb so revolutionär, weil keine Lösungen angeboten werden. Gewiß ist es nicht anständig, Regierungspräsidenten und Minister zu attackieren oder sogar zu schlagen, es ist auch nicht vornehm, Professoren zu unterbrechen und peinliche Fragen zu stellen. Aber dort, wo das Fragen so zur brennenden Not geworden ist, daß man um jeden Preis eine Antwort und eine Lösung haben will, hört alle Vornehmheit auf. Auch der verhungernde Mensch wird aufsässig, wenn er merkt, daß sein Nachbar satt und faul ist. Sollte der innere Hunger weniger bewirken? Unsere Welt kennt seit zweitausend Jahren die Botschaft von Jesus. Das Bild Jesu und seiner Gemeinde ist aber durch die Verkündigung und das Leben seiner Jünger nicht deutlicher geworden. Welche Züge im Wesensbild Jesu sollten heute wieder klarer herausgestellt werden?
…
Ich zitiere aus dem Buch von Wilhard Becker, „Diktiert von der Freude“, 1970:
Unsere Zeit: „Aufbruch oder Zusammenbruch?
Beunruhigend sind die Nachrichten und Beobachtungen, die in zunehmendem Maße auf uns einstürmen. Die Welt ist erfüllt mit Krawallen, Protestmärschen, Demonstrationen, Sitzstreiks etc. Die Unruhe wird auch schon in die Kirchen hineingetragen, etwa durch Studenten, die den Gottesdienst stören und die Predigt unterbrechen. Sollten wir uns unter diesen Umständen als Christen nicht noch mehr aus der Öffentlichkeit zurückziehen und darum bitten, daß die Tür der Arche, die uns durch die Fluten der Zeiten tragen soll, bald geschlossen wird?
Sicher gibt es viele Christen, die so empfinden. Beunruhigen kann uns dabei nur die Frage, ob der Zeitpunkt schon da ist, einen solchen Rückzug anzutreten, oder ob Gott von uns erwartet, daß wir im Gegenteil die schützenden Wände unserer Kirchenfrömmigkeit noch einmal verlassen, um mitten in diese Unruhen und die anscheinend ziel- und sinnlose Bewegung hineinzugehen. Von dieser Vorentscheidung hängt sehr viel ab. Es ist die Entscheidung darüber, wie wir das, was heute um uns in der Welt geschieht, beurteilen. Ist es der totale Zusammenbruch aller Ordnungen und aller Kultur, oder ist es ein Aufbruch, bei dem durch den Einsturz der Mauern der gewohnten Ordnungen eine neue Hoffnung aufbricht?
Es gibt eine Fülle von negativen Zeitanalysen. Es ist nicht nötig, sie hier um eine weitere zu vermehren. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, die Oberfläche der Beobachtungen etwas zu durchstoßen, um die eigentlichen Motive und Hintergründe freizulegen, die hier am Werk sind. Die Frage ist, ob die Unruhe, die unsere Welt erschüttert, von Gott kommt oder vom Teufel. Es ist gut, diese Frage einmal ganz offen auszusprechen. Gibt es ein gemeinsames Anliegen, das unbewußt allen diesen Bewegungen zugrunde liegt, selbst wenn das die jungen Menschen, die sich daran beteiligen, gar nicht so erkennen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Protesten der Studenten wegen der Hochschulreform, den Schüleraktionen gegen Fahrpreiserhöhung und den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und vielleicht auch den Umzügen der Rassenkämpfer in Amerika? Offensichtlich ist es der Protest gegen Zustände, die man nicht ändern kann oder will und mit denen sich die jungen „Protestanten“ einfach nicht mehr abfinden können. Es ist der Protest gegen eine bürgerliche Gleichgültigkeit, die nicht mehr den Mut hat, Ungewöhnliches zu tun und bei der die Meinung vorherrscht, daß alles gut ist, wenn es so bleibt, wie es ist. Es ist eine Unruhe auf den Straßen, die dahin zielt, so lange und so laut gegen alle zu protestieren die Macht und Verantwortung haben, bis sie diese Verantwortung ernstnehmen. Wenn schon vor Jahren der holländische Theologe Hoekendijk sagte, daß den Christen nichts anderes mehr heilig sei als der „status quo“, dann sind hier Revolutionäre am Werk, die diesen Status nicht anerkennen. Erstaunlich ist der Einsatz, der in diesen Aktionen zum Ausdruck kommt, besonders wenn wir die riskanten Unternehmungen der Studenten im Ostblock sehen. Gehören in diesen Zusammenhang nicht auch die zunächst seltsam anmutenden Erscheinungen wie die Bewegung der Gammler, der Hippies und der LSD-Propheten und ihrer Anhänger?
Auch hier wird ein Ausbruch aus der zivilen Gesellschaftsordnung versucht und der Wille bekundet, nicht mehr so zu leben wie die ältere Generation. Es ist die ungebändigte Sehnsucht, nicht einer engen Welt der Tabus, der religiösen und bürgerlichen Ordnungen und leeren Formen verhaftet zu bleiben. Man will nicht die engen Grenzen des Bewußtseins akzeptieren, sondern sie durchbrechen, um in den Bereichen des psychisch Unerforschten eine neue Welt zu entdecken – , eine Welt, die Leben verheißt.
Auch unter Christen ist ein Fragen und Suchen nach echtem Leben und eine Unzufriedenheit mit dem, was bisher an Wahrheit und Wirklichkeit geboten worden ist. Diese Unruhe kann verheißungsvoll sein, wenn sie die richtige Antwort bekommt.
Ob es sich bei dem, was wir heute in unserer Welt erleben, um einen Aufbruch oder um einen Zusammenbruch handelt, wird weithin davon abhängen, ob wir als Christen, denen Gott eine Antwort anvertraut hat, bereit und fähig sind, diese Antwort zu geben; es wird davon abhängen, ob es dem Geist Gottes gelingt, uns aus einer trägen Gleichgültigkeit oder Hilflosigkeit zu erwecken, um uns für diese Welt wieder neu zu bevollmächtigen.
Unsere Welt ist reif. Wer wird aber diese reife Welt ernten? Die Aufforderung Jesu an seine Jünger: „bittet den HERRN der Ernte, daß er Arbeiter sende“ hat heute sicher wieder eine brennende Aktualität. Was ist aber dieser Welt in ihren so unruhigen und revolutionären Fragen als Antwort zu geben? Welche Leitbilder sind stark genug, die aufgebrochenen Kräfte wieder auf einen guten Weg zu leiten? Gesucht wird ein Leitbild für die Gesellschaft, die gemerkt hat, daß die bisherigen Ordnungen und Systeme nicht mehr fassungsstark genug sind, um die große Vielfalt zu vereinigen, zusammenzuhalten und fruchtbar werden zu lassen. Was heute an Neuem angeboten wird, sind keine Leitbilder, sondern Idole oder Ideologien.
Welches Bild vom Menschen aber ist klar und leuchtend genug, um suchende Menschen zu faszinieren? Welche Gemeinschaftsform ist dynamisch und umfassend genug, um die Spannungen der Generationen, der Rassen, der Erkenntnisse in sich aufzunehmen? Als Jünger Jesu wissen wir, daß Gott dieser Welt ein Leitbild für den neuen Menschen gegeben hat, für den Menschen, der nicht nur geschaffen ist für ein besseres Jenseits, sondern der fähig ist, auf dieser Erde den Schöpfungsauftrag Gottes zu verwirklichen. Jesus ist uns von Gott als Modell des neuen Menschen vorgestellt worden.
Für die neue Gesellschaftsordnung hat Gott schon vor zweitausend Jahren das Modell geliefert. Es ist nur sehr kurze Zeit modellhaft geblieben und dann sehr bald verfälscht worden und heute vielfach nur noch als Karikatur wiederzuerkennen. Es ist
das Bild der Gemeinde, der Gemeinschaft der Heiligen. In Jesus und in seiner Gemeinde sind zwei Leitbilder gegeben, die eine neue Aktualität entwickeln können, wenn es gelingt, sie so zu verkündigen und aufzuzeigen, daß sie von den Suchenden gefunden und von den Fragenden geglaubt werden.
Es ist die junge Generation, die intensiv nach Wegen und Möglichkeiten sucht, das Leben und diese Welt zu bewältigen. Sie sucht nicht andächtig und vornehm; sie klopft nicht bei der älteren Generation an und befragt nicht ehrfürchtig die Geschichte, sondern sie protestiert. Sie ist nicht mehr bereit, sich mit halben Lösungen zufriedenzugeben. Der Protest wirkt deshalb so revolutionär, weil keine Lösungen angeboten werden. Gewiß ist es nicht anständig, Regierungspräsidenten und Minister zu attackieren oder sogar zu schlagen, es ist auch nicht vornehm, Professoren zu unterbrechen und peinliche Fragen zu stellen. Aber dort, wo das Fragen so zur brennenden Not geworden ist, daß man um jeden Preis eine Antwort und eine Lösung haben will, hört alle Vornehmheit auf. Auch der verhungernde Mensch wird aufsässig, wenn er merkt, daß sein Nachbar satt und faul ist. Sollte der innere Hunger weniger bewirken? Unsere Welt kennt seit zweitausend Jahren die Botschaft von Jesus. Das Bild Jesu und seiner Gemeinde ist aber durch die Verkündigung und das Leben seiner Jünger nicht deutlicher geworden. Welche Züge im Wesensbild Jesu sollten heute wieder klarer herausgestellt werden?
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Zeitzeuge 23.10.2021 09:22