Der Schwarze Punkt
27.08.2021 00:06
Der Schwarze Punkt
27.08.2021 00:06
Der Schwarze Punkt
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“(1.Kor.1,3)
Der schwarze Punkt
Ein Professor, es könnte auch eine Professorin sein, geht in die Studiengruppe und kündigt einen Überraschungstest an. Er verteilt sogleich das Aufgabenblatt und legt es wie üblich so vor jeden Studierenden, dass die Rückseite nach oben zeigt. Nachdem alle Blätter verteilt sind, fordert er die Studienreden auf, das Blatt umzudrehen.
Überrascht stellen diese fest, dass keine Fragen notiert sind – es ist nur ein kleiner, schwarzer, nicht ganz runder Punkt in der Mitte der Seite. Dazu erklärt der Professor folgendes: „Ich bitte Sie, aufzuschreiben, was Sie auf Ihrem Blatt sehen.“
Die Studierenden sind verwirrt, beginnen aber dennoch mit ihrer Arbeit. Nach zehn Minuten sind alle fertig und der Professor sammelt alle Antworten ein. Dann beginnt er, sie nacheinander laut vorzulesen.
Ohne Ausnahme haben alle Studenten den schwarzen Fleck beschrieben – seine Form, seine Position in der Mitte des Blattes, sein Größenverhältnis zum Papier etc.
Der Professor lächelt und sagt mit ruhiger Stimme: „Sie hatten von mir eine Aufgabe zum Denken bekommen. Jeder von Ihnen konzentrierte sich auf den schwarzen Fleck. Niemand hat etwas über den weißen Teil des Papiers geschrieben. Leider geschieht das Gleiche meist auch in unserem Leben. Wir haben ein weißes Papier erhalten, um es zu nutzen und zu genießen, aber wir konzentrieren uns immer auf die dunklen Flecken.
Er fährt fort: Unser Leben ist ein Geschenk, das wir mit Liebe und Sorgfalt hüten sollten und es gibt eigentlich immer einen Grund zum Freuen, Feiern und Dankbarsein.
Die Natur erneuert sich jeden Tag, wir können sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken, essen, trinken, reden, uns bewegen, die Funktionen in unserem Körper laufen bestens, ohne dass wir uns darum zu kümmern brauchen. Wir dürfen dankbar sein für unsere Freunde, unsere Familie, unsere Arbeit, unsere Erfahrungen und endlos viele Wunder, die wir jeden Tag sehen und erleben können usw., usw.
Doch wir konzentrieren uns oft nur auf die wenigen, dunklen Flecken – gesundheitliche Probleme, Mangel an Geld, komplizierte Beziehungen zu anderen Menschen, Enttäuschung mit einem Freund, Ärger im Beruf. Dabei sind die dunklen Flecken wenige und außerdem winzig im Vergleich zu allem, was wir in unserem Leben an Schönem und Gutem haben. Dennoch lassen wir viel zu oft zu, dass sie unseren Geist beschäftigen, unsere Stimmung trüben, unsere Liebe, Freude und Dankbarkeit rauben und unsere Lebensenergie vernichten.
Nehmen Sie die schwarzen Pünktchen in Ihrem Leben ruhig wahr, aber richten Sie ihre Aufmerksamkeit viel stärker auf das gesamte weiße Papier und damit auf die unendlich vielen Möglichkeiten und glücklichen Momente in ihrem Leben, und teilen Sie diese mit Ihren Mitmenschen!“
Amen! Nun kann meine Predigt zu Ende sein. Nein, doch noch nicht ganz. In der Evangelischen Kirche haben wir ja gelernt, nicht gleich und nicht so ganz auf Geschichten von Professoren zu vertrauen und kommen diese auch noch so sympathisch rüber.
Wie hätten Sie eigentlich als Studierende auf so ein Ansinnen reagiert? So brav und angepasst wie die Kommilitoninnen und Kommilitonen? So ohne Murren? Also, ich hätte ihn zunächst schon etwas verschroben gefunden, den Professor. Da bin ich gespannt auf die Erfahrungen, die ich in den kommenden Jahren mit Ihnen machen darf. Etwas anderes haben wir noch zu fragen gelernt, nämlich: Ist das eigentlich eine Linie aus der Bibel, die hier ausgezogen wird? Oder ist es einfach eine nette Geschichte, deren Glaubensgehalt wir nicht in der Bibel wiederfinden?
Nun, ich musste länger suchen, bevor ich eine ähnliche biblische Geschichte fand. Das hat mich nachdenklich gemacht. In der Bibel ist immer von beidem die Rede, vom schwarzen Punkt und vom weißen Blatt. Ohne diese Spannung ist der christliche Glaube offenkundig nicht zu haben. Der Mensch ist, wie Luther es sagte, simul iustus et peccator, zugleich Sünder und Gerechter. Und unsere Handlungen als Christenmenschen gehören deshalb also auch kritisch analysiert. Um im Bild zu bleiben: Was ist der schwarze Punkt in meinem eigenen Leben? Dass ich mal wieder auf eine Mail von einer Studentin nur knapp und unhöflich geantwortet habe, eine übrigens häufig
vorkommende Klage in hierarchischer Kommunikation nicht nur im universitären digitalen Bereich? Dass ich für meine Freundinnen und Freunde wieder einmal zu wenig Zeit hatte, weil ich unbedingt an meinem wissenschaftlichen Erfolg basteln musste? Dass ich nicht aktiver geworden bin, als die Rede von einem Schandmal der Erinnerung ging?
Okay. Ich habe nicht aufgehört zu suchen und fand einen wunderbaren biblischen Text, der den Professor inspiriert haben könnte. Er steht bei Jesus Sirach im 30. Kapitel. Jesus Sirach haben Sie noch nicht so oft gehört? Das ist verständlich. Das Buch gehört zu den Apokryphen, zu den verborgenen Texten. Im Protestantismus werden alle Schriften, die im Judentum nicht als kanonisch anerkannt sind, zu den Apokryphen gezählt. Sie sind in der Lutherbibel als „nützliche“, aber nicht „heilige“ Schriften in einem Anhangsteil abgedruckt. Luther selber meinte: „Das sind Bücher, so nicht der heiligen Schrift gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen.“
Der schwarze Punkt
Ein Professor, es könnte auch eine Professorin sein, geht in die Studiengruppe und kündigt einen Überraschungstest an. Er verteilt sogleich das Aufgabenblatt und legt es wie üblich so vor jeden Studierenden, dass die Rückseite nach oben zeigt. Nachdem alle Blätter verteilt sind, fordert er die Studienreden auf, das Blatt umzudrehen.
Überrascht stellen diese fest, dass keine Fragen notiert sind – es ist nur ein kleiner, schwarzer, nicht ganz runder Punkt in der Mitte der Seite. Dazu erklärt der Professor folgendes: „Ich bitte Sie, aufzuschreiben, was Sie auf Ihrem Blatt sehen.“
Die Studierenden sind verwirrt, beginnen aber dennoch mit ihrer Arbeit. Nach zehn Minuten sind alle fertig und der Professor sammelt alle Antworten ein. Dann beginnt er, sie nacheinander laut vorzulesen.
Ohne Ausnahme haben alle Studenten den schwarzen Fleck beschrieben – seine Form, seine Position in der Mitte des Blattes, sein Größenverhältnis zum Papier etc.
Der Professor lächelt und sagt mit ruhiger Stimme: „Sie hatten von mir eine Aufgabe zum Denken bekommen. Jeder von Ihnen konzentrierte sich auf den schwarzen Fleck. Niemand hat etwas über den weißen Teil des Papiers geschrieben. Leider geschieht das Gleiche meist auch in unserem Leben. Wir haben ein weißes Papier erhalten, um es zu nutzen und zu genießen, aber wir konzentrieren uns immer auf die dunklen Flecken.
Er fährt fort: Unser Leben ist ein Geschenk, das wir mit Liebe und Sorgfalt hüten sollten und es gibt eigentlich immer einen Grund zum Freuen, Feiern und Dankbarsein.
Die Natur erneuert sich jeden Tag, wir können sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken, essen, trinken, reden, uns bewegen, die Funktionen in unserem Körper laufen bestens, ohne dass wir uns darum zu kümmern brauchen. Wir dürfen dankbar sein für unsere Freunde, unsere Familie, unsere Arbeit, unsere Erfahrungen und endlos viele Wunder, die wir jeden Tag sehen und erleben können usw., usw.
Doch wir konzentrieren uns oft nur auf die wenigen, dunklen Flecken – gesundheitliche Probleme, Mangel an Geld, komplizierte Beziehungen zu anderen Menschen, Enttäuschung mit einem Freund, Ärger im Beruf. Dabei sind die dunklen Flecken wenige und außerdem winzig im Vergleich zu allem, was wir in unserem Leben an Schönem und Gutem haben. Dennoch lassen wir viel zu oft zu, dass sie unseren Geist beschäftigen, unsere Stimmung trüben, unsere Liebe, Freude und Dankbarkeit rauben und unsere Lebensenergie vernichten.
Nehmen Sie die schwarzen Pünktchen in Ihrem Leben ruhig wahr, aber richten Sie ihre Aufmerksamkeit viel stärker auf das gesamte weiße Papier und damit auf die unendlich vielen Möglichkeiten und glücklichen Momente in ihrem Leben, und teilen Sie diese mit Ihren Mitmenschen!“
Amen! Nun kann meine Predigt zu Ende sein. Nein, doch noch nicht ganz. In der Evangelischen Kirche haben wir ja gelernt, nicht gleich und nicht so ganz auf Geschichten von Professoren zu vertrauen und kommen diese auch noch so sympathisch rüber.
Wie hätten Sie eigentlich als Studierende auf so ein Ansinnen reagiert? So brav und angepasst wie die Kommilitoninnen und Kommilitonen? So ohne Murren? Also, ich hätte ihn zunächst schon etwas verschroben gefunden, den Professor. Da bin ich gespannt auf die Erfahrungen, die ich in den kommenden Jahren mit Ihnen machen darf. Etwas anderes haben wir noch zu fragen gelernt, nämlich: Ist das eigentlich eine Linie aus der Bibel, die hier ausgezogen wird? Oder ist es einfach eine nette Geschichte, deren Glaubensgehalt wir nicht in der Bibel wiederfinden?
Nun, ich musste länger suchen, bevor ich eine ähnliche biblische Geschichte fand. Das hat mich nachdenklich gemacht. In der Bibel ist immer von beidem die Rede, vom schwarzen Punkt und vom weißen Blatt. Ohne diese Spannung ist der christliche Glaube offenkundig nicht zu haben. Der Mensch ist, wie Luther es sagte, simul iustus et peccator, zugleich Sünder und Gerechter. Und unsere Handlungen als Christenmenschen gehören deshalb also auch kritisch analysiert. Um im Bild zu bleiben: Was ist der schwarze Punkt in meinem eigenen Leben? Dass ich mal wieder auf eine Mail von einer Studentin nur knapp und unhöflich geantwortet habe, eine übrigens häufig
vorkommende Klage in hierarchischer Kommunikation nicht nur im universitären digitalen Bereich? Dass ich für meine Freundinnen und Freunde wieder einmal zu wenig Zeit hatte, weil ich unbedingt an meinem wissenschaftlichen Erfolg basteln musste? Dass ich nicht aktiver geworden bin, als die Rede von einem Schandmal der Erinnerung ging?
Okay. Ich habe nicht aufgehört zu suchen und fand einen wunderbaren biblischen Text, der den Professor inspiriert haben könnte. Er steht bei Jesus Sirach im 30. Kapitel. Jesus Sirach haben Sie noch nicht so oft gehört? Das ist verständlich. Das Buch gehört zu den Apokryphen, zu den verborgenen Texten. Im Protestantismus werden alle Schriften, die im Judentum nicht als kanonisch anerkannt sind, zu den Apokryphen gezählt. Sie sind in der Lutherbibel als „nützliche“, aber nicht „heilige“ Schriften in einem Anhangsteil abgedruckt. Luther selber meinte: „Das sind Bücher, so nicht der heiligen Schrift gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen.“
Kommentare
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Ambasciatore 27.08.2021 10:32
@nagybabiak Ja durch schmerz und leid , und somit werden wir zu der Person , wofür wir bestimmt sind.
Wenn wir Gottesbewusstsein erlangen, dann erst erkennen wir, dass Gott nähert sich zu uns Menschen in, durch die Wolke.
Gott bewahrt uns NICHT von Schwierigkeiten, sondern grade in Schwierigkeiten kommt uns entgegen. Durch den Glauben an Jesus Christus können wir die Schwierigkeiten überwinden.