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Mit dem Rücken zum Volk Teil 9

Mit dem Rücken zum Volk Teil 9
Asperges und Altarinzens

Zwei weitere Riten stehen deutlich im Kontext der Weihe des Altares, nämlich das sonntägliche Asperges und die Altarinzens.

Unmittelbar vor der Sonntagsmesse, beim Asperges, besprengt der Priester zunächst dreimal den Altar mit Weihwasser, wie auch damals der Bischof den Altar mit einem besonders geweihten Wasser (Gregorianischem Wasser) besprengt hat. Die anschließende Besprengung der Gläubigen erinnert wiederum an die heilige Taufe, in welcher auch sie zu lebendigen Gottestempeln geweiht wurden.
Es gehört zu den eindrucksvollsten Zeremonien einer Altarweihe, wenn nach dessen Salbung auf dem Altar fünf Häuflein Weihrauchkörner entzündet werden, so dass dann der Altar in eine dichte Wolke gehüllt ist. Genau daran wird erinnert, wenn der Priester nach dem Stufengebet Weihrauch einlegt und den Altar inzensiert.

Schon im Alten Testament war eine Wolke Zeichen der besonderen Nähe und Gegenwart Gottes: „Moses stieg den Berg hinauf; sodann verhüllte die Wolke den Berg. Die Herrlichkeit des Herrn ließ sich auf den Berg Sinai nieder, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage lang. Am siebten Tage rief er den Moses mitten aus dem Gewölk. Die Herrlichkeit des Herrn aber erschien den Israeliten wie ein loderndes Feuer auf dem Bergesgipfel. Moses ging in die Wolke hinein, stieg den Berg hinauf und verblieb vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berg.“ (Ex 24, 15-18; vgl. auch Ex 40, 34 f.) Ähnlich wie Moses tritt auch der Priester vor Gott, und nicht weniger gewaltig als die Gottes­erscheinung auf dem Sinai ist das Geheimnis des Altares.

Introitus

Der Priester bekreuzigt sich und liest auf der rech­ten Seite des Altares den Eingangsvers (Introitus von introire = eintreten). In alter Zeit war dies ein Psalmengesang, der während des Einzugs zum Altar gesungen wurde. Seit dem hohen Mittelalter ist er auf die heutige Form geschrumpft: Nach einer in schöne Melodien gefassten Antiphon folgt ein Psalmvers mit Gloria Patri, woraufhin die Antiphon wiederholt wird. Gewöhnlich gibt der Introitus die Grundstimmung der ganzen Messfeier an und eignet sich gut für den betrachtenden Zugang zum Festgeheimnis des jeweiligen Tages.

Kyrie

Das Kyrie eleison (= Herr, erbarme Dich) ist das einzige Gebet im Messritus, welches in griechischer Sprache abgefasst und bis heute so beibehalten wurde.

Die Neunzahl der Anrufungen geht auf den hl. Papst Gregor den Großen († 604) zurück. Wir sehen darin zunächst eine Huldigung an die Allerheiligste Dreifaltigkeit: Jeweils drei Anrufungen gelten nacheinander dem Vater, dann dem Sohn und schließlich dem Heiligen Geist. Sie erinnert aber auch an die neun Chöre der heiligen Engel und somit an die Einheit von himmlischer und irdischer Liturgie.

Die beiden Teile jeder einzelnen Anrufung entsprechen genau dem zweifachen Ziel des Menschen, nämlich der Ehre Gottes und dem Heil der Seele, wie es der Katechismus lehrt: „Wir sind auf Erden um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen.“

Das „Kyrie“ ist eine Huldigung zur Ehre Gottes. Es vereinigt uns im Bekenntnis zur wahren Gottheit und zum Königtum Christi mit dem hl. Apostel Thomas, der anbetend sprach: „Mein Herr (­kyrios) und mein Gott!“ (Joh 20, 28) Auch denken wir an das Wort des hl. Apostels Paulus: „Auf dass beim Namen Jesu sich beuge jedes Knie, derer im Himmel, derer auf Erden und derer unter der Erde, und jede Zunge bekenne: Herr (kyrios) ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“ (Phil 2, 10 f.)
Im Wort „eleison“ erflehen wir Gottes Gnade zu unserem Heil. Auch hierin ist ein biblischer Anklang, und es ist gut, wenn wir es nicht nur mit denselben Worten, sondern auch in derselben Gesinnung rufen wie einst die Blinden vor Jericho: „Als sie von Jericho weggingen, folgte ihm viel Volk. Und siehe, zwei Blinde, die am Wege saßen, hörten, dass Jesus vorübergehe, und schrien: ‚Herr, erbarme dich unser (eleison ... kyrie), Sohn Davids!‘ Die Menge aber fuhr sie an, sie sollten schweigen. Doch sie schrien noch lauter: ‚Herr, erbarme dich unser, Sohn Davids!‘“ (Mt 20, 29-31)


Gloria

Das Gloria wird an allen Festen des Jahres gebetet. Es beginnt mit den Worten des Lobgesanges der Engel auf den Fluren von Bethlehem bei der Verkündigung der Geburt des göttlichen Erlösers: „Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind.“ (Lk 2, 14) Seinen ursprünglichen Platz in der Liturgie hat es gemäß dem Sakramentar des hl. Papstes Gregor des Großen aber nicht an Weihnachten, sondern vielmehr an Ostern. Noch heute wird das Gloria in der Osternacht am feierlichsten hervorgehoben. Erst seit dem 12. Jahrhundert wurde es auch an sonstigen Festtagen gebraucht.

Wie das Kyrie ist auch das Gloria klar trinitarisch gegliedert:

Der erste Teil richtet sich an den Vater und enthält sehr stark das Motiv von Lobpreis und Dank: „Wir loben Dich. Wir preisen Dich. Wir beten Dich an. Wir verherrlichen Dich. Wir sagen Dir Dank ob Deiner großen Herrlichkeit. Herr und Gott, König des Himmels, Gott allmächtiger Vater!“

Der zweite Teil richtet sich an den Sohn und enthält neben dem Lobpreis vor allem (wie beim Kyrie!) auch die Bitte um Erlösung: „Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn. Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters. Du nimmst hinweg die Sünden der Welt: Erbarme Dich unser. Du nimmst hinweg die Sünden der Welt: Nimm unser Flehen gnädig auf. Du sitzest zur Rechten des Vaters: Erbarme Dich unser. Denn Du allein bist der Heilige. Du allein der Herr. Du allein der Höchste, Jesus Christus.“

Seinen Ausklang findet das Gloria in einer Huldigung an die dritte göttliche Person: „Mit dem Heiligen Geist, in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.“

Theodor Schnitzler deutet sowohl das Kyrie als auch das Gloria vor dem Hintergrund des antiken Kaiserkultes als Huldigung an den himmlischen König: „Wenn ein Kaiser als siegreicher Feldherr Triumphzug hielt, wurde seine Via triumphalis (= Triumphstraße) umsäumt von den Scharen des Volkes. Dann lösten einander ab die Chöre der Huldigenden. Immer neue Titel und Ehrennamen wurden dem Sieger zugerufen. Ein Echo dieser Triumphzüge hat sich im Gloria, wie im Kyrie, erhalten. Immer neue Jubelrufe, immer neue Ehrentitel erklingen. Sehen wir nur die Gruppen: Wir loben dich! Wir beten dich an! Wir verherrlichen dich! Wir sagen dir Dank! Beachten wir die Reihe der Titel, von denen jedes einzelne Wort ein neuer Ruf, ein neuer Chor ist: Herr! König! Himmlischer! Gott! Vater! Allmächtiger! Ein­geborener Sohn! - Wenn wir den Text auf diese Weise lesen, spüren wir seinen öster­lichen Charakter. Wir erleben den Triumphzug des öster­lichen Triumphators, des Siegers von Golgotha, des Königs Christus.“ (Theodor Schnitzler, Die Messe in der Betrachtung, Bd. II, S. 19)


Dominus vobiscum

Auch in dem unscheinbaren Dominus vobiscum entdecken wir ein wunderbares Zusammenspiel von Wort und Gestus.

Dieser Gruß hat schon im Alten Testament deutliche Bezüge zum Geheimnis der Menschwerdung. Im Buch Ruth, welches die Vorgeschichte des Hauses David schildert, aus dem der Messias hervorgehen sollte, gebraucht ihn der Urgroßvater Davids: „Boas aber kam soeben von Bethlehem her und sprach zu den Schnittern: ‚Der Herr sei mit euch!‘“ (Ruth 2, 4) Der große adventliche Prophet Isaias (7, 14) kündigt Christus an als den ‚Gott mit uns‘: „Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: ‚Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und man wird ihn Emmanuel nennen‘, was übersetzt heißt: ‚Gott mit uns‘.“ (Mt 1, 22 f.) Und als der Engel Gabriel bei Maria eintrat, um ihr die Verwirklichung des Heilsratschlusses zu verkünden, sprach er: „Sei gegrüßt, Begnadete, der Herr ist mit dir (Dominus tecum)!“ (Lk 1, 28)

Der hl. Apostel Paulus gebraucht diesen Gruß in seinem Brief an die Thessalonicher: „Er aber, der Herr des Friedens, gebe euch den Frieden zu jeder Zeit und in jeder Weise! Der Herr sei mit euch allen!“ (2 Thess 3, 16)

Vor dem Dominus vobiscum beugt sich der Priester und küsst den Altar: „Da nun der Priester als Mittler zwischen Himmel und Erde am Altar steht, begrüßt er mit dem Altarkuss zuerst die triumphierende Kirche, um derselben Liebe und Huldigung zu erweisen, und danach im ‚Dominus vobiscum‘ die streitende Kirche mit Worten, die Heil und Segen auf dieselbe herabrufen.“ (Gihr, S. 375)

Zum Volk hin gewendet, breitet der Priester vor der Brust beide Hände aus. Dieser Gestus drückt das Anwünschen des göttlichen Gnadenbeistandes aus. Zugleich kann er als symbolische Umarmung gedeutet werden, ähnlich, wie wenn eine Mutter ihr Kind an sich zieht.

Oration

Die Oration gehört zu den wechselnden Teilen der heiligen Messe. In gehaltvoller Kürze schließt sie alles in sich, worum wir Gott vor allem bitten wollen.

Vor der Oration steht ein Oremus (= Lasset uns beten), das ursprüng­lich mit einem nachfolgenden Flectamus genua (= Beuget die Knie) verbunden war, dem ein kurzes stilles Gebet folgte. Bis heute hat sich das Flectamus genua bei einigen besonderen Gelegenheiten, wie beispielsweise in den Quatembermessen, bei den großen Fürbitten des Karfreitags oder in der Osternacht, gehalten. In den gewöhnlichen Messen bleibt von der einstigen Gebetspause nur eine ehrfürchtige Verneigung des Priesters zum Altarkreuz hin. „Wenn diese Verneigung würdig und langsam gemacht wird, entsteht von selbst wieder eine Weile, die von stillem Gebet gefüllt werden kann.“ (Th. Schnitzler, Die Messe in der Betrachtung, Bd. II, S. 26) Das Volk ist eingeladen, sich in diesem kurzen Verweilen mit dem Gebet des Priesters zu vereinen.

Orante

Während der Oration erhebt der Priester seine geöffneten Hände. Diese Gebetshaltung der Orante ist schon auf Darstellungen in den frühchristlichen rö­mi­schen Katakomben als Symbol für die Kirche bezeugt, und sie kennzeichnet den Priester als ihren offiziellen Beter

Die Orante erinnert an Moses, der zum ägyptischen Pharao sprach: „Sobald ich die Stadt verlasse, will ich meine Hände zum Herrn hin ausbreiten; dann hören die Donnerschläge auf, der Hagel wird nicht mehr fallen, damit du erkennst, dass dem Herrn die Erde gehört.“ (Ex 9, 29) Später sehen wir Moses mit erhobenen Armen auf dem Berg in der Wüste beim Kampf gegen Amalek: „Solange Moses nun seine Hände erhob, obsiegte Israel; sobald er aber seine Hände sinken ließ, waren die Amalekiter überlegen.“ (Ex 17, 11)

Die Erhebung der Hände gilt als Ausdruck der Innigkeit des Flehens (‚händeringend&lsquozwinkerndes Smiley, wie es beim Psalmisten heißt: „Höre auf mein lautes Flehen, da ich zu Dir um Hilfe rufe, da ich meine Hände hebe zu Deinem Allerheiligsten im Tempel.“ (Ps 27, 2) Die emporgerichteten Hände sagen Gott Lob: „So will ich Dich rühmen mein Leben lang, in Deinem Namen die Hände erheben!“ (Ps 62, 5) Sie zeigen die Richtung des Gebetes und werden im Psalmvers, den der Priester im feierlichen Hochamt bei der Beweihräucherung des Altares zur Opferung spricht, sogar ausdrücklich zum Opfergestus: „Herr, lass mein Gebet wie Weihrauch vor Dein Antlitz dringen. Wie ein Abendopfer sei vor Dir das Erheben meiner Hände.“ (Ps 140, 2)

Nach einer schönen Deutung des hl. Ambrosius nimmt der Priester in der Orante die Haltung Christi ein, der seine Hände vor dem Thron des Vaters in Kreuzesform erhebt, um ihm die Wundmale, den Preis unserer Erlösung, zu zeigen.

Lesung

Schon für die Juden war es selbstverständlich, im Synagogengottes­dienst aus der Heiligen Schrift zu lesen. Jesus selbst gibt uns dafür ein Beispiel: „Er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und erhob sich, um vorzulesen. Man reichte ihm das Buch des Propheten Isaias.“ (Lk 4, 16 f.) Von Anfang an wurde dieser Brauch auch in die christ­liche Liturgie übernommen.

Die beiden Lesungen der Messe heißen Lesung (oder Epistel von epistola = Brief) und Evangelium (von eu-angelion = Heilsbotschaft). Um ihren Sinn zu verstehen muss man bedenken, dass auch sie - wie alles in der Liturgie - zuerst zum Lob und zur Verherr­lichung Gottes dienen und in zweiter Linie auch zur Belehrung und Erbauung des Volkes. Freilich gehört beides untrennbar zusammen, doch wäre es zu kurz geschaut, wenn die Lesungen nur als Belehrung wahrgenommen würden.

Primär haben die Lesungen den Charakter einer Laudatio, die rühmend die Groß­taten Got­tes verkündet. Der Ver­kün­der muss nach tra­ditionellem Ver­ständnis mit einer amt­lichen Voll­macht aus­ge­stattet sein (de­putatio ad cultum divi­num), die ihn dazu befähigt, Gott im Namen der Kirche das Opfer des Lobes (hostiam laudis; vgl. Hebr 13, 15) darzubringen. Diese Vollmacht wird stu­fen­weise in den Weihen zum Lektor, Subdiakon und Diakon ver­liehen.
Damit soll der zweite Aspekt weder geschmälert noch vernachlässigt werden. Die Worte der Schrift sind selbstverständlich bestens dazu geeignet, das Volk zu belehren, und es ist vor allem die Auf­gabe der Predigt, sie zu erläutern und sie wie guten Samen in die Herzen der Gläubigen hineinzusenken.

Für einen Christen ist es nicht nur eine Pflicht, sondern es sollte ihm ein Bedürfnis sein, sich um eine solide Kenntnis der Heiligen Schrift zu bemühen, sagt doch der hl. Hieronymus: „Unkenntnis der Schrift ist Unkenntnis Christi.“ (Is. prol.) Im Brief an seinen Schüler Timotheus schreibt der hl. Apostel Paulus: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch dienlich zur Belehrung, zur Beweisführung, zur Zurechtweisung, zur Schulung in der Gerechtigkeit, damit ausgestattet sei der Mann Gottes, wohlgerüstet zu jedem guten Werk.“ (2 Tim 3, 16 f.)

Zwischengesang

Die Zwischengesänge sind ursprünglich Lieder, deren Texte, wie beim Introitus und der Communio, meistens den Psalmen entnommen sind. Sie sind zugleich eine Antwort auf die Lesung und eine Überleitung zum Evangelium. Gewöhnlich findet darin ein prägender Tagesgedanke einen meditativen Widerhall. Ihren Charakter ändern sie mit dem Kirchenjahr. Ab dem Sonntag Septuagesima bis Ostern bestehen sie aus dem Graduale und dem Tractus, in der Oster­zeit aus zwei Alleluja­versen und in der übrigen Zeit des Jahres aus dem Graduale und einem Allelujavers.

Munda cor

Vor dem Evangelium be­tet der Priester in der Mitte des Altares tief ver­­beugt das Munda cor: „Reinige mein Herz und meine Lip­pen, allmächtiger Gott, der Du die Lip­pen des Propheten Isaias mit glühen­den Kohlen gereinigt hast. So reinige auch mich in Deinem gnädigen Erbarmen, dass ich Dein heiliges Evangelium würdig zu verkünden vermag.“

Dieses Gebet erinnert an die erhabene Szene der Berufung des Propheten Isaias: „Vor der Stimme des Rufenden erbebten die Pfosten der Türschwellen, und der Tempelraum füllte sich mit Rauch. Da sprach ich: ‚Wehe mir, ich bin verloren; denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich und wohne unter einem Volke mit unreinen Lippen! Denn den König, den Herrn der Heerscharen, haben meine Augen gesehen.‘ Da flog zu mir einer der Seraphim heran, in seiner Hand einen glühenden Stein, den er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Mit ihm berührte er meinen Mund und sprach: ‚Sie­he, dies hat deine Lippen berührt, gewichen ist deine Schuld, deine Sünde gesühnt.‘ Und ich hörte die Stimme des Herrn, der da sprach: ‚Wen soll ich senden, wer wird für uns gehen?‘ Und ich erwiderte: ‚Hier bin ich, sende mich!‘“ (Is 6, 4-8)

Evangelienseite

Während des Munda cor trägt der Ministrant das Messbuch hinüber und stellt es leicht schräg auf die andere Seite des Altares.

Die tiefere Symbolik des Seitenwechsels kommt aus den Himmelsrichtungen, denn wo der Altar nach Osten hin ausgerichtet ist, weist die Evangelienseite in Richtung Norden. Da im Norden aber niemals die Sonne steht, gilt er als Symbol der Finsternis.

Das nach Norden hin verkündete Evangelium hingegen ist ein Licht, das in die Finsternis hinein leuchtet (vgl. Joh 1, 5). Im Hochamt wird dies zusätzlich durch eine feier­liche Evangeliums­prozession und die brennenden Kerzen der beiden Akolythen unter­strichen.

Evangelium

Den Beginn des Evan­ge­­liums bezeichnet der Prie­ster im Messbuch mit einem Kreuz­zeichen, und alle Anwesenden machen mit dem Daumen der rechten Hand ein kleines Kreuzlein auf Stirn, Mund und Brust. Das will sagen: Das Wort Gottes möge unser Denken formen, auf den Lippen wiederklingen und im Her­zen treu bewahrt wer­den.

Das Stehen beim Evangelium ist Ausdruck wacher Bereitschaft. Wie der junge Samuel wollen wir sagen: „Rede, Herr, Dein Diener hört!“ (1 Sam 3, 9) Der Christ drückt aus, „dass er sich zusammengenommen hat. Er ist wach, aufmerksam, gespannt. Und er ist bereit. Denn wer steht, kann sofort auf und davon gehen; kann ungesäumt einen Auftrag ausführen; mit einer Arbeit beginnen, die ihm zugewiesen wird. Das ist die andere Seite der Ehrfurcht vor Gott. Im Knien war es die anbetende, in Sammlung verharrende; hier die wache, tätige. Solche Ehrfurcht hat der aufmerksame Gehilfe, der gerüstete Kämpfer. Sie offenbart sich im Stehen.“ (Romano Guardini, Von heiligen Zeichen, S. 19)

Am Ende küsst der Prie­ster im Messbuch den Beginn des Evan­geliums, während er spricht: „Durch die Worte des Evangeliums mögen ge­tilgt werden unsere Sün­den.“ Darin kommt die Über­zeugung zum Ausdruck, dass dem geoffenbarten Gotteswort eine exorzistische und sünden­tilgende Kraft innewohnt, denn wo das Licht leuch­tet, vertreibt es die Finsternis. „Lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Trennung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark, und ist Richter über Gedanken und Regungen des Herzens.“ (Hebr 4, 12)

Selbst im Evangelium finden wir also den für den gesamten ersten Teil der Messe prägenden Gedanken der Reinigung im Hinblick auf die bald beginnende eigentliche Opferhandlung.

Credo

An Sonn- und Feiertagen folgt auf das Evangelium (bzw. auf die Predigt) das Glaubensbekenntnis.

Während das Apostolische Glaubensbekenntnis mit seinen zwölf Glaubenssätzen seinen ihm eigenen litur­gischen Platz im Ritus der Taufe hat, wird ab dem 6. Jahrhundert und allgemein seit dem frühen 11. Jahrhundert in der heiligen Messe das Große oder Nicæno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis gesprochen. Sein Name erinnert an die beiden Konzi­lien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381), auf denen wichtige christologische Glaubens­inhalte definiert wurden. In brillanter Kürze enthält es einen Grundriss der gesamten katholischen Glaubenslehre.

Zum Höhepunkt des Credo, zu den Worten „Et incarnatus est ... - Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden“, beugt man anbetend die Knie.

Kommentare

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Martin123 08.07.2021 18:08
 
Martin123 08.07.2021 18:12
 
Engelslhaar 08.07.2021 18:25
Interessant der Zusammenhang zwischen dem Weihrauch und der Wolke, die im AT ein Zeichen der besonderen Nähe Gottes war, wenn es sehr viel Weihrauch ist, hat das auch etwas Verhüllendes, nach und nach verschwindet die Weihrauchwolke, die ja auch einen lieblichen Geruch hinterlassen soll, wobei ich diesen nicht immer lieblich finde, muss ich gestehen, ich denke, es ist auch eine gewisse Kunst, den Weihrauch richtig zu entzünden, das gelingt nicht jedem Messdiener!
 
Engelslhaar 08.07.2021 18:30
Im Kyrie erflehen wir das Erbarmen des Herrn, schön, dass hier an die Engelschöre erinnert wird, wir stimmen dementsprechend in den Chor der Engel ein
 
Engelslhaar 08.07.2021 18:33
Interessant auch die Thematik der Lectio. Da ich selber Lektorin bin, merke ich , dass jeder Lektor auf seine spezifische Weise vorträgt, für mich ist es wichtig, Freude auszustrahlen und das Ganze nicht herunter zu leiern.
Ich denke, in der tridentinischen Messe gibt es keine weiblichen Lektoren, da ist man noch ganz in der Tradition, dass dieser Dienst im Zusammenhang mit der Ausbildung zum Diakon und später zum Priester wird.
ich möchte das auch nicht bemängeln, wie käme ich dazu , eine Jahrhunderte alte Tradition zu bemängeln? Weibliche Lektoren gibt es noch nicht so lange
 
hansfeuerstein 08.07.2021 23:06
Mit dem Rücken zum Volk heisst vor allem mit dem Volk gen Osten zur erwarteten Widerkunft des Herrn hin..

»Wie der Blitz im Osten aufzuckt und bis zum Westen leuchtet, so wird es auch mit der Wiederkunft des Menschensohnes sein« (Mt 24,27 EU

Jesu Christi bezeichnet die Bibel als das Licht der Welt,(Lk 1,78 f EU) oder Sonne der Gerechtigkeit (Mal 4,2 EU), und die Sonne geht bekanntlich im Osten auf.....
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