Die tiefsten Prägungen in unserem Leben...
04.07.2021 09:47
Die tiefsten Prägungen in unserem Leben...
04.07.2021 09:47
Die tiefsten Prägungen in unserem Leben...
„Die Bedeutung der Elternehe“
Der HERR ist langsam zum Zorn und groß an Gnade; er vergibt Schuld und Übertretungen, obgleich er keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, bis in das dritte und vierte Glied. (4.Mose 14:18, Schlachter)
Die tiefsten Prägungen in unserem Leben geschehen in einer Zeit, in die unser Erinnerungsvermögen nicht mehr hineinreicht. Von der Geburt bis zum Alter von etwa drei Jahren nehmen wir Eindrücke auf, die sich so tief in unser Unbewußtes eingraben, daß sie dort zu einer autonomen Wirkung kommen. Kritik- und widerstandslos sind wir den Prägungen von seiten der Eltern ausgesetzt. Alles, was wir erleben, ist einmalig; alles, was wir sehen und hören, ist für uns das einzig Mögliche, denn die Eltern sind für das Kleinkind die einzige Wirklichkeit. Die Welt der Eltern wird prägend für die Vorstellungen, Erwartungen und Reaktionen des Kindes. Alles wird aufgenommen und in der Seele gespeichert wie in einem Computer.
Wenn Heranwachsende später ihre Eltern kritisch sehen lernen und merken, was diese falsch machen, können sie sich dagegen wehren – vielleicht sogar beschließen, nie so zu werden - , aber sie fixieren sich damit auch auf das elterliche Verhalten, nur im umgekehrten Sinne. Es entseht eine Gegenabhängigkeit (Konterdependenz). Manches Verhalten wird dann später nur deshalb geübt, weil man genau das Gegenteil von dem machen will, was man zu Hause als abschreckendes Beispiel erlebt hat. Es ist also nicht entscheidend, ob das Vorbild positiv nachgeahmt oder negativ abgewehrt wird – in beiden Fällen ist es beeinflussend und bestimmend.
Deshalb kann es in Krisenzeiten der Partnerschaft nützlich sein, einmal über diese Zusammenhänge und Prägungen nachzudenken und zu überlegen, welche Rolle sie für das eigene Verhalten spielen.
Prägungen sind kein Unglück, wenn sie entdeckt und in ihrer Wirkung durchschaut werden. Man wird sie sich nicht gegenseitig vorwerfen, sondern sich darüber klarzuwerden versuchen, was man davon in der eigenen Ehe beibehalten möchte und was nicht. Die positiven Prägungen können ebenso stark sein wie die negativen. Es gibt gute, heilige Traditionen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die lebensfördernd sind und auch in der eigenen Ehe eine bewahrende Kraft haben.
Kinder aus Scheidungsehen neigen dazu, sich sehr früh zu binden, um so die verlorene Sicherheit und Geborgenheit in einer eigenen Partnerschaft und Familie zu finden. Dabei kommt es oft zu unreifen Bindungen, die dann nicht halten. Es hat den Anschein, als ob sich Scheidungen regelrecht vererben; in Wirklichkeit wird aber nur das Verhalten tradiert, nicht die Scheidung. Aber das Verhalten, das bei den Eltern zur Scheidung führte, kann bei Wiederholung in der eigenen Ehe das selbe bewirken.
Häufig tauchen erst um die vierzig Jahre herum diese Prägungen wieder auf. Die Abwehr gegen das negativ empfundene Verhalten der Eltern hat dann nachgelassen, und das „alte Muster“ setzt sich unbewußt wieder durch. Der Rat, den man früher jungen Männern auf Freiersfüßen gab, lautete, sich ihre zukünftige Schwiegermutter nur genau anzusehen. Dieser Rat ist gar nicht so dumm, und sicher trifft er ebenso auf die Schwiegerväter zu!
Gute und schlechte Prophezeiungen
Manche Bemerkungen von Eltern, Lehrern oder anderen Autoritäten aus unserer Kindheit haften fest in unserem Gedächtnis und ziehen sich wie ein unsichtbares und doch sehr wirksames Manuskript durch das Leben. Es ist als sei ständig ein innerer Souffleur am Werk, der mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe, was richtig ist und was falsch, ob ich ein Gewinner oder ein Verlierer bin.
Nicht immer sind die Entstehungsgeschichten solcher Skripteinprägungen datierbar; wichtig ist nur, daß sie entlarvt werden und ich ihre meist unheilvolle Wirkung in meinem Leben und Verhalten entdecke. Es gibt auch positive, ermutigende Botschaften: „Du wirst es schon schaffen – du bist ein toller Kerl – du bist hübsch und begabt – es steckt viel in dir“, die wie eine positive Grundströmung die Lebenseinstellung beeinflussen.
Wenn wir Störungen in der Partnerschaft aufdecken wollen, müssen wir uns allerdings mit den negativen Botschaften befassen. Diese haben auch dann noch ihre Wirkung, wenn die Eltern längst nicht mehr leben oder inzwischen eine ganz andere Meinung vertreten.
Ich möchte ein paar häufig wiederkehrende negative Botschaften nennen: „
Was du auch anfaßt, machst du kaputt
aus dir wird nie etwas Gescheites werden
du schaffst es doch nicht
du wirst schon sehen, wohin das führt
laß das, das kannst du nicht
du bist hier überflüssig
du hast zwei linke Hände
für Sprachen bist du einfach unbegabt
du denkst zu langsam
du bist mein größte Enttäuschung
du machst mich krank
du bist ein Nagel zu meinem Sarg
du bringst mich noch unter die Erde...“
oder geschlechtsspezifische Botschaften wie: „
Männer wollen immer das eine
ein Junge weint doch nicht
Mädchen tun so etwas nicht
wir hatten uns eigentlich einen Jungen gewünscht, aber dann bist du eben gekommen...“
Aus solchen Botschaften bilden sich negative Ich-Überzeugungen wie: „
Ich bin eben ein Pechvogel
ich kann das nicht
ich bin zu dumm dazu
auf mich kommt es doch nicht an
ich bin ein Versager
so etwas kann auch nur mir passieren...“
Solche Überzeugungen haben eine unheilvolle Wirkung. Sie sind Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen, weil wir – bewußt oder unbewußt – daran glauben und sie damit herbeiführen und bestätigen. Selbst wenn der äußere Lebensverlauf das Gegenteil der Botschaft zu beweisen scheint, erlebt der Betroffene sie doch als seine eigentliche Wirklichkeit. Sein Lebensgefühl und seine Haltung sind davon bestimmt.
Eine stark prägende Wirkung haben auch Erlebnisse aus besonders kritischen Entwicklungsphasen, die sich später in ähnlichen Situationen lebenshemmend auswirken. In der Partnerschaft ist das sehr oft im sexuellen Bereich der Fall. Verführungen, unreife sexuelle Erlebnisse, mit Schuldgefühlen verbundene sexuelle Spielereien oder Vergewaltigung können einen Menschen erlebnisunfähig machen.
Wenn man einen Erwachsenen spontan fragt, welches Märchen oder Kinderlied ihn in seiner Kindheit am stärksten beeindruckt hat, kann man aus seiner Antwort wichtige Schlüsse ziehen; oft bilden die Hauptfiguren dieser Märchen das unbewußte Vorbild, nach dem er sich selbst und seine Umwelt erlebt.
Zum Beispiel Dornröschen, das immer darauf wartete, daß endlich der erlösende Prinz kommt. Das ganze Leben wird träumend erlebt und die Aktivität und Entwicklung gerade im Bereich des Frauseins dabei vernachlässigt („ich kann nichts dafür tun – ich muß warten, bis der Richtige kommt&ldquo.
Oder das Aschenputtel. Es fühlt sich leicht in der Rolle des Mädchens, das ausgenutzt und benachteiligt wird. Es lebt in der stillen Hoffnung, daß endlich jemand kommt, der das Unrecht aufdeckt, der die eigentlichen Werte in ihm freilegt und ihm die Rolle gibt, für die es geboren ist.
Bei Schneewittchen ist die Beziehung zur Mutter (es muß nicht immer die Stiefmutter sein) besonders wichtig: die neidische, böse Frau, die dem Mädchen scheinbar nach dem Leben trachtet. Es ist die Eifersucht zwischen Mutter und Tochter. Das Gefühl ist hier: „Mir wird Unrecht getan. Ich bin ein unschuldiges Opfer. Wer erlöst mich von dieser bösen Macht, die mir das Leben nicht gönnt?...
Es kann sehr wertvoll sein, anhand von Märchen seine eigene Rolle zu entdecken und sich dann bewußt davon zu lösen, in die Wirklichkeit zu treten und nicht in Märchenvorstellungen steckenzubleiben. Das ist nicht nur ein intellektueller Vorgang, sondern er bedarf der Entschlossenheit der ganzen Person, denn von Natur aus wehren wir uns gegen jede Veränderung. In den meisten Fällen können wir uns erst dazu entschließen, wenn der Leidensdruck sehr groß wird. Der gute Rat allein genügt aber nicht, sich von lebenshindernden Einstellungen zu lösen, sondern erst die Arbeit an sich selbst und aneinander hilft weiter...
Kristin schreibt:
Wie bunte Perlen reihen sich Märchen, Lieder, Erlebnisse und Sätze aus der Kindkeit, aus meiner Mädchenzeit und der Zeit der Ehe auf meine Lebensschnur. Ihre Farbe wird noch kräftiger durch meine Lieblingsbücher, durch Erzählungen meiner Eltern von früher und durch Photos von mir, die für mich überzeugend meine Struktur und mein Lebensgefühl unterstreichen.
Meine erste Kindheitserinnerung ist eine Szene im Badezimmer. Ich muß drei bis vier Jahre alt gewesen sein, komme verschlafen dort hinein und sehe, wie meine um ein Jahr ältere Schwester für eine Hochzeit zurechtgemacht wird. Sie sieht wunderschön aus in ihrem weißen Kleid und mit dem Blumenkranz im Haar. Man zieht ihr gerade die weißen Strümpfchen an und ist überrascht, als ich plötzlich dastehe. Man hat mich zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht und mir nichts davon gesagt, damit ich nicht traurig darüber bin, daß ich nicht auch Blumen streuen darf. Meine Schwester ist immer zart und zierlich gewesen mit schönen Locken; ich war das „Dickerle“. Sie spielte später zu Weihnachten den Engel, ich den Weihnachtsmann. Nicht umsonst ist dies das erste Bild, das aus meiner Kindheit in mir auftaucht. Es trifft genau mein Grundgefühl, alleingelassen zu werden, ausgetrickst, zurückgesetzt. Der Trainer in einer Selbsterfahrungsgruppe hat einmal zu mir gesagt: „Du läufst ja ständig mit einer offenen Wunde herum.“ Ich fand das leider sehr treffend.
Natürlich ist es schwer für einen Ehemann, dagegen anzukommen. Handlungen und Worte von ihm, die mein Grundgefühl unterstreichen, wiegen besonders schwer und verletzen mich tief. Soll er immer darauf Rücksicht nehmen?
(aus: „Füreinander begabt“, Wilhard und Kristin Becker)
Link:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/verflucht-bis-ins-vierte-glied.1124.de.html?dram:article_id=263977
Der HERR ist langsam zum Zorn und groß an Gnade; er vergibt Schuld und Übertretungen, obgleich er keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, bis in das dritte und vierte Glied. (4.Mose 14:18, Schlachter)
Die tiefsten Prägungen in unserem Leben geschehen in einer Zeit, in die unser Erinnerungsvermögen nicht mehr hineinreicht. Von der Geburt bis zum Alter von etwa drei Jahren nehmen wir Eindrücke auf, die sich so tief in unser Unbewußtes eingraben, daß sie dort zu einer autonomen Wirkung kommen. Kritik- und widerstandslos sind wir den Prägungen von seiten der Eltern ausgesetzt. Alles, was wir erleben, ist einmalig; alles, was wir sehen und hören, ist für uns das einzig Mögliche, denn die Eltern sind für das Kleinkind die einzige Wirklichkeit. Die Welt der Eltern wird prägend für die Vorstellungen, Erwartungen und Reaktionen des Kindes. Alles wird aufgenommen und in der Seele gespeichert wie in einem Computer.
Wenn Heranwachsende später ihre Eltern kritisch sehen lernen und merken, was diese falsch machen, können sie sich dagegen wehren – vielleicht sogar beschließen, nie so zu werden - , aber sie fixieren sich damit auch auf das elterliche Verhalten, nur im umgekehrten Sinne. Es entseht eine Gegenabhängigkeit (Konterdependenz). Manches Verhalten wird dann später nur deshalb geübt, weil man genau das Gegenteil von dem machen will, was man zu Hause als abschreckendes Beispiel erlebt hat. Es ist also nicht entscheidend, ob das Vorbild positiv nachgeahmt oder negativ abgewehrt wird – in beiden Fällen ist es beeinflussend und bestimmend.
Deshalb kann es in Krisenzeiten der Partnerschaft nützlich sein, einmal über diese Zusammenhänge und Prägungen nachzudenken und zu überlegen, welche Rolle sie für das eigene Verhalten spielen.
Prägungen sind kein Unglück, wenn sie entdeckt und in ihrer Wirkung durchschaut werden. Man wird sie sich nicht gegenseitig vorwerfen, sondern sich darüber klarzuwerden versuchen, was man davon in der eigenen Ehe beibehalten möchte und was nicht. Die positiven Prägungen können ebenso stark sein wie die negativen. Es gibt gute, heilige Traditionen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die lebensfördernd sind und auch in der eigenen Ehe eine bewahrende Kraft haben.
Kinder aus Scheidungsehen neigen dazu, sich sehr früh zu binden, um so die verlorene Sicherheit und Geborgenheit in einer eigenen Partnerschaft und Familie zu finden. Dabei kommt es oft zu unreifen Bindungen, die dann nicht halten. Es hat den Anschein, als ob sich Scheidungen regelrecht vererben; in Wirklichkeit wird aber nur das Verhalten tradiert, nicht die Scheidung. Aber das Verhalten, das bei den Eltern zur Scheidung führte, kann bei Wiederholung in der eigenen Ehe das selbe bewirken.
Häufig tauchen erst um die vierzig Jahre herum diese Prägungen wieder auf. Die Abwehr gegen das negativ empfundene Verhalten der Eltern hat dann nachgelassen, und das „alte Muster“ setzt sich unbewußt wieder durch. Der Rat, den man früher jungen Männern auf Freiersfüßen gab, lautete, sich ihre zukünftige Schwiegermutter nur genau anzusehen. Dieser Rat ist gar nicht so dumm, und sicher trifft er ebenso auf die Schwiegerväter zu!
Gute und schlechte Prophezeiungen
Manche Bemerkungen von Eltern, Lehrern oder anderen Autoritäten aus unserer Kindheit haften fest in unserem Gedächtnis und ziehen sich wie ein unsichtbares und doch sehr wirksames Manuskript durch das Leben. Es ist als sei ständig ein innerer Souffleur am Werk, der mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe, was richtig ist und was falsch, ob ich ein Gewinner oder ein Verlierer bin.
Nicht immer sind die Entstehungsgeschichten solcher Skripteinprägungen datierbar; wichtig ist nur, daß sie entlarvt werden und ich ihre meist unheilvolle Wirkung in meinem Leben und Verhalten entdecke. Es gibt auch positive, ermutigende Botschaften: „Du wirst es schon schaffen – du bist ein toller Kerl – du bist hübsch und begabt – es steckt viel in dir“, die wie eine positive Grundströmung die Lebenseinstellung beeinflussen.
Wenn wir Störungen in der Partnerschaft aufdecken wollen, müssen wir uns allerdings mit den negativen Botschaften befassen. Diese haben auch dann noch ihre Wirkung, wenn die Eltern längst nicht mehr leben oder inzwischen eine ganz andere Meinung vertreten.
Ich möchte ein paar häufig wiederkehrende negative Botschaften nennen: „
Was du auch anfaßt, machst du kaputt
aus dir wird nie etwas Gescheites werden
du schaffst es doch nicht
du wirst schon sehen, wohin das führt
laß das, das kannst du nicht
du bist hier überflüssig
du hast zwei linke Hände
für Sprachen bist du einfach unbegabt
du denkst zu langsam
du bist mein größte Enttäuschung
du machst mich krank
du bist ein Nagel zu meinem Sarg
du bringst mich noch unter die Erde...“
oder geschlechtsspezifische Botschaften wie: „
Männer wollen immer das eine
ein Junge weint doch nicht
Mädchen tun so etwas nicht
wir hatten uns eigentlich einen Jungen gewünscht, aber dann bist du eben gekommen...“
Aus solchen Botschaften bilden sich negative Ich-Überzeugungen wie: „
Ich bin eben ein Pechvogel
ich kann das nicht
ich bin zu dumm dazu
auf mich kommt es doch nicht an
ich bin ein Versager
so etwas kann auch nur mir passieren...“
Solche Überzeugungen haben eine unheilvolle Wirkung. Sie sind Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen, weil wir – bewußt oder unbewußt – daran glauben und sie damit herbeiführen und bestätigen. Selbst wenn der äußere Lebensverlauf das Gegenteil der Botschaft zu beweisen scheint, erlebt der Betroffene sie doch als seine eigentliche Wirklichkeit. Sein Lebensgefühl und seine Haltung sind davon bestimmt.
Eine stark prägende Wirkung haben auch Erlebnisse aus besonders kritischen Entwicklungsphasen, die sich später in ähnlichen Situationen lebenshemmend auswirken. In der Partnerschaft ist das sehr oft im sexuellen Bereich der Fall. Verführungen, unreife sexuelle Erlebnisse, mit Schuldgefühlen verbundene sexuelle Spielereien oder Vergewaltigung können einen Menschen erlebnisunfähig machen.
Wenn man einen Erwachsenen spontan fragt, welches Märchen oder Kinderlied ihn in seiner Kindheit am stärksten beeindruckt hat, kann man aus seiner Antwort wichtige Schlüsse ziehen; oft bilden die Hauptfiguren dieser Märchen das unbewußte Vorbild, nach dem er sich selbst und seine Umwelt erlebt.
Zum Beispiel Dornröschen, das immer darauf wartete, daß endlich der erlösende Prinz kommt. Das ganze Leben wird träumend erlebt und die Aktivität und Entwicklung gerade im Bereich des Frauseins dabei vernachlässigt („ich kann nichts dafür tun – ich muß warten, bis der Richtige kommt&ldquo.
Oder das Aschenputtel. Es fühlt sich leicht in der Rolle des Mädchens, das ausgenutzt und benachteiligt wird. Es lebt in der stillen Hoffnung, daß endlich jemand kommt, der das Unrecht aufdeckt, der die eigentlichen Werte in ihm freilegt und ihm die Rolle gibt, für die es geboren ist.
Bei Schneewittchen ist die Beziehung zur Mutter (es muß nicht immer die Stiefmutter sein) besonders wichtig: die neidische, böse Frau, die dem Mädchen scheinbar nach dem Leben trachtet. Es ist die Eifersucht zwischen Mutter und Tochter. Das Gefühl ist hier: „Mir wird Unrecht getan. Ich bin ein unschuldiges Opfer. Wer erlöst mich von dieser bösen Macht, die mir das Leben nicht gönnt?...
Es kann sehr wertvoll sein, anhand von Märchen seine eigene Rolle zu entdecken und sich dann bewußt davon zu lösen, in die Wirklichkeit zu treten und nicht in Märchenvorstellungen steckenzubleiben. Das ist nicht nur ein intellektueller Vorgang, sondern er bedarf der Entschlossenheit der ganzen Person, denn von Natur aus wehren wir uns gegen jede Veränderung. In den meisten Fällen können wir uns erst dazu entschließen, wenn der Leidensdruck sehr groß wird. Der gute Rat allein genügt aber nicht, sich von lebenshindernden Einstellungen zu lösen, sondern erst die Arbeit an sich selbst und aneinander hilft weiter...
Kristin schreibt:
Wie bunte Perlen reihen sich Märchen, Lieder, Erlebnisse und Sätze aus der Kindkeit, aus meiner Mädchenzeit und der Zeit der Ehe auf meine Lebensschnur. Ihre Farbe wird noch kräftiger durch meine Lieblingsbücher, durch Erzählungen meiner Eltern von früher und durch Photos von mir, die für mich überzeugend meine Struktur und mein Lebensgefühl unterstreichen.
Meine erste Kindheitserinnerung ist eine Szene im Badezimmer. Ich muß drei bis vier Jahre alt gewesen sein, komme verschlafen dort hinein und sehe, wie meine um ein Jahr ältere Schwester für eine Hochzeit zurechtgemacht wird. Sie sieht wunderschön aus in ihrem weißen Kleid und mit dem Blumenkranz im Haar. Man zieht ihr gerade die weißen Strümpfchen an und ist überrascht, als ich plötzlich dastehe. Man hat mich zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht und mir nichts davon gesagt, damit ich nicht traurig darüber bin, daß ich nicht auch Blumen streuen darf. Meine Schwester ist immer zart und zierlich gewesen mit schönen Locken; ich war das „Dickerle“. Sie spielte später zu Weihnachten den Engel, ich den Weihnachtsmann. Nicht umsonst ist dies das erste Bild, das aus meiner Kindheit in mir auftaucht. Es trifft genau mein Grundgefühl, alleingelassen zu werden, ausgetrickst, zurückgesetzt. Der Trainer in einer Selbsterfahrungsgruppe hat einmal zu mir gesagt: „Du läufst ja ständig mit einer offenen Wunde herum.“ Ich fand das leider sehr treffend.
Natürlich ist es schwer für einen Ehemann, dagegen anzukommen. Handlungen und Worte von ihm, die mein Grundgefühl unterstreichen, wiegen besonders schwer und verletzen mich tief. Soll er immer darauf Rücksicht nehmen?
(aus: „Füreinander begabt“, Wilhard und Kristin Becker)
Link:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/verflucht-bis-ins-vierte-glied.1124.de.html?dram:article_id=263977
Kommentare
(Nutzer gelöscht) 04.07.2021 10:47
...tiefe Prägungen entstehen sicherlich (mehr oder weniger) im Kleinkindalter...besonders tragisch, wenn es sich dabei um traumatisierte Prägungen handelt...jede Seele bedarf einer Begegnung mit JESUS, der im alles entscheidenden Moment die Herzen erobern und Lebend'ges Wasser spenden kann...je früher desto heilsamer...SEINE Spuren sind die besten und heilsamsten Prägungen in meinem Leben...❤️
(Nutzer gelöscht) 04.07.2021 11:01
Ich danke für die wertvollen und detaillierten Gedanken zu einem sehr wichtigen Thema für jeden und besonders für jeden der jemand sucht "fürs Leben".
Ich habe kurz nachgedacht welches Märchen bei mir spontan kommt und es ist zwar kein Märchen aber eine doch bekannte Geschichte, nämlich der Räuber Hotzenplotz. Wenn ich an meine spätere Kindheit und Jugend denke, dann muss ich sagen, da gibt's Parallelen.....Dem Herrn und seiner Gnade und der Gebete meiner Mutter sei gedankt, bin ich nie im Gefängnis gelandet.
Doch etwas ist dennoch "hängen geblieben" nämlich die berufliche Begeisterung genau solchen Kindern und Jugendlichen ein Begleiter zu sein zur Bewahrung einer kriminellen Karriere oder Begleiter wenn sie schon "drin stecken".
Meine Prägung durch meine Eltern ist vielleicht darin zu erkennen dass sie beide "Hippiekinder" waren und demzufolge ich zu früh zu viel Freiheiten hatte.......
Dank dieses Blogs kann ich reflektieren wie ich mit meinem Sohn umgehe......
Danke Zeitzeuge!
Ich habe kurz nachgedacht welches Märchen bei mir spontan kommt und es ist zwar kein Märchen aber eine doch bekannte Geschichte, nämlich der Räuber Hotzenplotz. Wenn ich an meine spätere Kindheit und Jugend denke, dann muss ich sagen, da gibt's Parallelen.....Dem Herrn und seiner Gnade und der Gebete meiner Mutter sei gedankt, bin ich nie im Gefängnis gelandet.
Doch etwas ist dennoch "hängen geblieben" nämlich die berufliche Begeisterung genau solchen Kindern und Jugendlichen ein Begleiter zu sein zur Bewahrung einer kriminellen Karriere oder Begleiter wenn sie schon "drin stecken".
Meine Prägung durch meine Eltern ist vielleicht darin zu erkennen dass sie beide "Hippiekinder" waren und demzufolge ich zu früh zu viel Freiheiten hatte.......
Dank dieses Blogs kann ich reflektieren wie ich mit meinem Sohn umgehe......
Danke Zeitzeuge!
(Nutzer gelöscht) 04.07.2021 14:57
Danke, liebe @ Freueteuch, für die Erinnerung an dieses schöne Märchen! Es hat mich immer sehr berührt, aber ich habe es lange nicht gehört.