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„Die Andersartigkeit des anderen ernst nehmen“

„Die Andersartigkeit des anderen ernst nehmen“
„Die Andersartigkeit des anderen ernst nehmen“

Freunde dich nicht mit einem Zornmütigen an und geh nicht um mit einem Hitzkopf,
damit du dir nicht seinen Wandel angewöhnst und er dir nicht zum Fallstrick deiner Seele wird! (Spr 22:24,25, Schlachter)

Anmut ist trügerisch und Schönheit vergeht, aber eine Frau, die den HERRN fürchtet, die wird gelobt werden.(Spr 31:30, Schlachter)

Erst wenn ich den Zusammenhang zwischen meinen Ängsten und ungestillten Bedürfnissen und meiner Art erkenne, kann ich auch anfangen, den anderen in seiner Andersartigkeit zu sehen und ernst zu nehmen.

Die vier Grundstrukturen des Charakters nach vier Gesichtspunkten:
- die Auswirkung des Charakters im Bereich der Begabung,
- der Aggressionen
- der Wünsche und Bedürfnisse
- der Angst

Die Grundstrukturen sollen in ihrer extremen Ausformung beschrieben werden. Das ermöglicht eine kürzere Darstellung. Erscheinungsformen, die für die Ehe relevant sind, werden dabei besonders berücksichtigt. Es ergibt sich von daher eine gewisse Einseitigkeit. Es gibt keine „reine“ Charaktere, sondern in jeder Person sind alle vier Strukturen vorhanden, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt.

Die Distanzstruktur

„Begabung“

Ein Mensch mit dieser Struktur ist erkennbar an seiner Wachheit und Weltoffenheit. Er beobachtet alles besonders interessiert. Sein Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu verstehen und zu erforschen, ist sehr ausgeprägt. Er hat die Fähigkeit, sachlich zu reagieren und Dinge und Situationen von außen distanziert zu betrachten. Der so Begabte kann relativ schnell seine Meinung und seinen Standort wechseln. Er läßt sich nicht gern festlegen, denn er ist in der Lage, auch die andere Seite zu sehen und zu vertreten. Er kann sich rasch in eine andere Person hineindenken. Er zieht sich leicht von seinen Gefühlen in eine sachliche Distanz zurück. Jeder Forscher hat etwas von dieser Struktur.

„Aggression“

Wer Aggressionen nur als direkten Angriff versteht, wird bei diesem Typ wenig Aggressionen entdecken. Und doch sind diese vorhanden. Sie erscheinen nur in ihrer Umkehr als Rückzug, als Flucht. Der Angriff wird nicht mit einem offenen Gegenangriff beantwortet, sondern mit Verweigerung, vielleicht auch mit Ironie und Sarkasmus. Damit hält man sich den Gegner vom Leibe. Mancher Distanztyp hat eine von anderen als abwertend erlebte Überlegenheit an sich. In dieser Art von Aggression werden die Gefühle abgeschaltet und verdrängt. Fühlt sich so ein Mensch permanent angegriffen, kann sein Rückzug bis zur Vereinsamung und Einsiedelei führen. Er wird sich normalerweise jedem Angriff -  und damit jeder  Herausforderung – entziehen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

„Sehnsucht – Wunsch – Bedürfnis“

Das tiefste Bedürfnis ist, verstanden zu werden. In diesem Wunsch liegt aber schon die Besorgnis, zu rasch verstanden und damit wieder festgelegt zu werden. Distanztypen wünschen sich, daß man auf sie eingeht und möglichst ohne Angriffe und Vorwürfe mit ihnen umgeht. Sie sind sehr dünnhäutig und können zu große Nähe und Dichte nicht ertragen. Dabei wünschen sie sich auch Gemeinschaft und Nähe, aber sie möchten diese gern selbst bestimmen und brauchen immer einen freien Fluchtweg, um sich allzu großer Vereinnahmung entziehen zu können. Hierin zeigt sich ihre Angst.

„Angst“

Die Angst liegt darin, überwältigt und verhaftet zu werden. Es ist die Angst vor zu großer Nähe, vor vereinahmender Berührung – die Angst, festgehalten zu werden und damit nich mehr selbständig sein zu können, eventuell zu Gefühlen gezwungen zu werden (vor denen sich der Distanztyp am meisten fürchtet). Es ist auch die Angst, überschwemmt zu werden, wenn die eigenen Gefühle einmal voll ausbrechen. Auch die Angst, daß man ihn geistig in ein Schema preßt oder methodisch fixiert, ist stark ausgeprägt. Zutiefst sitzt das Gefühl, keine Lebensberechtigung zu haben. Der Distanztyp leidet häufig unter einem Identitätsmangel. Die angstvolle Frage: „Wer bin ich eigentlich?“ oder „Was will ich eigentlich?“ treibt ihn um. Sein Gegentyp ist der Mensch mit der Nähestruktur.

Die Nähestruktur

„Begabung“

Nähetypen haben ein starkes Mitgefühl. Sie strahlen Wärme aus. In ihrer Nähe fühlt man sich im allgemeinen wohl. Sie sind gemeinschaftsfreudig und bilden selbst gern Gemeinschaften. Ihre Bindungsfähigkeit und ihr Bindungsbedürfnis sind ausgeprägt. Ihre Gefühle erleben sie stark und tief. Sie können sich gut einfühlen und sind gern für andere da – fürsorglich und mit großer Geduld im Tragen und Ertragen. Häufig finden wir sie deshalb in helfenden, sozialen Berufen; dort können sie ihr Nähebedürfnis gut ausleben.

„Aggression“

In diesem Bereich sind sie sehr typisch. Sie agieren das aus, was wir eigentlich unter dem Wort Aggession verstehen: Sie greifen an, sie machen Vorwürfe, sie lassen andere ihren Ärger und ihre Wut spüren. Sie haben einen hohen Erwartungsanspruch und neigen dazu, ihre Umwelt zu beschlagnahmen und festzuhalten. Das Ziel ihrer Aggression ist eigentlich nicht, den anderen zu vertreiben, sondern ihn für sich zu gewinnen. Sie neigen dazu, leicht beleidigt zu sein und Kränkungen besonders tief zu empfinden. Ihre Art ist laut und verletzend, wenn sie ihre Aggressionen äußern. Sie neigen zu Eifersucht und können in ihren Ansprüchen an Nähe maßlos sein.

„Sehnsucht – Wunsch - Bedürfnis“

Ihr Hauptbedürfnis ist Nähe; es ist ein Bedürfnis nach Ganzheit – die Sehnsucht, mit dem geliebten Partner eins zu werden und für ihn ein und alles zu sein. Sie haben eine große Hingabefähigkeit, da sie damit dem Wunsch nach Verschmelzung am nächsten kommen. Sie möchten besitzen (vereinnahmen) und selbt auch besessen (vereinnahmt) werden.

„Angst“

Ihre größte Angst ist die, verlassen zu werden. Es ist die Angst vor Wärmeverlust, davor, allein zu sein und den Partner an einen anderen Menschen zu verlieren. Diese Angst macht den Nähetyp oft sehr eifersüchtig und bewirkt dadurch gerade das, was er am meisten fürchtet: nämlich den Verlust von Nähe.

Kristin schreibt:
Ich habe das mit den Strukturen oft gehört und auch interessant gefunden, jedoch erst nach und nach begriffen, was das Ganze für unser Zusammenleben bedeutet. Jahrelang ging es bei uns: „Typisch Nähe! Typisch Distanz!“ oder „Du mit deinen übertriebenen Ordnungsanteilen!“ oder „echt Freiheitstyp“. Das waren fast Schimpfwörter. In mir wuchs ein Widerstand gegen diese ganze Strukturenlehre. „Der Strukturen-Becker“ hörte ich mal jemanden sagen. Die positiven Seiten meiner Struktur kamen kaum vor, denn da wir meistens nur bei Schwierigkeiten über dieses Thema sprachen, ging es eben in erster Linie um die negativen Seiten. Das verdarb mir gründlich den Spaß daran.

Die Angst, manipuliert zu werden und mich aufgeben zu müssen, beschlich mich. Im Grunde möchte ich in meiner Art bestätigt werden, und alles Anderssein von Wilhard verunsichert mich. Ich gerate so leicht in Verteidigungsstellung. Ich muß immer beweisen, daß ich ein Recht habe, so zu sein, wie ich bin. Ich möchte nicht, daß mir etwas abgenommen wird, das zu mir gehört. Langsam spüre ich, daß ich alles behalten darf, daß im Gegenteil ein Angebot besteht, dazuzunehmen: Ich sehe und erlebe die Welt nur so, wie sie durch meine Struktur gefärbt ist, und ich kann auch andere Farben neu kennenlernen und neu erleben. Ich trage meine Begrenzungen in mir, aber ich bekomme die Möglichkeit, meine Grenzen zu erweitern. Die ganze Wirklichkeit ist viel größer als meine eigene kleine Wirklichkeit. Ich möchte in die ganze Wirklichkeit hineinwachsen.

Es ist so entscheidend, die Wirklichkeit von Wilhard kennenzulernen, aber da ist noch meine Angst, beim Reden den kürzeren zu ziehen. Wilhard hat immer die besseren Argumente. Er ist der Fachmann. Er wird es immer besser wissen. Ich komme gegen ihn nicht an.

Statt meine Angst auszusprechen, schlage ich um mich. Aber jedesmal, wenn ich zu ihm über meine Angst sprechen kann, geschieht etwas Wunderbares: Ich werde nicht als Schwächlich behandelt, sondern ich erfahe Verständnis, Wohlwollen, Liebe. Meine tiefste Angst – die Angst, nicht geliebt zu sein – verschwindet, und aus dieser Sicherheit heraus kann ich den Vorhang, den ich schützend vor mein Inneres gezogen habe, zurückschieben und Wilhard bitten, einzutreten.

Sicher hat sich jeder in der Beschreibung der Charakterstrukturen mehr oder weniger stark wiederfinden können. Es gibt also keine wertvollen und weniger wertvollen Strukturen; jede hat angenehme und weniger angenehme Seiten. Es geht dabei nicht um eine moralische Bewertung, sondern darum, daß ein Partner den anderen in seinen Begabungen, in seiner Art zu agieren, in seinen Wünschen und Bedürfnissen und in seiner ihm eigenen Angst kennen- und verstehenlernt....

Menschen, die von allen Strukturen gleiche Anteile haben, leiden manchmal unter einem Mangel an Dynamik, denn gerade die extremen Seiten unserer Persönlichkeit machen uns auch interessant. Nur wenn sie sich in einer Ehe zu extrem auswirken, ist das Zusammenleben auf Dauer schwierig. Ich muß aber die andere, mir fremde Art nicht abwerten, sondern kann die für mich wertvollen Seiten in mich hineinnehmen und entwickeln.

Ich kann als Nähetyp, der stark vom Nähebedürfnis geprägt ist, die Fähigkeit zu größerer Distanz entwickeln oder als extremer Ordnungstyp lernen, mit Freiheit umzugehen und diese Anteile dazugewinnen. So erweitere ich meine Persönlichkeit. Tun das beide Partner, erweitern und vertiefen sie damit auch ihre Ehe und gewinnen die Fähigkeit, das Fehlende in sich zu entdecken, statt es vom anderen zu erwarten.

(aus: „Füreinander begabt“, Wilhard und Kristin Becker)

Kommentare

 
Zeitzeuge 03.07.2021 11:17
 
(Nutzer gelöscht) 03.07.2021 16:15
Vielen Dank,Zeitzeugen,für den sehr interessanten Beitrag.
Bei dem ein oder anderen Satz mußte ich ja schon mal “grinsen “.........wo ich mich selbst erkannt habe..........
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