An den Wassern von Babylon
27.03.2021 15:29
An den Wassern von Babylon
27.03.2021 15:29
An den Wassern von Babylon
https://youtu.be/l3QxT-w3WMo
An den Wassern von Babylon
Ende der Siebziger tanzten alle zu „Rivers of Babylon“ von Boney M. Verstanden hat den Song, im Original ein Rastafari-Bekenntnis, kaum einer. Ein Religionswissenschaftler erklärt den Subtext im Interview.
ie Originalversion von „Rivers of Babylon“ stammt von der jamaikanischen Rocksteady-Gruppe The Melodians. Veröffentlicht wurde der Song erstmals im Jahr 1970. Nach Aussage des Leadsängers Brent Dowe hat die Band mit ihrer Reggae-Adaption von Psalm 137 – auch einige Verse von Psalm 19 („So let the words of our mouth ...&ldquo wurden verwendet – das Publikum mit der wachsenden Rastafari-Bewegung vertraut machen wollen. Bei den Rastafariern sei es üblich gewesen, Psalmen zu singen, die entsprechend den eigenen Glaubensinhalten abgewandelt wurden.
nternational bekannt wurde „Rivers of Babylon“ mit der markant sparsamen Gitarre von Ernest Ranglin durch den Soundtrack des Films „The Harder They Come“ aus dem Jahr 1972. Durch Frank Farians Boney M. wurde der Song dann, seines Rastafari-Bekenntnisses beraubt, 1978 zum Welthit.
Wir haben den Religionswissenschaftler Andreas Grünschloß zum Subtext der Originalversion von „Rivers of Babylon“ befragt.
Worum geht es in „Rivers of Babylon“ von den Melodians?
Andreas Grünschloß: Da muss ich etwas ausholen, der Song hat einen starken Rastafari-Hintergrund. Die Rastafarier auf Jamaika verstehen sich, wie einige andere schwarze Bewegungen auch, als Nachfahren der Israeliten. Bereits im 18. Jahrhundert gab es Gruppen, die dem Komplex der „Black Hebrews“ oder „Black Israelites“ zuzurechnen sind. Die Wurzeln der Rastafarier-Bewegung liegen in einem schwarzen, protestantisch geprägten Milieu der Mission in Jamaika, die von schwarzen Baptisten durchgeführt wurde. Die Bibel wird dabei deutlich mit den Augen von Schwarzen wahrgenommen. Eine Auseinandersetzung findet besonders mit jenen Bibelstellen statt, die mit einer schwarzen Identität korrespondieren.
Das ist auch der Hintergrund von „Rivers of Babylon“, das mit Versen aus dem Psalm 137 einsetzt. Die dort thematisierte Deportation nach Babylon entspricht der Weltbefindlichkeit der Rastafarier, deren Selbstverständnis sich ungefähr so skizzieren lässt: ‚Wir sind die schwarzen Israeliten, die von Piraten aus Afrika verschleppt wurden nach Jamaika, unserem Babylon. Wir warten jetzt auf „King Alpha“, der uns in das geliebte Mutterland zurückbringen soll.‘ King Alpha ist niemand anderes als Haile Selassie, der äthiopische Kaiser von den dreißiger bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Lied heißt er auch Far-I, eine Kurzform von Ras Tafari Makonnen, also Fürst Tafari – das war der Name Haile Selassies vor seiner Thronbesteigung. An diesen beiden Begriffen, „King Alpha“ und „Far-I“ erkennt man am deutlichsten den Rastafari-Hintergrund von „Rivers of Babylon“.
Was steckt hinter der Bezeichnung „King Alpha“?
Das bezieht sich, wie viele andere Beinamen Haile Selassies, auf die Johannes-Offenbarung (22,13): „Ich bin das Alpha und das Omega“, landläufig bekannter in der eingedeutschten Variante „Ich bin das A und O“ – also die umfassende Gottheit, Anfang und Ende. Die Rastafarier nennen Selassie „King Alpha“ und seine Frau „Queen Omega“.
Was hat es mit der Konstruktion „Far-I“ auf sich?
Für das Selbstverständnis, die Anthropologie der Rastafarier, ist der spielerische Einsatz des „I“ ein wichtiges Zeichen. Ein Rastafarier sagt zum Beispiel statt „I go“: „I and I go“. Das Ich zerfällt in das empirische und das göttliche Selbst. Dahinter steckt vermutlich ein indischer Input, die Atman-Vorstellung vom göttlichen Selbst in uns, die von den indischen Arbeitern im Nachtbarslum von Kingston übernommen wurde – diesen Bezug kann man gut rekonstruieren, ebenso wie jenen zum Ganja-, also Marihuana-Rauchen, womöglich sogar den Dreadlocks, auch sie sind eventuell indischen Ursprungs.
Woher kommt das stark sprachspielerische, sprachschöpferische Moment bei den Rastafariern?
Dahinter steckt ein Selbstverständnis von: ‚Wir sind keine schwarzen Underdogs, keine Objekte, keine Unterworfenen der Kolonialmacht mehr, sondern kreative, göttliche Subjekte. Wir haben unmittelbare mystische Kommunikation mit unserem göttlichen Selbst, mit Haile Selassie in uns. Wir sind die eigentlichen Israeliten, ihr Weißen wisst überhaupt nicht, wo es langgeht.‘ Das entspricht einer Umwertung der bestehenden Verhältnisse, die aus den postkolonialen Nachfahren der Sklaverei aufrechte, selbstbewusste Subjekte macht. Rastafarier blicken lächelnd auf die nichtswissenden Weißen, die „Glatzköpfe“ oder baldheads herab. Das Sprachspielerische zeigt dabei eine von den Briten eingeführte gute Bildungsstruktur.
Welche Rolle spielt die Musik bei den Rastafariern?
Als rituelle Vorform des Reggae gilt der Nyajabingi-Gesang, mit seinen typischen Trommeln. Diese Gesänge können stundenlang anhalten und stehen meist im Zusammenhang mit Marihuana-Genuss, der ein inneres Auge für die Wahrheit zwischen den Zeilen der „weißgewaschenen“ Bibel öffnen soll. Das Ritual mit Trommeln – Singen – Rauchen erinnert an Pujas, rituelle Sing- und Erzähl-Feiern, die von den frühen Rastafariern in den benachbarten indischen Arbeiterslums von Kingston zu erleben waren. Ein berühmter erster Rastafari-Prediger nannte sich selbst übrigens Gong- oder Gangan-Guru Maragh, gab sich also indische Attribute.
Im Text von „Rivers of Babylon“ gibt es ja eigentlich einen performativen Widerspruch. Die Ausgangsfrage des Songs lautet: Wie können wir unsere Lieder, die Lieder von King Alpha, in einer fremden Welt, im Exil, in unserem Babylon singen? Gleichzeitig wird diese Frage in einem Song formuliert, die Antwort also im Grunde vorweggenommen.
Ja, das ist zugleich das Konzept von Bob Marley, der etwa im „Redemption Song“ feststellt: Wir haben ja nichts anderes, keine andere Waffe als unsere Freiheitslieder und die Musik. Die Musik eröffnet die Sing- und Sprechhandlung, Babylon rituell niederzusingen – „Chant down Babylon“ heißt ein anderer Song Bob Marleys. Und dieses Konzept entspricht zugleich auch dem der alttestamentlichen Psalmen, in denen oft ganz realistisch festgestellt wird: ‚Wir sitzen im Schlamassel, Gott, du bist uns fern, uns geht es dreckig.‘ Doch dann schwingen die Psalmen meistens um und es heißt: ‚Wir wissen ja – du bist die Hoffnung, du wirst uns aus diesem Jammertal wieder herausführen.‘ Hier erkennen wir die Atmosphäre wieder, die Reggae versprüht. Es ist nicht die des düsteren Blues, es geht darum, mit Hoffnung über die Tragik hinwegzutrösten – Hoffnungspsalmen zu verbreiten.
Im Liedtext ist von einem „Song of freedom“ die Rede – wo kommt dieser betonte Friedensaspekt her? Man könnte ja auch kämpferischer auf das Jammertal antworten als die Rastafarier. In der Luther-Bibel lauten die letzten Verse von Psalm 137 übrigens: „Tochter Babel, du Verwüsterin, wohl dem, der dir vergilt, was du uns getan hast! / Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“ Diese aggressiven Verse sind in „Rivers of Babylon“ ausgespart.
Diese Friedensvorstellung ist auf eine Prophezeiung zurückzuführen, die dem einflussreichen Aktivisten Marcus Garvey zugeschrieben wird. Sie besagt, dass mit dem Tag der Krönung eines schwarzen Königs ein Zeichen für die kommende Endzeit gegeben sei. Die Rastafarier erwarten daher von Gott eine Flotte von „Black Star Liners“, mit der sie in einem endzeitlichen „Exodus“ nach Hause, sprich Zion, sprich Afrika-Äthiopien gebracht werden. Die Heilshoffnung ist dabei durchaus eine Naherwartung: „demnächst“ wird die Rückführung, die „Repatriation“ in die Heimat stattfinden, so die Überzeugung. Haile Selassie hat diese Erwartung ungewollt durch seine messianischen Hoheitstitel befördert: die Macht der Dreifaltigkeit, der Löwe aus dem Stamm Juda, das sind Attribute aus der Johannes-Apokalypse, die von den Rastafari-Predigern dankbar aufgegriffen wurden. Hintergrund ist die äthiopische Thronfolgelegende, derzufolge die äthiopischen Könige aus der Verbindung zwischen Salomo und der Königin von Saba hervorgegangen seien.
Ist das nicht ein sonderbarer, nur noch schwer zu vermittelnder Messianismus – Selassie ist tot, die Rastafarier sitzen immer noch im Exil?
„Jah live!“ heißt der Song, mit dem Bob Marley auf die „Babylon-Lüge“ vom Tod Haile Selassies antwortete – nicht von ungefähr, denn Gott könne sicherlich nicht sterben. Das Spektrum der Rastafari-Glaubensweisen ist groß. Es reicht von solchen, die ganz traditionell davon ausgehen, dass Gott tatsächlich in Haile Selassie hier auf Erden war und bald wieder zu ihrer Rettung zurückkehren wird, bis hin zu solchen, die seine Göttlichkeit nicht mehr so hochhalten, ihn für einen wichtigen schwarzen König ansehen, sich aber ansonsten in Babylon mit neuer Perspektive engagieren. Der Haupteffekt des Glaubens ist insgesamt die neue selbstbewusste Identität, die dieser den Menschen verleiht – und sie damit übrigens auch an die einzigartige Geschichte stolzen schwarzen Widerstands gegen die Kolonialmacht anknüpfen lässt, etwa die Tradition der sogenannten „Maroons“. Das ist die zentrale Botschaft: „Emancipate yourselves from mental slavery, none but ourselves can free our mind!“, singt Bob Marley. Diese innere Sklaverei ist nach wie vor virulent, und in dieser Hinsicht haben die Reggae-Vertrauenspsalmen auch uns durchaus etwas mitzuteilen.
Prof. Andreas Grünschloß lehrt Religionswissenschaft in Göttingen (Quelle F.A.Z.net)
https://youtu.be/BXf1j8Hz2bU
An den Wassern von Babylon
Ende der Siebziger tanzten alle zu „Rivers of Babylon“ von Boney M. Verstanden hat den Song, im Original ein Rastafari-Bekenntnis, kaum einer. Ein Religionswissenschaftler erklärt den Subtext im Interview.
ie Originalversion von „Rivers of Babylon“ stammt von der jamaikanischen Rocksteady-Gruppe The Melodians. Veröffentlicht wurde der Song erstmals im Jahr 1970. Nach Aussage des Leadsängers Brent Dowe hat die Band mit ihrer Reggae-Adaption von Psalm 137 – auch einige Verse von Psalm 19 („So let the words of our mouth ...&ldquo wurden verwendet – das Publikum mit der wachsenden Rastafari-Bewegung vertraut machen wollen. Bei den Rastafariern sei es üblich gewesen, Psalmen zu singen, die entsprechend den eigenen Glaubensinhalten abgewandelt wurden.
nternational bekannt wurde „Rivers of Babylon“ mit der markant sparsamen Gitarre von Ernest Ranglin durch den Soundtrack des Films „The Harder They Come“ aus dem Jahr 1972. Durch Frank Farians Boney M. wurde der Song dann, seines Rastafari-Bekenntnisses beraubt, 1978 zum Welthit.
Wir haben den Religionswissenschaftler Andreas Grünschloß zum Subtext der Originalversion von „Rivers of Babylon“ befragt.
Worum geht es in „Rivers of Babylon“ von den Melodians?
Andreas Grünschloß: Da muss ich etwas ausholen, der Song hat einen starken Rastafari-Hintergrund. Die Rastafarier auf Jamaika verstehen sich, wie einige andere schwarze Bewegungen auch, als Nachfahren der Israeliten. Bereits im 18. Jahrhundert gab es Gruppen, die dem Komplex der „Black Hebrews“ oder „Black Israelites“ zuzurechnen sind. Die Wurzeln der Rastafarier-Bewegung liegen in einem schwarzen, protestantisch geprägten Milieu der Mission in Jamaika, die von schwarzen Baptisten durchgeführt wurde. Die Bibel wird dabei deutlich mit den Augen von Schwarzen wahrgenommen. Eine Auseinandersetzung findet besonders mit jenen Bibelstellen statt, die mit einer schwarzen Identität korrespondieren.
Das ist auch der Hintergrund von „Rivers of Babylon“, das mit Versen aus dem Psalm 137 einsetzt. Die dort thematisierte Deportation nach Babylon entspricht der Weltbefindlichkeit der Rastafarier, deren Selbstverständnis sich ungefähr so skizzieren lässt: ‚Wir sind die schwarzen Israeliten, die von Piraten aus Afrika verschleppt wurden nach Jamaika, unserem Babylon. Wir warten jetzt auf „King Alpha“, der uns in das geliebte Mutterland zurückbringen soll.‘ King Alpha ist niemand anderes als Haile Selassie, der äthiopische Kaiser von den dreißiger bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Lied heißt er auch Far-I, eine Kurzform von Ras Tafari Makonnen, also Fürst Tafari – das war der Name Haile Selassies vor seiner Thronbesteigung. An diesen beiden Begriffen, „King Alpha“ und „Far-I“ erkennt man am deutlichsten den Rastafari-Hintergrund von „Rivers of Babylon“.
Was steckt hinter der Bezeichnung „King Alpha“?
Das bezieht sich, wie viele andere Beinamen Haile Selassies, auf die Johannes-Offenbarung (22,13): „Ich bin das Alpha und das Omega“, landläufig bekannter in der eingedeutschten Variante „Ich bin das A und O“ – also die umfassende Gottheit, Anfang und Ende. Die Rastafarier nennen Selassie „King Alpha“ und seine Frau „Queen Omega“.
Was hat es mit der Konstruktion „Far-I“ auf sich?
Für das Selbstverständnis, die Anthropologie der Rastafarier, ist der spielerische Einsatz des „I“ ein wichtiges Zeichen. Ein Rastafarier sagt zum Beispiel statt „I go“: „I and I go“. Das Ich zerfällt in das empirische und das göttliche Selbst. Dahinter steckt vermutlich ein indischer Input, die Atman-Vorstellung vom göttlichen Selbst in uns, die von den indischen Arbeitern im Nachtbarslum von Kingston übernommen wurde – diesen Bezug kann man gut rekonstruieren, ebenso wie jenen zum Ganja-, also Marihuana-Rauchen, womöglich sogar den Dreadlocks, auch sie sind eventuell indischen Ursprungs.
Woher kommt das stark sprachspielerische, sprachschöpferische Moment bei den Rastafariern?
Dahinter steckt ein Selbstverständnis von: ‚Wir sind keine schwarzen Underdogs, keine Objekte, keine Unterworfenen der Kolonialmacht mehr, sondern kreative, göttliche Subjekte. Wir haben unmittelbare mystische Kommunikation mit unserem göttlichen Selbst, mit Haile Selassie in uns. Wir sind die eigentlichen Israeliten, ihr Weißen wisst überhaupt nicht, wo es langgeht.‘ Das entspricht einer Umwertung der bestehenden Verhältnisse, die aus den postkolonialen Nachfahren der Sklaverei aufrechte, selbstbewusste Subjekte macht. Rastafarier blicken lächelnd auf die nichtswissenden Weißen, die „Glatzköpfe“ oder baldheads herab. Das Sprachspielerische zeigt dabei eine von den Briten eingeführte gute Bildungsstruktur.
Welche Rolle spielt die Musik bei den Rastafariern?
Als rituelle Vorform des Reggae gilt der Nyajabingi-Gesang, mit seinen typischen Trommeln. Diese Gesänge können stundenlang anhalten und stehen meist im Zusammenhang mit Marihuana-Genuss, der ein inneres Auge für die Wahrheit zwischen den Zeilen der „weißgewaschenen“ Bibel öffnen soll. Das Ritual mit Trommeln – Singen – Rauchen erinnert an Pujas, rituelle Sing- und Erzähl-Feiern, die von den frühen Rastafariern in den benachbarten indischen Arbeiterslums von Kingston zu erleben waren. Ein berühmter erster Rastafari-Prediger nannte sich selbst übrigens Gong- oder Gangan-Guru Maragh, gab sich also indische Attribute.
Im Text von „Rivers of Babylon“ gibt es ja eigentlich einen performativen Widerspruch. Die Ausgangsfrage des Songs lautet: Wie können wir unsere Lieder, die Lieder von King Alpha, in einer fremden Welt, im Exil, in unserem Babylon singen? Gleichzeitig wird diese Frage in einem Song formuliert, die Antwort also im Grunde vorweggenommen.
Ja, das ist zugleich das Konzept von Bob Marley, der etwa im „Redemption Song“ feststellt: Wir haben ja nichts anderes, keine andere Waffe als unsere Freiheitslieder und die Musik. Die Musik eröffnet die Sing- und Sprechhandlung, Babylon rituell niederzusingen – „Chant down Babylon“ heißt ein anderer Song Bob Marleys. Und dieses Konzept entspricht zugleich auch dem der alttestamentlichen Psalmen, in denen oft ganz realistisch festgestellt wird: ‚Wir sitzen im Schlamassel, Gott, du bist uns fern, uns geht es dreckig.‘ Doch dann schwingen die Psalmen meistens um und es heißt: ‚Wir wissen ja – du bist die Hoffnung, du wirst uns aus diesem Jammertal wieder herausführen.‘ Hier erkennen wir die Atmosphäre wieder, die Reggae versprüht. Es ist nicht die des düsteren Blues, es geht darum, mit Hoffnung über die Tragik hinwegzutrösten – Hoffnungspsalmen zu verbreiten.
Im Liedtext ist von einem „Song of freedom“ die Rede – wo kommt dieser betonte Friedensaspekt her? Man könnte ja auch kämpferischer auf das Jammertal antworten als die Rastafarier. In der Luther-Bibel lauten die letzten Verse von Psalm 137 übrigens: „Tochter Babel, du Verwüsterin, wohl dem, der dir vergilt, was du uns getan hast! / Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“ Diese aggressiven Verse sind in „Rivers of Babylon“ ausgespart.
Diese Friedensvorstellung ist auf eine Prophezeiung zurückzuführen, die dem einflussreichen Aktivisten Marcus Garvey zugeschrieben wird. Sie besagt, dass mit dem Tag der Krönung eines schwarzen Königs ein Zeichen für die kommende Endzeit gegeben sei. Die Rastafarier erwarten daher von Gott eine Flotte von „Black Star Liners“, mit der sie in einem endzeitlichen „Exodus“ nach Hause, sprich Zion, sprich Afrika-Äthiopien gebracht werden. Die Heilshoffnung ist dabei durchaus eine Naherwartung: „demnächst“ wird die Rückführung, die „Repatriation“ in die Heimat stattfinden, so die Überzeugung. Haile Selassie hat diese Erwartung ungewollt durch seine messianischen Hoheitstitel befördert: die Macht der Dreifaltigkeit, der Löwe aus dem Stamm Juda, das sind Attribute aus der Johannes-Apokalypse, die von den Rastafari-Predigern dankbar aufgegriffen wurden. Hintergrund ist die äthiopische Thronfolgelegende, derzufolge die äthiopischen Könige aus der Verbindung zwischen Salomo und der Königin von Saba hervorgegangen seien.
Ist das nicht ein sonderbarer, nur noch schwer zu vermittelnder Messianismus – Selassie ist tot, die Rastafarier sitzen immer noch im Exil?
„Jah live!“ heißt der Song, mit dem Bob Marley auf die „Babylon-Lüge“ vom Tod Haile Selassies antwortete – nicht von ungefähr, denn Gott könne sicherlich nicht sterben. Das Spektrum der Rastafari-Glaubensweisen ist groß. Es reicht von solchen, die ganz traditionell davon ausgehen, dass Gott tatsächlich in Haile Selassie hier auf Erden war und bald wieder zu ihrer Rettung zurückkehren wird, bis hin zu solchen, die seine Göttlichkeit nicht mehr so hochhalten, ihn für einen wichtigen schwarzen König ansehen, sich aber ansonsten in Babylon mit neuer Perspektive engagieren. Der Haupteffekt des Glaubens ist insgesamt die neue selbstbewusste Identität, die dieser den Menschen verleiht – und sie damit übrigens auch an die einzigartige Geschichte stolzen schwarzen Widerstands gegen die Kolonialmacht anknüpfen lässt, etwa die Tradition der sogenannten „Maroons“. Das ist die zentrale Botschaft: „Emancipate yourselves from mental slavery, none but ourselves can free our mind!“, singt Bob Marley. Diese innere Sklaverei ist nach wie vor virulent, und in dieser Hinsicht haben die Reggae-Vertrauenspsalmen auch uns durchaus etwas mitzuteilen.
Prof. Andreas Grünschloß lehrt Religionswissenschaft in Göttingen (Quelle F.A.Z.net)
https://youtu.be/BXf1j8Hz2bU
Kommentare
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(Nutzer gelöscht) 27.03.2021 17:06
Interessant.....danke🙂
(Nutzer gelöscht) 27.03.2021 17:09
Ich wusste das bisher nicht mit Rastafariern.....
Rosenlied 27.03.2021 17:37
⛪Danke für die schöne Musik.
Das ist wirklich intressant, dass
sie einen religiösen Hintergrund
hat...
Das ist wirklich intressant, dass
sie einen religiösen Hintergrund
hat...
FrausuchtMann 27.03.2021 17:43
Danke, das wusste ich auch nicht. Aber danach habe ich in meinen jungen Jahren auch mit viel Spaß getanzt...
(Nutzer gelöscht) 27.03.2021 17:45
Hans
Ich hätte eine Frage zum Boney M.,
Ich habe gehört dass der Mann im Boney M. Wer auch tanzt nicht selber singt. Der Produzent Frank Farain oder wie er heißt, singt . Stimmt es?
Ich hätte eine Frage zum Boney M.,
Ich habe gehört dass der Mann im Boney M. Wer auch tanzt nicht selber singt. Der Produzent Frank Farain oder wie er heißt, singt . Stimmt es?
RuedigerBehrendt 27.03.2021 18:11
https://www.swr.de/swr4/musik/article-swr-10548.html
Frank Farian und Bobby Farrell:
Der schwarze Bobby tanzte und Frank sang.
Frank Farian und Bobby Farrell:
Der schwarze Bobby tanzte und Frank sang.
(Nutzer gelöscht) 27.03.2021 18:28
Rüdiger Behrend
danke Ich war nicht sicher
danke Ich war nicht sicher
Rena 27.03.2021 19:38
Zu dem Psalm und mit drm Lied hätte ich neulich eine Andacht gehalten mit anschließender Sitzgymnastik gehalten.
hätte es den Blog schon gegeben hätte es mir eine Menge Arbeit gespart.🤣🤣🤣
hätte es den Blog schon gegeben hätte es mir eine Menge Arbeit gespart.🤣🤣🤣
hansfeuerstein 27.03.2021 19:55
Vielen Dank allen, für eure Gedanken. Ich fand diese Einblicke auch sehr interessant. Es zeigt, wie sehr die Menschen sich nach Erlösung, Heimkommen, Ankommen, Angenommensein sehnen...All diese Sehnsüchte verweisen letztlich auf unseren Herrn Jesus Christus.
https://youtu.be/MKaYn_fWEaw
https://youtu.be/MKaYn_fWEaw
(Nutzer gelöscht) 27.03.2021 20:12
Amen......💞