Was für ein Mensch bist Du? Teil VI der Lebenskünstler
16.06.2020 12:45
Was für ein Mensch bist Du? Teil VI der Lebenskünstler
16.06.2020 12:45
Was für ein Mensch bist Du? Teil VI der Lebenskünstler
Du bist - was Du denkst
Zum Denken gehört auch die Einstellung zum Leben. Interessant zu wissen ist, wie stark wir Menschen doch unsere Bedürfnisse zur Orientierung nehmen. Zufriedenheit, ja Glück, wird oft daran gemessen, in welchem Grad wir unsere verschiedenen Bedürfnisse befriedigen können.
Heute: Der Lebenskünstler
Philosophen und andere Menschen, die sich an den verschiedensten Formen der Bedürfnisse - und damit an der Lust orientieren, werden gerne als Hedonisten bezeichnet. Das entsprechende griechische Wort hedone wird meistens mit Lust übersetzt, kann jedoch auch mit Freude, Vergnügen, Behagen, Wohlbefinden übersetzt werden.
Hedonisten vertreten die Ansicht, dass das Streben nach Lust (oder Freude, Wohlbefinden...etc) alles menschliche Handeln entscheidend bestimmt.
Das geistliche Wachstum des Christen beinhält jedoch eine andere Priorität. Nicht mein Wohlbefinden steht an erster Stelle, sondern das Tun des Willens dessen, den ich meinen Herrn nenne. Das kann zu einem Unwohlsein führen.
Zurück zum Hedonisten: Das Streben nach Lust, Freude, Wohlbefinden etc. ist die einzige Gemeinsamkeit, die Hedonisten aufweisen. Hedonisten gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Da wäre zu nennen: Der unbarmherzige Asket, der genügsame Genießer, der geschmackliche Ästhet bis hin zum ausschweifenden Lüstling. Die Übergänge sind fließend. Es lassen sich jedoch zwei Hauptgruppen beschreiben.
A) der Hedonist will seine Freude, Lust.. durch Mäßigung steigern. Sie sind bedürfnisorientiert und stellen sich die Frage: was brauche ich wirklich?
B) der Hedonist verbessert seine Lustbilanz durch Raffinesse
Steigerung der Lebensfreude durch Mäßigung: Diogenes von Sinope (ca. 400-325 v. Chr.) brauchte nicht mal eine Wohnung. Ihm reichte eine ausrangierte Tonne als Behausung. Er suchte immer wieder nach einfacheren Möglichkeiten, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Er nahm die Devise "simplify your life" ernster als jeder andere. Als er sah, dass ein Junge am Brunnen das Wasser mit der Hand zum Munde führte, erkannte Diogenes, dass sein Becher überflüssig war und warf ihn weg.
Oberstes Ziel war ihm seine innere und äußere Unabhängigkeit, die er unter allen Umständen zu bewahren trachtete. Mit seinem kompromisslosen Verhalten war er für seine Mitmenschen von großem Unterhaltungswert, machte sich jedoch nicht gerade beliebt. Als Alexander der Große, vom zweifelhaften bis heimlich bewundernden Ruf des Philosophen angezogen, ihn in einem Hain bei Korinth aufsuchte und ihm anbot, jeden Wunsch zu erfüllen, kommandierte Diogenes nur: "Geh mir aus der Sonne." Das war mutig und hätte leicht schief gehen können, denn Alexander der Große war nicht gerade zimperlich, wenn ihm jemand entgegentrat. Doch Alexander war beeindruckt und meinte, wenn er nicht bereits seinen Traumjob als Eroberer, Feldherr und Herrscher gefunden hätte, wäre es sein Plan B gewesen, Diogenes nachzueifern.
Seine bescheidenen Bedürfnisse befriedigte Diogenes in aller Öffentlichkeit auf dem Marktplatz, was damals schon in Bezug auf Speisen verpönt war, vielmehr noch - daran hat sich wenig geändert - bei der Sexualität, die er sowohl mit Prostituierten als auch solo vor aller Augen auslebte und dabei bedauerte, dass der Hunger nicht mit Reiben des Bauches zu stillen sei.
Die sich für kultiviert haltenden Mitmenschen beschimpften ihn als Hund (kyon). Die Nachfolger Diogenes werden daher Kyniker genannt. Diogenes hinterließ nichts Schriftliches.
Nicht alle, die sich an ihren Bedürfnissen orientieren, sind unbarmherzige Asketen. Der genügsame Genießer schränkt sich nur ein, um seine Bedürfnisse leicht und häufig zu erfüllen. Auf diese Weise will er unabhängig bleiben, jedoch gleichzeitig ein Maximum an Angenehmen erleben. Mit dieser Strategie erhofft er sich Autarkie und Genuss in Einklang zu bringen.
Das große Vorbild für diese Art von Hedonismus ist der Grieche Epikur (341 - 271 v.Chr.). Er gründete im Jahre 306 v.Chr. eine Lehranstalt mit dem Namen "Schule des Gartens" und formulierte eine Beobachtung, die ich für sehr realistisch zutreffend auf Menschheit halte: "Dafür, dass die Freude das höchste Ziel unseres Lebens ist, liegt der Beweis darin, dass die lebenden Wesen von Geburt an daran Gefallen finden, dagegen dem Schmerz naturgemäß und unbewusst sich widersetzen."
In der unchristlichen Sichtweise sind Menschen von Lust und Schmerz bestimmt, die wir direkt und unmittelbar wahrnehmen. Solange wir keinen Heiligen Geist haben, ist unsere Empfindung das einzige unbestechliches Messinstrument, dass unmissverständlich anzeigt, was uns zu- oder abträglich ist. Grundvoraussetzung für das Erleben von Lust ist zunächst die Abwesenheit von Schmerz. Nach Epikur ist die Abwesenheit von Schmerz zu gewährleisten. Dazu kann es notwendig sein, gesund zu leben und auf unzuträgliche Genüsse zu verzichten.
Auch der Tod stellte für Epikur kein Problem dar. Das Gute ist im ganzen Leben leicht zu beschaffen, Hunger und Durst sind mit einfachen Mitteln zu stillen, nur die Bedienung von Luxusbedürfnissen bereitet uns Mühe und erfordert erheblichen Aufwand. Eine Abgrenzung zum christlichen Lebensstil ist n.m.M. nicht so ganz einfach.
Wenn man davon spricht, dass sich diese Lebenskünstler an Bedürfnissen orientieren, lohnt es sich genauer hinzusehen, was so alles darunter fällt. Abraham Maslow (1908-1970) lehrte Psychologie an der Harvard University. Er entwarf das Bild einer Bedürfnispyramide, die jeweils das Handeln des Menschen motivieren:
1. physiologische Bedürfnisse (Nahrung, Flüssigkeit, Vitamine, Kleidung und Unterschlupf)
2. Sicherheitsbedürfnisse (Schutz, Geborgenheit, Verlässlichkeit)
3. soziale Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe
4. Geltungsbedürfnisse (Achtung, Wertschätzung)
5. Selbstverwirklichung (Bedürfnis nach Wachstum) an der Spitze der Pyramide
Dem Psychologen Maslow ist eine frühkindliche umfassende Befriedigung aller grundlegenden Bedürfnisse wichtig, denn oft kommt es vor, dass Menschen den Mangel an sozialen Erfolgserlebnissen durch physiologisch wirkende Maßnahmen zu beheben versuchen und zu viel essen, zu viel trinken oder Sex haben, obwohl es ihnen eigentlich an Zuwendung, Anerkennung und Liebe fehlt.
Die bedürfnisorientierten Lebenskünstler tappen anscheinend nicht in diese Falle. Ihr reflektierter Umgang mit Freuden verhindert das. Obwohl sie auf geistige Werte wie Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zielen, bleiben sie sich der Bedeutung der körperlichen Grundlage aus Schmerz und Lust sehr bewusst.
Die Utilitaristen, vertreten durch Jeremy Bentham (1748-1832), hob hervor, dass die Nützlichkeit der gesellschaftlich entscheidende Faktor sei, um in der Gesellschaft das Gebäude der Glückseligkeit durch Vernunft und Recht zu errichten. Sein Prinzip lautete: In moralischen Konfliktfällen soll man die Handlung wählen, die nach bestem Ermessen dazu tendiert, das Glück für die Mitglieder der Gesellschaft zu vermehren.
Dem hält John Stuart Mill (1806-1873) entgegen, dass in der Ethik eine Orientierung an anderen als dem greifbaren Glück der Bedürfnisbefriedigung sogar unglaubwürdig, unsinnig und unter Umständen auch gefährlich sei. Das ist eine Ansicht, der man im Hinblick auf die verheerenden Untaten, die im Namen hehrer Ideale begangen wurden, zustimmen kann.
Lebenskünstler, wie Epikur, wurden oft beschimpft und z.B. mit Schweinen verglichen, denen nur die tierische Lust am Herzen liegt. Epikurer antworteten darauf, dass nicht sie sondern ihre Ankläger es sind, die die menschliche Natur in entwürdigende Weise beschreiben und unterstellen, dass der Mensch zu keiner anderen Lust fähig sei, als die der Schweine.
Chancen und Risiken für Lebenskünstler
Bedürfnisorientierung
1) sie macht unabhängig von Moden und anderen Quellen der Fremdbestimmung
2) sie dient zumindest teilweise als moralische Richtschnur
3) Die Kunst des bedürfnisorientierten Lebens erfordert ein hohes Maß an Achtsamkeit - vor allem im Umgang mit sich selbst. Sie gewährt durch Weglassen von Überflüssigem Muße und Auszeiten.
4) Bewusstes Erleben führt zu einer größeren Chance auf Selbstverwirklichung.
Jedoch:
5) Unbequemlichkeiten können zum Hindernis für Engagement werden. Man mischt sich nirgends ein, wenn es nicht zum Wohlbefinden beiträgt. Man redet sich z.B. mit Friedfertigkeit raus und meint doch nur den Schutz des eigenen Wohlbefinden.
6) Epikur wird nicht müde, den korrigierenden Wert der Freundschaft zu betonen. Denn wenn individualistische Ziele die Oberhand gewinnen, kann darunter das Sozialverhalten leiden und in der Folge zu Isolation und sozialer Ausgrenzung führen.
7) Selbstkontrolle zum Zweck der stetigen Freude ist gut. Zu starke Selbstkontrolle führen zu Extremformen wie Selbstkasteiung, Geiz und freudloser Askese.
8) Sogar die ethische Orientierung an Bedürfnissen hat ihre Tücken. Eine utilitaristische Moral, die nur die positiven und negativen Folgen Betroffener vergleicht und aufsummiert, verliert intuitiv geltende Werte wie Menschenwürde und Gerechtigkeit leicht aus dem Auge und kann zu geradezu menschenverachtenden Entscheidungen führen.
Zum Denken gehört auch die Einstellung zum Leben. Interessant zu wissen ist, wie stark wir Menschen doch unsere Bedürfnisse zur Orientierung nehmen. Zufriedenheit, ja Glück, wird oft daran gemessen, in welchem Grad wir unsere verschiedenen Bedürfnisse befriedigen können.
Heute: Der Lebenskünstler
Philosophen und andere Menschen, die sich an den verschiedensten Formen der Bedürfnisse - und damit an der Lust orientieren, werden gerne als Hedonisten bezeichnet. Das entsprechende griechische Wort hedone wird meistens mit Lust übersetzt, kann jedoch auch mit Freude, Vergnügen, Behagen, Wohlbefinden übersetzt werden.
Hedonisten vertreten die Ansicht, dass das Streben nach Lust (oder Freude, Wohlbefinden...etc) alles menschliche Handeln entscheidend bestimmt.
Das geistliche Wachstum des Christen beinhält jedoch eine andere Priorität. Nicht mein Wohlbefinden steht an erster Stelle, sondern das Tun des Willens dessen, den ich meinen Herrn nenne. Das kann zu einem Unwohlsein führen.
Zurück zum Hedonisten: Das Streben nach Lust, Freude, Wohlbefinden etc. ist die einzige Gemeinsamkeit, die Hedonisten aufweisen. Hedonisten gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Da wäre zu nennen: Der unbarmherzige Asket, der genügsame Genießer, der geschmackliche Ästhet bis hin zum ausschweifenden Lüstling. Die Übergänge sind fließend. Es lassen sich jedoch zwei Hauptgruppen beschreiben.
A) der Hedonist will seine Freude, Lust.. durch Mäßigung steigern. Sie sind bedürfnisorientiert und stellen sich die Frage: was brauche ich wirklich?
B) der Hedonist verbessert seine Lustbilanz durch Raffinesse
Steigerung der Lebensfreude durch Mäßigung: Diogenes von Sinope (ca. 400-325 v. Chr.) brauchte nicht mal eine Wohnung. Ihm reichte eine ausrangierte Tonne als Behausung. Er suchte immer wieder nach einfacheren Möglichkeiten, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Er nahm die Devise "simplify your life" ernster als jeder andere. Als er sah, dass ein Junge am Brunnen das Wasser mit der Hand zum Munde führte, erkannte Diogenes, dass sein Becher überflüssig war und warf ihn weg.
Oberstes Ziel war ihm seine innere und äußere Unabhängigkeit, die er unter allen Umständen zu bewahren trachtete. Mit seinem kompromisslosen Verhalten war er für seine Mitmenschen von großem Unterhaltungswert, machte sich jedoch nicht gerade beliebt. Als Alexander der Große, vom zweifelhaften bis heimlich bewundernden Ruf des Philosophen angezogen, ihn in einem Hain bei Korinth aufsuchte und ihm anbot, jeden Wunsch zu erfüllen, kommandierte Diogenes nur: "Geh mir aus der Sonne." Das war mutig und hätte leicht schief gehen können, denn Alexander der Große war nicht gerade zimperlich, wenn ihm jemand entgegentrat. Doch Alexander war beeindruckt und meinte, wenn er nicht bereits seinen Traumjob als Eroberer, Feldherr und Herrscher gefunden hätte, wäre es sein Plan B gewesen, Diogenes nachzueifern.
Seine bescheidenen Bedürfnisse befriedigte Diogenes in aller Öffentlichkeit auf dem Marktplatz, was damals schon in Bezug auf Speisen verpönt war, vielmehr noch - daran hat sich wenig geändert - bei der Sexualität, die er sowohl mit Prostituierten als auch solo vor aller Augen auslebte und dabei bedauerte, dass der Hunger nicht mit Reiben des Bauches zu stillen sei.
Die sich für kultiviert haltenden Mitmenschen beschimpften ihn als Hund (kyon). Die Nachfolger Diogenes werden daher Kyniker genannt. Diogenes hinterließ nichts Schriftliches.
Nicht alle, die sich an ihren Bedürfnissen orientieren, sind unbarmherzige Asketen. Der genügsame Genießer schränkt sich nur ein, um seine Bedürfnisse leicht und häufig zu erfüllen. Auf diese Weise will er unabhängig bleiben, jedoch gleichzeitig ein Maximum an Angenehmen erleben. Mit dieser Strategie erhofft er sich Autarkie und Genuss in Einklang zu bringen.
Das große Vorbild für diese Art von Hedonismus ist der Grieche Epikur (341 - 271 v.Chr.). Er gründete im Jahre 306 v.Chr. eine Lehranstalt mit dem Namen "Schule des Gartens" und formulierte eine Beobachtung, die ich für sehr realistisch zutreffend auf Menschheit halte: "Dafür, dass die Freude das höchste Ziel unseres Lebens ist, liegt der Beweis darin, dass die lebenden Wesen von Geburt an daran Gefallen finden, dagegen dem Schmerz naturgemäß und unbewusst sich widersetzen."
In der unchristlichen Sichtweise sind Menschen von Lust und Schmerz bestimmt, die wir direkt und unmittelbar wahrnehmen. Solange wir keinen Heiligen Geist haben, ist unsere Empfindung das einzige unbestechliches Messinstrument, dass unmissverständlich anzeigt, was uns zu- oder abträglich ist. Grundvoraussetzung für das Erleben von Lust ist zunächst die Abwesenheit von Schmerz. Nach Epikur ist die Abwesenheit von Schmerz zu gewährleisten. Dazu kann es notwendig sein, gesund zu leben und auf unzuträgliche Genüsse zu verzichten.
Auch der Tod stellte für Epikur kein Problem dar. Das Gute ist im ganzen Leben leicht zu beschaffen, Hunger und Durst sind mit einfachen Mitteln zu stillen, nur die Bedienung von Luxusbedürfnissen bereitet uns Mühe und erfordert erheblichen Aufwand. Eine Abgrenzung zum christlichen Lebensstil ist n.m.M. nicht so ganz einfach.
Wenn man davon spricht, dass sich diese Lebenskünstler an Bedürfnissen orientieren, lohnt es sich genauer hinzusehen, was so alles darunter fällt. Abraham Maslow (1908-1970) lehrte Psychologie an der Harvard University. Er entwarf das Bild einer Bedürfnispyramide, die jeweils das Handeln des Menschen motivieren:
1. physiologische Bedürfnisse (Nahrung, Flüssigkeit, Vitamine, Kleidung und Unterschlupf)
2. Sicherheitsbedürfnisse (Schutz, Geborgenheit, Verlässlichkeit)
3. soziale Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe
4. Geltungsbedürfnisse (Achtung, Wertschätzung)
5. Selbstverwirklichung (Bedürfnis nach Wachstum) an der Spitze der Pyramide
Dem Psychologen Maslow ist eine frühkindliche umfassende Befriedigung aller grundlegenden Bedürfnisse wichtig, denn oft kommt es vor, dass Menschen den Mangel an sozialen Erfolgserlebnissen durch physiologisch wirkende Maßnahmen zu beheben versuchen und zu viel essen, zu viel trinken oder Sex haben, obwohl es ihnen eigentlich an Zuwendung, Anerkennung und Liebe fehlt.
Die bedürfnisorientierten Lebenskünstler tappen anscheinend nicht in diese Falle. Ihr reflektierter Umgang mit Freuden verhindert das. Obwohl sie auf geistige Werte wie Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zielen, bleiben sie sich der Bedeutung der körperlichen Grundlage aus Schmerz und Lust sehr bewusst.
Die Utilitaristen, vertreten durch Jeremy Bentham (1748-1832), hob hervor, dass die Nützlichkeit der gesellschaftlich entscheidende Faktor sei, um in der Gesellschaft das Gebäude der Glückseligkeit durch Vernunft und Recht zu errichten. Sein Prinzip lautete: In moralischen Konfliktfällen soll man die Handlung wählen, die nach bestem Ermessen dazu tendiert, das Glück für die Mitglieder der Gesellschaft zu vermehren.
Dem hält John Stuart Mill (1806-1873) entgegen, dass in der Ethik eine Orientierung an anderen als dem greifbaren Glück der Bedürfnisbefriedigung sogar unglaubwürdig, unsinnig und unter Umständen auch gefährlich sei. Das ist eine Ansicht, der man im Hinblick auf die verheerenden Untaten, die im Namen hehrer Ideale begangen wurden, zustimmen kann.
Lebenskünstler, wie Epikur, wurden oft beschimpft und z.B. mit Schweinen verglichen, denen nur die tierische Lust am Herzen liegt. Epikurer antworteten darauf, dass nicht sie sondern ihre Ankläger es sind, die die menschliche Natur in entwürdigende Weise beschreiben und unterstellen, dass der Mensch zu keiner anderen Lust fähig sei, als die der Schweine.
Chancen und Risiken für Lebenskünstler
Bedürfnisorientierung
1) sie macht unabhängig von Moden und anderen Quellen der Fremdbestimmung
2) sie dient zumindest teilweise als moralische Richtschnur
3) Die Kunst des bedürfnisorientierten Lebens erfordert ein hohes Maß an Achtsamkeit - vor allem im Umgang mit sich selbst. Sie gewährt durch Weglassen von Überflüssigem Muße und Auszeiten.
4) Bewusstes Erleben führt zu einer größeren Chance auf Selbstverwirklichung.
Jedoch:
5) Unbequemlichkeiten können zum Hindernis für Engagement werden. Man mischt sich nirgends ein, wenn es nicht zum Wohlbefinden beiträgt. Man redet sich z.B. mit Friedfertigkeit raus und meint doch nur den Schutz des eigenen Wohlbefinden.
6) Epikur wird nicht müde, den korrigierenden Wert der Freundschaft zu betonen. Denn wenn individualistische Ziele die Oberhand gewinnen, kann darunter das Sozialverhalten leiden und in der Folge zu Isolation und sozialer Ausgrenzung führen.
7) Selbstkontrolle zum Zweck der stetigen Freude ist gut. Zu starke Selbstkontrolle führen zu Extremformen wie Selbstkasteiung, Geiz und freudloser Askese.
8) Sogar die ethische Orientierung an Bedürfnissen hat ihre Tücken. Eine utilitaristische Moral, die nur die positiven und negativen Folgen Betroffener vergleicht und aufsummiert, verliert intuitiv geltende Werte wie Menschenwürde und Gerechtigkeit leicht aus dem Auge und kann zu geradezu menschenverachtenden Entscheidungen führen.
Kommentare
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(Nutzer gelöscht) 16.06.2020 13:08
Das Lesen lohnt sich! Sehr interessant und gut geschrieben! LG 😊
Bluehorse 16.06.2020 13:09
Ich finde die Philosophie des Lebenskünstlers interessant. Es gibt Stellen, da scheint sich diese Philosophie mit christlicher Anschauung zu decken. Zumindest wird eine Form des Menschseins recht gut beschrieben. Jedoch gibt es in meinen Augen mindestens einen ganz wichtigen Punkt, an dem das hedonistische Denken komplett im Widerspruch zu dem steht, was Jesus lehrte.
Ob das deutlich ist? Ich bitte um Antworten und Beiträge dazu.
Ob das deutlich ist? Ich bitte um Antworten und Beiträge dazu.
Bluehorse 16.06.2020 13:10
Klasse neue Frisur, Rosanna. Das trägt zum Wohlbefinden - im Sinne Epikurs - sicher bei. 😊
Bluehorse 16.06.2020 13:19
Den Epikurern wurde von einigen Kritikern vorgeworfen, dass sie ihrer Bedürfnisbefriedigung "wie Schweine" nachgingen.
Bei dem letzten Absatz - oberhalb von Chancen und Risiken - fehlt zu der markigen Antwort der Epikurer (siehe oben) noch folgende ergänzende Aussage:
"Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein, als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates, als ein zufriedener Narr. Und wenn der Narr oder das Schwein anderer Ansicht sind, dann deshalb, weil sie nur die eine Seite der Angelegenheit kennen."
Jemand, der sich nur an seinen Bedürfnissen orientiert, ist deswegen noch lange kein Schwein.
Bei dem letzten Absatz - oberhalb von Chancen und Risiken - fehlt zu der markigen Antwort der Epikurer (siehe oben) noch folgende ergänzende Aussage:
"Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein, als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates, als ein zufriedener Narr. Und wenn der Narr oder das Schwein anderer Ansicht sind, dann deshalb, weil sie nur die eine Seite der Angelegenheit kennen."
Jemand, der sich nur an seinen Bedürfnissen orientiert, ist deswegen noch lange kein Schwein.
Bluehorse 16.06.2020 15:52
Das Lob für die gute Darstellung der verschiedenen philosophischen Denkweisen in diesem Blog sowie in der ganzen Reihe gebührt übrigens Dr. Ludger Pfeil. Ich habe nur ergänzt und meine Gedanken beigefügt.
(Nutzer gelöscht) 16.06.2020 16:23
Heute ist das Buch angekommen, bin gespannt... Auf jeden Fall bin ich ein Ästhet, mir gefällt das neue Bild von @Rosanna sehr gut... 👍👀
Danke @Blue...
Danke @Blue...
(Nutzer gelöscht) 17.06.2020 00:09
@Bluehorse Werde mal meine Friseurin für dich fragen.
(Nutzer gelöscht) 17.06.2020 00:09
Danke, Pearl! Lieb von dir. 🤗
Bei Punkt 5 und 8 (Chancen und Risiken) denke ich automatisch an so manche Diskussionen im Forum. Der Ruf nach friedlichem Umgang miteinander ist verständlich, jedoch angesichts von erforderlichem Widerspruch in meinen Augen kontraproduktiv.