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Coming out

Coming out
Weil ich nicht Gott suchte‘

Das katholische Coming out Döblins ist in den Augen B. Brechts „ein peinlicher Vorfall“ - Von Helmut Müller.

Linz (www.kath.net)
Man mag über das Coming out von Thomas Hitzelsperger denken wie man will – ein coming out „auf katholisch“ hatte vor gut 70 Jahren andere Folgen: Empörung, Entsetzen und Sprachlosigkeit. Zudem wurden Bert Brechts „irreligiöse Gefühle“ verletzt. Helene Weigel, die Frau Bert Brechts, hatte am 14. 8. 1943 in Santa Monica zu Ehren Alfred Döblins zu dessen 65. Geburtstag eingeladen. Alles was im Exil Rang und Namen hatte, fand sich ein. Heinrich und Thomas Mann, Hans Eisler, Arnold Schöneberg, Fritz Kortner, Peter Lorre und viele andere.

Als Heinrich Mann, die Festrede gehalten hatte, geschah das als ungeheuerlich Empfundene. Alfred Döblin, der bis dahin gefeierte Relativist, Skeptiker, Sinnsucher und Autor von „Berlin Alexander Platz“, gestand ein, was er zwei Jahre lang für sich behalten hatte, dass er katholisch geworden sei. Sprachlosigkeit war die mildeste Form dieses wirklich mutigen Coming outs . Bert Brecht notierte noch am gleichen Abend in seinem Tagebuch: „am schluß hielt döblin eine rede gegen moralischen relativismus und für feste maße religiöser art, womit er die irreligiösen gefühle der meisten feiernden verletzte [...] als döblin anfing zu beschreiben, wie mit vielen anderen schreibern auch er mitschuldig wurde an dem aufstieg der nazis [...] und die frage entschlossen aufwarf, warum denn, glaubte ich für minuten kindlich, er werde jetzt forfahren: ‚weil ich die verbrechen der herrschenden vertuscht, die bedrückten entmutigt, die hungernden mit gesängen abgespeist habe’ usw. aber er fuhr nur verstockt, unbußfertig, ohne reue fort: ‚weil ich nicht gott suchte’“.

Brecht konnte sich gar nicht beruhigen, sondern verfasste wenige Tage später das Gedicht „Peinlicher Vorfall“. Das Gedicht ist eine Parodie, voller ironischer Überhöhungen und Spott und spricht davon, dass in eine „gerührte Stimmung“ ein „unziemliches“ und „unzüchtiges“ Bekenntnis platzt, das die „irreligiösen Gefühle“ der Feiernden „verletzt“. Es endet mit den Worten: „Seit drei Tagen habe ich nicht gewagt, meinen Freunden und Schülern unter die Augen zu treten, so schäme ich mich.“ Es blieb aber nicht bei diesem Fremdschämen. Er suchte Erklärungen bei erlittenen Krankheiten des einst Gefeierten, einem schweren kriegsbedingten Schicksal, dem Verlust von Familienangehörigen und der Flucht aus der Heimat. Dadurch sei er schwach geworden und dem Glauben anheim gefallen. Es endet mit einer gemeinen Bemerkung, schließlich lebe er „mit einer ungewöhnlich dummen und spießigen Frau“ zusammen. Selbst Elisabeth Langgässer sprach von einer „Katastrophe“. Alfred Döblin hat sehr wohl bemerkt, dass seine Rede Empörung und Sprachlosigkeit zur Folge hatte: „Man lehnte mich schweigend ab. Es war keine Rede für eine Geburtstagsfeier.“

Dieses Coming out war sein künstlerisches Ende. Seit dem sprach man von einem Bruch in seinem Werk. Auch eine 400 seitige Dissertation aus dem Jahre 1999 konnte diesen Eindruck nicht wirklich aus dem Weg räumen. Wenn man dem Jenaer Historiker Stefan Gerber glauben mag, ist es 70 Jahre später nicht besser geworden. Katholische, nicht kirchenkritische Intellektuelle, sind zu einer bedrohten Spezies geworden. Sie werden häufig wenig schmeichelhaft wahrgenommen, aus der „rechten Dunkelkammer“ kommend, sind „Krawallkatholiken“, „Ewiggestrige“, „nicht Ernst zu nehmende“ oder „unseriöse“ Gesprächspartner. Da muss man schon seinen ganz Mut zusammen nehmen, wenn man bisher nicht katholisch war, beschließt es zu werden.


Döblin und Brecht
Zu Döblin:
Dein Bekenntnis war sehr gut
Es zeigte Demut und auch Mut

Zu Brecht:
So ähnlich stehts schon in der Bibel:
Hochmut und Weisheit sind inkompatibel
Ich hoff, er hat sich noch bekehrt
und sich der Rettung nicht verwehrt

Döblin bekannte sich zum Glauben
Die Ehre kann ihm niemand rauben

Gerade stelle ich mir vor, wenn die Menschen so wie Brecht auf auf das Coming Out von dem Sportler Hitzelsberger reagieren würden...

Kommentare

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hansfeuerstein 11.01.2014 20:55
Es erscheint mir übrigens typisch, wie Brecht hier reagiert: mit Spott, Häme, intellektueller Überheblichkeit, Pathologisierung (er fragte nach Krankheiten) und sogar Kontaktabbruch (wie man an anderer Stelle lesen kann) - das Ganze natürlich in Form eines Gedichts verpackt, da "Kunst" ja frei ist. Und die gleichen Leute (Brechts Werk ist ja voll davon) beklagen sich dann über Diskriminierungen durch Dritte. Man fragt sich, was in Deutschland los wäre, wenn jemand auf Hitzelsbergers Coming-out auch nur annähernd in einer solchen Weise reagiert hätte ...

Ein Leser
 
(Nutzer gelöscht) 11.01.2014 21:03
Gestern war ich mit Bekannten auf einer christlichen Veranstaltung (Christen verschiedener Konfessionen), wo mal wieder meine Marienverehrung,
mein Rosenkranzbeten usw. mies gemacht wurde...
Ich verstehe das nicht, weil ich den andern ja auch ihren Glauben lasse!....
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