Mein Anteil ist der Herr; deshalb harre ich auf ihn. Der Herr ist gut zur Seele, die ihn sucht

Mein Anteil ist der Herr; deshalb harre ich auf ihn. Der Herr ist gut zur Seele, die ihn sucht
Du bist's, auf den die Völker warten! (Gen 49,10 Vulg). Und jene, die auf dich warten, werden nicht enttäuscht werden. Unsere Väter haben dich erwartet, seit Beginn der Welt haben alle Gerechten auf dich gehofft, und du hast sie nicht enttäuscht (vgl. Ps 22,5)...

Die Kirche aber, die in den Gerechten von damals auf die erste Abkunft Christi wartete, erwartet in den Gerechten des Neuen Bundes auch seine zweite Ankunft. So sicher wie sie sich war, dass sein erstes Kommen den Preis der Erlösung bezahlen werde, ebenso sicher ist sie sich auch, dass sein zweites Kommen ihr den Lohn bringen werde. In dieser Erwartung, dieser Hoffnung auf etwas, was mehr ist, als was die Welt bieten kann, strebt die Kirche mit Freude und Sehnsucht nach den ewigen Gütern.

Wo Andere auf irdisches Glück aus sind, ohne darauf zu achten, ob der Wille des Herrn sich darin erfüllt; wo sie sich auf das stürzen, was diese Welt ihnen bietet – da richtet, wer das Glück dazu hat, seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Blick nicht auf eitle und trügerische Dinge (Ps 40,5)... Er weiß, dass es besser ist, mit den Sanften erniedrigt zu werden, als mit den Stolzen die Beute dieser Welt zu teilen. Er tröstet sich mit den Worten: „Mein Anteil ist der Herr; deshalb harre ich auf ihn. Der Herr ist gut zu dem, der auf ihn hofft, zur Seele, die ihn sucht. Herr, die Kraft meiner Seele schwindet in der Erwartung deines Heils, aber die Hoffnung in dein Wort wird übergroß“ (Kgl 3,24-26; Ps 118,81 Vulg)... Ich bin mir sicher, er kommt am Ende und enttäuscht uns nicht; deshalb werde ich seiner harren, selbst wenn sein Kommen auf sich warten lässt; denn er kommt gewiss“ (vgl. Hab 2,3).

Guerric von Igny (um 1080 - 1157),
1. Predigt zum Advent
Die Erwartung der Völker

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