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Unser Sonntag: Die Ehebrecherin und die Barmherzigkeit Gottes

Unser Sonntag: Die Ehebrecherin und die Barmherzigkeit Gottes
Sr. Brigitte Thalhammer weist in dieser ersten Betrachtung im April darauf hin, dass die Ehebrecherin missbraucht wird, um Jesus eine Falle zu stellen. Jesu Vergebung ermöglicht ihr einen neuen Anfang - denn: wer die Liebe Gottes erfahren hat, will umkehren.


Sr. Brigitte Thalhammer SDS

5. Sonntag in der Fastenzeit, Joh 8,1-11

Grüß Gott aus Rom an diesem 5. Sonntag in der Fastenzeit - drei Themen möchte ich heute aus diesem Evangelium aufgreifen.

- Die Gefährdung, dass wir Menschen für unsere Zwecke gebrauchen
- Das unglaubliche Zutrauen, das Jesus zu uns Menschen hat
- Und natürlich das, was im Zentrum dieser Perikope steht: Gottes Erbarmen und sein Vergeben und der damit verbundene mögliche Neuanfang.

„Es heißt, die Frau wurde auf frischer Tat ertappt. Aber wo ist der Mann? Auch Ehebrecher wurden bestraft.“

Zum ersten: Wir stehen immer wieder in der Gefahr, andere Menschen für unsere eigenen Zwecke zu gebrauchen und manchmal wirklich zu missbrauchen.


Es heißt, die Frau wurde auf frischer Tat ertappt. Aber wo ist der Mann? Auch Ehebrecher wurden bestraft, aber es ist eben von keinem Mann die Rede. Wohl aber muss es zwei Zeugen gegeben haben. Es scheint, dass die Frau in eine Falle gelockt wurde. Vorfälle wie diese soll es immer wieder gegeben haben, wenn ein Mann seine Frau loswerden wollte. Und nun wird diese Frau nochmals missbraucht, um Jesus eine Falle zu stellen.


Klarer Fall von Missbrauch einer anderen Person
Jesus ist auf Konfrontationskurs mit den Pharisäern, den Schriftgelehrten und Hohepriestern. Sie würden ihn gern festnehmen – aber Jesus ist beim Volk so beliebt, dass das nicht geht. Also muss man zu anderen Mitteln greifen. Und da kommt diese, des Ehebruchs beschuldigte Frau gerade recht. Es gibt das Gesetz des Mose und das sagt ganz klar, dass sie gesteinigt werden muss. Also muss er, Jesus, sich als frommer Jude an der Bestrafung beteiligen. Tut er es nicht, dann bricht er das Gesetz. Es geht hier überhaupt nicht um die Frau, als vielmehr um Jesus und wie er aus dem Verkehr gezogen werden kann. Der Vorfall ist krass. Ein klarer Fall von Missbrauch einer anderen Person für die eigenen Interessen und Absichten.

„Jedes Menschenkind ist Ebenbild Gottes.“

In unserem Alltag kann es viel subtiler geschehen. Es gilt, dass wir uns selber immer wieder fragen: wie begegne ich anderen? Tappe ich manchmal selber in die Falle, andere für meine Vorhaben zu gebrauchen? Es ist gut, mit dieser Person bekannt zu sein, sie wird mir helfen, mein Ziel zu erreichen. Ich möchte unbedingt ein Kind haben, denn dieses Kind wird mich brauchen und mich lieben.
Der Anspruch die Würde jedes Menschen zu achten und nicht zum Objekt, das ich gebrauchen kann zu degradieren lässt sich nicht nur christlich begründen, sondern findet sich auch in der Philosophie wie bei Kant, der sagt: «... der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen». Der Mensch hat seinen Wert in sich und somit eine unverlierbare Würde. Jedes Menschenkind ist Ebenbild Gottes.
Wie würde sich die Erde verwandeln, wenn wir dem tief in uns glaubten und allen Menschen entsprechend begegnen würden. Manche tun es – was für ein Segen geht von ihnen aus.

„Dieses Schreiben in den Sand könnte vielleicht zum Ausdruck bringen: das, was ihr vorhabt, hat keinen Bestand“

Zum zweiten Punkt: Die Reaktion Jesu ist einmalig – und zugleich von einem großen Vertrauen und Zutrauen getragen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer stellen die Frage, was denn nun mit dieser Frau geschehen soll – und Jesus scheint gar nicht auf ihre Frage einzugehen – es heißt, er bückt sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde, in den Sand. Er antwortet nicht – und sein Tun, dieses Schreiben in den Sand, könnte vielleicht zum Ausdruck bringen: das, was ihr vorhabt, hat keinen Bestand – und ihr selber – eure scheinbar so große Gerechtigkeit, hat keinen Bestand vor Gott. Die Ankläger bedrängen ihn weiter hartnäckig, wie es heißt. So richtet er sich auf und gibt dem Geschehen eine andere Wendung.

Jesus nimmt die Ankläger ins Geschehen hinein
Er nimmt die Ankläger, die an der Seitenlinie stehen und nur beurteilen und verurteilen, mitten in das Geschehen hinein – führt ihnen vor Augen, dass sie nicht das Recht haben, sich zu Richtern zu erheben. „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Worte, die bis heute nachklingen. Und Jesus bückt sich wieder und schreibt weiter. Er argumentiert nicht weiter, schaut sie nicht scharf an, erhebt keinen Zeigefinger – er hat das Notwendige gesagt und überlässt den Rest dem Gewissen der Ankläger. Ich finde das extrem mutig. Jesus hat wohl tief in ihnen etwas angerührt – und sie legen die Steine nieder und gehen.

...die Ältesten gehen als erste
Mich fasziniert diese innere Freiheit Jesu und dieses Zutrauen. Ihr werdet wissen, was das rechte ist. Diese Einsicht in das rechte Tun ist nicht aus langen Diskussionen entstanden, nicht aus Vorschriften, die Jesus gemacht hätte, sondern im Verweis auf die eigene Verfasstheit – um das Wissen, wer ich im tiefsten bin. Wir alle leben davon, dass uns andere vergeben und dass uns Gott vergibt. Niemand kommt ganz und gar unschuldig durch das Leben – und gerade die mit der meisten Lebenserfahrung, die Ältesten, gehen als erste. Jesus gibt ihnen den Raum, dass sie zu ihrer eigenen Größe finden – und die Frau nicht verurteilen. 

Kein Freibrief zum Ehebruch
Und nun zum dritten – zum Zentrum – das Erbarmen Gottes.
Dass uns dieser mittlerweile so berühmte Abschnitt aus dem Johannesevangelium heute zur Verfügung steht, ist keine Selbstverständlichkeit. In den ersten Jahrhunderten war er umstritten und fehlt in manchen Manuskripten. Der Heilige Augustinus bemängelt diesen Umstand – der daraus entstanden wäre, dass manche glaubten, dass so die Frauen einen Freibrief zum Ehebruch bekommen würden. Dass der Abschnitt dann aber doch wieder aufgenommen wurde, hat anscheinend auch mit der sehr strengen Bußpraxis der jungen Kirche zu tun. Hier wollte man das Handeln Jesu wieder deutlich hervorheben – seine Barmherzigkeit.

„„Auch ich verurteile dich nicht!“ Was für ein Wort. Was für eine Befreiung.“

Diese Momente des Wartens, wie Jesus reagieren würde – und wie dann die Ankläger auf seine Worte reagieren würden, müssen für die Frau eine Ewigkeit gewesen sein. Und dann ist sie allein mit Jesus. „Wo sind denn die anderen, hat dich niemand verurteilt“ – so eröffnet Jesus das Gespräch mit der Frau – und sie kann antworten: „Keiner hat mich verurteilt“ – und dann dieses Wort Jesu: „Auch ich verurteile dich nicht!“ Was für ein Wort. Was für eine Befreiung. Wir können mitfühlen mit dieser Frau, die sich wieder aufrichten kann, die wieder frei atmen kann. Wenn ich diese Stelle meditiere, dann stelle ich mir auch den Blick Jesu auf diese Frau vor – ein Blick voller Liebe, voller Mitgefühl – ein Blick, der sagt: ich will dass du lebst, du Tochter Israels – Ich will, dass du heil wirst; dass deine Sehnsucht nach Liebe Erfüllung finde – und mit diesem Blick sagt er: Geh und sündige nicht mehr.

Das Evangelium in Kurzform: Du bist geliebt
Das ist das Evangelium – die Frohe Botschaft in Kurzform. Du bist geliebt – und in dieser Liebe ist dir vergeben.
Schuld stört Beziehungen – bzw. kann diese auch ganz zerstören. Unsere Welt wird dann kleiner, unser Leben wird ärmer – und Schuld hat Auswirkungen auf das ganze Gefüge, in dem wir leben.
In dieser Begegnung mit der Ehebrecherin – ja im ganzen Leben Jesu – kommt zum Ausdruck, dass Gott diese Beziehungen wiederherstellen möchte: das zeigt sich, wenn er das Gleichnis vom Barmherzigen Vater erzählt, der dem verlorenen Sohn entgegeneilt und ihn umarmt, das zeigt sich, wenn er mit Vorliebe mit den Ausgeschlossenen seiner Zeit, mit den Zöllnern und Sündern und Sünderinnen beisammen ist und mit ihnen feiert – und das findet den Höhepunkt in dem Fest auf das wir zugehen: Ostern – am Kreuz wird er alle Gewalt und Schuld aufnehmen und ausleiden – und wird am Ostermorgen den Frieden zusagen.

Die Vergebung ist gratis - reines Geschenk
Auch ich verurteile dich nicht. Jesus sagt diese Vergebung der Frau zu, bevor sie um irgendetwas bitten oder irgendetwas tun kann. Die Vergebung ist gratis – reines Geschenk. Und vielleicht ist der Nachsatz „Geh und sündige nicht mehr“ eher der zuvor erwähnten Sorge geschuldet, dass man die Stelle zum Freibrief für Ehebruch verstehen könnte, als der wirklichen Notwendigkeit, ihn der Frau zu sagen. Wer die Liebe Gottes erfahren hat, der oder die will umkehren.
Vergebung ermöglicht einen neuen Anfang – es fühlt sich so an, wie es Jesaja in der ersten Lesung des heutigen Tages beschreibt – „siehe, ich mache etwas Neues – ich lege Flüsse in Ödland“. Erfahrene Vergebung kann so etwas wie eine Neugeburt sein. Ich erlebe Beichtgespräche so. Es tut gut einen Ort zu haben, wo ich benennen kann, was mich drückt – wo ich anderen etwas schuldig geblieben bin oder mit einer Situation schwer umgehen kann. Ich weiß um die Barmherzigkeit Gottes – und doch hat es nochmals eine andere Wirkung, wenn mir eine konkrete Person im Namen der Gemeinschaft der Kirche diese Vergebung zusagt.

„Das ist es, was Gott von uns will, dass wir uns von ihm lieben lassen“

Zugleich ist es nicht immer ganz einfach mit der Vergebung.
Zum einen: zuweilen können wir uns selber nicht vergeben. Da kommt die zugesagte Vergebung nicht an, weil es in uns nagt. Die Selbstvorwürfe kommen nicht zum Stillstand. Wir haben vielleicht auch ein bestimmtes Selbstbild, und da passt es gar nicht dazu, dass wir in dem einen oder ande-ren Bereich, diesem Ideal nicht entsprechen. Wir können mitunter unsere schärfsten Richter sein – gnadenlos.
Eine Mitschwester hat mir vor vielen Jahren eine kleine Karte geschenkt, auf der geschrieben steht – ohne Vermerk eines Autors: „Das ist es, was Gott von uns will, dass wir uns von ihm lieben lassen.“ Die Karte begleitet mich auf all meinen Stationen. Mich von Gott lieben lassen. Wenn ER mich so liebt, wie ich bin, dann kann ich es auch lernen – und die Veränderung geschieht, weniger durch meine Anstrengungen, als vielmehr, dass ich mich geliebt weiß und dem glaube.

Zum anderen das mit dem „geh und sündige nicht mehr“ ist auch nicht immer einfach. Es gibt Verhaltensweisen, die lassen sich nicht mir nichts dir nichts ablegen. Und auch da ist ein Wort Jesu tröstlich. Er hat seinen Jüngern und Jüngerinnen aufgetragen, 7 x 77mal zu vergeben – d.h. immer und immer wieder – um wie viel mehr, vergibt ER ohne Ende und gibt immer wieder die Chance für den Neubeginn.

Ich wünsche uns, dass wir aus dieser Zusage leben können und zugleich auch zu Menschen werden, die anderen vergeben können. Auch ich verurteile dich nicht.

 

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

 

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Klavierspielerin2 06.04.2025 09:11
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