Dilexit nos: Die schönsten Zitate aus der Enzyklika
Hier finden Sie die schönsten Sätze aus der neuen Enzyklika von Papst Franziskus, ausgewählt von unserer Redaktion.
Zurück zum Herzen
Um die Liebe Christi auszudrücken wird oft das Symbol des Herzens verwendet. Manche fragen sich, ob es heute noch eine gültige Bedeutung besitzt. Aber wenn wir versucht sind, uns an der Oberfläche zu bewegen, in Hektik zu leben, ohne letztendlich zu wissen, wozu, wenn wir Gefahr laufen, zu unersättlichen Konsumenten werden, zu Sklaven eines Marktsystems, das sich nicht für den Sinn unseres Lebens interessiert, dann tut es not, die Bedeutung des Herzens wieder neu zu entdecken. (2)
Hier sind wir wir selbst
Der bloße Schein, Verstellung und Täuschung schaden dem Herz und verderben es. Jenseits der vielen Versuche, etwas zu zeigen oder auszudrücken, was wir nicht sind, ist das Herz das alles Entscheidende: dort zählt nicht, was man nach außen hin zeigt oder was man verbirgt, dort sind wir wir selbst. Und das ist die Grundlage eines jeden tragfähigen Plans für unser Leben, denn ohne das Herz kann nichts von Wert aufgebaut werden. Äußerlichkeiten und Lügen bieten nur Leere. (6)
Die entscheidenden Fragen
Anstatt nach oberflächlichen Befriedigungen zu suchen und den anderen etwas vorzuspielen, ist es besser, wichtige Fragen aufkommen zu lassen: wer bin ich wirklich, was suche ich, welchen Sinn will ich meinem Leben, meinen Entscheidungen oder meinen Handlungen geben; warum und wozu bin ich auf dieser Welt, wie will ich mein Leben bewerten, wenn es zu Ende geht, welchen Sinn will ich allem, was ich erlebe, geben, wer will ich vor den anderen sein, wer bin ich vor Gott. Diese Fragen führen mich zu meinem Herzen. (8)
Es fehlt das Herz
In der heutigen Gesellschaft läuft der Mensch Gefahr, den Mittelpunkt, seine eigene Mitte zu verlieren. Der Mensch von heute ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft. Vielverbreitete Verhaltensmodelle verschärfen die technologisch-rationelle oder, umgekehrt, triebmäßige Dimension. Es fehlt das Herz. (9)
Wenn man das Herz abwertet…
Wenn man das Herz abwertet, verliert auch das Mit-dem-Herzen- sprechen, das Mit-dem-Herzen-handeln, das Reifen und Heilen im Herzen an Bedeutung. Wenn das Spezifische des Herzens nicht anerkannt wird, gehen uns die Antworten verloren, die der Verstand allein nicht geben kann, verlieren wir die Begegnung mit den Anderen, verlieren wir die Poesie. Und wir verlieren die Geschichte und unsere Geschichten, denn das wahre persönliche Abenteuer nimmt im Herzen seinen Ausgang. Am Ende des Lebens wird nur das von Bedeutung sein. (11)
Der Algorithmus
Man könnte sagen, dass ich letztlich mein Herz bin, denn es ist das, was mich ausmacht, was mich in meiner geistigen Identität prägt und mich mit den anderen Menschen verbindet. Der Algorithmus, der in der digitalen Welt am Werk ist, zeigt, dass unsere Gedanken und unsere Willensentscheidungen viel mehr „Standard“ sind, als wir gedacht hätten. Sie sind leicht vorhersehbar und manipulierbar. Nicht so das Herz. (14)
Das Anti-Herz
Das Anti-Herz ist eine Gesellschaft, die zunehmend von Narzissmus und Selbstbezogenheit beherrscht wird. Schließlich kommt es zum Verlust der Sehnsucht, weil der andere aus dem Blickfeld gerät und wir uns in uns selbst verschließen, ohne die Fähigkeit zu gesunden Beziehungen. Infolgedessen werden wir unfähig, Gott anzunehmen. Wie Heidegger sagen würde: Um das Göttliche zu empfangen, müssen wir ein »Gasthaus« bauen. (17)
KI und die Poesie
Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz dürfen wir nicht vergessen, dass zur Rettung des Menschen Poesie und Liebe notwendig sind. Was kein Algorithmus erfassen kann, ist zum Beispiel der Augenblick in der Kindheit, an den man sich mit Zärtlichkeit erinnert… (20)
Wofür wir geschaffen sind
Letztendlich kommt der Mensch dann voll und ganz zu seiner Identität, wenn im Herzen die Liebe regiert, denn jeder Mensch wurde vor allem für die Liebe geschaffen; er ist bis in seine tiefsten Fasern hinein dazu geschaffen, zu lieben und geliebt zu werden. (21)
Habe ich ein Herz?
Beim Nachdenken, beim Suchen, beim Meditieren über das eigene Sein und die eigene Identität, bei der Beschäftigung mit den höheren Fragen, beim Nachdenken über den Sinn des eigenen Lebens, bei der Suche nach Gott, selbst wenn man den Eindruck hat, etwas von der Wahrheit erahnt zu haben, bedarf es doch letztlich einer höchsten Erfüllung in der Liebe. In der Liebe spürt der Mensch, dass er weiß, warum und zu welchem Zweck er lebt. So mündet alles in Verbindung und Harmonie. Deshalb ist die vielleicht entscheidendste Frage, die sich jeder angesichts des eigenen persönlichen Geheimnisses stellen kann: Habe ich ein Herz? (23)
Wo der Philosoph stehen bleibt
Dort, wo der Philosoph mit seinem Denken stehen bleibt, liebt das gläubige Herz, es betet an, bittet um Vergebung und erklärt sich bereit, an dem Platz zu dienen, den der Herr ihm anbietet, um ihm zu folgen. Dann erkennt es, dass es Gottes „Du“ ist und dass es ein „Ich“ sein kann, weil Gott ein „Du“ für es ist. (25)
Ruine einer Kirche am spanischen Fluss Ebro
Ruine einer Kirche am spanischen Fluss Ebro
Erbarmen mit der verwundeten Erde
Vor dem Herzen Christi bitte ich den Herrn, noch einmal Erbarmen zu haben mit dieser verwundeten Erde, die er als einer von uns bewohnen wollte. Möge er die Schätze seines Lichts und seiner Liebe ausschütten, damit unsere Welt, die inmitten von Kriegen, sozioökonomischen Ungleichgewichten, Konsumismus und dem menschenfeindlichen Einsatz von Technologie überlebt, das Wichtigste und Nötigste wiederfindet: das Herz. (31)
Jesu Art, uns zu lieben
Die Art und Weise, in der Christus uns liebt, wollte er uns nicht allzu sehr erklären. Er hat sie durch seine Taten gezeigt. (33)
Worauf Jesus heute wartet
Jesus wartet heute darauf, dass du ihm die Gelegenheit gibst, dein Leben zu erhellen, dich aufzurichten, dich mit seiner Kraft zu erfüllen… Er findet immer einen Weg, sich in deinem Leben zu zeigen, damit du ihm begegnen kannst. (38)
Wir verehren nicht ein Organ
Die Verehrung des Herzens Christi ist nicht ein von der Person Jesu losgelöster Kult um ein Organ. Das, was wir betrachten und anbeten, ist der ganze Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, dargestellt in einem Bild, das sein Herz besonders betont… Wir verehren zwar das Bild, das ihn darstellt, aber die Anbetung gilt ausschließlich dem lebendigen Christus… Deshalb sollte niemand denken, dass uns diese Andachtsform von Jesus Christus und seiner Liebe trennen oder ablenken kann. Sie führt uns unmittelbar und direkt zu ihm und zu ihm allein… (48.49.51)
Eine Bitte an die Spötter
Ich bitte darum, dass sich niemand über die Ausdrucksformen frommer Hingabe des gläubigen Gottesvolkes lustig macht, das in seiner Volksfrömmigkeit versucht, Christus zu trösten. Und ich lade einen jeden ein, sich zu fragen, ob in manchen Erscheinungsformen dieser Liebe, die den Herrn zu trösten sucht, nicht mehr Vernunft, mehr Wahrheit und mehr Weisheit steckt als in den kalten, unnahbaren, berechneten und minimalistischen Taten der Liebe, zu denen wir fähig sind, die wir behaupten, einen reflektierteren, kultivierteren und reiferen Glauben zu besitzen. (160)
Seien wir ehrlich
Das christliche Lebensmodell ist attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und zum Ausdruck gebracht werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale. Was wäre das für ein Dienst an Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne Interesse daran, den anderen zu helfen, so dass sie weniger leiden und besser leben? Wird es dem Herzen, das so sehr liebte, etwa gefallen, wenn wir in einer innerlichen religiösen Erfahrung ohne geschwisterliche und soziale Auswirkungen verharren? Seien wir ehrlich und lesen wir das Wort Gottes in seiner Gesamtheit. Aber aus demselben Grund sagen wir, dass es sich auch nicht um eine soziale Förderung ohne tieferen religiösen Sinn handelt, die letztlich darauf hinausliefe, für den Menschen weniger zu wollen als das, was Gott ihm geben möchte. (205)
Sprache ohne Worte
Wenn wir uns bemühen, jemandem zu helfen, bedeutet das nicht, dass wir Jesus darüber vergessen. Im Gegenteil, wir finden ihn auf andere Weise. Und wenn wir versuchen, jemanden aufzurichten und zu heilen, ist Jesus an unserer Seite. Erinnern wir uns daran: »Der Herr stand ihnen bei« (Mk 16,20), als er die Jünger zur Mission aussandte. Er ist da, arbeitet, kämpft und tut Gutes mit uns. Es ist seine Liebe, die sich in unserem Dienst auf geheimnisvolle Weise zeigt, er selbst ist es, der zur Welt in jener Sprache spricht, die manchmal keine Worte hat. (214)
Ergebnisse sind nicht wichtig
In gewisser Weise musst du ein Missionar bzw. eine Missionarin sein, wie es die Apostel Jesu und die ersten Jünger waren, die hinausgingen, um die Liebe Gottes zu verkünden, die hinausgingen, um zu sagen, dass Christus lebt und es sich lohnt ihn kennenzulernen… Das ist auch deine Aufgabe. Jeder erfüllt sie auf seine Weise, und du wirst erkennen, wie du Missionar bzw. Missionarin sein kannst. Jesus verdient es. Wenn du dazu den Mut hast, wird er dich erleuchten. Er wird dich begleiten und stärken, und du wirst eine wertvolle Erfahrung machen, die dir sehr gut tun wird. Es ist nicht wichtig, ob du Ergebnisse sehen kannst, überlasse das dem Herrn, der im Verborgenen der Herzen wirkt, aber höre nicht auf, dich bei dem Versuch, anderen die Liebe Christi zu vermitteln, zu freuen. (216)
Außerhalb des Räderwerks
Heute ist alles käuflich und bezahlbar, und es scheint, dass Sinn und Würde von Dingen abhängen, die man durch die Macht des Geldes erwirbt. Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Liebe Christi steht außerhalb dieses abartigen Räderwerks, und er allein kann uns von diesem Fieber befreien, in dem es keinen Platz mehr für eine bedingungslose Liebe gibt. Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot. (218)
(vatican news – sk)
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Enzyklika: Dilexit nos/ Er hat uns geliebt
25.10.2024 08:24
Enzyklika: Dilexit nos/ Er hat uns geliebt
25.10.2024 08:24
Enzyklika: Dilexit nos/ Er hat uns geliebt
Neues Schreiben ist Klammer um das Lehramt von Papst Franziskus
Dilexit nos: Enzyklika für eine Welt, die ihr Herz zu verlieren droht
Veröffentlicht am 25.10.2024
Bonn ‐ Auf den ersten Blick ist es ein abseitiges Thema, dem Papst Franziskus eine Enzyklika gewidmet hat: In "Dilexit nos" schreibt er über das Herz Jesu. Dabei kann man den Text als Synthese seines Lehramts lesen – und als kraftvollen Aufruf an Kirche und Welt, sich auf das Wesentliche zu besinnen.
Die Ankündigung hat für Überraschung gesorgt, dass Papst Franziskus ausgerechnet in der letzten Woche der finalen Phase der Weltsynode eine neue Enzyklika veröffentlicht – noch dazu eine, die sich mit der "menschlichen und göttlichen Liebe des Herzens Jesu Christi in der Kirche", also mit der Herz-Jesu-Verehrung, beschäftigt. Schließlich fehlt vielen Gläubigen heutzutage der Zugang zu dieser Frömmigkeitsform. Will der Papst mit dem Schreiben vielleicht nochmal deutlich machen, was aus seiner Sicht der wahre Kern einer Reform der Kirche ist?
Um es kurz zu machen: Ganz so lässt sich der Text nicht lesen. Nebenbei bemerkt kommt das Wort "Synodalität" auch überhaupt nicht darin vor. Dennoch wird Franziskus grundsätzlich und spannt einen großen Bogen. Einerseits ist es ein sehr persönlicher Text, in dem er davon erzählt, woraus er für seinen Glauben und seinen Traum von einer besseren Welt schöpft. Andererseits macht der Papst darin deutlich, was die Grundlage allen Handelns sein sollte. In Zeiten großer globaler Bedrohungen und Ungerechtigkeiten, aber auch eines zunehmeden Materialismus und Funktionalismus will das Schreiben, das den Titel "Dilexit nos" (Er hat uns geliebt" ) trägt, dazu auffordern, das Wichtigste wiederzufinden: das Herz. Oder anders ausgedrückt: die Liebe.
Quelle des Glaubens und der Nächstenliebe
Franziskus will aus diesem Grund die Kirche zu einer Neubetrachtung der Herz-Jesu-Verehrung einladen. Sie betont die Liebe Jesu als Quelle des Glaubens und der Nächstenliebe. Im Herzen Jesu "können wir das ganze Evangelium finden, dort ist die Wahrheit, an die wir glauben, zusammengefasst, dort ist das, was wir im Glauben verehren und suchen, das, was wir am meisten brauchen (89)", schreibt das Kirchenoberhapt. Dabei wird der Papst nicht müde zu betonen, dass die "echte" Verehrung des Herzens Jesu notwendigerweise nicht nur eine mystische, sondern auch eine missionarische und soziale Dimension hat.
Es ist die vierte Enzylika in Franziskus‘ Amtszeit. Wer sich gefragt hat, welche Stellung sie – gerade mit einem auf den ersten Blick eher abseitigen Thema – unter den bisherigen einnimmt, für den liefert der Pontifex in den Schlussfolgerungen selbst die Antwort: "Was dieses Dokument zum Ausdruck bringt, lässt uns entdecken, dass das, was in den Sozialenzykliken Laudato si' und Fratelli tutti geschrieben steht, nicht außerhalb unserer Begegnung mit der Liebe Jesu Christi liegt, so dass wir, indem wir von dieser Liebe trinken, fähig werden, brüderliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und gemeinsam für unser gemeinsames Haus zu sorgen (217)." Er will den Text als eine Art Klammer um seine bisherigen Rundschreiben verstanden wissen. Beobachter sprechen sogar davon, er habe in "Dilexit nos" sein geistliches Testament hinterlegt.
Enzyklika "Dilexit nos"
Bild: ©picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Alessandra Tarantino
Mit "Dilexit nos" will Papst Franziskus eine Art Klammer für sein Pontifikat liefern.
An den Anfang der Enzyklika stellt der Papst zunächst philosophische Überlegungen darüber, was das Herz ausmacht: Es ist für ihn der Kern der ganzen menschlichen Identität. "Alles ist im Herzen vereint, das der Sitz der Liebe mit all ihren geistigen, seelischen und sogar körperlichen Komponenten sein kann", scheibt Franziskus in Nummer 21. Doch in der heutigen Gesellschaft drohe das Herz verloren zu gehen: Der Mensch sei "in Gefahr, die Mitte zu verlieren, die Mitte seiner selbst". Demgegenüber hält der Papst fest: "Wenn im Herzen die Liebe regiert, gelangt der Mensch schließlich zu seiner vollen und leuchtenden Identität, denn jeder Mensch wurde vor allem für die Liebe geschaffen, ist in seinen tiefsten Fasern dazu gemacht, zu lieben und geliebt zu werden." Die Basis dafür ist, selbst ein offenes Herz zu haben. Um das Göttliche zu empfangen, müssen wir ihm ein Gasthaus bauen, betont Franziskus und zitiert dabei den deutschen Philosophen Martin Heidegger.
Die Herz-Jesu-Verehrung hat in der katholischen Kirche eine Jahrhunderte alte Tradition. Franziskus stellt die Geschichte dieser Frömmigkeitsform im Verlauf der Enzyklika ausführlich dar. Ihre Ursprünge liegen im Johannesevangelium. Dort nämlich heißt es, nach der Kreuzigung Jesu stieß ein Soldat mit einer Lanze in seine Seite "und sogleich floss Blut und Wasser heraus" (Joh 19,34). Schon sehr früh wurde das Herz Jesu als Symbol seiner Menschheit und als Ausdruck seiner besonderen Liebe zu den Menschen gedeutet. Im Mittelalter wurde die Herz-Jesu-Frömmigkeit immer beliebter, besonders durch mystische Strömungen in der Kirche. 1675 erhielt die französische Ordensfrau Margareta-Maria Alacoque in einer Christus-Vision den Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass sein göttliches Herz verehrt werden sollte. Im 18. und 19. Jahrhundert verbreitete sich die Herz-Jesu-Verehrung in ganz Europa, Herz-Jesu-Bruderschaften, von den Jesuiten wurde die Frömmigkeitsform propagiert. 1856 führte Papst Pius IX. das Fest für die gesamte Kirche ein.
Symbol für göttliche und menschliche Liebe
Ausführlich erklärt der Papst auch, was die Kirche eigentlich verehrt, wenn sie das Herz Jesu verehrt – und fasst dabei die lehramtlichen Aussagen zusammen: Das Bild meint die Gesamtheit Jesu; es ist ein Symbol für seine unendliche göttliche, aber auch menschliche Liebe. Die Herz-Jesu-Verehrung soll deutlich machen: Die Liebe Gottes zu den Menschen ist in Christus mitten in der Welt erschienen. Wie Jesus in seinem ganzen Leben und in seinem Tod die Liebe zu Gott verwirklicht, so sind auch die Menschen aufgerufen, sich ganz in diese Gottesliebe einzufügen – und von dieser Liebe zu erzählen und sie weiterzugeben.
Doch der Blick auf das Gute ist heutzutage vielfach verstellt: "Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen", schreibt Franziskus. Veränderung auf der Welt gelinge nur aus dem Herzen – doch das können die Menschen nicht alleine leisten. Deshalb soll die Kirche den eigentlichen Kern der christlichen Botschaft verkünden: Denn nur Christus sei in der Lage, "dieser Erde ein Herz zu geben und die Liebe neu zu erfinden, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot (217)".
Die Jesus-Statue deutet mit dem Finger auf ihr freiliegendes Herz, das von Dornen umrankt ist und oben brennt und ein Kreuz aufweist.
Bild: ©KNA (Symbolbild)
Der Kern der Hez-Jesu-Verehrung: Wie Jesus in seinem ganzen Leben und in seinem Tod die Liebe zu Gott verwirklicht, so sind auch die Menschen aufgerufen, sich ganz in diese Gottesliebe einzufügen – und von dieser Liebe zu erzählen und sie weiterzugeben.
Dabei hat der Pontifex offenbar auch einen kleinen Seitenhieb auf manche Reformkreise parat: Er kritisiert solche "Gemeinschaften und Seelsorgern, die sich nur auf äußere Aktivitäten konzentrieren, auf Strukturreformen ohne das Evangelium, auf zwanghafte Organisationen, weltliche Projekte, säkularisiertes Denken, auf verschiedene Vorschläge, die als Anforderungen präsentiert werden und manchmal den Anspruch erheben, allen auferlegt zu werden" (88). Das Ergebnis sei oft "ein Christentum, das die Zärtlichkeit des Glaubens, die Freude am Dienst, den Eifer der Mission von Mensch zu Mensch, die Eroberung durch die Schönheit Christi, die ergreifende Dankbarkeit für die Freundschaft, die er uns geschenkt hat, vergessen hat".
Die Kirche solle sich nicht in Debatten, aber auch nicht in Ritualen verlieren. In Nummer 205 schreibt Franziskus: "Das christliche Angebot ist dann attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und manifestiert werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiösen Gefühlen oder ostentativen Ritualen. Was für eine Anbetung wäre es für Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne jedes Interesse daran, anderen zu helfen, weniger zu leiden und besser zu leben?"
Eine neue Menschheit
Mit dem sozialen Aspekt geht auch der missionarische einher: Eine soziale Förderung ohne religiöse Bedeutung liefe letztendlich darauf hinaus, "dem Menschen weniger zu wünschen als das, was Gott ihm geben will." Oder wie es an anderer Stelle heißt: "Während das Herz Christi uns zum Vater führt, sendet es uns gleichzeitig zu unseren Brüdern und Schwestern. In den Früchten des Dienstes, der Geschwisterlichkeit und der Mission, die das Herz Christi durch uns hervorbringt, erfüllt sich der Wille des Vaters."
Die Liebe Christi ist für Christen die Quelle der Hoffnung – für sie selbst und für eine oft hoffnungslose Welt. Nur Jesu Liebe werde eine neue Menschheit ermöglichen, betont Papst Franziskus. Zum Abschluss greift er nochmal das johanneische Bild von Blut und Wasser auf, die aus der Seite Jesu flossen: Sein "lebendiges Wasser" soll die Fähigkeiten der Menschen, zu lieben und zu dienen, stärken und sie antreiben, "zu lernen, gemeinsam auf eine gerechte, vereinte und brüderliche Welt zuzugehen" (220). Eine gerechtere und brüderliche Welt durch die Liebe, für die das Herz Jesu steht – eine Synthese des Lehramts von Papst Franziskus.
Von Matthias Altmann
Dilexit nos: Enzyklika für eine Welt, die ihr Herz zu verlieren droht
Veröffentlicht am 25.10.2024
Bonn ‐ Auf den ersten Blick ist es ein abseitiges Thema, dem Papst Franziskus eine Enzyklika gewidmet hat: In "Dilexit nos" schreibt er über das Herz Jesu. Dabei kann man den Text als Synthese seines Lehramts lesen – und als kraftvollen Aufruf an Kirche und Welt, sich auf das Wesentliche zu besinnen.
Die Ankündigung hat für Überraschung gesorgt, dass Papst Franziskus ausgerechnet in der letzten Woche der finalen Phase der Weltsynode eine neue Enzyklika veröffentlicht – noch dazu eine, die sich mit der "menschlichen und göttlichen Liebe des Herzens Jesu Christi in der Kirche", also mit der Herz-Jesu-Verehrung, beschäftigt. Schließlich fehlt vielen Gläubigen heutzutage der Zugang zu dieser Frömmigkeitsform. Will der Papst mit dem Schreiben vielleicht nochmal deutlich machen, was aus seiner Sicht der wahre Kern einer Reform der Kirche ist?
Um es kurz zu machen: Ganz so lässt sich der Text nicht lesen. Nebenbei bemerkt kommt das Wort "Synodalität" auch überhaupt nicht darin vor. Dennoch wird Franziskus grundsätzlich und spannt einen großen Bogen. Einerseits ist es ein sehr persönlicher Text, in dem er davon erzählt, woraus er für seinen Glauben und seinen Traum von einer besseren Welt schöpft. Andererseits macht der Papst darin deutlich, was die Grundlage allen Handelns sein sollte. In Zeiten großer globaler Bedrohungen und Ungerechtigkeiten, aber auch eines zunehmeden Materialismus und Funktionalismus will das Schreiben, das den Titel "Dilexit nos" (Er hat uns geliebt" ) trägt, dazu auffordern, das Wichtigste wiederzufinden: das Herz. Oder anders ausgedrückt: die Liebe.
Quelle des Glaubens und der Nächstenliebe
Franziskus will aus diesem Grund die Kirche zu einer Neubetrachtung der Herz-Jesu-Verehrung einladen. Sie betont die Liebe Jesu als Quelle des Glaubens und der Nächstenliebe. Im Herzen Jesu "können wir das ganze Evangelium finden, dort ist die Wahrheit, an die wir glauben, zusammengefasst, dort ist das, was wir im Glauben verehren und suchen, das, was wir am meisten brauchen (89)", schreibt das Kirchenoberhapt. Dabei wird der Papst nicht müde zu betonen, dass die "echte" Verehrung des Herzens Jesu notwendigerweise nicht nur eine mystische, sondern auch eine missionarische und soziale Dimension hat.
Es ist die vierte Enzylika in Franziskus‘ Amtszeit. Wer sich gefragt hat, welche Stellung sie – gerade mit einem auf den ersten Blick eher abseitigen Thema – unter den bisherigen einnimmt, für den liefert der Pontifex in den Schlussfolgerungen selbst die Antwort: "Was dieses Dokument zum Ausdruck bringt, lässt uns entdecken, dass das, was in den Sozialenzykliken Laudato si' und Fratelli tutti geschrieben steht, nicht außerhalb unserer Begegnung mit der Liebe Jesu Christi liegt, so dass wir, indem wir von dieser Liebe trinken, fähig werden, brüderliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und gemeinsam für unser gemeinsames Haus zu sorgen (217)." Er will den Text als eine Art Klammer um seine bisherigen Rundschreiben verstanden wissen. Beobachter sprechen sogar davon, er habe in "Dilexit nos" sein geistliches Testament hinterlegt.
Enzyklika "Dilexit nos"
Bild: ©picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Alessandra Tarantino
Mit "Dilexit nos" will Papst Franziskus eine Art Klammer für sein Pontifikat liefern.
An den Anfang der Enzyklika stellt der Papst zunächst philosophische Überlegungen darüber, was das Herz ausmacht: Es ist für ihn der Kern der ganzen menschlichen Identität. "Alles ist im Herzen vereint, das der Sitz der Liebe mit all ihren geistigen, seelischen und sogar körperlichen Komponenten sein kann", scheibt Franziskus in Nummer 21. Doch in der heutigen Gesellschaft drohe das Herz verloren zu gehen: Der Mensch sei "in Gefahr, die Mitte zu verlieren, die Mitte seiner selbst". Demgegenüber hält der Papst fest: "Wenn im Herzen die Liebe regiert, gelangt der Mensch schließlich zu seiner vollen und leuchtenden Identität, denn jeder Mensch wurde vor allem für die Liebe geschaffen, ist in seinen tiefsten Fasern dazu gemacht, zu lieben und geliebt zu werden." Die Basis dafür ist, selbst ein offenes Herz zu haben. Um das Göttliche zu empfangen, müssen wir ihm ein Gasthaus bauen, betont Franziskus und zitiert dabei den deutschen Philosophen Martin Heidegger.
Die Herz-Jesu-Verehrung hat in der katholischen Kirche eine Jahrhunderte alte Tradition. Franziskus stellt die Geschichte dieser Frömmigkeitsform im Verlauf der Enzyklika ausführlich dar. Ihre Ursprünge liegen im Johannesevangelium. Dort nämlich heißt es, nach der Kreuzigung Jesu stieß ein Soldat mit einer Lanze in seine Seite "und sogleich floss Blut und Wasser heraus" (Joh 19,34). Schon sehr früh wurde das Herz Jesu als Symbol seiner Menschheit und als Ausdruck seiner besonderen Liebe zu den Menschen gedeutet. Im Mittelalter wurde die Herz-Jesu-Frömmigkeit immer beliebter, besonders durch mystische Strömungen in der Kirche. 1675 erhielt die französische Ordensfrau Margareta-Maria Alacoque in einer Christus-Vision den Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass sein göttliches Herz verehrt werden sollte. Im 18. und 19. Jahrhundert verbreitete sich die Herz-Jesu-Verehrung in ganz Europa, Herz-Jesu-Bruderschaften, von den Jesuiten wurde die Frömmigkeitsform propagiert. 1856 führte Papst Pius IX. das Fest für die gesamte Kirche ein.
Symbol für göttliche und menschliche Liebe
Ausführlich erklärt der Papst auch, was die Kirche eigentlich verehrt, wenn sie das Herz Jesu verehrt – und fasst dabei die lehramtlichen Aussagen zusammen: Das Bild meint die Gesamtheit Jesu; es ist ein Symbol für seine unendliche göttliche, aber auch menschliche Liebe. Die Herz-Jesu-Verehrung soll deutlich machen: Die Liebe Gottes zu den Menschen ist in Christus mitten in der Welt erschienen. Wie Jesus in seinem ganzen Leben und in seinem Tod die Liebe zu Gott verwirklicht, so sind auch die Menschen aufgerufen, sich ganz in diese Gottesliebe einzufügen – und von dieser Liebe zu erzählen und sie weiterzugeben.
Doch der Blick auf das Gute ist heutzutage vielfach verstellt: "Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen", schreibt Franziskus. Veränderung auf der Welt gelinge nur aus dem Herzen – doch das können die Menschen nicht alleine leisten. Deshalb soll die Kirche den eigentlichen Kern der christlichen Botschaft verkünden: Denn nur Christus sei in der Lage, "dieser Erde ein Herz zu geben und die Liebe neu zu erfinden, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot (217)".
Die Jesus-Statue deutet mit dem Finger auf ihr freiliegendes Herz, das von Dornen umrankt ist und oben brennt und ein Kreuz aufweist.
Bild: ©KNA (Symbolbild)
Der Kern der Hez-Jesu-Verehrung: Wie Jesus in seinem ganzen Leben und in seinem Tod die Liebe zu Gott verwirklicht, so sind auch die Menschen aufgerufen, sich ganz in diese Gottesliebe einzufügen – und von dieser Liebe zu erzählen und sie weiterzugeben.
Dabei hat der Pontifex offenbar auch einen kleinen Seitenhieb auf manche Reformkreise parat: Er kritisiert solche "Gemeinschaften und Seelsorgern, die sich nur auf äußere Aktivitäten konzentrieren, auf Strukturreformen ohne das Evangelium, auf zwanghafte Organisationen, weltliche Projekte, säkularisiertes Denken, auf verschiedene Vorschläge, die als Anforderungen präsentiert werden und manchmal den Anspruch erheben, allen auferlegt zu werden" (88). Das Ergebnis sei oft "ein Christentum, das die Zärtlichkeit des Glaubens, die Freude am Dienst, den Eifer der Mission von Mensch zu Mensch, die Eroberung durch die Schönheit Christi, die ergreifende Dankbarkeit für die Freundschaft, die er uns geschenkt hat, vergessen hat".
Die Kirche solle sich nicht in Debatten, aber auch nicht in Ritualen verlieren. In Nummer 205 schreibt Franziskus: "Das christliche Angebot ist dann attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und manifestiert werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiösen Gefühlen oder ostentativen Ritualen. Was für eine Anbetung wäre es für Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne jedes Interesse daran, anderen zu helfen, weniger zu leiden und besser zu leben?"
Eine neue Menschheit
Mit dem sozialen Aspekt geht auch der missionarische einher: Eine soziale Förderung ohne religiöse Bedeutung liefe letztendlich darauf hinaus, "dem Menschen weniger zu wünschen als das, was Gott ihm geben will." Oder wie es an anderer Stelle heißt: "Während das Herz Christi uns zum Vater führt, sendet es uns gleichzeitig zu unseren Brüdern und Schwestern. In den Früchten des Dienstes, der Geschwisterlichkeit und der Mission, die das Herz Christi durch uns hervorbringt, erfüllt sich der Wille des Vaters."
Die Liebe Christi ist für Christen die Quelle der Hoffnung – für sie selbst und für eine oft hoffnungslose Welt. Nur Jesu Liebe werde eine neue Menschheit ermöglichen, betont Papst Franziskus. Zum Abschluss greift er nochmal das johanneische Bild von Blut und Wasser auf, die aus der Seite Jesu flossen: Sein "lebendiges Wasser" soll die Fähigkeiten der Menschen, zu lieben und zu dienen, stärken und sie antreiben, "zu lernen, gemeinsam auf eine gerechte, vereinte und brüderliche Welt zuzugehen" (220). Eine gerechtere und brüderliche Welt durch die Liebe, für die das Herz Jesu steht – eine Synthese des Lehramts von Papst Franziskus.
Von Matthias Altmann
Kommentare
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Klavierspielerin2 25.10.2024 12:54
Wortlaut: Enzyklika Dilexit nos von Papst Franziskus
Hier finden Sie die neue Enzyklika von Papst Franziskus in ihrer offiziellen deutschen Fassung. Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen Übersetzung werden auf der vatikanischen Internetseite www.vatican.va publiziert.
DILEXIT NOS
DES HEILIGEN VATERS
FRANZISKUS
ÜBER DIE MENSCHLICHE UND GÖTTLICHE LIEBE
DES HERZENS JESU CHRISTI
1. „Er hat uns geliebt“, sagt Paulus über Christus (vgl. Röm 8,37), um uns erkennen zu lassen, dass uns nichts von dieser Liebe „scheiden kann“ (vgl. Röm 8,39). Paulus sagte....
Hier finden Sie die neue Enzyklika von Papst Franziskus in ihrer offiziellen deutschen Fassung. Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen Übersetzung werden auf der vatikanischen Internetseite www.vatican.va publiziert.
DILEXIT NOS
DES HEILIGEN VATERS
FRANZISKUS
ÜBER DIE MENSCHLICHE UND GÖTTLICHE LIEBE
DES HERZENS JESU CHRISTI
1. „Er hat uns geliebt“, sagt Paulus über Christus (vgl. Röm 8,37), um uns erkennen zu lassen, dass uns nichts von dieser Liebe „scheiden kann“ (vgl. Röm 8,39). Paulus sagte....
Klavierspielerin2 25.10.2024 13:00
What? Jesus Erscheinung! Herz Jesu Fest.
https://www.christ-sucht-christ.de/christliches-forum/read/142221/
https://www.christ-sucht-christ.de/christliches-forum/read/142221/
„Dilexit nos“ heißt die vierte Enzyklika von Papst Franziskus. Sie bezieht sich auf die Herz-Jesu-Frömmigkeit und versucht eine Aktualisierung dieser Tradition.
Alessandro Di Bussolo – Vatikanstadt
„'Er hat uns geliebt', sagt Paulus über Christus, um uns erkennen zu lassen, dass nichts uns von dieser Liebe „scheiden kann“ (vgl. Röm 8,37.39). Mit diesem Zitat beginnt die vierte Enzyklika von Papst Franziskus. Ihr Titel: „Dilexit nos“. Ihr Thema: die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu. Sein Herz biete uns ohne Vorbedingungen seine Liebe an. „Er hat uns zuerst geliebt (vgl. 1 Joh 4,10). Dank Jesus „haben wir die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen“ (vgl. 1 Joh 4,16)“ (1).
In der Gesellschaft entwickeln sich nach Franziskus‘ Diagnose „verschiedene Formen von Religiosität ohne Bezug zu einer persönlichen Beziehung zu einem Gott der Liebe“ (87); zugleich vernachlässigt das Christentum oft „die Zartheit des Glaubens, die Freude hingebungsvollen Dienstes, den Eifer für die Mission von Mensch zu Mensch“ (88). Darum schlägt der Papst eine neue Vertiefung der Spiritualität zur Liebe Christi vor, die gemeinhin mit der Darstellung seines Heiligen Herzens einhergeht. Wir sollten uns von neuem auf diese Spiritualität einlassen und uns daran erinnern, dass wir im Herzen Christi „das ganze Evangelium finden“ (89): In seinem Herzen „erkennen wir endlich uns selbst und lernen wir zu lieben“ (30).
Papst Franziskus am Sonntag in Rom
Papst Franziskus am Sonntag in Rom
Die Welt scheint ihr Herz verloren zu haben
Die Begegnung mit der Liebe Christi befähige uns, „geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen“ (217). Franziskus bittet den Herrn darum, „noch einmal Erbarmen zu haben mit dieser verwundeten Erde“ und „die Schätze seines Lichts und seiner Liebe“ über sie auszugießen, damit die Welt, „die inmitten von Kriegen, sozioökonomischen Ungleichgewichten, Konsumismus und dem menschenfeindlichen Einsatz von Technoligie überlebt, das Wichtigste und Nötigste wiederfindet: das Herz“ (31). Bei der Ankündigung, dass ein Dokument zum Herzen Jesu in Vorbereitung sei, hatte der Papst bei seiner Generalaudienz am 5. Juni deutlich gemacht, dass es dazu beitragen solle, über die Aspekte „der Liebe des Herrn zu meditieren“, aber auch, einer Welt, die ihr Herz verloren zu haben scheint, etwas Sinnvolles zu sagen“. Die Enzyklika fällt zusammen mit den Feiern zum 350. Jahrestag der ersten Offenbarung des Heiligsten Herzens Jesu an die heilige Margherita Maria Alacoque im Jahr 1673; sie werden sich noch bis zum 27. Juni 2025 hinziehen.
Die Bedeutung der Rückbesinnung auf das Herz
Die Enzyklika über die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu ist in fünf Kapitel unterteilt. Sie stellt bisherige lehramtliche Texte zusammen und referiert „eine lange, bis zur Heiligen Schrift zurückreichende Geschichte, um der ganzen Kirche heute diese Verehrung voll geistlicher Schönheit neu vorzuschlagen“.
Das erste Kapitel, „Die Wichtigkeit des Herzens“, erklärt, warum es notwendig ist, zum Herzen zurückzukehren in einer Welt, in der wir Gefahr liefen, „zu unersättlichen Konsumenten zu werden, zu Sklaven eines Marktsystems, das sich nicht für den Sinn unseres Lebens interessiert“ (2). Franziskus analysiert zunächst, was wir mit „Herz“ meinen: Die Bibel spricht davon als einem Ort, „an dem es keine Rolle spielt, „was man nach außen hin zeigt oder was man verbirgt, dort sind wir wir selbst“ (6). Zum Herzen führen die Fragen, auf die es ankommt: „Welchen Sinn will ich meinem Leben, meinen Entscheidungen oder meinen Handlungen geben; warum und wozu bin ich auf dieser Welt, wie will ich mein Leben bewerten, wenn es zu Ende geht, welchen Sinn will ich allem, was ich erlebe, geben, wer will ich vor den anderen sein, wer bin ich vor Gott“ (8). Der Papst betont, dass die gegenwärtige Abwertung des Herzens auf den „griechischen und vorchristlichen Rationalismus, den nachchristlichen Idealismus und den Materialismus“ zurückzuführen ist, so dass Begriffe wie Vernunft, Wille oder Freiheit im großen philosophischen Denken bevorzugt würden. Für den Papst muss hingegen anerkannt werden, „dass ich letztlich mein Herz bin, denn es ist das, was mich ausmacht, was mich in meiner geistigen Identität prägt und mich mit den anderen Menschen verbindet“ (14).
Jesus am Kreuz
Jesus am Kreuz
Die Welt kann sich verändern, wenn man vom Herzen ausgeht
Es ist das Herz, das „die Bruchstücke vereinigt“ und „jede echte Bindung ermöglicht, denn eine Beziehung, die nicht mit dem Herzen gestaltet wird, ist nicht in der Lage, die Fragmentierung des Individualismus zu überwinden“ (17). Die Spiritualität von Heiligen wie Ignatius von Loyola (die Freundschaft des Herrn anzunehmen ist eine Herzensangelegenheit) und John Henry Newman (der Herr rettet uns, indem er aus seinem Heiligen Herzen zu unserem Herzen spricht) lehrt uns, so Papst Franziskus, dass „vor dem Herzen des lebendigen und gegenwärtigen Jesus unser Verstand, vom Heiligen Geist erleuchtet, die Worte Jesu begreift“ (27). Und das hat soziale Konsequenzen, denn „die Welt kann sich vom Herzen her verändern“ (Zwischenüberschrift).
Gesten und Worte der Liebe
Den Gesten und Worten der Liebe Christi ist das zweite Kapitel gewidmet. Durch seine Gesten behandelt er uns als Freunde und zeigt, dass Gott „Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit“ ist; der Papst verweist auf Jesu Begegnungen mit der Samariterin, mit Nikodemus, mit der Ehebrecherin und mit dem Blinden am Straßenrand (35). Der Blick des Herrn, der „das Innerste deines Seins erforscht“ (39), zeige, dass er „seine ganze Aufmerksamkeit den Menschen, ihren Sorgen, ihren Leiden widmet“ (40). Und zwar so, „dass er das Gute, das er in uns erkennt“, wie bei dem Hauptmann, bewundert, auch wenn andere es ignorieren (41). Sein beredtestes Wort der Liebe ist das „an ein Kreuz genagelt“ sein, nachdem er um seinen Freund Lazarus geweint und am Ölberg gelitten hat – im Bewusstsein seines eigenen gewaltsamen Todes durch die Hand derer, die er so sehr liebte (46).
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Das Geheimnis eines Herzens, das so sehr geliebt hat
Im dritten Kapitel „Dies ist das Herz, das so sehr geliebt hat“ fächert der Papst auf, wie die Kirche „über das heilige Geheimnis des Herzens Jesu“ denkt und in der Vergangenheit gedacht hat. Dabei bezieht er sich auf die Enzyklika Haurietis aquas von Pius XII. über die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu (1956). Er stellt klar, dass die Verehrung des Herzens Christi nicht an Jesus vorbeizielt, denn wir verehren „den ganzen Jesus Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes, dargestellt in einem Bild, das sein Herz besonders betont“ (48). Dieses Bild des Herzens hilft uns nach Ansicht des Papstes bei der Betrachtung, dass „die Liebe des Herzens Jesu Christi nicht nur die göttliche Liebe umfasst, sondern „untrennbar mit seiner menschlichen Liebe verbunden ist“ (60). Sein Herz, so zitiert Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI., umfasse eine dreifache Liebe; wir fänden in ihm „das Unendliche im Endlichen“ (67).
Schon Pius XII. schrieb eine Enzyklika über das Heiligste Herz Jesu
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Rückkehr zur fleischgewordenen Synthese des Evangeliums
Der Papst hebt mit einem Zitat Pius XII.‘ hervor, dass man nicht sagen solle, „dass dieser Kult seinen Ausgang von einer göttlichen Privatoffenbarung genommen habe“ (83). Der Papst ruft zu einer Erneuerung der Verehrung des Herzens Christi auf, auch um „neuen Erscheinungsformen einer ‚Spiritualität ohne Fleisch‘“ entgegenzuwirken, die sich in der Gesellschaft vermehren (87). Es sei notwendig, zur „fleischgewordenen Synthese des Evangeliums zurückzukehren“ angesichts von „Gemeinschaften und Hirten, die sich nur auf äußere Aktivitäten konzentrieren, auf strukturelle Reformen, die nichts mit dem Evangelium zu tun haben, auf zwanghaftes Organisieren, auf weltliche Projekte, auf säkularisiertes Denken, auf verschiedene Vorschläge, die als Erfordernisse dargestellt werden und die man bisweilen allen aufdrängen will“. (88)
Die Erfahrung einer „gebenden Liebe“
In den letzten beiden Kapiteln hebt Papst Franziskus zwei Aspekte hervor, die ihm bei der Herz-Jesu-Verehrung wichtig erscheinen, um uns dem Evangelium näher zu bringen: die persönliche spirituelle Erfahrung und das gemeinschaftliche und missionarische Engagement. Im vierten Kapitel „Die Liebe, die zu trinken gibt“ verweist er auf die Heilige Schrift; schon die ersten Christen hätten im „Durchbohrten“ die Erfüllung einer Verheißung des alttestamentlichen Prophetenbuches Sacharja erkannt. Eine sprudelnde Quelle für die Menschen, um ihren Durst nach Gottes Liebe zu stillen und um „Sünde und Unreinheit“ abzuwaschen (95). Mehrere Kirchenväter deuteten „die Wunde in der Seite Jesu als Quelle für das Wasser des Geistes“ (102), allen voran der heilige Augustinus, der „den Weg zur Verehrung des Heiligsten Herzens als Ort der persönlichen Begegnung mit dem Herrn geebnet“ habe (103). Der Papst zeichnet dann nach, wie die Darstellung der durchbohrten Seite des Herrn allmählich zur Darstellung seines Herzens übergegangen sei. Unter den modernen Verehrern des Heiligsten Herzens Jesu erwähnt die Enzyklika vor allem den heiligen Franz von Sales, auf den die Darstellung eines „von zwei Pfeilen durchbohrten, von einer Dornenkrone umschlossenen Herzens“ zurückgeht (118).
Franziskus betet 2016 am Sarg der hl. Faustina Kowalska
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Die Erscheinungen der heiligen Margareta Maria Alacoque
Unter dem Einfluss dieser Spiritualität berichtet die heilige Margareta Maria Alacoque über Erscheinungen Jesu im französischen Paray-le-Monial, die zwischen Ende Dezember 1673 und Juni 1675 stattfanden. Der Kern der dabei übermittelten Botschaft lässt sich in folgenden Worten zusammenfassen: „Siehe hier das Herz, das die Menschen so sehr geliebt hat, dass es sich nicht schonte, sondern sich völlig hingab und verzehrte, um ihnen seine Liebe zu beweisen“ (121).
Theresia von Lisieux, Ignatius von Loyola und Faustina Kowalska
Mit Blick auf die heilige Theresia von Lisieux erinnert das Dokument an ihre Formulierung, dass Jesu Herz „im Einklang mit meinem schlug“ (134), sowie an ihre Briefe an ihre Schwester Maria. Diese trügen dazu bei, die Herz-Jesu-Verehrung „nicht auf den Aspekt des Leidens zu konzentrieren, weil einige die Sühne vorrangig als Opfer oder als moralische Pflichterfüllung verstanden“, sondern auf das Vertrauen „als das beste Opfer, das dem Herzen Christi wohlgefällt“ (138). Der Jesuitenpapst widmet auch einige Passagen der Enzyklika dem Stellenwert des Heiligsten Herzens in der Geschichte der Gesellschaft Jesu und weist darauf hin, dass der heilige Ignatius von Loyola in seinen Geistlichen Übungen dazu rät, in „einen Dialog von Herz zu Herz“ mit Christus einzutreten (144). Die Erfahrungen der heiligen Faustina Kowalska hätten dann die Verehrung „mit einer starken Betonung des glorreichen Lebens des Auferstandenen und der göttlichen Barmherzigkeit“ bereichert, und das habe auch den heiligen Johannes Paul II. dazu angeregt, „seine Gedanken über die Barmherzigkeit eng mit der Verehrung des Herzens Christi zu verbinden“ (149).
Die Enzyklika spricht dann von der „Frömmigkeit der Tröstung“; angesichts der Spuren des Leidens, die das Herz des Auferstandenen zeige, habe der Glaubende unmittelbar den Wunsch, „auch auf den Schmerz, den Christus aus so viel Liebe auf sich genommen hat“ (151), zu antworten. Franziskus bittet darum, „dass sich niemand über die Ausdrucksformen frommer Hingabe des gläubigen Gottesvolkes lustig macht, das in seiner Volksfrömmigkeit versucht, Christus zu trösten“ (160). Denn diejenigen, die ihn zu trösten suchten, würden selbst getröstet und könnten so auch andere Betrübte trösten.
Die hl. Therese von Lisieux
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Die Hingabe an das Herz Christi sendet uns zu den Brüdern und Schwestern
Das fünfte und letzte Kapitel „Die Liebe mit Liebe erwidern“ befasst sich mit den gemeinschaftlichen, sozialen und missionarischen Dimensionen einer echten Verehrung des Herzens Christi, die uns zum Vater führt und uns zugleich zu den Brüdern und Schwestern hinaussendet. Zur Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern bemerkt Franziskus: „Es gibt keine größere Geste, die wir ihm anbieten können, um seine Liebe mit Liebe zu erwidern“ (166). Mit Blick auf die Geschichte der Spiritualität erinnert der Papst daran, dass das missionarische Engagement des heiligen Charles de Foucauld ihn zu einem „universalen Bruder“ gemacht habe: „Er ließ sich vom Herzen Christi formen und wollte die ganze leidende Menschheit in sein brüderliches Herz aufnehmen“ (179). Franziskus spricht dann von „Wiedergutmachung“, wie der hl. Johannes Paul II. sie verstanden habe: „Wenn wir uns zusammen mit dem Herzen Christi hingeben, kann auf den von Hass und Gewalt angehäuften Trümmern die so sehr ersehnte Zivilisation der Liebe errichtet werden, das Reich des Herzens Christi“ (182).
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Liebende Missionare
Die Enzyklika erinnert mit Johannes Paul II. daran, dass „die Weihe an das Herz Christi im Hinblick auf das missionarische Handeln der Kirche selbst zu betrachten ist, denn sie entspricht dem Wunsch des Herzens Jesu, durch die Glieder seines Leibes seine vollkommene Hingabe an das Reich Gottes in der Welt zu verbreiten“. Infolgedessen werde durch die Christen „die Liebe in die Herzen der Menschen ausgegossen werden, damit der Leib Christi, der die Kirche ist, aufgebaut wird und auch eine Gesellschaft der Gerechtigkeit, des Friedens und der Brüderlichkeit entsteht“ (206). Es gehe – wie der heilige Paul VI. einmal formuliert habe –, in der Mission nicht darum, „dass viele Dinge gesagt und getan werden“; entscheidend sei vielmehr, „die glückliche Begegnung mit der umarmenden und rettenden Liebe Christi herbeizuführen“ (208). Gebraucht würden daher „liebende Missionare, die sich immer noch von Christus einnehmen lassen“ (209).
Das Gebet des Papstes
Der Text schließt mit einem Gebet von Papst Franziskus: „Ich bete zu Jesus, dem Herrn, dass aus seinem heiligsten Herzen für uns alle Ströme lebendigen Wassers fließen, um die Wunden zu heilen, die wir selbst uns zufügen, um unsere Fähigkeit zur Liebe und zum Dienen zu stärken, um uns anzutreiben, zu lernen, gemeinsam auf eine gerechte, solidarische und geschwisterliche Welt hinzuarbeiten. Und dies so lange, bis wir glücklich vereint das Festmahl im Himmelreich feiern können. Dort wird der auferstandene Christus sein, der all unsere Unterschiede mit dem Licht, das unaufhörlich aus seinem offenen Herzen strömt, in Enklang bringen wird. Gepriesen sei er in Ewigkeit!“
(vatican news)
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