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Einheit mit Christus

Einheit mit Christus
1677 schrieb der damals gerade einmal 27-jährige Henry Scougal einen Brief an einen Freund mit dem Titel: „The Life of God in the Soul of Man“ (dt. „Das Leben Gottes in der Seele des Menschen“). Das klingt für uns heute vielleicht nach „New Age“ oder gar häretisch. Gott lebt in der Seele eines Menschen? Aber ganz im Gegenteil, mit diesem Titel will Scougal auf den Punkt bringen, was echtes Christsein ausmacht:

„Die Einheit der Seele mit Gott, eine echte Teilhabe an Gottes Wesen, das ganze Ebenbild Gottes, das auf die Seele gezeichnet ist, oder, mit den Worten des Apostels, es ist Christus in uns ... ein göttliches Leben“ (zitiert von Wilbourne, S. 105–106).
„Wie der Autor wiederholt betont, ist die Einheit mit Christus die zentrale Wahrheit des Evangeliums.“
Scougals Brief ist über die letzten 350 Jahre zu einem Klassiker geworden und wird auch heute noch als kleines Büchlein gedruckt und veröffentlicht. Und doch ist vieles von dem, was Scougal in diesem kleinen Büchlein beschreibt, vielen Christen heute unbekannt und unvertraut. Wir kommen damit aus, das Evangelium und das christliche Leben zu beschreiben, ohne dabei jemals auf die Realität des Einsseins mit Christus – dass Christus in uns wohnt – zu sprechen zu kommen. Zu anderen Zeiten in der Geschichte des Christseins wäre dies unvorstellbar gewesen.

Die vorherrschende Ignoranz über die Einheit mit Christus
Es ist genau diese vorherrschende Ignoranz über die biblische Botschaft und Realität der „Einheit mit Christus“, die Rankin Wilbourne zum Schreiben seines empfehlenswerten Buches Einheit mit Christus: Gott erkennen und sich an ihm erfreuen angespornt hat (3L Verlag, 2020; das englische Original ist 2016 unter dem Titel Union with Christ: The Way to Know and Enjoy God bei David C. Cook erschienen). Bevor er Theologie studierte und als Pastor einer presbyterianischen Gemeinde (PCA) in Los Angeles ordiniert wurde, arbeitete Wilbourne als Banker. Er kennt also nur zu gut die Kluft zwischen der wohlklingenden Theologie, die man am Sonntag hört, und dem realen Leben mit all seinen Herausforderungen, mit denen man sich am Montagmorgen konfrontiert sieht. Diese Lücke versucht er in diesem Buch auf ganz praktische Weise zu schließen.

Die Lehre der „Einheit mit Christus“ erlebt in theologischen und akademischen Kreisen momentan ein Comeback (vgl. S. 120). Wilbournes Ziel und Absicht mit diesem Buch ist es nun, „die Einheit mit Christus an dem Ort wieder bekannt zu machen, wo sie am meisten gebraucht wird: im Leben der sogenannten einfachen Menschen“ (S. 315). Wie der Autor wiederholt betont, ist die Einheit mit Christus die zentrale Wahrheit des Evangeliums. Und so beabsichtigt er mit diesem Buch auch, eine Veränderung in der Debatte anzustoßen, was das Evangelium wirklich ist und „wie wir über das Heil sprechen“ (S. 315).

Der Keim des Buches geht auf Wilbournes Ausbildungszeit (etwa 20 Jahre vor dem Verfassen dieses Buches) zurück, als er beim Lesen älterer Theologen immer wieder über das Thema „Einheit mit Christus“ gestolpert ist (S. 34). Auf die Fragen, „Was ist die Gute Nachricht, die Christus dieser Welt bringt?“ und „Was ist das Herz des Evangeliums?“ stieß er immer wieder auf dieselbe Antwort: die Einheit mit Christus (S. 106). Diese Entdeckung war für ihn ein „historisches Rätsel“, das die folgenden Fragen aufwirft:

„Warum haben so viele dieser Autoren vom Evangelium in einer Art und Weise gesprochen, wie es die meisten von uns heute nicht hören? Warum ist die Einheit mit Christus als kontrollierende Instanz verschwunden – oder sogar als allgemeiner Begriff, den wir benutzen –, wenn wir über das Evangelium sprechen? Was ist bloß mit der Einheit mit Christus geschehen?“ (S. 106).
„An Christus zu glauben bedeutet, seine Identität, seine Bedeutung, seinen Wert, seine Lebensziele, ja letztendlich sein ganzen Leben in Christus zu suchen und zu finden.“
Diese Fragen will Wilbourne in seinem Buch beantworten. Und dies gelingt ihm, meines Erachtens nach, sehr gut. Ganz grundlegend erklärt er: „Die Einheit mit Christus heißt, dass Sie in Christus sind und Christus in Ihnen ist” (S. 45). „‚In Christus’ zu sein heißt, dass Christus die Seinen repräsentiert” (S. 45). „Alles, was auf Jesus zutrifft, trifft jetzt in Gottes Augen auch auf Sie zu” (S. 58). Wilbourne führt in seinem Buch aus, dass das Einssein mit Christus bedeutet, dass jeder Teil und jeder Aspekt des Lebens Jesu – nicht nur sein stellvertretender Tod – für den Gläubigen von höchster Bedeutung ist. An Christus zu glauben bedeutet, seine Identität, seine Bedeutung, seinen Wert, seine Lebensziele, ja letztendlich sein ganzen Leben in Christus zu suchen und zu finden.

Wilbourne zitiert die folgende Erläuterung des Theologen Sinclair B. Ferguson zur „Einheit mit Christus”: „Den Geist zu haben ist das Äquivalent davon, ja, die Art und Weise, den inkarnierten, gehorsamen, gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Christus in uns wohnen zu haben, sodass wir mit ihm verbunden sind, wie er mit dem Vater verbunden ist” (S. 51–52). Für manchen mag das klingen, als ginge es bei der „Einheit mit Christus” um eine mystische Erfahrung, die wir womöglich durch Meditation, Gebet und anderes versuchen zu erleben und gar zu vertiefen. Aber der Autor betont in seinem Buch, dass die „Erfahrung” dieser Gegenwart Christi im Leben nicht das Entscheidende ist. Vielmehr geht es ihm darum, dass seine Leser die „Realität” der Gegenwart Christi verstehen lernen – manchmal sogar entgegen ihrer Erfahrung (S. 55). Auch wenn er diesen Unterschied in seinem Buch nicht wirklich thematisiert, wird dem Leser deutlich, dass es Wilbourne nicht so sehr um „Communion” geht – also um eine mal mehr und mal weniger ausgeprägte Erfahrung und Fülle der tiefen Gemeinschaft mit Christus –, sondern vielmehr um „Union” mit Christus – also um ein Leben in einer unveränderlichen Realität dessen, wer man in der Verbundenheit mit Christus ist.

Wilbournes Behauptung, dass die Einheit mit Christus die zentrale Wahrheit des Evangeliums und Realität des christlichen Lebens ist, wirft bei vielen vielleicht folgende Frage auf: Aber was ist dann mit der Rechtfertigung – ist die Rechtfertigung nicht die zentrale Wahrheit und Realität des Christseins? Hier ist es wichtig zu betonen, dass selbst die Rechtfertigung nur in Verbindung mit der Einheit mit Christus wirklich einen Sinn hat – ja, eine Auswirkung des Einsseins mit Christus ist – und daher in gewisser Weise der Lehre der Einheit mit Christus unterzuordnen ist. Wilbourne zitiert in diesem Zusammenhang Johannes Calvin (S. 113):

„Wir schauen [Christus] also nicht außer uns, von ferne an, damit uns seine Gerechtigkeit zugerechnet werde; nein, weil wir ihn angezogen haben und in seinem Leib eingefügt sind, kurz, weil er sich herabgelassen hat, uns mit sich eins zu machen, darum rühmen wir uns, daß wir Gemeinschaft der Gerechtigkeit mit ihm haben.”
Erneut mit der Einheit mit Christus vertraut werden
Der Autor gliedert sein Buch in vier Teile, von denen jeder auf eine andere Weise dazu beitragen soll, den Leser mit der meist verlorenen und doch so kostbaren biblischen Lehre des Einsseins mit Christus wieder vertraut zu machen. Im ersten Teil (Kapitel 1–3 „Die Einheit mit Christus: Was sie ist und warum wir sie brauchen"zwinkerndes Smiley definiert und erläutert Wilbourne, worum es bei der Einheit mit Christus überhaupt geht und warum es für uns heute so entscheidend ist, diese Wahrheit wiederzuentdecken.

Im zweiten Teil (Kapitel 4–6 „Die Einheit mit Christus: Wo kommt sie her, wo führt sie hin?“) erklärt er, warum die meisten Christus nur sehr oberflächlich mit dieser Wahrheit vertraut sind. Er zeigt auf, dass die Einheit mit Christus kein neues Konzept ist, sondern „zentral für die Geschichte der Bibel und zentral für die Art und Weise ist, wie Christen historisch das Heil verstanden haben“ (S. 85). In diesen wertvollen Kapiteln liefert Wilbourne den biblischen Befund dafür, wie zentral die „Einheit mit Christus“ für alle Autoren des NT war. Ebenso zeigt er auf, wie die Lehre von der Einheit mit Christus in 2000 Jahren Kirchengeschichte von zentralen Theologen gelehrt und entwickelt wurde.

Im dritten Teil (Kapitel 7–10 „Die Einheit mit Christus: Welche Probleme löst sie?“) erläutert Wilbourne, wie die Wahrheit des Einsseins mit Christus vier ganz grundlegende Fragen des Lebens überraschend klar beantwortet: Wer bin ich (Identität)? Wohin werde ich geleitet (Perspektive)? Wofür bin ich hier (Sinn)? Worauf kann ich hoffen (Hoffnung)?

Im vierten und abschließenden Teil des Buches (Kapitel 11–16 „Die Einheit mit Christus im Alltag“) geht es dem Autor dann darum, ganz praktisch zu zeigen, wie diese Wahrheit des Einsseins mit Christus in unser Alltagsleben integriert und auch gefördert werden kann. Mit diesem letzten Teil will Wilbourne helfen, eine Diskrepanz zu schließen, die er schon im ersten Kapitel angesprochen hat. Es ist die Diskrepanz „zwischen dem, was Christen als wahr über sich behaupten, und dem, was wir oft sehen, wenn wir in den Spiegel schauen“ (S. 32). Es ist die Diskrepanz zwischen dem, was das Evangelium über uns sagt – uns ist vergeben, wir sind angenommen und sicher – und dem, wie wir uns selbst sehen und wie es in unserem Leben tatsächlich aussieht, das heißt, wenn wir erkennen, wie wenig wirklich tiefe Wirkung das Evangelium auf unser Herz und Leben ausübt (S. 29). Wilbourne unterstreicht im ersten Kapitel, dass nichts „zentraler und grundlegender“ ist, um diese Diskrepanz zu schließen, als die Realisierung des Einsseins mit Christus (S. 36 ff.). Der vierte Teil ist somit die ganz praktische Ausführung, wie nun ein Leben mit Blick auf die Einheit mit Christus aussieht und diese Diskrepanz geschlossen wird.

Die Einheit mit Christus in einer oberflächlichen und entzauberten Welt
Auf der Suche nach Antworten auf die Fragen, warum die biblische Lehre der „Einheit mit Christus“ heute vielerorts unbekannt ist und unterbetont wird, ist insbesondere das sechste Kapitel sehr aufschlussreich. Denn hier stellt der Autor interessante Beobachtungen über den Geist unserer Zeit und unserer Kultur an – Einstellungen und Gesinnungen, die „insgesamt dazu führen, dass die Einheit mit Christus weniger wichtig, weniger zentral und sogar weniger real zu sein scheint“ (S. 130 ff.): (1) Wir leben in einer Zeit, in der man eindeutige Erklärungen bevorzugt. (2) Wir leben in einer entzauberten Welt. (3) Wir leben in einer selbstzentrierten Welt. (4) Wir leben in einer Zeit, die nichts mit dem Heiligen Geist anfangen kann – er bleibt anonym, unbekannt und wird unterschätzt. (5) Wir leben in einer Kultur, die klare und einfache Antworten liebt. All das führt dazu, dass wir in unserem heutigen Denken nicht viel Raum für und Interesse an der Einheit mit Christus haben. Schon in der Einleitung des Buches macht Wilbourne deutlich, dass wir Vorstellungskraft und die Bereitschaft brauchen, uns auf Wortbilder, Gleichnisse und Metaphern einzulassen, um die biblische Lehre und die Realität des Einsseins mit Christus zu begreifen. Hierin liegt auch ein wichtiger Beitrag dieses Buches, den man wohl nicht in vielen anderen Büchern zu diesem Thema findet. Wilbourne gelingt es wirklich aufzuzeigen, warum in der heutigen Zeit, die eher geheimnisvolle (vgl. Kol 1,27) und schwer zu fassende Realität des Einsseins mit Christus aus dem Fokus geraten ist.

Fazit: eine empfehlenswerte Einführung
Wie Wilbourne in der Einleitung zum Buch erklärt, ist

„eines der Hauptargumente in diesem Buch [...], dass man einst die Einheit mit Christus als Hauptgrund angesehen hat, weshalb das Evangelium eine gute Nachricht ist. Nichts ist grundlegender oder zentraler für das Leben als Christ als diese Einheit mit Christus“ (S. 19).
Tatsächlich schafft es der Autor, seinen Lesern erfolgreich vor Augen zu führen, warum die Einheit mit Christus das Evangelium zu einer guten Nachricht macht und warum diese Lehre so grundlegend und zentral für das christliche Leben ist – insbesondere um die Diskrepanz zwischen Kopf und Herz, zwischen Theorie und Praxis, zwischen dem Zuspruch des Evangeliums und der Realität des Auslebens des Evangeliums zu schließen. Das Buch beansprucht für sich nicht, einen Beitrag auf akademischem oder theologischem Niveau zu leisten. Aber für „den Ort, wo sie am meisten gebraucht wird: im Leben der sogenannten einfachen Menschen“ (S. 315) ist dieses Buch eine hervorragende Einführung in die biblische Lehre der Einheit mit Christus. Das meint auch Tim Keller, wenn er über dieses Buch sagt: „Das ist schlichtweg das beste Buch für Nichttheologen zu diesem Thema“ (S. 9). Es ist ein Segen, dass Rankin Wilbournes Buch mit der Übersetzung ins Deutsche nun als eine praktische Einführung für jedermann zur Verfügung steht...https://www.evangelium21.net/media/3104/einheit-mit-christus...Gruss,Ralf😘

Kommentare

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Tamicha 28.06.2024 14:53
In Jesus sein ist das A und O 
Liebe Grüße 
Schönes Wochenende 
Tami
 
Sulzbacher 28.06.2024 14:54
🙂😘
 
Sulzbacher 18.09.2024 22:50
hab mir dieses Buch(mein erstes Buch in meinem neuen Zuhause) bestellt,ist heute angekommen,hab sofort angefangen zu lesen,sollte jeder wahre Christ auch tun,DANKE HERR für Unsere Einheit mit Christus und von Christus mit Uns,SEINER GEMEINDE,Amen
 
vertrauen2015 19.09.2024 11:19
Freu mich @sulzbacher 😊
dass du jetzt in deinem neuen Zuhause bist.
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