Ein Schelm, der böses dabei denkt?
13.04.2024 12:27
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Ein Schelm, der böses dabei denkt?
Wahlbetrug 1989 – als die DDR-Regierung ihre Glaubwürdigkeit verlor
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07.05.2019 / 7 Minuten zu lesen
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Am 7. Mai 1989 fanden in der DDR Kommunalwahlen statt. Erstmals überwachten unabhängige Bürger die Stimmenauszählung und konnten nachweisen, dass Wahlergebnisse manipuliert wurden – ein Aufbruchsignal für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR.
Eine Pflichtwahl ohne "Auswahl". Stimmauszählung in einem Ost-Berliner Wahllokal am 7. Mai 1989 – von DDR-Bürgern kritisch beäugt. (© Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 89_0507_DDR-Wahl_05 )
Anders als die Bundesrepublik war die Deutsche Demokratische Republik (DDR), die von 1949 bis 1990 bestand, ein zentralistisch organisierter Staat, gelenkt von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Auf dem Papier war zwar die DDR-Volkskammer mit 500 Delegierten das höchste Verfassungsorgan, die wichtigsten Entscheidungen wurden allerdings im SED-Politbüro und vom Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED gefällt und anschließend auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen umgesetzt. Auch der DDR-Ministerrat war an die Weisungen des Politbüros gebunden. Dieser Führungsanspruch der SED wurde 1968 sogar in der Verfassung festgeschrieben. Darin hieß es, die DDR sei ein sozialistischer Staat "unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei".
"Zettelfalten" statt wählen
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Stimmabgabe bei den DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai in einem Wahllokal in Ost-Berlin. Der ausgehändigte Wahlzettel wurde gewöhnlich nur einmal gefaltet und in die bereitgestellte Wahlurne eingeworfen, ohne eine Wahlkabine aufzusuchen. Geheim und demokratisch waren diese Wahlen nicht. (© dpa, Roland Holschneider)
Zwar fanden auch in der DDR regelmäßig Wahlen statt, aber sie erfolgten pro Forma und dienten der Legitimierung der SED-Diktatur. Sie waren weder geheim, noch ermöglichten sie eine demokratische "Auswahl" von Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten zur Neubestimmung des politischen Kurses. Wählenden wurde ein Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten ausgehändigt. Diese Einheitslisten der so genannten "Nationalen Front", in der die SED und die faktisch gleichgeschalteten "Blockparteien" zusammengefasst waren, wurden gefaltet und wieder abgegeben, in der Regel ohne etwas darauf zu markieren.
Dabei achtete das Regime auch auf eine hohe Beteiligung. Wer seine Stimme nicht zeitig abgab, wurde mitunter zuhause aufgesucht und zum Wahlgang aufgefordert, andernfalls musste er mit Repressalien rechnen. Auch wer im Wahllokal eine Wahlkabine aufsuchte, machte sich einer oppositionellen ("staatsfeindlichen" Gesinnung verdächtig. Mit "Nein" konnte man nur stimmen, indem man alle Namen auf der Vorschlagsliste durchstrich, was selten geschah. Bei diesen nicht mit demokratischen Prinzipien zu vereinbarenden "Wahlen" lag die Zustimmung zum Vorschlag der Nationalen Front bis 1986 offiziell stets bei über 99 Prozent.
1989 ein verändertes politisches Klima
Kommunalwahlen liefen nach dem gleichen Prinzip des "Zettelfaltens" ab, also mit der Zustimmung zum kommunalen Wahlvorschlag der Nationalen Front.
Der Wahltermin am 7. Mai 1989 fand jedoch in einem veränderten politischen Klima statt. Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow trat seit seinem Amtsantritt 1985 für eine Politik von Transparenz und Umgestaltung in der UdSSR ein und warb auch in den anderen Ostblockstaaten für seinen Kurs von "Glasnost und Perestroika".
So fanden im kommunistischen Nachbarland Polen bereits ab Februar 1989 zwischen Regierung und Opposition Gespräche am "Runden Tisch" statt und am 17. April wurde die oppositionelle Gewerkschaft Solidarność wieder zugelassen. Man einigte sich darauf, Anfang Juni halbwegs freie Parlamentswahlen abzuhalten. Zwar sollten weiterhin 65 Prozent der Sitze im Parlament an die Regierungskoalition fallen, aber 35 Prozent der Sitze wurden für "unabhängige" Kandidaten reserviert. In Ungarn begann die kommunistische Regierung am 2. Mai damit, die Grenzanlagen zu Österreich abzubauen, der "Eiserne Vorhang" löste sich auf. In der DDR dagegen haderte das Regime mit Reformen, dies weckte Unmut in der Bevölkerung über das SED-Regime.
In diesem politischen Kontext wurden die Kommunalwahlen zu einem Schlüsselmoment für das Erstarken der DDR-Opposition.
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/290562/wahlbetrug-1989-als-die-ddr-regierung-ihre-glaubwuerdigkeit-verlor/
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Am 7. Mai 1989 fanden in der DDR Kommunalwahlen statt. Erstmals überwachten unabhängige Bürger die Stimmenauszählung und konnten nachweisen, dass Wahlergebnisse manipuliert wurden – ein Aufbruchsignal für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR.
Eine Pflichtwahl ohne "Auswahl". Stimmauszählung in einem Ost-Berliner Wahllokal am 7. Mai 1989 – von DDR-Bürgern kritisch beäugt. (© Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 89_0507_DDR-Wahl_05 )
Anders als die Bundesrepublik war die Deutsche Demokratische Republik (DDR), die von 1949 bis 1990 bestand, ein zentralistisch organisierter Staat, gelenkt von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Auf dem Papier war zwar die DDR-Volkskammer mit 500 Delegierten das höchste Verfassungsorgan, die wichtigsten Entscheidungen wurden allerdings im SED-Politbüro und vom Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED gefällt und anschließend auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen umgesetzt. Auch der DDR-Ministerrat war an die Weisungen des Politbüros gebunden. Dieser Führungsanspruch der SED wurde 1968 sogar in der Verfassung festgeschrieben. Darin hieß es, die DDR sei ein sozialistischer Staat "unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei".
"Zettelfalten" statt wählen
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Stimmabgabe bei den DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai in einem Wahllokal in Ost-Berlin. Der ausgehändigte Wahlzettel wurde gewöhnlich nur einmal gefaltet und in die bereitgestellte Wahlurne eingeworfen, ohne eine Wahlkabine aufzusuchen. Geheim und demokratisch waren diese Wahlen nicht. (© dpa, Roland Holschneider)
Zwar fanden auch in der DDR regelmäßig Wahlen statt, aber sie erfolgten pro Forma und dienten der Legitimierung der SED-Diktatur. Sie waren weder geheim, noch ermöglichten sie eine demokratische "Auswahl" von Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten zur Neubestimmung des politischen Kurses. Wählenden wurde ein Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten ausgehändigt. Diese Einheitslisten der so genannten "Nationalen Front", in der die SED und die faktisch gleichgeschalteten "Blockparteien" zusammengefasst waren, wurden gefaltet und wieder abgegeben, in der Regel ohne etwas darauf zu markieren.
Dabei achtete das Regime auch auf eine hohe Beteiligung. Wer seine Stimme nicht zeitig abgab, wurde mitunter zuhause aufgesucht und zum Wahlgang aufgefordert, andernfalls musste er mit Repressalien rechnen. Auch wer im Wahllokal eine Wahlkabine aufsuchte, machte sich einer oppositionellen ("staatsfeindlichen" Gesinnung verdächtig. Mit "Nein" konnte man nur stimmen, indem man alle Namen auf der Vorschlagsliste durchstrich, was selten geschah. Bei diesen nicht mit demokratischen Prinzipien zu vereinbarenden "Wahlen" lag die Zustimmung zum Vorschlag der Nationalen Front bis 1986 offiziell stets bei über 99 Prozent.
1989 ein verändertes politisches Klima
Kommunalwahlen liefen nach dem gleichen Prinzip des "Zettelfaltens" ab, also mit der Zustimmung zum kommunalen Wahlvorschlag der Nationalen Front.
Der Wahltermin am 7. Mai 1989 fand jedoch in einem veränderten politischen Klima statt. Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow trat seit seinem Amtsantritt 1985 für eine Politik von Transparenz und Umgestaltung in der UdSSR ein und warb auch in den anderen Ostblockstaaten für seinen Kurs von "Glasnost und Perestroika".
So fanden im kommunistischen Nachbarland Polen bereits ab Februar 1989 zwischen Regierung und Opposition Gespräche am "Runden Tisch" statt und am 17. April wurde die oppositionelle Gewerkschaft Solidarność wieder zugelassen. Man einigte sich darauf, Anfang Juni halbwegs freie Parlamentswahlen abzuhalten. Zwar sollten weiterhin 65 Prozent der Sitze im Parlament an die Regierungskoalition fallen, aber 35 Prozent der Sitze wurden für "unabhängige" Kandidaten reserviert. In Ungarn begann die kommunistische Regierung am 2. Mai damit, die Grenzanlagen zu Österreich abzubauen, der "Eiserne Vorhang" löste sich auf. In der DDR dagegen haderte das Regime mit Reformen, dies weckte Unmut in der Bevölkerung über das SED-Regime.
In diesem politischen Kontext wurden die Kommunalwahlen zu einem Schlüsselmoment für das Erstarken der DDR-Opposition.
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/290562/wahlbetrug-1989-als-die-ddr-regierung-ihre-glaubwuerdigkeit-verlor/