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«RKI Files» / Schuld an der verfehlten deutschen Corona-Politik sind immer die anderen

«RKI Files» / Schuld an der verfehlten deutschen Corona-Politik sind immer die anderen
DER ANDERE BLICK
Schuld an der verfehlten deutschen Corona-Politik sind immer die anderen

Vor gut einem Jahr liefen in Deutschland die letzten Covid-Massnahmen aus. Zeit für damals aktive Politiker, um Bilanz zu ziehen. Die fällt erschütternd selbstgerecht aus.

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ERKLÄRT

Viele Stellen geschwärzt, lange unter Verschluss gehalten – was hat es mit den RKI-Protokollen auf sich?

Nach einem längeren Rechtsstreit musste das Robert-Koch-Institut die Protokolle des Corona-Krisenstabs herausgeben. Im Netz sorgen die «RKI Files» für Empörung. Inzwischen hat sich die Behörde selbst geäussert.


Beatrice Achterberg, Berlin
25.03.2024, 18.05 Uhr  3 min


Lothar Wieler war bis zum 1. April 2023 der Präsident des Robert-Koch-Instituts.

Sean Gallup / Getty

Inhaltsverzeichnis
1.
Was sind die «RKI Files»?

2.
Warum ist das brisant?

3.
Weshalb sind die Protokolle erst jetzt öffentlich?

4.
Wieso hat das Robert-Koch-Institut (RKI) so viele Passagen geschwärzt?

5.
Wie sind die Reaktionen auf die Veröffentlichung?

Was sind die «RKI Files»?

Es handelt sich dabei um mehr als 200 schriftliche Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) von Januar 2020 bis April 2021. Die Protokolle, die mehr als 2000 Seiten umfassen, waren bisher unter Verschluss, sind jedoch von dem Journalisten Paul Schreyer unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz frei geklagt worden. Sie sind auf dem Blog «Multipolar» für jeden abrufbar. Allerdings sind schätzungsweise tausend Passagen durch das RKI geschwärzt worden. Die Einschätzungen der Fachbehörde waren massgeblich, um die Corona-Massnahmen und die damit verbundenen Freiheitseinschränkungen für die Bürger zu begründen.

Beispielsweise wurde der Genesenenstatus nach einer Corona-Infektion zu Beginn des Jahres 2022 durch das RKI von sechs auf drei Monate verkürzt. Wegen der 2G- und 3G-Regeln mussten Genesene sich aufgrund der Verkürzung früher wieder testen oder impfen lassen, um Zutritt zu etwa der Arbeitsstätte oder Restaurants zu haben.

Das RKI selbst schreibt: «Die Protokolle geben die Diskussionen und Entscheidungen im Krisenstab zum jeweiligen Zeitpunkt und Kenntnisstand wieder.»


Warum ist das brisant?

Die fachliche Einschätzung des RKI war entscheidend für den Lockdown und weitere Massnahmen zu Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland. Als besonders kritisch gilt die Risikoeinschätzung von «mässig» zu «hoch» am 17. März 2020.


Multipolar / Robert-Koch-Institut

In einem veröffentlichten Dokument, das dem 16. März 2020 zugeordnet wird, heisst es: «Am WE wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (. . .) ein Signal dafür gibt.» Wer (. . .) ist, ist geschwärzt. Wäre hier ein politischer Akteur der Signalgeber statt etwa Wissenschafter des RKI, würde das bedeuten, dass das Institut nicht unabhängig agierte. Inzwischen verkündete die Behörde in einer Stellungnahme, dass es sich dabei um einen RKI-Mitarbeiter handeln würde. Dass die Hochstufung «nicht unabhängig» erfolgte, sei falsch.


Multipolar / Robert-Koch-Institut

In einem Ergebnisprotokoll, das dem 8. Januar 2021 zugeordnet wird, heisst es: «Verabschieden wir uns vom Narrativ der Herdenimmunität durch Impfung?» Trotzdem wurde im weiteren Verlauf der Pandemie der Impfdruck stetig erhöht. Beispielsweise schrieb das Bundesgesundheitsministerium im August 2021 auf X (ehemals Twitter): «Herdenimmunität erreichen wir nur mit einer hohen Impfquote – und schützen dadurch nicht nur uns selbst, sondern auch diejenigen, die sich nicht impfen lassen können. Jede Impfung zählt!»

Nach eigenen Angaben des Journalisten Schreyer hatte er die RKI-Dokumente bereits im April 2023 im geschwärzten Zustand erhalten. Schreyer soll geplant haben, gegen die Schwärzung vorzugehen und die vollständigen Dokumente zu veröffentlichen. Allerdings dauerten die juristischen Verfahren länger als vermutet, so dass sich der Publizist entschied, die Papiere zum Jahrestag der Hochstufung der Gefährdungseinschätzung des RKI im März 2020 zu veröffentlichen.

Wieso hat das Robert-Koch-Institut (RKI) so viele Passagen geschwärzt?

Nach Angaben von «Multipolar» halten die Anwälte des RKI die Schwärzungen für angemessen. Dagegen haben die Rechtsanwälte der Gegenseite nun erneut Klage erhoben. Der nächste Verhandlungstermin ist im Mai 2024.

Das RKI bestätigte der NZZ auf Anfrage die Herausgabe der Protokolle im Rahmen des Gerichtsverfahrens nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Für die geschwärzten Passagen lägen «jeweils gesetzliche Ausschlussgründe nach dem IFG vor», so eine Sprecherin.

Wie sind die Reaktionen auf die Veröffentlichung?
Obwohl zahlreiche Medien die Inhalte der RKI-Protokolle aufgegriffen haben, halten sich die politischen Reaktionen bisher in Grenzen. Der seit Dezember 2021 amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte am Montag: «Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet. Der sogenannte geschwärzte Mitarbeiter ist ein Mitarbeiter des RKI.»



Das RKI antwortete am Montagnachmittag mit einer Stellungnahme. Dort heisst es: «Schwärzungen von Namen bei Herausgabe interner Protokolle an die Öffentlichkeit sind üblich und dienen dem Schutz der Mitarbeitenden.»

Der Wissenschafter Christoph Lütge ist im Jahr 2021 vom bayrischen Kabinett aus dem Bayrischen Ethikrat abberufen worden. Zuvor hatte er sich kritisch über die Corona-Massnahmen geäussert. Der NZZ sagte das ehemalige Ethikrat-Mitglied: «Die veröffentlichten Protokolle offenbaren Überlegungen der Behörde, von denen vorher behauptet wurde, das wären Verschwörungstheorien. Nun weiss man: Selbst das RKI hatte Zweifel an Impfstoffen, Lockdowns und Maskenpflicht.»


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Es wird spannend, was die geschwärzten Stellen noch alles ans Licht bringen werden. Den ganzen Artikel finder ihr hier:
https://www.nzz.ch/international/rki-files-worum-geht-es-bei-den-geheimen-corona-protokollen-des-krisenstabs-ld.1823579

Kommentare

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MB73 27.03.2024 21:25
INTERVIEW
Das Robert-Koch-Institut hat sich in seiner Corona-Studie eine gute Note ausgestellt - die Studie weist allerdings viele Fehler auf
Das Robert-Koch-Institut schreibt, Corona-Massnahmen wie Lockdowns und Maskenpflicht hätten die Pandemie erfolgreich eingedämmt. Die Datenwissenschafter Oliver Beige und Daniel Haake erklären im Gespräch ihre Zweifel an den Ergebnissen der Studie.

Beatrice Achterberg, Berlin, Pauline Voss, Zürich19.08.2023, 05.30 Uhr  5 min

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Juli 2020: Ein einsamer Schüler, maskiert, wartet auf den Bus.
Urs Flueeler / Keystone

«Die Corona-Massnahmen waren wirksam» – diese Schlagzeile ging vor einem Monat durch die deutschen Medien. Grundlage war die «Stoppt Covid»-Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI). Sie kritisieren die Studie. Warum?

Oliver Beige: Das RKI hat sich quasi selber eine gute Note ausgestellt, denn es war ja an der Ausgestaltung der Massnahmen beteiligt. Wir haben in der Studie jedoch eine Reihe von Fehlern gefunden, die jeder empirisch arbeitende Wissenschafter schnell entdecken sollte. In der Wissenschaft kann die Theorie immer nur behaupten, belegen muss die Empirie – das ist hier nicht passiert.







 



Wie lässt sich überhaupt eine wissenschaftliche Studie unter den Bedingungen einer realen Pandemie durchführen?
Beige: In einer solchen Situation versucht man, über Vergleichsgruppen die Effekte einzelner Massnahmen nachzuweisen. Aus den unterschiedlichen Verläufen der Gruppen – beispielsweise einmal maskiert und einmal ohne Maske – lassen sich dann Schlussfolgerungen ableiten.
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Wissenschafter Oliver Beige.
Privat

Das hätte man über die Bundesländer oder zwischen Deutschland und den Nachbarländern machen können, dort, wo unterschiedliche Massnahmen galten. Eine Schweizer Studie hat genau das versucht und die Unterschiede zwischen den Kantonen analysiert. Diese Methode ist ein anerkannter wissenschaftlicher Standard, die die Autoren der RKI-Studie jedoch komischerweise nicht angewandt haben.
Wie ging das RKI stattdessen vor?
Beige: Zunächst hat es einen hypothetischen Kurvenverlauf modelliert, basierend auf der Frage: Wie hätte sich das pandemische Geschehen entwickelt, wenn keine Massnahmen in Kraft getreten wären? Diese fiktive Kurve wurde mit der tatsächlichen beobachteten Kurve des Pandemiegeschehens verglichen. Als Messwert für die Entwicklung der Pandemie wurde der R-Wert genommen. Der R-Wert versucht auszudrücken, wie viele Menschen eine infizierte Person in einer bestimmten Zeit durchschnittlich ansteckt.

Was kam bei diesem Vergleich heraus?
Beige: Die Autoren haben den sinkenden R-Wert in der tatsächlichen Pandemiekurve als Beleg benutzt, der zeigt, dass die Massnahmen gewirkt hätten. Unserer Ansicht nach wurde hier voreilig ein kausaler Schluss gezogen. Denn es muss nachgewiesen werden, dass es wirklich die Massnahmen waren, die den R-Wert gesenkt haben. Die Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die R-Werte sanken, bevor die Massnahmen überhaupt in Kraft traten. Damit stimmt die zeitliche Reihenfolge nicht: Wenn der Berg raus ruft, bevor ich rein rufe, ist es kein Echo.
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Datenwissenschafter Daniel Haake.
Privat

Was ist der Grund dafür, dass der der R-Wert schon vorher sank?
Daniel Haake: Die Schlussfolgerung der Studienautoren lautet, die Bevölkerung habe die Massnahmen schon kurz vor Inkrafttreten freiwillig umgesetzt. Allerdings wird dies in der Studie nicht belegt oder überprüft. Wir halten die Begründung für nicht schlüssig. Der R-Wert ist ein zeitlich nachlaufender Wert, der sich auf die vergangenen Tage bezieht. Zudem hat das RKI die Inkubationszeit in der Studie nicht einbezogen.
Wenn man dies entsprechend angepasst hätte, dann hätte sich wohl gezeigt, dass der R-Wert schon sank, bevor die Massnahmen überhaupt angekündigt wurden. Die Aussage, dass die Menschen sich aufgrund der Ankündigung baldiger Massnahmen von selbst eingeschränkt haben, wird damit unplausibel.

Dem R-Wert wurden in der Studie unterschiedliche Variablen gegenübergestellt. Sie kritisieren die Auswahl dieser Variablen. Warum?
Beige: Um das Pandemiegeschehen präzise abzubilden, muss das mathematische Modell möglichst viele Einflüsse einbeziehen, die neben den Massnahmen auf die Entwicklung des R-Werts eingewirkt haben könnten. Dafür werden Variablen aufgesetzt. In diesem Modell waren das Saisonalität, Impfrate und Corona-Varianten. Besonders kleinteilig in das Modell eingeflossen sind einzelne Massnahmen wie Maskenpflicht, Beschränkungen im Einzelhandel oder Schulschliessungen. Was hingegen fehlt, sind Kontrollvariablen, mit denen alternative Erklärungen für die pandemische Entwicklung überprüft werden können.
Welche hätten das sein können?
Haake: Beispielsweise Mobilitätsdaten, die Aufschluss über freiwillige Verhaltensänderungen der Bevölkerung gegeben hätten. Oder die natürliche Immunisierung. Während nämlich die Impfung in das Modell der Studie integriert wurde, hat man die Wirkung einer durchgemachten Infektion nicht mit einfliessen lassen. Was gerade deshalb interessant ist, weil das RKI Anfang 2022 den Genesenenstatus stark verkürzte, nicht aber den Impfstatus. Die Studie versucht nicht einmal herauszufinden, welchen Mehrwert eine natürliche Immunisierung hatte.

Welche Folgen hat es, dass solche möglichen Einflüsse fehlen?
Beige: Dadurch wird das Sinken des R-Werts automatisch auf die Massnahmen zurückgeführt. Jede positive Entwicklung kann den politischen Massnahmen zugerechnet werden, weil andere mögliche Erklärungen im Modell nicht enthalten sind. Spätestens an diesem Punkt müsste man die Studie als Autor eigentlich hinterfragen.
Auch einige paradoxe Ergebnisse säen Zweifel an der Aussagekraft der Studie. Können Sie Beispiele nennen?
Haake: Die RKI-Studie kommt etwa zu dem Ergebnis, dass Massnahmen am Arbeitsplatz ausgerechnet in der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre die Zahl der Erkrankungen erhöht, in der Altersgruppe unter 18 Jahren jedoch gesenkt haben. Masken im öffentlichen Nahverkehr wiederum sollen laut dem Modell das Pandemiegeschehen in der Altersgruppe über 60 Jahren entschleunigt, in den anderen hingegen beschleunigt haben. Paradox ist insbesondere, dass eine Maskenpflicht in Schulen bei den unter 18-Jährigen angeblich keinen nachweisbaren Effekt hatte, allerdings eine deutlich entschleunigende Wirkung bei den über 60-Jährigen.
Die RKI-Studie erwähnt diese paradoxen Effekte zwar teilweise, aber sie zieht keine Schlüsse daraus. Die Autoren hätten zumindest Erklärungen liefern müssen, warum es gerade zu diesen Effekten kam. Wenn es keine plausiblen Erklärungen gibt, unterstützt das unsere These, dass das gesamte Modell fehlerhaft konstruiert und gar nicht geeignet ist, um kausale Zusammenhänge zu belegen.

Wie sollten das RKI und das Bundesgesundheitsministerium darauf reagieren?
Haake: Im Grunde müsste man eine neue Studie durchführen. Aber nicht durch das RKI. Es gibt in Deutschland wie auch im Ausland genügend unabhängige Experten dafür. Zudem sollten auch die unerwünschten Nebenwirkungen der Massnahmen in die Untersuchung einfliessen: die schweren psychologischen Folgen bei Kindern, auch die Belastungen für Erwachsene. Die Bundesregierung müsste ein Interesse daran haben, herauszufinden, ob die Massnahmen nützen oder schaden.
Zur Person
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Die Kritiker der «Stoppt Covid»-Studie
Oliver Beige promovierte an der Universität in Berkeley in Ökonomik und Statistik. Daniel Haake ist Datenwissenschafter und hat für seine Arbeit zur Prognose von Wohnungseinbrüchen den Gerhard-Fürst-Preis des Statistischen Bundesamtes in Deutschland erhalten. Gemeinsam mit drei weiteren Datenwissenschaftern (Johannes Merkl, Thomas Wieland und Werner Baumgarten) haben sie die Methodik der «Stoppt Covid»-Studie einer kritischen Prüfung unterzogen.

Das RKI weist die Kritik der Wissenschafter auf Anfrage der NZZ zurück. Zwar geht das RKI in der Antwort nicht näher auf die erwähnten paradoxen Ergebnisse ein, antwortet aber schriftlich, es bestünden «keine Anhaltspunkte für einen fachlichen oder wissenschaftlichen Mangel oder einen Zweifel an der Aussagekraft der Ergebnisse». Die «Stoppt-Covid»-Studie arbeite nicht mit positiven Vorfestlegungen, es würden auch negative Ergebnisse dokumentiert. «Für eine eigene Re-Analyse unsererseits besteht kein Anlass», heisst es in der Antwort.
 
Jubel 27.03.2024 22:34
erinnert mich an Sta s i akten , mit Schwärzungen
 
MB73 27.03.2024 22:42
Die wollen die Schwärzungen auch noch weg klagen. Wird noch spannend. In Berlin zittern sie schon 🤣
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