Es sollte immer eine Entscheidung sein,wie weit man sich auf die Befindlichkeiten von Personen einlässt.
Wie reagiert man auf eine so extreme Persönlichkeit, wie Frau Von- der- Wald. Lässt man sich von ihr beeindrucken, um bei nächster Gelegenheit dann spüren zu müssen, dass das Geschenk vollkommen daneben war.
Wie weit ist die Persönlichkeit und Befindlichkeit anderer so einflussreich, dass Personen selbst in eine Wahrnehmungskrise geraten, sich hinterfragen, andere nachahmen und sich auf deren Level emporzuheben versuchen - um im Ergebnis auch eine bestimmte Befindlichkeit zu entwickeln, nämlich einen momentanen unguten Zustand der Psyche, ein inneres Erleben und Seelenbeben.
Dann auf deren Befindlichkeit eingehen oder doch lieber wachrütteln und auf den Boden der Realität zurückholen ?
Ein Trost wäre jedenfalls noch, dass Gott zwar französisch verstehen kann, aber das nicht von ihr erwartet.
Thea und Lia - sprechen (nicht) französisch
10.07.2023 18:22
Thea und Lia - sprechen (nicht) französisch
10.07.2023 18:22
Thea und Lia - sprechen (nicht) französisch
Die beiden Schwestern Lia (82) und Thea (92) sind im Leben und in der Liebe zuhause. Aber nicht nur auf dem Gebiet kennen sie sich aus. Sie sind lebenstüchtig, gebildet – aber auch streitbar.
Man sollte meinen, dass etwas in die Jahre gekommene Damen auch mit anders gearteten Menschen souverän umgehen können. Das trifft auch oft zu – aber nicht immer. Es gibt sogar Abende, an denen die gute Laune unterwegs ist, weil sie erst die Souveränität suchen muss. Am Samstag war so ein Abend.
Lia: Hast Du etwas?
Thea: Wieso soll ich was haben?
Lia: Du könntest mal wieder lächeln.
Thea: Das habe ich gestern schon versucht.
Lia: Soll ich Erdbeertörtchen besorgen?
Thea: Nein! Und spiel jetzt nicht den Gute-Laune-Therapeuten.
Lia: Aber was ist denn los? Seit dem Du die Frau Von-der-Wald im Krankenhaus besucht hast, läufst Du rum wie 3 Tage Regenwetter.
Thea: Das heißt avoir une mine d’enterrement.
Lia: Was hat das mit Beerdigung zu tun und wieso französisch?
Thea: Französisch ist die Sprache der High-Society. Jedenfalls hat das Frau Von-der-Wald gesagt. Und unsere Beerdigung sei zu planen, weil wir schon die 60 überschritten haben.
Lia: Aber sie liegt doch im Krankenhaus – nicht Du. Hast Du ihr denn nichts mitgebracht?
Thea: Doch, ich kaufte einen schönen Sommerschlafanzug.
Lia: Und hat sie sich nicht gefreut:
Thea: Nein. Sie meinte, dass sie sowas nicht trägt. Sie hätte für die Nacht einen Reve de Nuit aus Seide. Und als ich sie fragte, was denn die Ärzte zu ihrem Magengeschwür sagen würden, meinte sie: „Cherie, mein ulcère gastrique macht mir die wenigsten Probleme. Mehr störend ist die mangelnde Bildung des Personals. Incroyable!
Lia: Und was hast Du darauf geantwortet?
Thea: Ich kommentierte dieses Incroyable mit „Shit happens“.
Und dazu hatte sie gemeint, dass mein Französisch auch nicht das Beste sei.
Lia: Ich denke, dass sie ein Blender ist.
Thea: Wie meinst Du das? Sie spricht nun mal besser Französisch als ich. Zuviel hab ich schon von der Sprache vergessen.
Lia: Mit Blender meine ich: Bei einem Blender handelt es sich um einen Menschen, der schnell ankommt, den man aber noch schneller wieder weggehen lässt.
Thea: Jetzt schimpf nicht so auf sie. Immerhin gehört sie zur besseren Gesellschaft.
Lia: Du alte Schauspielerin. Mich täuschst Du nicht.
Thea: Wie soll ich das denn wieder verstehen.
Lia: Nun, Schauspieler sind die einzigen ehrlichen Heuchler!
Thea: Und was bitte soll ich heucheln?
Lia: Du kannst sie mit ihrer künstlichen Aufgeblasenheit nicht leiden, aber tust so, als ob Du sie magst.
Thea: Sie tut mir eben leid. Den Medikamenten nach zu urteilen steht ihr Leben auf der Kippe – aber sie will mir die Organisation meiner Beerdigung verordnen. Sie hält sich an ihrer Zugehörigkeit zur besseren Gesellschaft fest, als ob diese sie vor dem eigenen Sterben retten könnte.
Lia: ich würde ihr raten, mehr englisch oder gar deutsch zu sprechen.
Thea: Warum?
Lia: das verstehe ich besser. Auch will sie doch verstanden werden, oder?
Thea: Ich glaube, dass sie vor lauter Angst französische Ausdrücke verwendet, weil sie eben nicht glaubt, dass man ihre Ängste versteht, wenn sie deutsch spricht. Ob Gott französisch spricht?
Lia: Schwere Frage: ich frag mal Bluilein.
Riiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing
Bluehorse: hier ist der automatische AB der Firma Pleitegeier. Wer kann mich vor der Armut retten?
Lia: Ich bin’s doch nur, die Lia.
Bluehorse: Ach so, Lia. Was führt Dich ans Telefon?
Lia: Ich habe eine Frage: Spricht Gott französisch?
Bluehorse: Gott spricht immer Klartext. Reicht das als Antwort?
Lia: Ja, mh. Aber wenn man über das Sterben nachdenkt, was sagt Gott dazu?
Bluehorse: „Nimm meine Hand – ich werde Dich auch durch das tiefe Tal führen, wo die Sonne nicht scheint.“
Aber irgendwie wirkst Du so bedrückt. Was ist los?
Lia: Ich habe den Eindruck, dass Thea niedergeschlagen ist. Und sie will sich von mir nicht helfen lassen. Sie wirkt gereizt.
Bluehorse: Dann besorg ihr doch Erdbeertörtchen. Das muntert sie sicher auf.
Lia: Das hab ich schon vorgeschlagen. Aber sie lehnte ab und meinte, ich solle jetzt nicht den Gute-Laune-Therapeuten spielen. Das Einzige, was sie beeindruckt, sind die französischen Ausdrücke von so einer alten Schachtel.
Bluehorse: Na, dann geh doch auf sie ein. Besorge Erdbeertörtchen und sage ihr: Voilà, une tarte aux fraises pour ma chère.
Lia: Und das soll den Frieden und die gute Laune wieder herstellen?
Bluehorse: Davon bin ich überzeugt, denn Menschen mögen es sehr, wenn man auf ihre Befindlichkeit eingeht. Du kannst natürlich auch Klartext reden und sagen: Komm runter – wenn wir auf Augenhöhe miteinander sprechen, redet es sich besser.
Lia: Nein, da hab ich eine bessere Idee.
Bluehorse: Und die wäre?
Lia: Du besorgst die Erdbeertörtchen auf französisch, denn Du bist gelassen und hast immer gute Laune. Das steckt an.
© JJ
Man sollte meinen, dass etwas in die Jahre gekommene Damen auch mit anders gearteten Menschen souverän umgehen können. Das trifft auch oft zu – aber nicht immer. Es gibt sogar Abende, an denen die gute Laune unterwegs ist, weil sie erst die Souveränität suchen muss. Am Samstag war so ein Abend.
Lia: Hast Du etwas?
Thea: Wieso soll ich was haben?
Lia: Du könntest mal wieder lächeln.
Thea: Das habe ich gestern schon versucht.
Lia: Soll ich Erdbeertörtchen besorgen?
Thea: Nein! Und spiel jetzt nicht den Gute-Laune-Therapeuten.
Lia: Aber was ist denn los? Seit dem Du die Frau Von-der-Wald im Krankenhaus besucht hast, läufst Du rum wie 3 Tage Regenwetter.
Thea: Das heißt avoir une mine d’enterrement.
Lia: Was hat das mit Beerdigung zu tun und wieso französisch?
Thea: Französisch ist die Sprache der High-Society. Jedenfalls hat das Frau Von-der-Wald gesagt. Und unsere Beerdigung sei zu planen, weil wir schon die 60 überschritten haben.
Lia: Aber sie liegt doch im Krankenhaus – nicht Du. Hast Du ihr denn nichts mitgebracht?
Thea: Doch, ich kaufte einen schönen Sommerschlafanzug.
Lia: Und hat sie sich nicht gefreut:
Thea: Nein. Sie meinte, dass sie sowas nicht trägt. Sie hätte für die Nacht einen Reve de Nuit aus Seide. Und als ich sie fragte, was denn die Ärzte zu ihrem Magengeschwür sagen würden, meinte sie: „Cherie, mein ulcère gastrique macht mir die wenigsten Probleme. Mehr störend ist die mangelnde Bildung des Personals. Incroyable!
Lia: Und was hast Du darauf geantwortet?
Thea: Ich kommentierte dieses Incroyable mit „Shit happens“.
Und dazu hatte sie gemeint, dass mein Französisch auch nicht das Beste sei.
Lia: Ich denke, dass sie ein Blender ist.
Thea: Wie meinst Du das? Sie spricht nun mal besser Französisch als ich. Zuviel hab ich schon von der Sprache vergessen.
Lia: Mit Blender meine ich: Bei einem Blender handelt es sich um einen Menschen, der schnell ankommt, den man aber noch schneller wieder weggehen lässt.
Thea: Jetzt schimpf nicht so auf sie. Immerhin gehört sie zur besseren Gesellschaft.
Lia: Du alte Schauspielerin. Mich täuschst Du nicht.
Thea: Wie soll ich das denn wieder verstehen.
Lia: Nun, Schauspieler sind die einzigen ehrlichen Heuchler!
Thea: Und was bitte soll ich heucheln?
Lia: Du kannst sie mit ihrer künstlichen Aufgeblasenheit nicht leiden, aber tust so, als ob Du sie magst.
Thea: Sie tut mir eben leid. Den Medikamenten nach zu urteilen steht ihr Leben auf der Kippe – aber sie will mir die Organisation meiner Beerdigung verordnen. Sie hält sich an ihrer Zugehörigkeit zur besseren Gesellschaft fest, als ob diese sie vor dem eigenen Sterben retten könnte.
Lia: ich würde ihr raten, mehr englisch oder gar deutsch zu sprechen.
Thea: Warum?
Lia: das verstehe ich besser. Auch will sie doch verstanden werden, oder?
Thea: Ich glaube, dass sie vor lauter Angst französische Ausdrücke verwendet, weil sie eben nicht glaubt, dass man ihre Ängste versteht, wenn sie deutsch spricht. Ob Gott französisch spricht?
Lia: Schwere Frage: ich frag mal Bluilein.
Riiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing
Bluehorse: hier ist der automatische AB der Firma Pleitegeier. Wer kann mich vor der Armut retten?
Lia: Ich bin’s doch nur, die Lia.
Bluehorse: Ach so, Lia. Was führt Dich ans Telefon?
Lia: Ich habe eine Frage: Spricht Gott französisch?
Bluehorse: Gott spricht immer Klartext. Reicht das als Antwort?
Lia: Ja, mh. Aber wenn man über das Sterben nachdenkt, was sagt Gott dazu?
Bluehorse: „Nimm meine Hand – ich werde Dich auch durch das tiefe Tal führen, wo die Sonne nicht scheint.“
Aber irgendwie wirkst Du so bedrückt. Was ist los?
Lia: Ich habe den Eindruck, dass Thea niedergeschlagen ist. Und sie will sich von mir nicht helfen lassen. Sie wirkt gereizt.
Bluehorse: Dann besorg ihr doch Erdbeertörtchen. Das muntert sie sicher auf.
Lia: Das hab ich schon vorgeschlagen. Aber sie lehnte ab und meinte, ich solle jetzt nicht den Gute-Laune-Therapeuten spielen. Das Einzige, was sie beeindruckt, sind die französischen Ausdrücke von so einer alten Schachtel.
Bluehorse: Na, dann geh doch auf sie ein. Besorge Erdbeertörtchen und sage ihr: Voilà, une tarte aux fraises pour ma chère.
Lia: Und das soll den Frieden und die gute Laune wieder herstellen?
Bluehorse: Davon bin ich überzeugt, denn Menschen mögen es sehr, wenn man auf ihre Befindlichkeit eingeht. Du kannst natürlich auch Klartext reden und sagen: Komm runter – wenn wir auf Augenhöhe miteinander sprechen, redet es sich besser.
Lia: Nein, da hab ich eine bessere Idee.
Bluehorse: Und die wäre?
Lia: Du besorgst die Erdbeertörtchen auf französisch, denn Du bist gelassen und hast immer gute Laune. Das steckt an.
© JJ
Und Erdbeeren sind gesund et l'été et les fraises ca va bien ensemble. Bon appetit!