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DERZEIT GIBT ES 44 GOTTESHÄUSER AN SCHNELLEN STRASSEAutobahnkirchen: Geistliche Tankstellen f&u

DERZEIT GIBT ES 44 GOTTESHÄUSER AN SCHNELLEN STRASSEAutobahnkirchen: Geistliche Tankstellen f&u
HOHENWARSLEBEN ‐ Mit dem Slogan "Rast für Leib und Seele" werben die bundesweit 44 Autobahnkirchen um Besucher. Zum "Tag der Autobahnkirchen" präsentieren sie sich mit besonderen Aktionen, darunter auch in Hohenwarsleben in Sachsen-Anhalt.


Auf der dicht befahrenen Autobahn 2 bei Magdeburg weist ein kleines Schild auf eine Oase der Ruhe mitten im geschäftigen Berufsverkehr hin. "Autobahnkirche" heißt es kurz vor der Abfahrt Irxleben. Wer den Weg durch ein Gewerbegebiet mit Tankstellen und Fast-Food-Restaurants findet, landet plötzlich in dem kleinen, idyllischen Dorf Hohenwarsleben. Auf einem Hügel wartet dort die Kirche St. Benedikt aus dem 12. Jahrhundert auf Besucher.

Im September 2002 wurde sie die erste Autobahnkirche in Sachsen-Anhalt, drei weitere sind landesweit inzwischen hinzugekommen. Obwohl das kleine Dorf mit den engen Gassen nur gut einen Kilometer von der sechsspurigen Autobahn entfernt steht, bleibt der Verkehrslärm hier außen vor. "Die Besucher können hier etwas Ruhe tanken", sagt Jürgen Puschke, der sich ehrenamtlich um die Autobahnkirche kümmert. Denn nicht nur Autos müssen gelegentlich an die Tankstelle, sondern auch Fahrerinnen und Fahrer.

Die Kirche hält dazu Anregungen bereit. Im Regal stehen Hefte mit Gebeten, Liedern und einem Reisesegen. Sie werden von der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) bereitgestellt. Die Organisation mit Sitz in Kassel kümmert sich um die derzeit 44 Autobahnkirchen bundesweit. Die Infomaterialen sollen ein Wegbegleiter auf der Reise sein.

Gegenpol zum Leben auf der Überholspur

Laut VRK sollen die Autobahnkirchen "ein Gegenpol zum Leben auf der Überholspur" sein und dazu einladen, Gott und sich selber zu finden. In Adelsried an der Autobahn Augsburg-München öffnete 1958 die erste Autobahnkirche Deutschlands ihre Tore. Seitdem würden jährlich bundesweit rund eine Million Menschen eines der Gotteshäuser aufsuchen, hieß es.

Doch obwohl die A2 zu den am stärksten befahrenen Autobahnen in Deutschland gehört, finden nicht viele Besucher den Weg nach Hohenwarsleben. "Im Schnitt sind es drei Gäste am Tag", erzählt Puschke. Sie sind von der altehrwürdigen Kirche oft stark beeindruckt, wie das Gästebuch in der Kirche verrät.


Bild: ©KNA
Autobahnkirchen sind eine Unterbrechung im hektischen Straßenalltag.

"Danke, dass es diesen Ort der Stille gibt. Schon oft habe ich auf den Schildern den Hinweis gesehen. Heute habe ich angehalten", lautet ein Eintrag in dem dicken Buch. "Bitte um eine gute Reise von Usedom über Berlin nach Köln", schreibt eine andere Person.

Zum bundesweiten "Tag der Autobahnkirchen" an diesem Sonntag wird es laut VRK deutschlandweit besondere Aktionen geben. Neben Andachten und Gottesdiensten gibt es kleine Geschenke für die Besucher, etwa Parkscheiben, Desinfektionssprays oder Traubenzucker. An der Aktion wollen sich 31 Autobahnkirchen beteiligen.

Langer Weg zur Autobahnkirche

In der Hohenwarslebener Kirche ist am Sonntagnachmittag eine Andacht geplant. Bis das Gotteshaus vor 21 Jahren seine neue Bestimmung fand, war es ein langer Weg. Jahrzehntelang verfiel die Kirche. Zu Zeiten der Wende war sie eine Ruine. Puschke zeigt alte Fotos: Die Holzbalken an der Decke und das Dach waren eingestürzt, die Fenster zerborsten.

Um die Kirche zu retten, brauchte die Gemeinde Fördergelder – da kam die Anfrage nach einer Kirche in der Nähe der Autobahn gerade recht. Zwischen 1998 und 2002 flossen rund 500.000 Euro Fördermittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Landes Sachsen-Anhalt und aus Lottomitteln in den Wiederaufbau.

Seitdem finden zahlreiche Gäste auch aus anderen Ländern wie Polen und den Niederlanden den Weg nach Hohenwarsleben. Gelegentlich gibt es Gottesdienste und Konzerte, auch Führungen bietet die Gemeinde an. Das alles wird laut Puschke über Spenden finanziert, denn Gelder für den Betrieb der Autobahnkirchen gebe es nicht.

Von Oliver Gierens (epd)

Kommentare

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Klavierspielerin2 25.06.2023 09:21
Darum gibt es Autobahnkirchen nur in Deutschland


MÜNSTER ‐ Jedes Jahr besuchen rund eine Million Menschen die Autobahnkirchen. Aber warum gibt es die nur in Deutschland? Und wer sind die Besucher? Der Münsteraner Autor Ulli Tückmantel hat ein Buch über Autobahnkirchen geschrieben - und gibt Antworten.


Die Zeit rast, die Menschen auf der Autobahn manchmal auch. Bei all dem Trubel sehnt sich mancher Reisende nach einer kurzen Auszeit und findet sie in Gotteshäusern hinter der Leitplanke. 44 solcher Kirchen gibt es in Deutschland - und nur dort, wie der Münsteraner Autor Ulli Tückmantel erklärt. Im Interview zum heutigen "Tag der Autobahnkirchen" spricht er über die "Tankstellen für die Seele".

Frage: Herr Tückmantel, wie kamen Sie dazu, ein Buch über Autobahnkirchen zu schreiben?

Tückmantel: Das war eigentlich Zufall. Ich habe mich journalistisch zusammen mit Kollegen einmal mit dem Thema Kirchenbau in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Dann habe ich festgestellt, dass es Autobahnkirchen nur in Deutschland gibt. Inzwischen 44, die 45. ist in Planung. Eine erste wird aber möglicherweise auch in ein oder zwei Jahren schon wieder abgerissen, weil die Autobahn an dieser Stelle ausgebaut wird.

Frage: Wie kommt es, dass nur Deutsche Kirchen entlang der Autobahn bauen?

Tückmantel: Ich glaube, dass die Trennung von Staat und Kirche in vielen Ländern stringenter durchgehalten wird. Dass wir in Frankreich keine Autobahnkirche finden, wundert mich nicht. In Italien ehrlicherweise schon. In Deutschland aber kommt etwas hinzu, das Stärke und Schwäche zugleich ist: die Vereinsmeierei. Mit lokalen Initiativen läuft eben alles - ohne sie wenig. Ohne sie gäbe es auch die Autobahnkirchen nicht. Sie kümmern sich um die Instandhaltung und das Inventar.

Frage: Wer geht in eine Autobahnkirche und warum?

Tückmantel: Der durchschnittliche Besucher einer Autobahnkirche ist männlich und überwiegend katholisch. In eine Kirche zu gehen, ohne einen Gottesdienst zu besuchen, scheint irgendwie Katholiken näher zu liegen als Protestanten - obwohl die meisten Autobahnkirchen protestantisch sind. In einer Autobahnkirche sind meist mittelalte Menschen, die meistens noch Kontakt zu ihrer Ortsgemeinde haben. Allerdings sind sie nicht unbedingt die fleißigsten Kirchgänger. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einer Autobahnkirche liegt zwischen zehn und fünfzehn Minuten. Die Kirchen inszenieren sich als Tankstellen für die Seele. Es geht darum, einen Moment zur Ruhe zu kommen, einen kirchlichen Rahmen zu haben, eine Kerze anzuzünden, etwas in das meist ausliegende Gästebuch zu schreiben und weiterzufahren.

Frage: Zu welchen Zeiten gehen die Leute in die Autobahnkirchen?

Tückmantel: Am Nachmittag und gegen Abend sind das aus meiner Erfahrung häufig LKW-Fahrer, die ihren "Bock abgestellt haben" und dann kurz in die Kirche schauen. Es gibt auch einen Teil von Besuchern, die regelmäßig kommen. Die haben den Stopp an der Autobahnkirche in ihre Arbeitswege eingebaut. Dass niemand einen Ausflug mit dem alleinigen Ziel Autobahnkirche macht, ist aber auch klar. Die Zahl schwankt je nach Verkehr. Da ist wirklich Verkehrsaufkommen gleich Kirchenaufkommen.

Frage: Stichwort Sicherheit: Wie schützt man die Kirchen vor Vandalismus?

Tückmantel: Es ist immer ein Spagat. Alle Autobahnkirchen sind von Vandalismus, Diebstahl und anderen Problemen betroffen. So wurden in der Autobahnkirche Baden-Baden Hakenkreuzen in Kirchenbänken geritzt. Es gibt einige Kirchen mit Videoüberwachung. In beinahe allen sind die Opferstöcke gesichert wie Tresore. In Adelsried, wo die älteste Autobahnkirche steht, ist alles, auch die Kerzenständer, angekettet. Früher haben Kriminelle noch vor Gotteshäusern zurückgeschreckt. Das hat sich geändert.

Frage: Was kann die Gesellschaft und die Kirche von den Erfahrungen mit Autobahnkirchen lernen?

Tückmantel: Ich finde es bemerkenswert, dass für jährlich eine Million Autobahnkirchen-Besucher in keiner der beiden großen Kirchen eine eigene Struktur besteht. Es gibt bei uns für fast jedes Thema einen Spezialbischof - nur für die Autobahnkirchen nicht. Die Autobahnkirchen gibt es seit 60 Jahren, aber irgendwie weiß immer noch keiner in der Kirche so richtig etwas damit anzufangen. Dabei könnten Autobahnkirchen ein Teil eines Zukunftskonzepts sein.

Frage: Wie könnte das konkret aussehen?

Tückmantel: In der heutigen mobilen Gesellschaft ist es wichtig, den Gemeindebegriff so weiter zu entwickeln, dass er den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Wenn es wie aktuell immer weniger Kirchenmitglieder gibt, müssen die Kirchen eine Antwort finden. Mobilität und ortsgebundene Kirchengemeinde dürfen kein Widerspruch sein. Autobahnkirchen können helfen das in Einklang zu bringen.

Von Christian Michael Hammer (KNA)
Buch-Tipp
"Gott to go - Das Autobahnkirchen-Buch fürs Handschuhfach", 2019, Books On Demand, 168 Seiten, 24,99 Euro.
 
Chrissi81 25.06.2023 09:26
Das ist sehr interessant, was Du über die Autobahnkirchen geschrieben hast. Ich fahre nur sehr selten Autobahn. Sollte ich aber mal eine längere Strecke fahren, werde ich wirklich mal überlegen, dort zu halten.
 
Klavierspielerin2 25.06.2023 09:31
RAST. FÜR LEIB UND SEELE.
Autobahnkirchen in Deutschland

https://www.autobahnkirche.de/abk/index.html
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