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„Der partnerschaftsfähige Mensch“

„Der partnerschaftsfähige Mensch“
„Der partnerschaftsfähige Mensch“

Zur besseren Übersicht wurden die Beiträge von Wilhard Becker in Normalschrift und die von Kristin Becker kursiv gedruckt.

Partnerschaftsfähig ist der Mensch, der zum Ich geworden ist. Ich-Sein ist nicht Egoismus. Der Egoist leidet an einem mangelnden Selbstwert. Deshalb braucht der ständig andere, die ihn aufwerten und damit sein Defizit auffüllen. Der ichbewußte Mensch hat ein tiefes Wissen um seine Originalität, um sein ganz spezifisches individuelles Leben, das nur er leben kann. Nur er hat die eine geschichtliche Stunde seiner Geburt, die eine einmalige Konstellation an Begabungen und Schwächen. Nur ich bin ich, und ich allein kann mein Leben verwirklichen.

Erst ein „Ich“ ist dann auch du-fähig, jedenfalls im Sinne einer Dauerbindung, wie sie die Ehe darstellt. Je mehr ich weiß, wer ich bin, je besser ich mit mir selbst umgehen kann, desto eher bin ich auch in der Lage, ein „Du“ zu erkennen und gelten zu lassen und mit einem Du partnerschaftlich umzugehen.

Das Annehmen der eigenen Person ist die wichtigste Voraussetzung zur Partnerschaft in der Ehe. Die sogenannten guten und anerkannten Seiten anzunehmen fällt nicht so schwer, aber auch die Schwächen und Schatten zu erkennen und gelten zu lassen, sie nicht zu verdrängen und auf andere zu projizieren ist weniger einfach, aber ein notwendiger Prozeß, der die Reife und Partnerschaftsfähigkeit fördert.

Kristin:
Mein Typ verlangt den Beifall des Publikums, und daher präsentiere ich gern meine positiven Seiten. Ich kann mich gut verkaufen. Ich muß mein Image schützen, und dabei sind mir meine Schattenseiten sehr lästig.

Durch Beschäftigung mit Märchen bin ich in den letzten Jahren auf  „die Hexe in mir“ gestoßen. Ja, das ist auch ein Teil von mir: das Häßliche, den anderen einsperren, um ihn hinterher „aufzufressen“, das Lauern und In-die-Falle-Locken, den anderen in etwas verwandeln wollen, was mir in den Kram paßt! Ich bin nicht immer die gute Fee. Damit habe ich mich nun endgültig abgefunden!

Wenn irgend etwas schiefging, waren immer die anderen die Bösen; ich konnte und durfte es nicht gewesen sein. Auch in meiner Ehe verdächtigte und behafte ich Wilhard oft mit meinen eigenen verdrängten Seiten. Was ist eigentlich „gut“ und was ist „böse“? Ich kriege das nicht mehr so genau auseinander.

Wilhard:
„Sich selbst lieben“
Wer lernt, liebevoll mit sich selbst umzugehen, wird auch andere Menschen liebevoll behandeln und sich selbst ändern können. Wer sich ändern will, nur weil andere es von ihm verlangen, wird sich verkrampfen. Nur wer sich selbst mag, wird es sich leisten können, sich auf Veränderung einzulassen und das, was nicht mehr zu ihm paßt, abzulegen.

Kristin:
Ich werde das Alte nur loslassen, wenn ich glauben kann, daß das Neue besser ist; wenn ich spüre, daß es mir guttut, daß es Freude in mir auslöst.

Bin ich bereit, gegebenenfalls auf die Zustimmung meiner Umwelt zu verzichten? Es ist meine Leben, und niemand kann mir die Verantwortung dafür abnehmen, auch mein Ehepartner nicht! Ich möchte mein eigenes Geheimnis entdecken. Ich finde diese Reise in mein Inneres faszinierend.

Manchmal kommt es mir so vor, als sei die ganze Welt nur für mich gemacht! Ich staune über das Timing, das verblüffende Zusammenwirken von Umständen in meinem Leben, das Ineinandergreifen von Situationen, die wie ein Lockruf zum Vorwärtsgehen sind. Wer arrangiert das alles für mich? Ich muß einen ungeheuren Wert besitzen.

Wilhard:
„Reifen in der ganzen Person“
Zum Reifungsprozeß gehört ein Ernstnehmen aller Bereiche meiner Person. Der Körper ist ebenso wichtig wie die Seele mit ihrer Fülle an Bildern, Empfindungen, Gefühlen und Triebenergien, an Wünschen und Phantasien – und ebenso wichtig wie die geistigen Fähigkeiten und ihre Entfaltung. Reifung ist Entdeckung und Befreiung aller Gaben, die in mir schlummern.

Zur Reife gehören Ichbildung und Willensbildung. Sie zeigt sich in einer zunehmenden Gefühlsstabilität gegenüber der Stimmungslabilität.
Zur Reife gehört auch, immer wieder Zielvorstellungen zu haben, zu wissen, wohin ich will und was ich will, und die Selbständigkeit, mich auf den Weg zu machen und nicht zu warten, bis andere mitgehen oder mir den Weg bahnen.

Kristin:
Manchmal verwechsele ich Sturheit mit starkem Willen, Unbeweglichkeit und mich aus Angst an etwas klammern mit „wissen, was ich will“. Mein Argumentieren ist dann sehr emotional geladen, und ich muß meine Gefühle einfangen, wie man ein Pferd einfängt, das durchgegangen ist. Ich empfinde diese unkontrollierten Reaktionen heute nicht mehr als ein besonderes Zeichen von Echtheit und Offenheit, sondern als Unreife. Ich will nicht mehr so. Ich will herausfinden, was ich „eigentlich“ will. Ich will sehen, was unter der emotionalen Schicht ist. Meist sind es unausgesprochene Wünsche und Bedürfnisse.
...
(Wilhard Becker und Kristin Becker „Füreinander begabt'“, 1985)

Kommentare

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Digrilimele 18.02.2023 10:39
Dauerhafte Veränderung geht meines Erachtens nur über die geistliche Wiedergeburt, alles andere ist menschliches Bemühen, was durchaus für eine gewisse Zeit von Erfolg geprägt sein kann, aber eben nicht dauerhaft. 

Nicht ich verändere mich, sondere ER mich.

Es geht auch nicht darum, was ich will, sondern was ER will und haben wir dieses einmal erkannt, so scheint das Leben nichts anderes als eine Schulbank zu sein, mit dem Ziel, uns auf unser eigentliches Zuhause, dem Himmel, vor -und  zuzubereiten.
Nichts, rein gar nichts, geschieht hier ohne Grund, ohne SEIN Wissen und SEIN Einverständnis, denn alles unterliegt SENER Herrschaft. 
Noch nicht einmal ein Gedanke von uns, den ER nicht im Voraus weiß.
So unvorstellbar wie das auch für den Menschen, der noch seiner fleischlichen Natur folgt, klingen mag, spiegelt es  nichts anderes als SEINE Allmacht und SEINE ständige Gegenwart wieder. 
 
Zeitzeuge 18.02.2023 10:52
Fortsetzung: „Der partnerschaftsfähige Mensch“

Kristin:
Partnerschaftsfähigkeit erfordert auch Rollenflexibilität.

Wilhard:
Keiner wird in Zukunft nur mit einem Beruf leben können, sondern sich in dem immer rascheren sozialen und wirtschaftlichen Wechsel und Wandel auf neue Situationen einstellen müssen. Das gilt nicht nur in den verschiedenen Arbeitsbereichen, sondern auch für den ehelichen Umgang – bis hinein in die Sexualität. Nicht der eine ist immer der Aktive, und der andere muß die passive Rolle spielen. Jeder übt, auch das zu lernen, was ihm von der Neigung her nicht so liegt. Eine Rollenfixierung kann allerdings sehr bequem sein; man überträgt dem anderen ganze Bereiche des Lebens, entwickelt sich allerdings darin selbst nicht mehr weiter.

Kristin:
Ich habe ja viele Möglichkeiten in mir. Ich kann viele Rollen spielen. Sicher bestimme ich meine Rolle nach dem, was gerade bei mir dran ist, nach dem, was mir die besten Chancen zur Entfaltung bietet. Der Rollenwechsel findet bei mir immer erst dann statt, wenn ich merke, daß mir meine Haut zu eng wird, daß ich in etwas stecke, das mir nicht mehr entspricht.
Partnerschaftsfähig sein heißt auch, sich selbst treu sein.

Wilhard:
Wenn nicht mehr die Institution oder eine andere feste Lebensform Sicherheit garantiert, ist es notwendig, eine andere Stabilität zu finden. Nur der ist zuverlässig, der seine Treue in einer Beziehung nicht von seinem Gegenüber abhängig macht, sondern von seiner eigenen Entscheidung, von seiner Wahl. Nur wer sich selbst treu ist, kann auch die Entwicklung des Partners geduldig und flexibel aushalten, ohne in Panik zu geraten.

Von Gott heißt es, daß er sich selbst treu ist. Darum wissen wir uns bei IHM gut aufgehoben. Wir fühlen uns bei IHM geborgen, weil er sein Verhalten uns gegenüber nicht von unserem Verhalten abhängig macht.

Kristin:
Diese Geborgenheit empfinde ich auch, wenn Wilhard sagt, daß er die Ehe mit mir leben will, unabhängig davon, wie ich mich verhalten werde.

Oft genug enttäuschen wir uns, tun uns weh, sind bedrohlich füreinander. Wir haben es nötig, uns abzugrenzen, um uns selbst treu bleiben zu können, um nicht ein Leben zu führen, das nicht zu uns selbst gehört und das nur aus Kompromissen besteht, die uns unfrei und unglücklich machen.
Ich möchte alles, was ich lebe, im Rahmen und im Schutze meiner Ehe leben. Umgekehrt möchte ich es Wilhard gönnen, alles zu tun, was er tun will, wenn es für ihn zu seiner Person gehört. Ich muß noch oft mit meiner Eifersucht kämpfen, aber ich bin entschlossen, ihm ein Leben zu ermöglichen, in dem er sich selbst wiederfindet.

Letztlich ist alles gemeinsam, was vom anderen nicht blockiert, sondern innerlich unterstützt wird. Ich möchte auch das Ungewohnte nicht voller Mißtrauen betrachten, sondern als Möglichkeit, uns selbst treu zu sein oder es zu werden – da, wo wir den Mut dazu vielleicht noch nicht hatten.
Unsere Treue zueinander ist nicht nur im Augenblick verankert, sondern auch in unserer gemeinsamen Geschichte. Sie ist ein Teil von uns, den wir nicht verleugnen.

(Wilhard Becker und Kristin Becker, „Füreinander begabt“, 1985)
 
Digrilimele 18.02.2023 12:13
Der Therapeut in  Wilhart Becker schrieb, deshalb so analytisch und psychotherapeutisch, letztendlich  der Versuch des Menschen aus sich selbst, dass…..

 
 
firefly 18.02.2023 12:21
Wir sind alle einzigartig gemacht!
Gott wollte es so!
Er will unser ganzes JA zu ihm!
Dazu müssen wir aber Geliebte in uns Selbst sein.
Ohne sich selbst zu kennen, anzuerkennen, sich seiner selbst bewusst zu sein, für sich selbst gut sorgen können, kann man unmöglich den Nächsten lieben.
Auch Gott nicht! 
Ich glaube dass es einen großen Unterschied macht Gott zu brauchen, sich ihm in Hilflosigkeit zu nähern oder aus einem starken Selbstbewusstsein heraus JA zu sagen zu Gott. ' Ich will Deinen Willen tun!' Weil ich dich liebe!

Wenn ich mich hingebe, dann weil ich mich voll und ganz erkannt habe.
Man kann nur ganz hergeben was man besitzt und worin man satt geworden ist. 

Das ist die Theorie..... das Leben ist der Übungsweg! 
 
firefly 18.02.2023 12:25
Schade dass ich das Buch nicht mehr habe!
Hatte es vor vielen Jahren auch mal. 
Würd gern wieder mal drin blättern!
Danke für den Blog!! 🙏
 
Zeitzeuge 18.02.2023 12:34
Reifung der Persönlichkeit – Beziehungsfähigkeit

Jeder Mensch, der geboren wird, ist von Anfang an Person, – aber nicht jeder wird im Laufe seines Lebens zu einer Persönlichkeit. Eine Persönlichkeit ist ein Mensch, der alles, was zu seiner Person gehört, in die eigene Verantwortung nimmt und der sich mitgestaltend an der Entwicklung seiner Persönlichkeit beteiligt. Unter seinem Einfluß werden auch andere Personen angeregt, in ihrem Prozeß der Persönlichkeitsreifung fortzuschreiten.

Zur Person gehören alle geistigen, seelischen und körperlichen Kräfte und Gaben – solche, die bereits entdeckt wurden und solche, die noch verborgen sind und entwickelt werden wollen. Zu meiner Person gehört auch meine Geschichte mit all den Einflüssen, die sie auf mich ausgeübt hat...

Wenn ich in meiner Persönlichkeit reifen will, ist es notwendig, dass ich all diese Faktoren, die mich bestimmen, erkenne, ernst nehme und einbeziehe.
Die Persönlichkeitsreifung ist ein Prozeß, der nie abgeschlossen ist, der sich aber doch wachsend auf ein Ziel hin entwickeln will. Deshalb ist es unerläßlich, nach den Zielen zu fragen, die meine Person betreffen und auf die ich mich bewußt oder unbewusst ausrichte.

Solche Zielsetzungen können zum Beispiel sein:
der Mündige,
der Reife,
der Gütige und Weise,
der überwindende,
auf Ideale hin orientierte Mensch. Häufig ist das Ziel auch eine Mischung aus den genannten Vorstellungen.

Die Reife einer Persönlichkeit zeigt sich an dem Maß ihrer Entwicklung in den Bereichen des Selbstbewußtseins, der kreativen Kräfte und der Beziehungsfähigkeit. Es gibt in jedem dieser Bereiche Störungen und Krankheiten. Eine Reifung kann nur geschehen, wenn die Krankheiten erkannt und geheilt werden. Es gibt Verkrampfungen, Hemmungen, Blockaden und unbewußte Wiederholungsmechanismen, die aus Verdrängungen stammen und die das Leben vorprogrammieren und stark beeinträchtigen. Zur Störung können auch Abhängigkeiten von Menschen und Dingen werden. Das ganze Leben dreht sich dann wie in einem Strudel um sich selbst und kommt nicht vorwärts.
Gerade im Bereich der Beziehungen spielen Reifungsprozesse eine besondere Rolle. Die Möglichkeiten, die wir in der Begegnung mit anderen Menschen haben, sind von unschätzbaren Wert. Jede Beziehung hat ihre unvertauschbare Originalität, durch die unsere Persönlichkeit, verändert und vertieft wird. Mit dem Wachsen der Beziehungsfähigkeit wächst auch die innere Lebendigkeit. Das Leben gewinnt an Farbe.....

(Wilhard Becker, „Dem Leben eine Perspektive geben“)

Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.

Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.
(1.Kor.13:12-13)
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