Die Katholische Soziallehre und ihr Verhältnis zu Privateigentum
05.11.2022 16:42
Die Katholische Soziallehre und ihr Verhältnis zu Privateigentum
05.11.2022 16:42
Die Katholische Soziallehre und ihr Verhältnis zu Privateigentum
Als „Fratelli tutti“ im Oktober 2020 erschien, sorgte diese jüngste Enzyklika von Papst Franziskus für Aufsehen. Nicht nur, weil sich Franziskus bei ihrer Entstehung „in diesem Fall besonders vom Großimam Ahmad Al-Tayyeb anregen“ ließ und diesen gleich vier mal zitiert, sondern auch weil die Enzyklika Religiöses nur am Rande streift und statt dessen eine Richtschnur des Zusammenlebens aller Menschen in wirtschaftlichen und sozialen Fragen darstellt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Kenntnis der Enzyklika selbst, weil „der Blick in die Zeitungen nicht taugt, da ihr manifestiertes Wohlwollen den wirklichen Inhalt so dick übertüncht, daß er nicht mehr erkennbar ist. Nichts aber kann gefährlicher sein, als sich ein falsches Bild zu machen“, gibt Giuseppe Nardi auf katholisches.info zu bedenken.
Dabei steht „Fratelli tutti“ in einer langen Tradition päpstlicher Lehrschreiben, die der Katholischen Soziallehre zugeordnet und als Sozial-Enzykliken bezeichnet wurden. Als erstes wurde die 1891 von Papst Leo XIII. vorgelegte „Sozialenzyklika“ mit dem Titel „Rerum novarum“ bekannt. „Anlass war die soziale Frage (Arbeiterfrage) im 19. Jahrhundert, die zur Entstehung der Theorie des Sozialismus/Kommunismus als Lösungsweg geführt hatte. Leo XIII. verlangte einen „dritten Weg“ zwischen dem Sozialismus/Kommunismus und Liberalismus/Kapitalismus“, beschreibt Dr. L. Neidhart, Privatdozent an der philosophisch-sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg.
Seit „Rerum novarum“ folgten in den folgenden 130 Jahren elf weitere soziale Lehrschreiben, von denen bis auf „Evangelium Gaudii“, ein apostolisches Schreiben, alle den Status einer Enzyklika besitzen. Den vorläufigen Abschluss stellt dabei „Tutti Fratelli“ dar; von Papst Franziskus stammen außerdem „Laudato Si“ (2015) und „Evangelium Gaudii“ (2013).
Laut Neidhart stützt sich die Katholische Soziallehre auf drei fortwährend gültige Grundprinzipien: das Gemeinwohlprinzip, das Solidaritätsprinzip und das Subsidaritätsprinzip. Erstere beinhalten, dass sich „das Wohl des Einzelnen dem Gemeinwohl unterzuordnen [habe], zu dem der Einzelne beizutragen hat“ sowie „die freiwillige und beständige Entschlossenheit, sich für das Wohl aller und eines jeden einzusetzen, weil alle für alle verantwortlich sind“. Das Subsidaritätsprinzip beschäftigt sich mit der Frage, wie weit der Staat in das Leben der Bürger regelnd eingreifen dürfe.
Bezugnehmend auf „Fratelli tutti“ äußerte sich der Jesuit Jörg Alt gemeinsam mit zwei Coautoren auf Herder.de wie folgt: „Wohl aber ist es die grundlegende Aufgabe der Katholischen Soziallehre, die prägenden Werte und Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens offenzulegen und zu verändern.“ Wie in „Centesimus annus“ Papst Johannes Paul dem II. verlautbarte, komme der „Soziallehre die Bedeutung eines Instrumentes der Glaubensverkündigung“ zu.
Selbst die Wissenschftlichen Dienste für den Bundestag beschäftigen sich in einer Ausarbeitung mit dieser so propagierten „Glaubensverkündigung“ und kommen zu dem Schluss, „dass sich seit Ende der fünfziger Jahre zunehmend die Auffassung durchsetzte, dass Soziale Marktwirtschaft und Katholische Soziallehre sehr viel miteinander zu tun haben, ja aufs Engste wesensverwandt sind und die Soziale Marktwirtschaft gleichsam als ,angewandte katholische Soziallehre’ erscheint.“
Die Dimensionen bedenkend, welche Bedeutung hier sowohl von katholischer wie auch staatlicher Seite beigemessen werden, sollten die Aussagen in „Fratelli tutti“ einer genauen Beachtung unterzogen werden. In Bezugnahme auf Johannes Paul II. stellt Franziskus klar, dass „,die christliche Tradition das Recht auf Privatbesitz niemals als absolut oder unveräußerlich anerkannt und die soziale Funktion jeder Form von Privateigentum betont hat. Das Recht auf Privateigentum kann nur als ein sekundäres Naturrecht betrachtet werden, das sich aus dem Prinzip der universalen Bestimmung der geschaffenen Güter ableitet, und dies hat sehr konkrete Konsequenzen, die sich im Funktionieren der Gesellschaft widerspiegeln müssen. Häufig kommt es jedoch vor, dass sekundäre Rechte über die vorrangigen und ursprünglichen Rechte gestellt werden, so dass sie ohne praktische Relevanz bleiben.“
Der Rechtswissenschaftler und Politiker Prof. Herbert Schambeck nun macht unter Berufung auf „Centesimus Annus“ darauf aufmerksam, dass die Katholische Soziallehre „nicht als eine Theorie, sondern vor allem als eine Grundlage und eine Motivierung zum Handeln angesehen werden“ soll.
Irritierend dabei könnte auf den ersten Blick wirken, dass solcherart Gedankengut einem mehr oder minder kommunistisch-marxistischem Gedankengut entsprungen scheint. Die Beschäftigung mit der Inauguraldissertation von Julian Strube: „Sozialismus, Katholizismus und Okkultismus im Frankreich des 19. Jahrhunderts“ allerdings macht klar, dass „sich die weit verbreitete Annahme eines Antagonismus zwischen fortschrittlichen sozialistischen und reaktionären religiösen Kräften als irreführend“ erweist. „Die dabei gewonnenen Einblicke erlauben die Hinterfragung festgeschriebener Rollen auf der Bühne der europäischen Religionsgeschichte. Dies ermöglicht nicht nur neue Sichtweisen auf die Politikgeschichte, sondern auch auf kontrovers diskutierte Prozesse der Modernisierung und Säkularisierung.
Guiseppe Nardi bringt ,Fratelli tutti’ zusammengefasst folgendermaßen auf den Punkt: „Was Franziskus darin an Leitsätzen vorgibt, rechtfertigt jede Enteignung, jede Besetzung und jede Invasion, Hauptsache sie geschieht im Namen der Armen, der Brüderlichkeit und der Gleichheit. Gott schütze uns vor dem päpstlichen Kommunismus.
Glücklicherweise entsprechen Zwang und Enteignung nicht Gottes Wegen der Güterumverteilung.
„Reiche und Arme begegnen einander; der HERR hat sie alle gemacht“, drückt es Salomo in der Bibel aus (Sprüche 22,2). Und eine bekannte Schriftstellerin schrieb in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts: „Es ist Gottes Absicht, daß Reiche und Arme durch die Bande der Teilnahme und Hilfsbereitschaft eng verbunden sein sollen. Solche, die Mittel, Talente und Fähigkeiten haben, sollen diese Gaben zum Segen ihrer Mitmenschen benutzen.
Dabei steht „Fratelli tutti“ in einer langen Tradition päpstlicher Lehrschreiben, die der Katholischen Soziallehre zugeordnet und als Sozial-Enzykliken bezeichnet wurden. Als erstes wurde die 1891 von Papst Leo XIII. vorgelegte „Sozialenzyklika“ mit dem Titel „Rerum novarum“ bekannt. „Anlass war die soziale Frage (Arbeiterfrage) im 19. Jahrhundert, die zur Entstehung der Theorie des Sozialismus/Kommunismus als Lösungsweg geführt hatte. Leo XIII. verlangte einen „dritten Weg“ zwischen dem Sozialismus/Kommunismus und Liberalismus/Kapitalismus“, beschreibt Dr. L. Neidhart, Privatdozent an der philosophisch-sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg.
Seit „Rerum novarum“ folgten in den folgenden 130 Jahren elf weitere soziale Lehrschreiben, von denen bis auf „Evangelium Gaudii“, ein apostolisches Schreiben, alle den Status einer Enzyklika besitzen. Den vorläufigen Abschluss stellt dabei „Tutti Fratelli“ dar; von Papst Franziskus stammen außerdem „Laudato Si“ (2015) und „Evangelium Gaudii“ (2013).
Laut Neidhart stützt sich die Katholische Soziallehre auf drei fortwährend gültige Grundprinzipien: das Gemeinwohlprinzip, das Solidaritätsprinzip und das Subsidaritätsprinzip. Erstere beinhalten, dass sich „das Wohl des Einzelnen dem Gemeinwohl unterzuordnen [habe], zu dem der Einzelne beizutragen hat“ sowie „die freiwillige und beständige Entschlossenheit, sich für das Wohl aller und eines jeden einzusetzen, weil alle für alle verantwortlich sind“. Das Subsidaritätsprinzip beschäftigt sich mit der Frage, wie weit der Staat in das Leben der Bürger regelnd eingreifen dürfe.
Bezugnehmend auf „Fratelli tutti“ äußerte sich der Jesuit Jörg Alt gemeinsam mit zwei Coautoren auf Herder.de wie folgt: „Wohl aber ist es die grundlegende Aufgabe der Katholischen Soziallehre, die prägenden Werte und Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens offenzulegen und zu verändern.“ Wie in „Centesimus annus“ Papst Johannes Paul dem II. verlautbarte, komme der „Soziallehre die Bedeutung eines Instrumentes der Glaubensverkündigung“ zu.
Selbst die Wissenschftlichen Dienste für den Bundestag beschäftigen sich in einer Ausarbeitung mit dieser so propagierten „Glaubensverkündigung“ und kommen zu dem Schluss, „dass sich seit Ende der fünfziger Jahre zunehmend die Auffassung durchsetzte, dass Soziale Marktwirtschaft und Katholische Soziallehre sehr viel miteinander zu tun haben, ja aufs Engste wesensverwandt sind und die Soziale Marktwirtschaft gleichsam als ,angewandte katholische Soziallehre’ erscheint.“
Die Dimensionen bedenkend, welche Bedeutung hier sowohl von katholischer wie auch staatlicher Seite beigemessen werden, sollten die Aussagen in „Fratelli tutti“ einer genauen Beachtung unterzogen werden. In Bezugnahme auf Johannes Paul II. stellt Franziskus klar, dass „,die christliche Tradition das Recht auf Privatbesitz niemals als absolut oder unveräußerlich anerkannt und die soziale Funktion jeder Form von Privateigentum betont hat. Das Recht auf Privateigentum kann nur als ein sekundäres Naturrecht betrachtet werden, das sich aus dem Prinzip der universalen Bestimmung der geschaffenen Güter ableitet, und dies hat sehr konkrete Konsequenzen, die sich im Funktionieren der Gesellschaft widerspiegeln müssen. Häufig kommt es jedoch vor, dass sekundäre Rechte über die vorrangigen und ursprünglichen Rechte gestellt werden, so dass sie ohne praktische Relevanz bleiben.“
Der Rechtswissenschaftler und Politiker Prof. Herbert Schambeck nun macht unter Berufung auf „Centesimus Annus“ darauf aufmerksam, dass die Katholische Soziallehre „nicht als eine Theorie, sondern vor allem als eine Grundlage und eine Motivierung zum Handeln angesehen werden“ soll.
Irritierend dabei könnte auf den ersten Blick wirken, dass solcherart Gedankengut einem mehr oder minder kommunistisch-marxistischem Gedankengut entsprungen scheint. Die Beschäftigung mit der Inauguraldissertation von Julian Strube: „Sozialismus, Katholizismus und Okkultismus im Frankreich des 19. Jahrhunderts“ allerdings macht klar, dass „sich die weit verbreitete Annahme eines Antagonismus zwischen fortschrittlichen sozialistischen und reaktionären religiösen Kräften als irreführend“ erweist. „Die dabei gewonnenen Einblicke erlauben die Hinterfragung festgeschriebener Rollen auf der Bühne der europäischen Religionsgeschichte. Dies ermöglicht nicht nur neue Sichtweisen auf die Politikgeschichte, sondern auch auf kontrovers diskutierte Prozesse der Modernisierung und Säkularisierung.
Guiseppe Nardi bringt ,Fratelli tutti’ zusammengefasst folgendermaßen auf den Punkt: „Was Franziskus darin an Leitsätzen vorgibt, rechtfertigt jede Enteignung, jede Besetzung und jede Invasion, Hauptsache sie geschieht im Namen der Armen, der Brüderlichkeit und der Gleichheit. Gott schütze uns vor dem päpstlichen Kommunismus.
Glücklicherweise entsprechen Zwang und Enteignung nicht Gottes Wegen der Güterumverteilung.
„Reiche und Arme begegnen einander; der HERR hat sie alle gemacht“, drückt es Salomo in der Bibel aus (Sprüche 22,2). Und eine bekannte Schriftstellerin schrieb in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts: „Es ist Gottes Absicht, daß Reiche und Arme durch die Bande der Teilnahme und Hilfsbereitschaft eng verbunden sein sollen. Solche, die Mittel, Talente und Fähigkeiten haben, sollen diese Gaben zum Segen ihrer Mitmenschen benutzen.