Zündstoff: Ein Medien-Insider rechnet ab

Zündstoff: Ein Medien-Insider rechnet ab
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     (mit Video)





Im neuen Buch «Im Hexenkessel der Bundeshaus-Medien» geht es um einen persönlichen Erfahrungsbericht von Martin Hasler. Er verbrachte knapp 40 Berufsjahre als technischer Mitarbeiter im grössten elektronischen Medienzentrum der Schweiz im Berner Bundeshaus im Einsatz für das Schweizer Fernsehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmens SRG SSR.


Hasler ahnt nach den ersten Pressekonferenzen und Interviews zum Coronavirus: Das Thema wird nicht nach einigen Wochen einfach so wieder verschwinden. Doch er hätte nie zu wagen geträumt, dass Regeln der journalistischen Sorgfaltspflicht und Ethik so selbstverständlich gebrochen werden. In der Einleitung schreibt Hasler, dass er seinem Beruf gerne nachging und sich dessen jähes Ende nie hätte vorstellen können. Es geht ausdrücklich nicht um persönliche Ressentiments oder um das Anklagen eines «bösen» Leitmediums; Hasler schätzte seinen Job und übte ihn mit «Zufriedenheit und Dankbarkeit» aus.

Ende 2020 hat er persönlich die ersten Konsequenzen gezogen. Per 31. Oktober 2021 verliess Hasler das Schweizer Fernsehen. Zermürbend sei es gewesen, immer mehr gegen sein Gewissen arbeiten zu müssen und Diffamierungen wie «Coronaleugner» und «Verschwörungstheoretiker» ausgesetzt zu sein.

Hasler will mit dem Buch hinter die Kulissen der Medienfassade blicken und aufzeigen, wie die Öffentlichkeit mit Propaganda eingeseift wird. Dr. med. Marco Caimi bezeichnet es im Vorwort «eine leuchtende Fackel im politisch und medial dunklen Herbst und Winter unserer Zeit». Ein Buch mit Zündstoff.

Eine «scheinbare Neverending Story»

Kurz vor Beginn der Corona-Krise ist Hasler noch im Ausland. Als er am 2. März 2020 im Studio Bundeshaus wieder zur Arbeit geht und einen Kollegen mit Handschlag begrüssen will, lehnt dieser ab. Damit beginnt für Hasler eine «scheinbare Neverending Story», mit einer anhaltenden Fassungslosigkeit, was alles in der Schweiz möglich wurde. Hasler beginnt am 28. März 2020 mit dem ersten Eintrag ins Tagebuch: «Dramaturgische Inszenierung an der BAG-Pressekonferenz». Der letzte Eintrag von insgesamt 82 datiert vom 22. März 2022.

Die «absolut einseitige Berichterstattung» seines eigenen Mediums hat Hasler – täglich wiederkehrend – beunruhigt. Sein Buch soll mithelfen, die Gründe für dieses «journalistische Versagen» zu finden und «auf die Auswirkungen der Corona-Berichterstattung in einem gekauften Mediensystem hinzuweisen». Es sammelt persönliche Beobachtungen, Anekdoten und Erlebnisse und gewährt intime Einblicke in sein Leben und in einen wesentlichen Teil des öffentlichen Mediensystems während einer Ausnahmesituation. Hasler schreibt:

《 Spätestens nachdem der Bundesrat eine 40 Millionen-Soforthilfe für die elektronischen Medien beschlossen hatte, für eine Branche also, welche in der Krise Hochbetrieb hat, hätten schwerwiegende Zweifel an der Objektivität sowohl des Bundesrates als auch der öffentlichen elektronischen Medien aufkommen müssen. 》

Hasler berichtet über eine zunehmende Eigendynamik mit sich verstärkender einseitiger Berichterstattung mit Druck zu Anpassung, weitere Angstverbreitung, Tunnelblick und vorauseilendem Gehorsam. Hasler sieht die Medien in der Pflicht. Sie hätten die öffentliche Meinung manipuliert und Sonderinteressen hinter der Pandemie befördert. Hasler:

《 Ebenfalls unheimlich zu bemerken war das Phänomen einer schnell aufkommenden Eigendynamik: Wissenschaftliche Begründungen wie auch Maßnahmen kamen wie eine Lawine daher, die sich selbst laufend verstärkte durch inkonsistente und einseitige Berichterstattung. (...) In dieser Lawine schwimmen Politiker auf allen Ebenen, Wissenschaftler, Ärzte, Bildungsfachleute, Firmen und Verbände mit. 》

Wie der Journalismus vor die Hunde geht

Das Buch gleicht einer tagebuchartigen Collage und baut chronisch auf. Die krimiartige Spannung kann sich so wirkungsvoll entfalten. Manchmal springen die Einträge einige Tage oder zwei Wochen. Ein Tagesgeschehen wird reflektiert, etwa eine Pressekonferenz, bei der hohe Bundesbeamte Journalisten von oben herab behandeln, oder einfach ein Gespräch unter Kollegen oder im privaten Umfeld: in der Apotheke, beim Einkaufen oder Pizza-Essen. Hasler ergänzt mit eigenen Gedanken und hält Widersprüche fest. Heraus kommt ein Spiessrutenlauf, ein erschütterndes und beeindruckendes Zeugnis davon, wie der Journalismus, besonders derjenige, des der Objektivität verpflichteten Schweizer Fernsehens, im Verlauf des Jahres 2020 vor die Hunde geht.

Zum Beispiel entfernen Haslers Kollegen seine an die Wand markierten Zitate im Büro. Wahrheit ertrage halt nicht jeder. Am 7. Dezember hält Hasler unter «Und das nennt sich Journalismus» nach einer Pressekonferenz des Bundesamts für Gesundheit fest: «In diesem Interview wurde nicht eine einzige kritische Frage oder Nachfrage gestellt.» Man erlebt als Leser mit, wie die Journalisten jegliche kritische Distanz zum Thema und zu den Protagonisten vermissen lassen und hat das Gefühl, einem Trauerspiel beizuwohnen.

Hasler schreibt über erteilte Verbote und Zurechtweisungen durch Vorgesetzte: keine kritische Gedanken schriftlich äussern, oder keine Videos mit nicht «leitmedienkonformen» Inhalten auf den Produktionsserver stellen. Und darüber, dass sein Badge gesperrt würde, wenn er vom Betriebsleiter noch einmal ohne Maske erwischt werde. So schreibt Hasler im März 2021:

《 Eigentlich darf ja durchaus davon ausgegangen werden, dass in einem Betrieb, wie es das Studio Bundeshaus der SRG ist, eine gewisse intellektuelle Fähigkeit vorausgesetzt wird. Dies sowohl für die journalistisch-redaktionellen Tätigkeiten wie auch für alle anderen Arbeiten, also für sämtliche Mitarbeitenden. 》

Doch es habe sich gezeigt, dass diese intellektuelle Fähigkeit unerwünscht sei und unterdrückt werde, wenn es darum gehe, sich kritisch in Erinnerung zu rufen, welcher journalistischen Sorgfaltspflicht das Produkt unterstehe. Gewissen? Ein Sensorium zur Unterscheidung von echt und manipuliert? Überprüfung von Sachverhalten? Gesunder Menschenverstand? Fehlanzeige! Hasler vergleicht die Zustände mit «Brainpower-Switching» im Militärdienst: Denken beim Eintritt ausschalten und beim Urlaubsantritt wieder einschalten.

Gegen Ende Dezember 2020 schreibt Hasler erfreut von einem Frühpensionierungs-Angebot für Mitarbeitende ab 60 Jahren, das er allenfalls nutzen möchte, um ohne allzu grossen materiellen Schaden aus diesem «Hamsterrad» aussteigen zu können. Ernüchtert kommentierend, dass es bei der «alltäglichen Newsverarbeitung längst nicht mehr um neutrale Berichterstattung» geht, sondern «um die Manipulation der Masse im Interesse eines gewissen Narrativs», ist Hasler nicht mehr bereit, «mich als Sklave der Hintermänner jenes Narrativs weiterhin missbrauchen zu lassen».

Hasler prangert nicht nur die offenen Widersprüche an und schildert die Streitigkeiten mit den Arbeitskollegen, sondern erzählt auch viel über seine inneren Konflikte, wie ihn beim Gedanken an die Arbeit der Ekel überkommt, an einem Arbeitsplatz, der ihn lange erfüllte, und am Ende einer «seelischen Vergewaltigung» gleichkommt. An Silvester hat er einen «Filmriss» beim Dienst, und verlässt unter den Augen der konsternierten Kollegen das Studio. Zu Beginn des neuen Jahres lässt sich Hasler krank schreiben. Für ihn wird immer klarer, dass er seine Arbeit nicht mehr aufnehmen wird.

«Im Hexenkessel der Bundeshaus-Medien» könnte einst eine wertvolle historische Quelle darstellen, denn die Lektüre ergibt wichtige Einsichten: Einerseits, dass es seitens der Regierung eindeutige und inakzeptable Eingriffe in die Pressefreiheit gibt, und andererseits, dass bei einem massenpsychologischen Ereignis die meisten Journalisten nur allzu menschlich sind und ihre Berufsethik offenbar vergessen, vor allem wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.

Demaskierende Geisteshaltung

Das Buch macht deutlich, welche Geisteshaltung offensichtlich in den Redaktionsstuben vorherrscht. Wer sich in der Branche auskennt, weiss, dass die Vorfälle beim Schweizer Fernsehen, wie Hasler sie schildert, keine Ausnahmen, sondern die Regel sind. Es akzentuiert ein systemisches Problem. Besonders beim Schweizer Fernsehen stellt dies ein grosses medienpolitisches Problem dar, denn es darf ausdrücklich nicht einseitige Berichterstattung verfolgen. Private Medien haben da freilich einen grösseren Spielraum.

Im weiteren Sinn ist Hasler’s Buch ein Abbild der gegenwärtigen Gesellschaft, in Panik versetzt von einer machttrunkenen Regierung, die Medien instrumentalisiert, um eine Ideologie zu verbreiten, die gemeinhin nur noch als totalitär bezeichnet werden kann. Dass so viele Mitläufer mitmachen, unterstreicht ihren Charakter nur noch. Es ist ein Zustand, der einer Demokratie schon längst nicht mehr würdig ist.

Es ist eben bezeichnend, dass im Jahr 2022 sämtliche journalistische Pflichten und medienethische Verantwortungen von einem Buch beim Namen genannt werden müssen. Indem Hasler daran erinnert, legt er die kolossale Diskrepanz von Soll- und Ist-Zustand offen. Das fängt schon mit der «40 Millionen-Bestechung der elektronischen Medien vom 20. Mai 2020 durch den Bundesrat» an. Hasler fragt zu Recht:

《 Wie soll ein gekauftes Mediensystem eine Regierung kritisch überprüfen, die sie finanziert? 》

Der Hohn der Sprachverdrehung liegt dann noch darin, dass der Bundesrat die Finanzspritze damit begründet, wie wichtig die Medien für die Demokratie sind. Hasler liefert zahlreiche Anschauungsbeispiele, auf welch problematische Weise das Zusammenspiel von Medien und Behörden während der Corona-Krise funktioniert und welche Methoden angewandt werden, um freie Berichterstattung zu verhindern, woraus wiederum Abhängigkeiten, Interessenskonflikte und mangelnde Informationsqualität entstehen: etwa eingeschränkter Zugang zu Pressekonferenzen, abgesprochene Fragen, keine Nachfragen bei Interviews.

Es muckt auch kein Medium auf, wenn Berufskollegen bei der freien Pressearbeit behindert und schikaniert werden. Hier sei nur daran erinnert, wie ungleich westliche Medien solche Fälle grundsätzlich behandeln: Die Verhaftung von Regierungskritikern im Iran oder in Russland ist immer eine Schlagzeile wert, aber der Fall von Julian Assange zum Beispiel wird schweigsam hingenommen, ähnlich wie die Coronapolitik: Bitte keine kritischen Fragen, welche die Macht verlegen machen, geschweige denn solche, die ihr Handeln delegitimieren. Kurz: Es mangelt den Medien an Selbstreflexion. Hasler zitiert einen ehemaligen Vorgesetzten, der Hofberichterstattung offenbar als selbstverständlich ansah: «Aber das war doch schon immer so.» Doch ein solcher Journalismus, so Hasler, kann «zur demokratischen Debatte nichts mehr beitragen».

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Zum Autor:
Martin Hasler, Jahrgang 1959, arbeitete von 1982 bis 2021 beim öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen SRG SSR für das Schweizer Fernsehen im Studio Bundeshaus. Ob in ihrem Büro, beim Bundespräsidenten zu Hause oder hoch oben auf der Älggialp, die Produktionen präsidialer Interviews und Ansprachen mit den höchsten Magistraten der Nation wurden für ihn immer wieder zu einem Highlight der Sonderklasse. Hasler ist verheiratet, hat vier Kinder und sechs Enkelkinder und lebt in der Agglomeration Bern.


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