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Vor 150 Jahren erließ Bismarck das Jesuitengesetz
05.07.2022 14:36
Vor 150 Jahren erließ Bismarck das Jesuitengesetz
05.07.2022 14:36
Vor 150 Jahren erließ Bismarck das Jesuitengesetz
4. JULI 2022
ERFOLGLOSER SCHLAG GEGEN DEN POLITISCHEN KATHOLIZISMUS
Als Speerspitze des romtreuen Katholizismus waren die Jesuiten dem preußisch regierten Reich ein Dorn im Auge. 1872 verbannte Reichskanzler Bismarck den Orden aus Deutschland. Ein Déjà-Vu für die Gesellschaft Jesu.
"Nach Canossa gehen wir nicht!" – Legendär ist der Ausruf des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck aus der Reichstagssitzung am 14. Mai 1872. Kein Text über den Kulturkampf zwischen protestantisch-preußischem Kaisertum und der römisch-katholischen Kirche im Deutschen Reich kommt ohne das Credo des "Eisernen Kanzlers" aus. Canossa, diese Burg in Oberitalien, wo sich der Überlieferung zufolge Kaiser Heinrich IV. im Jahr 1077 vor Papst Gregor VII. niederwarf und dem römisch-deutschen Kaisertum einen irreparablen Schaden zufügte – das dürfe sich nicht wiederholen.
Niemand sollte als Bittsteller über die Alpen ziehen. Denn jenseits der Berge – auf lateinisch "ultra montes" – saß der Feind, der Papst und die römische Kurie, übernationale und gesellschaftszersetzende Kräfte aus Sicht der nationalstaatsorientierten Eliten des 19. Jahrhunderts. Der Ultramontanismus als bedingungslose Romtreue und der Höherbewertung der päpstlichen über die staatlichen Interessen wurde zum Kampfbegriff gegen den politischen Katholizismus. In Polemiken wurde Angst geschürt vor weltweiten konspirativen Netzwerken, die versuchten, Rom nördlich der Alpen wieder mehr Einfluss zu verschaffen.
Dabei geriet insbesondere der Jesuitenorden ins Visier. Das ist wenig verwunderlich, lud doch schon die Konstitution der Gesellschaft Jesu, die neben Armut, Keuschheit und Gehorsam noch ein viertes Gelübde vorsah, nämlich das des umfassenden Gehorsams gegenüber dem Papst, antirömische Kräfte zum Misstrauen ein. Hinzu kamen die Mitgliederstärke des Ordens, seine Gewohnheit, sich gerade an katholische Königshäuser anzubinden sowie nicht zuletzt die Wahrnehmung der Jesuiten als "Schlaue Jungs" – gerissen und gefährlich. Fertig war das Feindbild, das sich exzellent dazu eignete, antikirchliche Ressentiments wirksam zu verbreiten.
Das "Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu"
Die Jesuiten führten im Reich Bildungseinrichtungen und Seminarhäuser, wo sie auch ihren eigenen Nachwuchs ausbildeten. Das taten sie freilich aber schon länger. Im Kulturkampf kam nun allerdings ihre ureigene Papsttreue dazu, die im Kulturkampf insbesondere nach der Verkündigung des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma von 1870, die – obwohl auch unter katholischen Priestern umstritten – von den Jesuiten vertreten wurde.
Am 4. Juli 1872 setzte der Reichstag dem schließlich ein Ende: Das "Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu" verbannte den "Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen" vom Gebiet des Deutschen Reiches. Die Errichtung von Niederlassungen wurde ihnen strengstens untersagt. Zudem wurde die Regierung bemächtigt, einzelne Jesuiten aus dem Reich ausweisen zu dürfen, sofern es sich um ausländische Ordensmitglieder handelte. Deutschstämmigen Jesuiten durfte zumindest "der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden".
Neben dem ebenfalls gegen die katholische Kirche gerichteten Kanzelparagrafen, der Geistlichen in der Kanzel politische Stellungnahmen untersagte, gehörte das Jesuitengesetz zu den wenigen Gesetzen, die auf gesamter Reichsebene Gültigkeit besaßen.
Tatsächlich war die endgültige Fassung, über die der Reichstag am 19. Juli abgestimmt hatte, auch einigen liberalen Abgeordneten, die ansonsten durchaus bereit waren, Bismarcks Linie des Kulturkampfes zu folgen, zu radikal. So schrieb der Nationalliberale Karl Biedermann an seinen Kollegen Eduard Lasker – ein Intimfeind des Reichskanzlers – er empfinde den Erlass als "eine so unselige Maßregel als nur möglich". Das Gesetz verstoße direkt gegen das Freizügigkeitsgesetz. "Es ist ein Ausnahmegesetz im allerschlimmsten Sinne", urteilte Biedermann, der sich gezwungen sah, gegen den Entwurf zu stimmen, "wie ich denn auch glaube, daß meine Wähler (denen gegen die Jesuiten das Ärgste nicht arg genug ist) mir es schwerlich danken werden".
Behörden und öffentliche Stellen setzten das Gesetz in der Folge strickt durch. Ordenshäuser wurden geschlossen, Katholiken, die bei den Jesuiten zur Messe oder Beichte kommen wollten, wurden unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt.
Für die Jesuiten selbst kam es einem Déjà-Vu gleich: Bereits in der Aufklärung hatte es insbesondere in den romanischen Königreichen scharfe Auseinandersetzungen um die Tätigkeit und insbesondere die Papsttreue des Ordens gegeben. Nacheinander wurden sie aus Portugal, Frankreich, Spanien und Neapel ausgewiesen und zwischen 1773 und 1814 auf päpstliches Geheiß sogar vollständig aufgehoben.
Rom blieb dem Orden dieses Mal gewogen
Wie bereits bei der damaligen Aufhebung reagierte der Orden pragmatisch auf das Verbot: Die Ausbildung der Novizen wurde in andere Länder verlegt, zwangsexilierte Mitglieder gingen in die Mission, auch bis nach Afrika und Südamerika. Im Gegensatz zur Aufhebung 1773 blieb Rom dem Orden dieses Mal gewogen; immerhin war der Gegner nun nicht die katholisch-bourbonischen Königshäuser, sondern das preußisch-protestantische Kaisertum.
Auch der gewünschte Bruch des politischen Katholizismus konnte dadurch nicht erreicht werden. Vielmehr stärkte die Unterdrückung im Kulturkampf den Zusammenhalt im Milieu.
Wie alle Jesuitenverbote, sollte auch das bismarck'sche Gesetz jedoch nicht von Dauer sein. Mitten im Tumult des Ersten Weltkriegs entschied der Reichstag, es zum 19. April vollständig außer Kraft zu setzen. Insbesondere dürfte ein Entgegenkommen in Richtung der katholischen Zentrumspartei ausschlaggebend gewesen sein, ohne deren Unterstützung die Regierungsbildung in den turbulenten Zeiten faktisch unmöglich geworden war.
Von J. Senk (KNA)
P.S.: vor dem 1. WK gehörten 2/3 der Deutschen dem protestantischen Glaubens an .
hansfeuerstein04.07.2022 um 12:20
Die römische Kirche war, bei allem was man sagen kann, immer ein Bollwerk gegen übersprießende Nationalinteressen. So waren auch gerade im 3.Reich die Jesuiten besonders
unter Beobachtung und unter Missfallen. In jener Zeit war man folglich auf dem Weg eine germanische Ersatzreligion nach den Kriegen etablieren zu wollen, welche dem nationalen Kampf gegen andere Völker und Nationen mehr entgegen kam. Glaube und Kirche für nationale Interessen einspannen zu wollen, war schon immer behindert durch den Sitz
des Oberhauptes in Rom, welcher meist auch anderer Nationalität angehörte.
Klavierspielerin204.07.2022 um 13:45
aus dem Jahr 2021
KANZELPARAGRAPH, ZIVILEHE UND MAIGESETZE
Großkonflikt zwischen Staat und Kirche: Reichsgründung und Kulturkampf
Kaum hatte Bismarck das Deutsche Reich geschmiedet, brach er den Konflikt mit der katholischen Kirche vom Zaun. Es war ein erbittert geführter Kampf um die Rolle der Religion im modernen Staat. Katholiken trugen traumatische Erinnerungen davon.
"Es handelt sich hier um einen großen Kulturkampf." Der Mediziner und liberale Reichstagsabgeordnete Rudolf Virchow gab dem gesellschaftlichen Großkonflikt seinen Namen. Vor 150 Jahren, kurz nach der Gründung des Deutschen Reiches, eskalierte der Streit zwischen katholischer Kirche und Regierung in Preußen-Deutschland. 2021 ist deshalb nicht nur ein zentrales Gedenkjahr für den deutschen Nationalstaat. Die Katholiken in Deutschland verbinden mit 1871 zugleich Erinnerungen, die lange traumatisch nachwirkten.
Von Anfang an gab es Spannungen. Am 8. Juli 1871 löste der preußische Ministerpräsident und Reichskanzler Otto von Bismarck die Katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium auf, die Interessenvertretung der Katholiken im überwiegend protestantischen Preußen. Das war der Auslöser für einen erbittert geführten Kampf um das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Erst 1878 kam es wieder zu einer Annäherung. Diplomatisch beigelegt wurde die Krise erst ein Jahrzehnt später. 1887 erklärte Papst Leo XIII. den "Kampf, welcher die Kirche schädigte und dem Staat nichts nützte", für beendet.
In ganz Europa wurden im 19. Jahrhundert die Machtverhältnisse zwischen Kirche und Staat neu ausgefochten. Hatte die Kirche seit dem Mittelalter großen Einfluss auf Schulen, soziale Einrichtungen und gesellschaftliche Institutionen, so brachten die Französische Revolution und Napoleons Eroberungsfeldzüge das bestehende Kirchensystem an den Rand der Existenz. Kirchengüter wurden enteignet, Bischöfe mussten auf weltliche Herrschaft verzichten, der Staat drängte die Religion zurück.
Schock und Aufbruch
Ein Schock, dem aber ein neuer Aufbruch der katholischen Kirche folgte: Neue Orden und Vereine wurden gegründet, eine religiöse Presse entstand, und das Wallfahrtswesen erlebte einen Boom. Wie nie zuvor orientierten sich die Katholiken nach Rom und auf den Papst hin. 1864 verurteilte Papst Pius IX. im "Syllabus Errorum" vermeintliche Irrlehren der Moderne, darunter Sozialismus, Kommunismus, Menschenrechte und Liberalismus. Das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) erklärte die Unfehlbarkeit des Papstes in "Religion und Sitten".
Darin sahen Bismarck und viele Liberale einen Angriff auf das gerade gegründete Kaiserreich. Und das umso mehr, als die Katholiken sich seit 1870 politisch in der Zentrumspartei organisierten. Gefährlich waren nach Bismarcks Meinung auch die Zusammenarbeit des Zentrums mit den katholischen Minderheiten der Polen, Elsaß-Lothringer und Dänen. Der Kanzler deklarierte die deutschen Katholiken zum verlängerten Arm des Papstes und zu Reichsfeinden.
Die staatlichen Maßnahmen wurden immer härter: Ende 1871 folgte der "Kanzelparagraph", nach dem Geistliche mit Haftstrafen belegt wurden, wenn sie ihre Predigt für politische Äußerungen missbrauchten. Ein Jahr später übernahm der Staat die alleinige Schulaufsicht und verbot den Jesuitenorden. 1873 wurde in den "Maigesetzen" eine staatliche Abschlussprüfung für Geistliche eingeführt. Darüber hinaus behielt sich der Staat ein Einspruchsrecht bei der Vergabe geistlicher Ämter vor. Immer mehr Pfarrerstellen verwaisten. 1874 wurde zunächst in Preußen, später im ganzen Reich, die Zivilehe bindend eingeführt. 1875 verfügte das "Brotkorbgesetz", alle finanziellen Zuwendungen an die Kirche zu sperren – bis die Bischöfe den Kulturkampfgesetzen schriftlich zustimmten.
Druck schweißt Katholiken zusammen
Ein Boomerang für Bismarck und die Liberalen, die den Kurs des Kanzlers stützten und damit zugleich ihren Anspruch auf demokratische Teilhabe aller Bürger verrieten. Der Druck schweißte die Katholiken zusammen; das Zentrum gewann Wähler. Zugleich aber empfanden sich die Katholiken lange als Bürger zweiter Klasse.
1878 war Bismarck bereit, sich mit den Katholiken zu arrangieren. Jetzt sollte der Kampf gegen die SPD zum Kitt des Staates werden. Die Aussöhnung wurde erleichtert, als Pius IX. starb und mit Leo XIII. ein kompromissbereiterer Papst folgte. Die Gesetze wurden gemildert. 1882 nahm Preußen wieder Beziehungen zum Vatikan auf. Die 1886 und 1887 erlassenen Friedensgesetze legten den Konflikt offiziell bei. Das Jesuitengesetz allerdings wurde erst 1917, der Kanzelparagraph erst 1953 aufgehoben.
Von C. Arens (KNA)
hansfeuerstein04.07.2022 um 15:03
Die Enteignungswelle, mit der Zwangschliessung von Klöstern, muss man dazu sagen.
hansfeuerstein04.07.2022 um 15:14
Das Selbstverständnis des deutschen Kaiserreiches führte schliesslich noch in den 1.WK und auch folglich auch in den 2.WK. Die nationale Ev.Kirche liess sich viel leichter verreinnahmen.
Du und zwei weitere Nutzer finden das gut
Schaul196704.07.2022 um 16:31
Bismarck 2.0
Damaliger preußische Ministerpräsident tolerierte anders denkende Menschen oder Strömungen nicht, weil er schon Pläne für "Reich" in der Schublade hatte. Es ist nicht einfach aus 300 Kleinstaaten ein Reich zu schmieden.
Der kommende Antichrist muss auch Europa vereinen, wie Bismarck damals mit Blut, Eisen und Reptilienfonds Deutsches Reich "geschmiedet" hat.
Klavierspielerin204.07.2022 um 17:02
LEXIKONEINTRAG: K WIE KULTURKAMPF
Allg. Bez. für die Auseinandersetzungen zwischen dem 1871 gegr. Deutschen Reich und der kath. Kirche, in deren Folge das Verhältnis zwischen Staat und Kirche (z. B. im Schulwesen und in der Ehegesetzgebung) neu bestimmt wurde. Dahinter stand der grundlegende Konflikt zwischen dem sich entwickelnden modernen Staat und der vom Traditionalismus geprägten kath. Kirche (Ultramontanismus). Vor allem in Preußen wurde der Kulturkampf mit besonderer Schärfe geführt. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck wollte den politischen Einfluss der kath. Kirche brechen. In der 1870 gegr. Zentrumspartei sah er v. a. eine politische Kraft, mit der sich der Papst in die Angelegenheiten des weithin protestantisch geprägten neuen Deutschen Reiches einmischen wollte. So verbot er 1872 mit dem "Jesuitengesetz" die Tätigkeit des Jesuitenordens. 1875 wurden mit dem "Brotkorbgesetz" alle staatlichen Leistungen an die kath. Kirche eingestellt und fast alle Klostergemeinschaften (außer den Krankenpflegeorden) aufgelöst. Mit dem "Zivilehegesetz" führte das Deutsche Reich im gleichen Jahr die pflichtmäßige Zivilehe ein. Der starke Stimmenzuwachs für die Zentrumspartei veranlasste Bismarck, mit Papst Leo XIII. Verhandlungen aufzunehmen. Mit den "Friedensgesetzen" von 1886 und 1887 wurde der Kulturkampf formell beendet.
Klavierspielerin204.07.2022 um 17:42
Nur der vollständigkeitshalber- hier nur als Link und nur für solche, die's genauer wissen wollen, wie die Protestanten in jener Zeit schalteten und walteten:
" Deutsche Christen-
antisemitische und im Nationalsozialismus politische Strömung des Protestantismus"
Siehe unter " Vorläufer "
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Christen
Klavierspielerin204.07.2022 um 18:09
Ich möchte nicht nur die Situation der RKK zur damaligen Zeit beleuchten, sonder ebenfalls die der protestantischen Kirchen.
Dieser nun auf's Wesentliche bereinigte Blog, dient historisch interessierten, dem klaren Überblick.
ERFOLGLOSER SCHLAG GEGEN DEN POLITISCHEN KATHOLIZISMUS
Als Speerspitze des romtreuen Katholizismus waren die Jesuiten dem preußisch regierten Reich ein Dorn im Auge. 1872 verbannte Reichskanzler Bismarck den Orden aus Deutschland. Ein Déjà-Vu für die Gesellschaft Jesu.
"Nach Canossa gehen wir nicht!" – Legendär ist der Ausruf des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck aus der Reichstagssitzung am 14. Mai 1872. Kein Text über den Kulturkampf zwischen protestantisch-preußischem Kaisertum und der römisch-katholischen Kirche im Deutschen Reich kommt ohne das Credo des "Eisernen Kanzlers" aus. Canossa, diese Burg in Oberitalien, wo sich der Überlieferung zufolge Kaiser Heinrich IV. im Jahr 1077 vor Papst Gregor VII. niederwarf und dem römisch-deutschen Kaisertum einen irreparablen Schaden zufügte – das dürfe sich nicht wiederholen.
Niemand sollte als Bittsteller über die Alpen ziehen. Denn jenseits der Berge – auf lateinisch "ultra montes" – saß der Feind, der Papst und die römische Kurie, übernationale und gesellschaftszersetzende Kräfte aus Sicht der nationalstaatsorientierten Eliten des 19. Jahrhunderts. Der Ultramontanismus als bedingungslose Romtreue und der Höherbewertung der päpstlichen über die staatlichen Interessen wurde zum Kampfbegriff gegen den politischen Katholizismus. In Polemiken wurde Angst geschürt vor weltweiten konspirativen Netzwerken, die versuchten, Rom nördlich der Alpen wieder mehr Einfluss zu verschaffen.
Dabei geriet insbesondere der Jesuitenorden ins Visier. Das ist wenig verwunderlich, lud doch schon die Konstitution der Gesellschaft Jesu, die neben Armut, Keuschheit und Gehorsam noch ein viertes Gelübde vorsah, nämlich das des umfassenden Gehorsams gegenüber dem Papst, antirömische Kräfte zum Misstrauen ein. Hinzu kamen die Mitgliederstärke des Ordens, seine Gewohnheit, sich gerade an katholische Königshäuser anzubinden sowie nicht zuletzt die Wahrnehmung der Jesuiten als "Schlaue Jungs" – gerissen und gefährlich. Fertig war das Feindbild, das sich exzellent dazu eignete, antikirchliche Ressentiments wirksam zu verbreiten.
Das "Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu"
Die Jesuiten führten im Reich Bildungseinrichtungen und Seminarhäuser, wo sie auch ihren eigenen Nachwuchs ausbildeten. Das taten sie freilich aber schon länger. Im Kulturkampf kam nun allerdings ihre ureigene Papsttreue dazu, die im Kulturkampf insbesondere nach der Verkündigung des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma von 1870, die – obwohl auch unter katholischen Priestern umstritten – von den Jesuiten vertreten wurde.
Am 4. Juli 1872 setzte der Reichstag dem schließlich ein Ende: Das "Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu" verbannte den "Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen" vom Gebiet des Deutschen Reiches. Die Errichtung von Niederlassungen wurde ihnen strengstens untersagt. Zudem wurde die Regierung bemächtigt, einzelne Jesuiten aus dem Reich ausweisen zu dürfen, sofern es sich um ausländische Ordensmitglieder handelte. Deutschstämmigen Jesuiten durfte zumindest "der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden".
Neben dem ebenfalls gegen die katholische Kirche gerichteten Kanzelparagrafen, der Geistlichen in der Kanzel politische Stellungnahmen untersagte, gehörte das Jesuitengesetz zu den wenigen Gesetzen, die auf gesamter Reichsebene Gültigkeit besaßen.
Tatsächlich war die endgültige Fassung, über die der Reichstag am 19. Juli abgestimmt hatte, auch einigen liberalen Abgeordneten, die ansonsten durchaus bereit waren, Bismarcks Linie des Kulturkampfes zu folgen, zu radikal. So schrieb der Nationalliberale Karl Biedermann an seinen Kollegen Eduard Lasker – ein Intimfeind des Reichskanzlers – er empfinde den Erlass als "eine so unselige Maßregel als nur möglich". Das Gesetz verstoße direkt gegen das Freizügigkeitsgesetz. "Es ist ein Ausnahmegesetz im allerschlimmsten Sinne", urteilte Biedermann, der sich gezwungen sah, gegen den Entwurf zu stimmen, "wie ich denn auch glaube, daß meine Wähler (denen gegen die Jesuiten das Ärgste nicht arg genug ist) mir es schwerlich danken werden".
Behörden und öffentliche Stellen setzten das Gesetz in der Folge strickt durch. Ordenshäuser wurden geschlossen, Katholiken, die bei den Jesuiten zur Messe oder Beichte kommen wollten, wurden unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt.
Für die Jesuiten selbst kam es einem Déjà-Vu gleich: Bereits in der Aufklärung hatte es insbesondere in den romanischen Königreichen scharfe Auseinandersetzungen um die Tätigkeit und insbesondere die Papsttreue des Ordens gegeben. Nacheinander wurden sie aus Portugal, Frankreich, Spanien und Neapel ausgewiesen und zwischen 1773 und 1814 auf päpstliches Geheiß sogar vollständig aufgehoben.
Rom blieb dem Orden dieses Mal gewogen
Wie bereits bei der damaligen Aufhebung reagierte der Orden pragmatisch auf das Verbot: Die Ausbildung der Novizen wurde in andere Länder verlegt, zwangsexilierte Mitglieder gingen in die Mission, auch bis nach Afrika und Südamerika. Im Gegensatz zur Aufhebung 1773 blieb Rom dem Orden dieses Mal gewogen; immerhin war der Gegner nun nicht die katholisch-bourbonischen Königshäuser, sondern das preußisch-protestantische Kaisertum.
Auch der gewünschte Bruch des politischen Katholizismus konnte dadurch nicht erreicht werden. Vielmehr stärkte die Unterdrückung im Kulturkampf den Zusammenhalt im Milieu.
Wie alle Jesuitenverbote, sollte auch das bismarck'sche Gesetz jedoch nicht von Dauer sein. Mitten im Tumult des Ersten Weltkriegs entschied der Reichstag, es zum 19. April vollständig außer Kraft zu setzen. Insbesondere dürfte ein Entgegenkommen in Richtung der katholischen Zentrumspartei ausschlaggebend gewesen sein, ohne deren Unterstützung die Regierungsbildung in den turbulenten Zeiten faktisch unmöglich geworden war.
Von J. Senk (KNA)
P.S.: vor dem 1. WK gehörten 2/3 der Deutschen dem protestantischen Glaubens an .
hansfeuerstein04.07.2022 um 12:20
Die römische Kirche war, bei allem was man sagen kann, immer ein Bollwerk gegen übersprießende Nationalinteressen. So waren auch gerade im 3.Reich die Jesuiten besonders
unter Beobachtung und unter Missfallen. In jener Zeit war man folglich auf dem Weg eine germanische Ersatzreligion nach den Kriegen etablieren zu wollen, welche dem nationalen Kampf gegen andere Völker und Nationen mehr entgegen kam. Glaube und Kirche für nationale Interessen einspannen zu wollen, war schon immer behindert durch den Sitz
des Oberhauptes in Rom, welcher meist auch anderer Nationalität angehörte.
Klavierspielerin204.07.2022 um 13:45
aus dem Jahr 2021
KANZELPARAGRAPH, ZIVILEHE UND MAIGESETZE
Großkonflikt zwischen Staat und Kirche: Reichsgründung und Kulturkampf
Kaum hatte Bismarck das Deutsche Reich geschmiedet, brach er den Konflikt mit der katholischen Kirche vom Zaun. Es war ein erbittert geführter Kampf um die Rolle der Religion im modernen Staat. Katholiken trugen traumatische Erinnerungen davon.
"Es handelt sich hier um einen großen Kulturkampf." Der Mediziner und liberale Reichstagsabgeordnete Rudolf Virchow gab dem gesellschaftlichen Großkonflikt seinen Namen. Vor 150 Jahren, kurz nach der Gründung des Deutschen Reiches, eskalierte der Streit zwischen katholischer Kirche und Regierung in Preußen-Deutschland. 2021 ist deshalb nicht nur ein zentrales Gedenkjahr für den deutschen Nationalstaat. Die Katholiken in Deutschland verbinden mit 1871 zugleich Erinnerungen, die lange traumatisch nachwirkten.
Von Anfang an gab es Spannungen. Am 8. Juli 1871 löste der preußische Ministerpräsident und Reichskanzler Otto von Bismarck die Katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium auf, die Interessenvertretung der Katholiken im überwiegend protestantischen Preußen. Das war der Auslöser für einen erbittert geführten Kampf um das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Erst 1878 kam es wieder zu einer Annäherung. Diplomatisch beigelegt wurde die Krise erst ein Jahrzehnt später. 1887 erklärte Papst Leo XIII. den "Kampf, welcher die Kirche schädigte und dem Staat nichts nützte", für beendet.
In ganz Europa wurden im 19. Jahrhundert die Machtverhältnisse zwischen Kirche und Staat neu ausgefochten. Hatte die Kirche seit dem Mittelalter großen Einfluss auf Schulen, soziale Einrichtungen und gesellschaftliche Institutionen, so brachten die Französische Revolution und Napoleons Eroberungsfeldzüge das bestehende Kirchensystem an den Rand der Existenz. Kirchengüter wurden enteignet, Bischöfe mussten auf weltliche Herrschaft verzichten, der Staat drängte die Religion zurück.
Schock und Aufbruch
Ein Schock, dem aber ein neuer Aufbruch der katholischen Kirche folgte: Neue Orden und Vereine wurden gegründet, eine religiöse Presse entstand, und das Wallfahrtswesen erlebte einen Boom. Wie nie zuvor orientierten sich die Katholiken nach Rom und auf den Papst hin. 1864 verurteilte Papst Pius IX. im "Syllabus Errorum" vermeintliche Irrlehren der Moderne, darunter Sozialismus, Kommunismus, Menschenrechte und Liberalismus. Das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) erklärte die Unfehlbarkeit des Papstes in "Religion und Sitten".
Darin sahen Bismarck und viele Liberale einen Angriff auf das gerade gegründete Kaiserreich. Und das umso mehr, als die Katholiken sich seit 1870 politisch in der Zentrumspartei organisierten. Gefährlich waren nach Bismarcks Meinung auch die Zusammenarbeit des Zentrums mit den katholischen Minderheiten der Polen, Elsaß-Lothringer und Dänen. Der Kanzler deklarierte die deutschen Katholiken zum verlängerten Arm des Papstes und zu Reichsfeinden.
Die staatlichen Maßnahmen wurden immer härter: Ende 1871 folgte der "Kanzelparagraph", nach dem Geistliche mit Haftstrafen belegt wurden, wenn sie ihre Predigt für politische Äußerungen missbrauchten. Ein Jahr später übernahm der Staat die alleinige Schulaufsicht und verbot den Jesuitenorden. 1873 wurde in den "Maigesetzen" eine staatliche Abschlussprüfung für Geistliche eingeführt. Darüber hinaus behielt sich der Staat ein Einspruchsrecht bei der Vergabe geistlicher Ämter vor. Immer mehr Pfarrerstellen verwaisten. 1874 wurde zunächst in Preußen, später im ganzen Reich, die Zivilehe bindend eingeführt. 1875 verfügte das "Brotkorbgesetz", alle finanziellen Zuwendungen an die Kirche zu sperren – bis die Bischöfe den Kulturkampfgesetzen schriftlich zustimmten.
Druck schweißt Katholiken zusammen
Ein Boomerang für Bismarck und die Liberalen, die den Kurs des Kanzlers stützten und damit zugleich ihren Anspruch auf demokratische Teilhabe aller Bürger verrieten. Der Druck schweißte die Katholiken zusammen; das Zentrum gewann Wähler. Zugleich aber empfanden sich die Katholiken lange als Bürger zweiter Klasse.
1878 war Bismarck bereit, sich mit den Katholiken zu arrangieren. Jetzt sollte der Kampf gegen die SPD zum Kitt des Staates werden. Die Aussöhnung wurde erleichtert, als Pius IX. starb und mit Leo XIII. ein kompromissbereiterer Papst folgte. Die Gesetze wurden gemildert. 1882 nahm Preußen wieder Beziehungen zum Vatikan auf. Die 1886 und 1887 erlassenen Friedensgesetze legten den Konflikt offiziell bei. Das Jesuitengesetz allerdings wurde erst 1917, der Kanzelparagraph erst 1953 aufgehoben.
Von C. Arens (KNA)
hansfeuerstein04.07.2022 um 15:03
Die Enteignungswelle, mit der Zwangschliessung von Klöstern, muss man dazu sagen.
hansfeuerstein04.07.2022 um 15:14
Das Selbstverständnis des deutschen Kaiserreiches führte schliesslich noch in den 1.WK und auch folglich auch in den 2.WK. Die nationale Ev.Kirche liess sich viel leichter verreinnahmen.
Du und zwei weitere Nutzer finden das gut
Schaul196704.07.2022 um 16:31
Bismarck 2.0
Damaliger preußische Ministerpräsident tolerierte anders denkende Menschen oder Strömungen nicht, weil er schon Pläne für "Reich" in der Schublade hatte. Es ist nicht einfach aus 300 Kleinstaaten ein Reich zu schmieden.
Der kommende Antichrist muss auch Europa vereinen, wie Bismarck damals mit Blut, Eisen und Reptilienfonds Deutsches Reich "geschmiedet" hat.
Klavierspielerin204.07.2022 um 17:02
LEXIKONEINTRAG: K WIE KULTURKAMPF
Allg. Bez. für die Auseinandersetzungen zwischen dem 1871 gegr. Deutschen Reich und der kath. Kirche, in deren Folge das Verhältnis zwischen Staat und Kirche (z. B. im Schulwesen und in der Ehegesetzgebung) neu bestimmt wurde. Dahinter stand der grundlegende Konflikt zwischen dem sich entwickelnden modernen Staat und der vom Traditionalismus geprägten kath. Kirche (Ultramontanismus). Vor allem in Preußen wurde der Kulturkampf mit besonderer Schärfe geführt. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck wollte den politischen Einfluss der kath. Kirche brechen. In der 1870 gegr. Zentrumspartei sah er v. a. eine politische Kraft, mit der sich der Papst in die Angelegenheiten des weithin protestantisch geprägten neuen Deutschen Reiches einmischen wollte. So verbot er 1872 mit dem "Jesuitengesetz" die Tätigkeit des Jesuitenordens. 1875 wurden mit dem "Brotkorbgesetz" alle staatlichen Leistungen an die kath. Kirche eingestellt und fast alle Klostergemeinschaften (außer den Krankenpflegeorden) aufgelöst. Mit dem "Zivilehegesetz" führte das Deutsche Reich im gleichen Jahr die pflichtmäßige Zivilehe ein. Der starke Stimmenzuwachs für die Zentrumspartei veranlasste Bismarck, mit Papst Leo XIII. Verhandlungen aufzunehmen. Mit den "Friedensgesetzen" von 1886 und 1887 wurde der Kulturkampf formell beendet.
Klavierspielerin204.07.2022 um 17:42
Nur der vollständigkeitshalber- hier nur als Link und nur für solche, die's genauer wissen wollen, wie die Protestanten in jener Zeit schalteten und walteten:
" Deutsche Christen-
antisemitische und im Nationalsozialismus politische Strömung des Protestantismus"
Siehe unter " Vorläufer "
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Christen
Klavierspielerin204.07.2022 um 18:09
Ich möchte nicht nur die Situation der RKK zur damaligen Zeit beleuchten, sonder ebenfalls die der protestantischen Kirchen.
Dieser nun auf's Wesentliche bereinigte Blog, dient historisch interessierten, dem klaren Überblick.
Kommentare
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Klavierspielerin2 11.05.2023 15:30
OTTO VON BISMARCK UND DER KONFLIKT ZWISCHEN REICH UND KIRCHE
Ein Höhepunkt des Kulturkampfs: 150 Jahre Mai-Gesetze
BONN ‐ Kaum hatte Bismarck das Deutsche Reich geschmiedet, brach er den Konflikt mit der katholischen Kirche vom Zaun. Ein Höhepunkt des Kulturkampfes waren die Maigesetze, die tief in die Rechte der Kirche eingriffen – und lange Nachwirkungen hatten.
Apostel-Skulpturen, fromm blickende Heilige und fratzenschneidende Dämonen: Viele Kirchenfassaden sind in Stein gemeißelte Glaubensbekenntnisse. Doch es gibt auch Skulpturen, die alles andere als fromme Aussagen transportieren.
Die romanische Westfassade der Kölner Kirche St. Andreas beweist das: Von den Konsolen des Rundbogenfrieses hoch oben grinst Reichskanzler Otto von Bismarck (1813-1898) auf die Kirchgänger herab – als großer Lauscher vor dem Herrn. Mit mächtigem Schnauzbart, Tränensäcken, einem vor Empörung geöffneten Mund und einem übergroßen, verdrehten Ohr vernimmt er die Ungehörigkeiten seiner Untertanen.
Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Darstellung von Bismarcks großem Lauschangriff war nichts anderes als eine besondere Art des Kommentars zu den Kulturkampfgesetzen nach 1871, mit denen die Regierung des neugegründeten Deutschen Reichs die katholische Kirche in die Schranken weisen wollte.
Kein missionarischer Eifer, sondern politische Taktik
Den Protestanten Bismarck trieb kein missionarischer Eifer, sondern politische Taktik. Die neu entstandene katholische Zentrumspartei war ihm im Wege. Und außerdem wollte der Reichskanzler die Liberalen an sich binden, die – besonders nach dem gerade verkündeten päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma – die katholische Kirche als Hort der Finsternis beschimpften.
Ein Höhepunkt des Kulturkampfes waren die sogenannten "Maigesetze" in Preußen und im Reich, die am 11. Mai 1873, vor 150 Jahren, erlassen wurden. Damit griff der Staat massiv in die inneren Belange der Kirche ein: Priester durfte nur noch werden, wer Gymnasium und Universität besucht und neben der theologischen Prüfung auch noch ein Examen in Philosophie, Geschichte und deutscher Literatur abgelegt hatte. Ohne die Zustimmung der Behörden durfte kein Geistlicher bestellt werden. Der Kirchenaustritt wurde erleichtert: Es genügte fortan eine einfache Erklärung vor einem Richter. Ein weiteres Gesetz vom 12. Mai 1873 setzte in Berlin einen königlichen Gerichtshof für die kirchlichen Angelegenheiten ein.
Als die katholischen Bischöfe sich weigerten, die Maigesetze anzuerkennen, drehte Bismarck die Daumenschrauben noch fester: Ein im Mai 1874 verabschiedetes Gesetz erlaubte dem Staat, solche Geistliche an ihrer Tätigkeit zu hindern und aus Deutschland auszuweisen, die ihr Amt ohne Zustimmung der Behörden ausübten. Ein Jahr später folgte das sogenannte Brotkorbgesetz, das die Einstellung finanzieller Zuwendungen an die Kirche verlangte, solange die Maigesetze nicht beachtet wurden. Das preußische Gesetz vom 31. Mai 1875 verbot alle Orden oder ordensähnlichen Kongregationen, abgesehen von solchen, welche sich der Krankenpflege widmeten.
Doch Bismarck hatte die Widerstandskraft der Kirche unterschätzt. Klerus und Laien, vor allem das Zentrum unter Führung von Ludwig Windthorst, leisteten passiven Widerstand. Unter dem Druck des Staates blühten das katholische Vereinswesen und die Kirchenpresse auf; die Volksfrömmigkeit erwachte neu. Kein katholisches Seminar übernahm das staatliche Kulturexamen, und kein Bischof erfüllte die Anzeigenpflicht. Bis 1876 waren deshalb fast alle preußischen Oberhirten hinter Gittern oder in die Flucht getrieben. Weit über 1.000 Pfarrstellen waren zu dieser Zeit nicht besetzt, während die Geistlichen heimlich die Messe lasen oder Beichte hörten.
Schwerer innenpolitischer Fehler
Für Bismarck erwies sich der Kulturkampf als schwerer innenpolitischer Fehler. Bei den Land- und Reichstagswahlen von 1873 und 1874 verdoppelte das Zentrum seine Stimmanteile und machte sich auf den Weg zur ersten Massenpartei in Deutschland.
Eine Beilegung des Kulturkampfes bahnte sich schließlich nach dem Tod von Papst Pius IX. 1878 an. Sein Nachfolger Leo XIII. wollte die Konfrontation ebenso wie Bismarck beenden. Anfang der 80er Jahre kam es zu ersten Milderungsbestimmungen, 1886 und 1887 zu Friedensgesetzen, die den Kulturkampf offiziell beendeten. Manche Anordnungen blieben allerdings bis ins 20. Jahrhundert: das Verbot der Jesuiten bis 1917 und auch der Kanzelparagraph, mit dem der Konflikt 1871 begonnen hatte.
Das Gesetz, das Priester mit zwei Jahren Haft bedrohte, wenn sie Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise erörterten, wurde in der Bundesrepublik erst 1953 außer Kraft gesetzt. Zivilehe und staatliche Schulaufsicht, ebenfalls Früchte des Kulturkampfes, gelten noch heute.
Von Christoph Arens (KNA)
Ein Höhepunkt des Kulturkampfs: 150 Jahre Mai-Gesetze
BONN ‐ Kaum hatte Bismarck das Deutsche Reich geschmiedet, brach er den Konflikt mit der katholischen Kirche vom Zaun. Ein Höhepunkt des Kulturkampfes waren die Maigesetze, die tief in die Rechte der Kirche eingriffen – und lange Nachwirkungen hatten.
Apostel-Skulpturen, fromm blickende Heilige und fratzenschneidende Dämonen: Viele Kirchenfassaden sind in Stein gemeißelte Glaubensbekenntnisse. Doch es gibt auch Skulpturen, die alles andere als fromme Aussagen transportieren.
Die romanische Westfassade der Kölner Kirche St. Andreas beweist das: Von den Konsolen des Rundbogenfrieses hoch oben grinst Reichskanzler Otto von Bismarck (1813-1898) auf die Kirchgänger herab – als großer Lauscher vor dem Herrn. Mit mächtigem Schnauzbart, Tränensäcken, einem vor Empörung geöffneten Mund und einem übergroßen, verdrehten Ohr vernimmt er die Ungehörigkeiten seiner Untertanen.
Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Darstellung von Bismarcks großem Lauschangriff war nichts anderes als eine besondere Art des Kommentars zu den Kulturkampfgesetzen nach 1871, mit denen die Regierung des neugegründeten Deutschen Reichs die katholische Kirche in die Schranken weisen wollte.
Kein missionarischer Eifer, sondern politische Taktik
Den Protestanten Bismarck trieb kein missionarischer Eifer, sondern politische Taktik. Die neu entstandene katholische Zentrumspartei war ihm im Wege. Und außerdem wollte der Reichskanzler die Liberalen an sich binden, die – besonders nach dem gerade verkündeten päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma – die katholische Kirche als Hort der Finsternis beschimpften.
Ein Höhepunkt des Kulturkampfes waren die sogenannten "Maigesetze" in Preußen und im Reich, die am 11. Mai 1873, vor 150 Jahren, erlassen wurden. Damit griff der Staat massiv in die inneren Belange der Kirche ein: Priester durfte nur noch werden, wer Gymnasium und Universität besucht und neben der theologischen Prüfung auch noch ein Examen in Philosophie, Geschichte und deutscher Literatur abgelegt hatte. Ohne die Zustimmung der Behörden durfte kein Geistlicher bestellt werden. Der Kirchenaustritt wurde erleichtert: Es genügte fortan eine einfache Erklärung vor einem Richter. Ein weiteres Gesetz vom 12. Mai 1873 setzte in Berlin einen königlichen Gerichtshof für die kirchlichen Angelegenheiten ein.
Als die katholischen Bischöfe sich weigerten, die Maigesetze anzuerkennen, drehte Bismarck die Daumenschrauben noch fester: Ein im Mai 1874 verabschiedetes Gesetz erlaubte dem Staat, solche Geistliche an ihrer Tätigkeit zu hindern und aus Deutschland auszuweisen, die ihr Amt ohne Zustimmung der Behörden ausübten. Ein Jahr später folgte das sogenannte Brotkorbgesetz, das die Einstellung finanzieller Zuwendungen an die Kirche verlangte, solange die Maigesetze nicht beachtet wurden. Das preußische Gesetz vom 31. Mai 1875 verbot alle Orden oder ordensähnlichen Kongregationen, abgesehen von solchen, welche sich der Krankenpflege widmeten.
Doch Bismarck hatte die Widerstandskraft der Kirche unterschätzt. Klerus und Laien, vor allem das Zentrum unter Führung von Ludwig Windthorst, leisteten passiven Widerstand. Unter dem Druck des Staates blühten das katholische Vereinswesen und die Kirchenpresse auf; die Volksfrömmigkeit erwachte neu. Kein katholisches Seminar übernahm das staatliche Kulturexamen, und kein Bischof erfüllte die Anzeigenpflicht. Bis 1876 waren deshalb fast alle preußischen Oberhirten hinter Gittern oder in die Flucht getrieben. Weit über 1.000 Pfarrstellen waren zu dieser Zeit nicht besetzt, während die Geistlichen heimlich die Messe lasen oder Beichte hörten.
Schwerer innenpolitischer Fehler
Für Bismarck erwies sich der Kulturkampf als schwerer innenpolitischer Fehler. Bei den Land- und Reichstagswahlen von 1873 und 1874 verdoppelte das Zentrum seine Stimmanteile und machte sich auf den Weg zur ersten Massenpartei in Deutschland.
Eine Beilegung des Kulturkampfes bahnte sich schließlich nach dem Tod von Papst Pius IX. 1878 an. Sein Nachfolger Leo XIII. wollte die Konfrontation ebenso wie Bismarck beenden. Anfang der 80er Jahre kam es zu ersten Milderungsbestimmungen, 1886 und 1887 zu Friedensgesetzen, die den Kulturkampf offiziell beendeten. Manche Anordnungen blieben allerdings bis ins 20. Jahrhundert: das Verbot der Jesuiten bis 1917 und auch der Kanzelparagraph, mit dem der Konflikt 1871 begonnen hatte.
Das Gesetz, das Priester mit zwei Jahren Haft bedrohte, wenn sie Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise erörterten, wurde in der Bundesrepublik erst 1953 außer Kraft gesetzt. Zivilehe und staatliche Schulaufsicht, ebenfalls Früchte des Kulturkampfes, gelten noch heute.
Von Christoph Arens (KNA)
" Vor 150 Jahren erließ Bismarck das Jesuitengesetz"
Im heutigen Blog sind lediglich Beiträge, die das Blogthema weiter erhellen.
Hier geht's zum gestrigen, dem ursprünglichen - nun verwirrenden - darum vom Thema total abweichenden Blogthema:
" Vor 150 Jahren erließ Bismarck das Jesuitengesetz"
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