Vom, am und über's Kreuz (Lyrik)
15.04.2022 16:13
Vom, am und über's Kreuz (Lyrik)
15.04.2022 16:13
Vom, am und über's Kreuz (Lyrik)
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ich kenne einen
der ließ sich von uns die Suppe versalzen
der ließ sich von uns die Chancen vermasseln
der ließ sich von uns das Handwerk legen
der ließ sich für dumm verkaufen
der ließ sich einen Strick drehen
der ließ sich an der Nase herumführen
der ließ sich übers Ohr hauen
der ließ sich von uns klein kriegen
der ließ sich von uns in die Pfanne hauen
der ließ sich von uns aufs Kreuz legen
der ließ sich von uns Nägel mit Köpfen machen
der ließ sich zeigen was ein Hammer ist
der ließ sich von uns festnageln auf sein Wort
der ließ sich seine Sache was kosten
der ließ sich sehen am dritten Tag
der konnte sich sehen lassen
Lothar Zenetti
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ich kenne einen
der ließ sich von uns die Suppe versalzen
der ließ sich von uns die Chancen vermasseln
der ließ sich von uns das Handwerk legen
der ließ sich für dumm verkaufen
der ließ sich einen Strick drehen
der ließ sich an der Nase herumführen
der ließ sich übers Ohr hauen
der ließ sich von uns klein kriegen
der ließ sich von uns in die Pfanne hauen
der ließ sich von uns aufs Kreuz legen
der ließ sich von uns Nägel mit Köpfen machen
der ließ sich zeigen was ein Hammer ist
der ließ sich von uns festnageln auf sein Wort
der ließ sich seine Sache was kosten
der ließ sich sehen am dritten Tag
der konnte sich sehen lassen
Lothar Zenetti
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Kommentare
Autumn 15.04.2022 16:23
Am Holz
der sich
ganz auf gott
verliess
hängt am holz
von gott
verlassen
der
die gnade
ist
schreit im schmerz
der gnaden-
los
der
für liebe
stritt
stirbt
von hass
durchbohrt
Kurt Marti
der sich
ganz auf gott
verliess
hängt am holz
von gott
verlassen
der
die gnade
ist
schreit im schmerz
der gnaden-
los
der
für liebe
stritt
stirbt
von hass
durchbohrt
Kurt Marti
Autumn 15.04.2022 16:27
Keins seiner Worte
glaubte ich, hätte er nicht
geschrien: Gott, warum
hast du mich verlassen?
Das ist mein Wort, das Wort
des untersten Menschen.
Und weil er selber
so weit unten war, ein
Mensch, der „Warum“ schreit und
schreit „Verlassen“, deshalb könnte man
auch die anderen Worte,
die von weiter oben,
vielleicht
ihm glauben.
Rudolf Otto Wiemer
glaubte ich, hätte er nicht
geschrien: Gott, warum
hast du mich verlassen?
Das ist mein Wort, das Wort
des untersten Menschen.
Und weil er selber
so weit unten war, ein
Mensch, der „Warum“ schreit und
schreit „Verlassen“, deshalb könnte man
auch die anderen Worte,
die von weiter oben,
vielleicht
ihm glauben.
Rudolf Otto Wiemer
Autumn 15.04.2022 16:55
Links und rechts ein Dieb
in der Mitte ein Kaiser
Was ist das für ein Wegweiser
Mann mit dem Stacheldraht?
Mit dem Stacheldrahtreifen im Haar
und sein Atem wird schon leiser
Was ist das für ein Wegweiser
oben auf dem Berg?
Oben auf meinem Berg
mit des Blutes rostigen Resten
und zeigt nach Osten und Westen
und zeigt keine Ortschaft an
Erich Fried
in der Mitte ein Kaiser
Was ist das für ein Wegweiser
Mann mit dem Stacheldraht?
Mit dem Stacheldrahtreifen im Haar
und sein Atem wird schon leiser
Was ist das für ein Wegweiser
oben auf dem Berg?
Oben auf meinem Berg
mit des Blutes rostigen Resten
und zeigt nach Osten und Westen
und zeigt keine Ortschaft an
Erich Fried
Autumn 15.04.2022 17:00
Der einsame Christus
Wachet und betet mit mir!
Meine Seele ist traurigbis an den Tod.
Wachet und betet mit mir!
Eure Augen sind voll Schlafes - könnt ihr nicht wachen?
Ich gehe,euch mein Letztes zu geben - und ihr schlaft...
Einsam stehe ich unter Schlafenden,
einsam vollbring' ich das Werk meiner schwersten Stunde.
Wachtet und betet mit mir! Könnt ihr nicht wachen?
Ihr alle seid in mir, aber in wem bin ich?
Was wisst ihr von meiner Liebe,was wisst ihr vom Schmerz meiner Seele!
O einsam! einsam!
Ich sterbe für euch - und ihr schlaft! Ihr schlaft!
Christian Morgenstern
Wachet und betet mit mir!
Meine Seele ist traurigbis an den Tod.
Wachet und betet mit mir!
Eure Augen sind voll Schlafes - könnt ihr nicht wachen?
Ich gehe,euch mein Letztes zu geben - und ihr schlaft...
Einsam stehe ich unter Schlafenden,
einsam vollbring' ich das Werk meiner schwersten Stunde.
Wachtet und betet mit mir! Könnt ihr nicht wachen?
Ihr alle seid in mir, aber in wem bin ich?
Was wisst ihr von meiner Liebe,was wisst ihr vom Schmerz meiner Seele!
O einsam! einsam!
Ich sterbe für euch - und ihr schlaft! Ihr schlaft!
Christian Morgenstern
Autumn 15.04.2022 17:14
Die Kreuzschau
Eine Legende aus dem Mittelalter berichtet, wie Gott einmal Erbarmen hatte mit einem Menschen, der sich über sein zu schweres Kreuz beklagte. Er führte ihn in einen Raum, wo alle Kreuze der Menschen aufgestellt waren, und sagte ihm: „Wähle!“
Der Mensch machte sich auf die Suche. Da sah er ein ganz dünnes, aber dafür war es länger und größer. Er sah ein ganz kleines, aber als er es aufheben wollte, war es schwer wie Blei. Dann sah er eins, das gefiel ihm, und er legte es auf seine Schultern. Doch da merkte er, wie das Kreuz gerade an der Stelle, wo es auf der Schulter auflag, eine scharfe Spitze hatte, die ihm wie ein Dorn ins Fleisch drang.
So hatte jedes Kreuz etwas Unangenehmes. Und als er alle Kreuze durchgesehen hatte, hatte er immer noch nichts Passendes gefunden.
Dann entdeckte er eines, das hatte er übersehen, so versteckt stand es. Das war nicht zu schwer, nicht zu leicht, so richtig handlich, wie geschaffen für ihn. Dieses Kreuz wollte er in Zukunft tragen.
Aber als er näher hinschaute, da merkte er, daß es sein eigenes Kreuz war, das er bisher getragen hatte.
Louis Charles Adelaide de Chamisso de Boncourt
(Chamisso, Adelbert von)
Eine Legende aus dem Mittelalter berichtet, wie Gott einmal Erbarmen hatte mit einem Menschen, der sich über sein zu schweres Kreuz beklagte. Er führte ihn in einen Raum, wo alle Kreuze der Menschen aufgestellt waren, und sagte ihm: „Wähle!“
Der Mensch machte sich auf die Suche. Da sah er ein ganz dünnes, aber dafür war es länger und größer. Er sah ein ganz kleines, aber als er es aufheben wollte, war es schwer wie Blei. Dann sah er eins, das gefiel ihm, und er legte es auf seine Schultern. Doch da merkte er, wie das Kreuz gerade an der Stelle, wo es auf der Schulter auflag, eine scharfe Spitze hatte, die ihm wie ein Dorn ins Fleisch drang.
So hatte jedes Kreuz etwas Unangenehmes. Und als er alle Kreuze durchgesehen hatte, hatte er immer noch nichts Passendes gefunden.
Dann entdeckte er eines, das hatte er übersehen, so versteckt stand es. Das war nicht zu schwer, nicht zu leicht, so richtig handlich, wie geschaffen für ihn. Dieses Kreuz wollte er in Zukunft tragen.
Aber als er näher hinschaute, da merkte er, daß es sein eigenes Kreuz war, das er bisher getragen hatte.
Louis Charles Adelaide de Chamisso de Boncourt
(Chamisso, Adelbert von)
Autumn 15.04.2022 19:12
Das Rotkehlchen
- eine berührende Geschichte (Legende) aus den Niederlanden -
Als Jesus voll Pein und Schmerz am Kreuze hing, sah er nicht weit davon ein kleines Vöglein im Walde.
Das trauerte am Rande seines Nestes, und bittere Tränen rannen ihm aus den Augen, als es die scharfen stacheligen Dornen sah, die das Haupt unseres lieben Heilandes durchbohrten.
»Niemand,« sagte es zu sich, »niemand kommt, sein Leiden zu lindern.
So will ich ihn zu trösten suchen.«
Es fliegt zum Kreuze, und es glückt ihm, einen Dorn aus dem Haupte zu lösen.
Zur selben Zeit aber springt ein Blutstropfen auf des Vögleins Brust.
Und Jesus sprach: »Zum ewigen Gedächtnis, liebes Vöglein, sollst du und deine Nachkommen dies rote Fleckchen auf der Brust behalten, und die Menschen sollen Euch Rotkehlchen nennen«.
- eine berührende Geschichte (Legende) aus den Niederlanden -
Als Jesus voll Pein und Schmerz am Kreuze hing, sah er nicht weit davon ein kleines Vöglein im Walde.
Das trauerte am Rande seines Nestes, und bittere Tränen rannen ihm aus den Augen, als es die scharfen stacheligen Dornen sah, die das Haupt unseres lieben Heilandes durchbohrten.
»Niemand,« sagte es zu sich, »niemand kommt, sein Leiden zu lindern.
So will ich ihn zu trösten suchen.«
Es fliegt zum Kreuze, und es glückt ihm, einen Dorn aus dem Haupte zu lösen.
Zur selben Zeit aber springt ein Blutstropfen auf des Vögleins Brust.
Und Jesus sprach: »Zum ewigen Gedächtnis, liebes Vöglein, sollst du und deine Nachkommen dies rote Fleckchen auf der Brust behalten, und die Menschen sollen Euch Rotkehlchen nennen«.
Autumn 15.04.2022 19:14
Der Hahn
Verdammter Hahn. Jede Nacht
hör ich ihn krähn und schmecke
den Raum des Wachfeuers
auf der Zunge.
Und höre die pockennarbige Magd,
die mit den Haarzotteln:
Warst du nicht bei ihm? Und höre mich
sagen: Nein.
Und seh bei der Glut der Soldknechte
würfeln. Und sehe die Hände, die
mich befreiten,
gefesselt.
Und spüre den Blick beim Qualm der Fackel,
das blutige Aug, das mich sucht. Und
wende mich ab und sage: Ich
bin’s nicht.
Verdammter Hahn. Jede Nacht
schneide ich ihm den Hals ab. Doch
das Vieh kräht, kräht. Kräht
unterm Messer.
Rudolf O. Wiemer
Verdammter Hahn. Jede Nacht
hör ich ihn krähn und schmecke
den Raum des Wachfeuers
auf der Zunge.
Und höre die pockennarbige Magd,
die mit den Haarzotteln:
Warst du nicht bei ihm? Und höre mich
sagen: Nein.
Und seh bei der Glut der Soldknechte
würfeln. Und sehe die Hände, die
mich befreiten,
gefesselt.
Und spüre den Blick beim Qualm der Fackel,
das blutige Aug, das mich sucht. Und
wende mich ab und sage: Ich
bin’s nicht.
Verdammter Hahn. Jede Nacht
schneide ich ihm den Hals ab. Doch
das Vieh kräht, kräht. Kräht
unterm Messer.
Rudolf O. Wiemer
Seine Balken
teilen die Welt in
Oben und Unten,
in
Links und Rechts.
Der daran hängt,
Hand ausgestreckt nach rechts,
Hand ausgestreckt nach links,
den Kopf nach unten geneigt,
den Geist nach oben befohlen –
ist unser aller
Mitte.
Margarete Kubelka