„Der Lebendige.“
Offenbarung 1,18
Das Leben ist siegreich! Das ist die frohe Botschaft des Neuen Bundes, besonders aber
der Offenbarung Johannis. Es war das in der Tat für die Welt eine Kundgebung
Gottes, welche über diese, einer Freudenflut gleich, hereinbrach. Bis zu jenem
Augenblicke hatte die Mehrheit der Menschen, ja sogar viele hervorragende Männer unter
ihnen geglaubt, dass Tod, Nacht und Verwirrung allem ein Ende machen würden. Einige
der erhabendsten Vorstellungen, von denen die Dichter der alten Welt beseelt waren,
veranschaulichen für alle Zeiten jene trostlosen Vorahnungen. Prometheus stellt den
Menschen als heldenmütiges Wesen hin, jedoch hoffnungslos kämpfend, bis an's Herz
unbarmherzig zerfleischt vom Adler des unwiderstehlichen Schicksals. – Laokon zeigt uns,
dass sowohl der in markiger Kraft stehende Mann, wie auch der schlanke Jüngling in die
Verschlingungen der Natter des Verhängnisses gezogen wurden, gegen welche jeglicher
Widerstand als eitel gelten musste. Die Kinder wurden geboren um zu sterben; die Blumen
blühten um zu verwelken. Die Herrlichkeit des Frühlings lächelte nur für eine
vorübergehende Stunde, und das alles inmitten des Marmors ihrer Tempel, an der Seite
des Tiefbau's ihrer Meereswellen. Jenen Auffassungen gemäß schien schließlich alles dazu
verdammt zu sein, durch jene finstren Naturkräfte vernichtet zu werden, welche beständig
Krieg gegen Schönheit und Freude führten.
In eine solche Welt hinein trat die frohe Botschaft, dass das Leben die stärkste Macht
sei, und den Sieg auf seiner Seite habe. Und als man nach der Ursache einer so
hoffnungsvollen und freudigen Ursache fragte, erhielt man die Antwort darauf in ungefähr
folgender Weise: In Palästina lebte Einer, welcher während Seines kurzen Lebens dem
Tod in allen seinen mannigfachen Gestalten zu Leibe gerückt war. Er schlug dessen
Annäherung durch Worte und Tat zurück. Er zwang ihn, das junge Leben, welches er eben
geraubt hatte, wieder herauszugeben; Er rief d e n aus dem Grabe wiederum zum Leben,
der schon lange die Grenze des Irdischen überschritten hatte. Und doch, obgleich Er für
den Tod gänzlich unzugänglich zu sein schien, unterlag auch Er schließlich seiner Macht;
und die frohesten Hoffnungen, welche jemals in den Herzen der Menschen erstanden
waren, schienen einer sicheren Vernichtung anheimgegeben zu sein. Aber das dauerte nur
einen Augenblick. Drei Tage genügten, um zu zeigen, dass der Tod keine Gewalt über Ihn
habe. Er brach aus dem Kerker heraus, und ging als Sieger über dessen höchste
Anstrengungen hervor. Er offenbarte sich Seinen Freunden als der Lebendige, und sprach
mit ihnen wie vorher. Und dem verklärten Auge dessen, den Er vor allen liebte, gab Er sich
noch in einem letzten, herrlichen Gesicht, auf der von Seen umrauschten Insel Patmos, zu
erkennen und sagte dabei: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der
Lebendige.“
Dieses war der Grundton der Freudigkeit in der ersten Kirche: „Ich weiß, dass mein
Erlöser lebt.“ (Hiob 19,25) Und ob auch Jahrhunderte dahin gerollt sind, haben diese doch
nicht vermocht, die Kirche ihres Glaubens zu berauben Jahr auf Jahr hat sie Ostern mit
Jubel feiern können. Und in den trübseligsten Zeiten begrüßte sie den lebendigen Heiland
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mit den Worten: „Durch Deinen Triumpf über die Bitterkeit des Todes erschlossest Du
allen Gläubigen das Himmelreich.“
Wer kann all den Trost ergründen, dessen wir uns erfreuen, und der in der Tatsache
gipfelt, dass unser Herr Jesus in einer ewigen Gegenwart lebt und niemals wieder das
Verderben sehen wird.
Er lebt als u n s e r H o h e r P r i e s t e r . Das jüdische Priestertum wies einen
großen Mangel auf, indem es nicht im Stande war, sich fortzusetzen, weil seine Vertreter,
andren Sterblichen gleich, dem Tode anheim fielen. Sobald ein hoher Priester vollständig
in seine Pflichten eingeweiht, und mit allen Aufgaben vertraut war, musste er in die
Fußstapfen seines großen Vorgängers treten, welcher auf dem Gipfel des Berges Hor
starb. (4. Mose 20,28) „ D i e s e r Mann aber, weil Er ewiglich bleibt, hat ein
unvergängliches Priestertum. Daher Er auch selig machen kann immerdar, die durch Ihn
zu Gott kommen, und lebet immerdar.“ (Hebr. 7,24.25).) Welch eine liebliche Weise ist
doch in diesen Worten enthalten. Wenn wir zu Gott kommen, so geschieht es auf einem
l e b e n d i g e n W e g e . Wir sollten nicht eher unser Morgen- und Abendgebet schließen,
bis wir mit dem „Lebendigen Selbst“ in lebendige Fühlung gekommen sind. Das Gebet
mag uns Gesetz sein, es ist aber auch zugleich ein unmittelbares Gespräch mit einem
wahren, persönlichen Freunde; dem Fürsten, der unser Bruder ist; dem Könige, welcher in
so naher Verwandtschaft mit uns steht. Und das ist unstreitbar die glückliche Erfahrung
eines gesegneten Lebens, zu wissen, dass zwischen Ihm und unsrer Seele sich keine
Wolke geschoben hat, und immer und immer wieder die Gelübde der Treue und
Ergebenheit nicht in verantwortungslosen Lufträumen verhallen, sondern in das lebendige
Ohr des Einen dringen, dessen Herz in unvergleichlicher Zärtlichkeit auf die leisesten
Flüsterungen von Hinneigungen und Zutrauen Antwort gibt.
Er lebt a l s d i e Q u e l l e u n s r e s L e b e n s . „Denn ich lebe, und ihr sollt auch
leben.“ (Joh. 14,19) Diese Lehre war Seinem eigenen inneren Leben entlehnt. Sein Leben,
im ausgesprochendsten Sinne des Wortes, war nicht Sein Eigenes, sondern das Seines
Vaters. Er sagte, dass die Worte, die Er sprach, und die Werke, die Er tat, nicht die Seinen
wären, sondern von Seinem Vater ausgingen, der in Ihm ist. „Wie mich gesandt hat der
lebendige Vater, und ich lebe um des Vaters willen.“ (Joh. 6,57) So kam es denn, dass
alle, die auf Ihn blickten, in Ihm Seinen Vater sahen; und Sein Leben ist für alle Zeiten
eine Kundgebung des unsichtbaren Gottes gewesen.
Ähnlich ist er auch für uns, die wir geglaubt, und in dem Glauben den Schein ewigen
Lebens empfangen haben, bereit alles das zu sein, was Sein Vater für Ihn gewesen war.
Er ist unser Leben, er lebt mit uns, der Sohn Gottes lebt in uns. Das Leben Jesu wird in
unserem sterblichen Fleisch offenbar. Wie in alttestamentarischen Zeiten das kostbare Öl,
welches die Lampen des Tempels speisten, durch goldene Röhren floss, so kommt auch
Sein Leben durch unsern Glauben, um unsere Könige zu sättigen. Glücklich sind
diejenigen, bei denen das eigene Leben erstorben ist, die es ruhig bei Seite legen, und
Ruhe verleugnen können, damit das Leben Jesu, durch nichts behindert, sich zu ganzer
Schönheit und Vollkommenheit entwickeln kann. In ihm allein ist die Quelle alles Lebens.
O, dass wir uns deshalb dessen bewusst blieben, dass Er die Urquelle aller der, von uns
ausgehenden frischen Ströme ist. Wir brauchen uns darüber gar keine Sorge zu machen,
ob sich auch Sein Leben in uns fortschreitend gestalten werde, wenn wir nur darauf
bedacht sind, unser eigenes zu ertöten, und all den Eingebungen und Kundmachungen
Seines Wirkens zu gehorchen, welches in uns zu immer vollkommenerer Entfaltung
gelangen möchte. Gebt Euch Ihm gänzlich hin, damit Er Euer ganzes Wesen durchdringen
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könne, bis Er sogar Euren sterblichen Leib lebendig machen, und ihn zur Herrlichkeit der
Auferstehung emporheben wird.
Er lebt, um das Menschengeschlecht durch die Zeitalter hindurch i n a l l e
M ö g l i c h k e i t e n d e s L e b e n s e i n z u f ü h r e n . Was vor uns liegt, können wir nicht
sagen, und welche Herrlichkeit, welch strahlende Wonne, welches Entzücken! Wir wissen
bloß, dass Er nicht nur vom Leben und voller Genüge sprach. (Joh. 10,11) Und es ist uns
gesagt, dass er uns „zu den lebendigen Wasserbrunnen“, (Offb. 7,17) führen wird. –
G e o r g F o x erzählt uns aus seinem Traum, dass er das Meer des Lebens gesehen, wie
es die trüben Wasser des Todes für immer hinwegschwemmte; wer will aber jenes Meer
ergründen, oder seine Ausdehnung, Tiefe und Ufer beschreiben?
Das zum mindesten ist wahr, dass Er nicht eher ruhen wird, bis Er unser
Begriffsvermögen vermehrt, und unsere Herzen zur Aufnahme der Fülle Seines Lebens
vorbereitet hat. Wir lernen nur das ABC desselben. Wir gleichen einer, dem Ei kaum
entschlüpften jungen Brut, die zusammengepfercht im Neste liegt; wir nehmen nur das,
was man uns darreicht, und wissen nichts von der in uns schlummernden Kraft des
Fluges, die uns befähigen wird, uns aufwärts in die sonnigen Lüfte zu schwingen. Die Zeit
rückt jedoch immer näher heran, da wir aus Seinem Leben schöpfen, und mit Ihm selbst
ewiglich leben werden.
Bis dahin lasset uns in liebender Gemeinschaft mit Seinem Kreuz und Tod, in seliger
Betrachtung Seiner Worte, von Seinem Fleische essen, und von Seinem Blute trinken,
damit auf solche Weise Sein Leben in uns bleibe und wir im vollsten Sinne des Wortes
durch ihn leben möchten, bis der Tod durch das Leben verschlungen ist. Dessen können
wir aber ganz gewiss sein, dass unser geistiges Leben, mag es auch noch so sehr geprüft
und versucht werden, niemals erlöschen kann, weil es durch den Einen sicher gestellt ist,
welcher sich Selbst „der Lebendige“ genannt hat. (Offb. 1,18)
Für alle Schafe der einen,kleinen Herde des HERRN
10.04.2022 14:02
Für alle Schafe der einen,kleinen Herde des HERRN
10.04.2022 14:02
Für alle Schafe der einen,kleinen Herde des HERRN
Alle diejenigen, welche glauben, sind in einem wahren und tiefen Sinne bereits in
den Stand der Ewigkeit eingetreten. Sie haben die Grenzlinie überschritten und sind
in jenen herrlichen Zustand versetzt, in welchem der Wechsel in ihrem irdischen
Dasein die Beständigkeit ihres inneren Lebens und der damit verbundenen Segnungen
nicht mehr trüben kann. „ A u f d a s s a l l e , d i e a n I h n g l a u b e n , n i c h t
v e r l o r e n g e h e n , s o n d e r n d a s e w i g e L e b e n h a b e n . “ (Joh. 3,15)
Es ist für uns von großer Wichtigkeit, allzeit dessen eingedenk zu sein, dass unsere
Stellung weder von unserer Erfahrung, noch von unseren Empfindungen abhängt. Letztere
sind einem steten Wechsel unterworfen, indem sie bald in ganzer Fülle, dem Vollmond
gleich, anwachsen, bald zu einer bloßen Sichel herabsinken, die traurig vom Firmament
herabblickt.
Aber wir sind von ihnen unter zwei Bedingungen unabhängig, welche die Grundlage
alles Friedens und aller Ruhe bilden.
Vor allem müssen wir lernen, im Willen aufzugeben, und dann uns daran zu
gewöhnen, im täglichen Leben das zu bewahrheiten, – nicht was w i r Gott gegenüber,
sondern was Er uns gegenüber ist, unveränderlich, fortlaufend in der Fülle Seines Segens,
heut und gestern und allezeit derselbe. „ E r b l e i b e t t r e u . “
So werden wir in dem Walten Gottes die Gewähr dafür finden, dass wir die Fülle eines
gottseligen Lebens in ihrer gegenwärtigen Vollendung, – tatsächlich schon besitzen.
F. B. Meyer...https://karker.de/download/vaeter/meyer/gnadenstand1_m.pdf...https://www.karker.de/index.html...Gruss,Ralf😘
den Stand der Ewigkeit eingetreten. Sie haben die Grenzlinie überschritten und sind
in jenen herrlichen Zustand versetzt, in welchem der Wechsel in ihrem irdischen
Dasein die Beständigkeit ihres inneren Lebens und der damit verbundenen Segnungen
nicht mehr trüben kann. „ A u f d a s s a l l e , d i e a n I h n g l a u b e n , n i c h t
v e r l o r e n g e h e n , s o n d e r n d a s e w i g e L e b e n h a b e n . “ (Joh. 3,15)
Es ist für uns von großer Wichtigkeit, allzeit dessen eingedenk zu sein, dass unsere
Stellung weder von unserer Erfahrung, noch von unseren Empfindungen abhängt. Letztere
sind einem steten Wechsel unterworfen, indem sie bald in ganzer Fülle, dem Vollmond
gleich, anwachsen, bald zu einer bloßen Sichel herabsinken, die traurig vom Firmament
herabblickt.
Aber wir sind von ihnen unter zwei Bedingungen unabhängig, welche die Grundlage
alles Friedens und aller Ruhe bilden.
Vor allem müssen wir lernen, im Willen aufzugeben, und dann uns daran zu
gewöhnen, im täglichen Leben das zu bewahrheiten, – nicht was w i r Gott gegenüber,
sondern was Er uns gegenüber ist, unveränderlich, fortlaufend in der Fülle Seines Segens,
heut und gestern und allezeit derselbe. „ E r b l e i b e t t r e u . “
So werden wir in dem Walten Gottes die Gewähr dafür finden, dass wir die Fülle eines
gottseligen Lebens in ihrer gegenwärtigen Vollendung, – tatsächlich schon besitzen.
F. B. Meyer...https://karker.de/download/vaeter/meyer/gnadenstand1_m.pdf...https://www.karker.de/index.html...Gruss,Ralf😘
Matthäus 28,20
Vor zweihundert Jahren lebte im Karmeliter Kloster zu Paris ein treuherziger Mann
(Bruder Laurentius), der, obwohl nur ein Koch von Beruf, eines der seltensten
Kleinodien Gottes war. Als er im Alter von achtzehn Jahren, mitten im Winter, seinen
Weg durch einen Wald nehmen musste, fuhr ihm ganz plötzlich der Gedanke durch den
Sinn, dass dieselben Bäume, welche nackt und kahl vor ihm standen, in nicht zu langer
Zeit eine volle Pracht herrlichen Blätterschmuckes zur Schau tragen, und in derselben
erglänzen würden. Mit einem Male wurde ihm klar, dass Gott hierbei sein müsse, und
wenn dem in diesem Falle so sei, dann müsse er auch überall sein, und so sprach er denn
zu sich selbst: „Er ist hier, ganz nahe bei mir, und Er ist überall, so dass ich nie wieder
außerhalb Seiner heiligen Allgegenwart sein kann.“ – Dieses Bewusstsein der Nähe und
Gegenwart Gottes wurde fortan einer der Grundgedanken seiner Seele, welcher ihn
niemals wieder auf längere Zeit verließ, so dass er ihn sorgsam in sich groß ziehen konnte,
bis er von seinem Innern völlig Besitz ergriffen, und sein ganzes Wesen umgestaltet hatte.
Es war das ein erhabener Gedanke, der für jeden Leser dieser Zeilen eine
außerordentliche Bedeutung gewinnen würde, wenn er sich eine fortlaufende Erfahrung
derselben Art aneignen wollte. Wir vermögen dies jedoch nicht zu tun, so lange noch die
Grundlage fehlt, auf der wir ein solches Gebäude aufrichten können, für die sich
schwerlich etwas passenderes finden ließe, als die köstlichen Worte, mit denen unser Herr
von Seinen Jüngern schied: Siehe Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“
(Matth. 28,20)
Welch eine Fülle von Seligkeit liegt nicht in dem hier beschriebenen Gnadenstande.
Nicht das er mit uns w a r , oder mit uns sein w i r d , sondern dass er mit uns i s t . Mögen
wir Ihn auch nicht immer sehen, oder Seine Gegenwart empfinden, mögen unsre Augen
durch Tränen getrübt, oder durch den falschen Glanz der bösen Welt geblendet worden
sein, mögen wir sogar, wie unser Herr selbst, in Augenblicken erdrückenden Kummers uns
von Gott verlassen vorkommen, und in Angst aufschreien, gleich unseren lieben Kleinen,
die von dem Schrecken der Finsternis gepackt, ganz vergaßen,·dass ihnen die Mutter zur
Seite sitzt; – trotzdem kann nichts die Tatsache ändern, dass Er mit uns ist und uns
bemitleidet, sich nach uns sehnt, und nur auf den Augenblick wartet, wann Er durch ein
Zeichen, – wie bei den Emmaus – Jüngern, – oder durch den Klang Seiner Stimme, wie bei
der am leeren Grabe weinenden Maria, uns mit dem freudigen Bewusstsein erfüllen kann,
dass Er uns nahe ist. Glücklich die Seele, die gelernt hat, im Glauben zu sagen, wenn sie
es nicht aus den Gefühlen heraus vermag: „Herr, Du bist nahe.“ (Ps. 119,151)
„ A l l e T a g e . “ – In den Wintertagen, wo alle Freuden entflohen sind, in trüben
Tagen, wo die Wolken sich immer und immer wieder nach dem Regen ansammeln, in
Tagen von Krankheit und Schmerz, in Tagen der Versuchung und Verlegenheit, – ebenso
gut als wie in den Tagen, wo das Herz voll von Freuden ist, gleich den Wäldern, welche
zur Frühlingszeit voll des Gesanges sind. Der Tag wird niemals kommen, wo der Herr
Jesus den Heiligen Gottes nicht zur Seite stehen würde. Der Geliebte und Freund können
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uns wohl vom Feuer zusehen, Er aber geht neben ihnen durch das Feuer. Er durchwatet
mit ihnen die Flüsse, Er ist bei ihnen, wenn sie dem Löwen gegenüberstehen. Wir können
nie allein sein. Bei all' unsern Berechnungen müssen wir immer Seine Hilfsquellen mit in
Betracht ziehen, als hörten wir Ihn uns gegenüber die Worte brauchen, welche Alexander
seinen Soldaten sagte, als sie sich ob der Übermacht des Feindes beklagten: „Wie hoch
veranschlagt ihr denn M i c h ? “
Nun, können wir uns denn nicht irgendwie die Gewohnheit aneignen, allzeit jener
herrlichen Tatsachen eingedenk zu sein, und dem mächtigen Strome zu folgen, der hier
seinen Ursprung nimmt? Ich denke, dass wir es können, sobald wir uns nur die
nachstehenden Weisungen gesagt sein lassen.
Wir sollten nie am Morgen unser Gebetskämmerlein verlassen, ohne uns in
Gedanken mit der Tatsache der Gegenwart Gottes auf's tiefste und nachdrücklichste
vertraut gemacht zu haben, dass Er mit uns ist, uns von allen Seiten umgibt und den
Raum derart buchstäblich füllt, wie das mit Seiner Gegenwart im Himmel der Fall ist.
Vielleicht führt es in den ersten Zeiten zu keinen sichtbaren Ergebnissen; aber je größere
Anstrengungen wir machen, um uns der Gegenwart Gottes bewusst zu werden, desto
mehr ergibt sich hieraus für uns eine vollendete Tatsache. Und je mehr es uns zur
Gewohnheit wird, – wenn wir allein im Zimmer sind, oder wenn wir auf dem grünen Rasen
irgend eines Tempels der Natur wandeln, oder die steinige Straße entlang gehen, in der
Stille der Nacht, oder inmitten des geräuschvollsten Gewühls des Tages, desto öfteres
sollten wir uns dazu gedrängt fühlen, die Worte vor uns zu flüstern: „Herr, Du bist nahe;
Herr, Du bist hier.“
Ferner sollten wir uns bestreben, der Tatsache von Gottes Gegenwart eingedenk
zu sein, wann immer wir eine neue Verpflichtung eingehen, oder eine andere Stelle
einnehmen wollen; wenn wir uns hinsetzen, einen Brief zu schreiben, oder uns
anschicken, eine Reise anzutreten, oder mit einem Freunde zusammen zu treffen. Dem
Manne, von dem wir am Anfange dieses Abschnittes lesen, war seine Küche ein eben solch
heiliger Ort, wie die Kirche. Täglich, ehe er sich an seine Arbeit machte, hatte er sein
trauliches Gespräch mit Ihm. Er begann seine Obliegenheiten, Stück für Stück mit stillem
Gebet. Wie nun die Arbeit vorwärts ging, erhob er sein Herz wieder im Gebet zum Herrn;
war dieselbe beendet, dann dankte er für die empfangene Hilfe, oder bekannte die
begangenen Sünden. So wurde der Kochherd mit seinen Töpfen und Pfannen, seiner Hitze
und all den Küchen – Gerüchen für ihn der Eingang zum Himmel; und die Seele war
inmitten der Erfüllung seiner Berufspflichten ebenso sehr eins mit Gott, als wenn er sich in
seinem Zimmer allein befand.
Wenn wir uns, soviel wir nur können, an Gott erinnern, und Ihn bitten, uns zu
vergeben, sobald wir lange Stunden verstreichen ließen, in denen wir Seiner nicht
gedacht, so wird uns diese Gewohnheit durch fortgesetzte Übung zu einer leichten und
natürlichen, – zu einer Art zweiten Natur werden.
Und dann sollten wir unser Möglichstes tun, diese Überzeugung immer mehr in
uns wurzeln zu lassen, indem wir der Gewohnheit pflegen, laut mit Gott zu reden, wie wir
solches mit einem Freunde tun würden; auf die natürlichste Weise, auch wenn es sich um
die aller geringfügigsten Vorfälle des täglichen Lebens handelt. Wie viel entbehren nicht
die, welche mit Gott nur auf den Knien, oder bei besonderen Gelegenheiten sprechen!
Solche Zeiten müssen wir alle haben. Wir können sie jedoch durch eine Kette von heiliger
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und liebevoller Unterhaltung mit einander verbinden, wenn wir in stetem Umgange mit
Ihm stehen, der in Seiner bis in's Kleinste gehenden Fürsorge sogar die Haare auf unsrem
Haupte gezählt hat.
Gewiss wandelte auch Henoch auf diese Weise mit Gott. Und dasselbe war es, was
Bischof Taylor in den Stand setzte zu sagen: „Ich bin ein Zeuge dessen, dass der Herr
Jesus lebt; dass Er eine P e r s o n , und obgleich unsichtbar, dennoch zugänglich ist. Ich
habe p e r s ö n l i c h e Bekanntschaft mit einem p e r s ö n l i c h e n Heiland mehr als 43
Jahre hindurch gehabt.“
Es gibt indessen Zeiten, wo wir, wie nie zuvor, besonderen Trost aus diesem
erhabenen Bewusstsein schöpfen können.
Im Gebet: „Ps. 145,18“;
im tiefen Sündenschmerz: „Jes. 1,8“;
in quälendem Gram: „Ps. 34,18“;
in Stunden der Verlegenheit: „Luk. 24,15“;
in Tagen der Gefahr: „2. Kön. 6,16“;
bei herantretenden Versuchungen: „Ps. 119,151.152“.
Und wir können immer auf die Hilfe des heiligen Geistes rechnen, dessen Aufgabe es
ist, uns an das zu erinnern, was wir sonst vergessen würden, und das in uns zur vollen
Wahrheit werden zu lassen, was uns, bei der Unvollkommenheit unsrer Natur, verwischt
und unklar erscheinet.
Dieses soll zum Wenigsten jetzt, in den Tagen unserer Pilgerfahrt unser Trost sein,
dass Seine Gegenwart immer mit uns geht, wie sie mit Moses gegangen ist, und jene
Gegenwart ist: Manna und Wasser, Schutz und Geleit, Erlösung und Ruhe. „Vor Dir ist
Freude die Fülle, und liebliches Wesen zu Deiner Rechten ewiglich.“ Ps. 16,11.
„ I c h b i n b e i e u c h a l l e T a g e .