Der Heilige Geist im Leben Christi
I. Die Geburt Christi
Der Heilige Geist war an der Empfängnis des Herrn im Leib der Jungfrau Maria
beteiligt. Er war es, der die Menschwerdung bewirkte (Lk 1,35).
II. Das Leben Christi
a) Aspekte des Wirkens des Geistes
1. Christus war voll Heiligen Geistes (Lk 4,1). Das war, wie wir aus der Wort
wahl schließen können, ein Grundmerkmal seines Lebens (siehe auch Apg 6,3.5).
Es war keine vorübergehende Begabung, sondern eine lebenslange Beziehung.
2. Christus war vom Geist gesalbt (Lk 4,18; Apg 4,27; 10,38; Hebr 1,9). Des
halb ist er der Messias (der Gesalbte) und zu seinem prophetischen Dienst gerüstet.
3. Christus frohlockte im Geist (Lk 10,21). Dies konnte er nur, weil er voll des
Geistes war.
4. Christus war von der Kraft des Geistes erfüllt. Wie Jesaja vorhersagt (Jes
42,1-4; 61,1-2), erfuhr Jesus von Nazareth in seiner Lehre (Lk 4,18) und in seinen
Wundern (Mt 12,28) die Kraft des Geistes.
b) Wirkensbereiche des Geistes
1. Der Geist war am prophetischen Wirken Christi beteiligt. Wie Jesus zu Be
ginn seines öffentlichen Wirkens erklärte, war der Geist des Herrn auf ihm, um das
Gnadenjahr des Herrn auszurufen (Lk 4,18).
2. Der Geist befähigte ihn zu vielen seiner Wunder. Einige seiner Wunder wirkte
der Herr zweifellos in der Kraft des Geistes. Dieser Anspruch Christi führte zu dem
Vorfall mit der unverzeihlichen Sünde (Mt 12,28.31). Er gab den Blinden das Au
genlicht, weil der Geist auf ihm war (Lk 4,18). Im Alten Testament war es Gott
selbst vorbehalten. Blinde sehend zu machen (2Mo 4,11; Ps 146,8). Der Messias
würde dieses Wunder vollbringen (Jes 29,18; 35,5; 42,7). Indem der Herr Blinden
das Augenlicht gab, erhob er den eindeutigen Anspruch, der langersehnte Messias
zu sein. Vermutlich war das Wirken des Geistes (Salbung und Ermächtigung) bei
592 TeII 11: Der HEiliQE CeIst
diesen Wundern, welche Jesus als den Messias offenbarten, in besonderem Maße
spürbar.
Im gesamten Alten Testament finden wir keinen Bericht, wo ein Blinder sehend
wurde. Kein Jünger des Herrn konnte jemals ein solches Wunder vollbringen. Ein
zig Ananias war maßgeblich daran beteiligt, Paulus das Augenlicht wiederzuschenken, Christus aber heilte Blinde, die noch nie gesehen hatten. Indem Christus auf
trat und viele Blinde sehend machte, bewies er eindeutig sein Messiastum.
Im Neuen Testament wird viel öfter von Blindenheilungen berichtet als von an
deren Wundem. Matthäus schreibt von der Heilung zweier Blinder (9,27-31), vie
len anderen Blindenheilungen (11,5), der Heilung der Blinden, welche die unver
zeihliche Sünde auslöste (12,22), einer ungenannten Zahl weiterer Blindenheilun
gen (15,30) und der Heilung der Blinden im Tempel am Psalmsonntag (21,14).
Markus berichtet, wie Jesus einem Blinden in Bethsaida die Augen öffnete (Mk
8,22-26) und wie er bei Jericho Bartimäus und seinem Freund das Augenlicht
schenkte (10,46-52, diese Begebenheit finden wir auch bei Matthäus und Lukas).
Johannes erzählt von der Heilung des Blindgeborenen (Joh 9). Alle diese Wunder
wurden in der Kraft des Geistes vollbracht.
Andere Wunder wirkte der Herr offenbar in seiner eigenen Kraft als GottMensch. Die blutfiüssige Frau wurde durch seine eigene Kraft geheilt (Mk 5,30).
Die Heilung des Gelähmten, den seine Freunde durch das Dach hinabließen, wird
der Kraft des Herrn zugeschrieben (Lk 5,17). Die Massenheilungen nach der Er
wählung der Jünger geschahen in seiner eigenen Kraft (6,19). Die Soldaten, die ihn
in Gethsemane verhaften wollen, weichen vor der Macht seiner Göttlichkeit zurück,
als er sagt: „ICH BIN" (Joh 18,6).
Manchmal wird behauptet, diese Wunder würden Christus zugeschrieben, sind
aber in Wahrheit Werke des Geistes, der in ihm war. Das könnte zwar der Fall sein,
ist aber im Text nicht nahegelegt. Logischer ist es, einige seiner Wunder der Kraft
des Geistes zuzuschreiben (vor allem jene, die ihn als Messias offenbarten, indem
er Blinde sehend machte) und andere seiner eigenen Kraft.
c) Der Streit über das Wirken des Geistes: Lästerung des Geistes
Matthäus 12,22-37 und Markus 3,22-30 berichten von einem Streit über die Macht
des Geistes, der sich in Galiläa zutrug, während Lukas von einem ähnlichen Vorfall
etwa ein Jahr später in Judäa erzählt (11,14-23).
Der in Matthäus und Markus berichtete Streit entstand, weil der Herr einen Mann
heilte, der sowohl blind als auch stumm war (wahrscheinlich war er noch dazu
taub). Der wahre Grund seiner Behinderung war aber Besessenheit. Jüdische Exor
zisten konnten zwar Dämonen austreiben, vermochten in diesem Fall aber nichts
auszurichten, denn wie kann man mit einem Blinden und Stummen, der womöglich
noch taub ist, in Kontakt treten? Als der Herr diese Behinderungen auf einen
Schlag heilte, staunten die Menschen und ahnten, daß Jesus wirklich der Messias
war. Das provozierte die gotteslästerliche Anschuldigung der Pharisäer, der Satan
61. Der HEiliqE CeIst i\i LeBen ClnRiSTi 595
wirke durch seinen Verbündeten Jesus, indem er selbst den Dämonen befahl, die
Menschen zu verlassen, damit es so aussah, als hätte Christus die Macht dazu. Wer
würde Jesus noch folgen, der offenbar mit dem Teufel im Bunde stand?
Die Antwort des Herrn besteht aus drei Klarstellungen.
(1) Ein Reich oder eine Familie, die gespalten sind, können nicht bestehen. Der
Teufel wird doch nicht sein eigenes Reich zerstören, indem er sich dem Reich Jesu
anschließt. Zwar gestattete es der Teufel den jüdischen E.xorzisten, Dämonen auszu
treiben, das führte aber nicht zu einer so grundlegenden Spaltung seines Reiches,
wie es das Wirken Jesu täte, würde sich Jesus wirklich der Macht Satans bedienen.
(2) Die Anschuldigung der Pharisäer ist absurd, weil von den jüdischen Exorzi
sten niemand behauptete, sie würden durch die Macht des Teufels die Dämonen
austreiben. Warum wurde diese Anschuldigung ausgerechnet gegen Jesus erhoben?
(3) Es gibt nur eine logische Schlußfolgerung: Das Reich Gottes war gekommen,
denn Jesus besiegte den Teufel, indem er ihm seine Opfer durch die Macht des
Heiligen Geistes entriß.
Indem sie Jesus beschuldigten, mit dem Satan im Bunde zu sein, hatten sich die
Pharisäer selbst auf die Seite des Teufels gestellt. Außerdem richteten sich ihre
Worte gegen den Heiligen Geist, in dessen Kraft Christus die Dämonen austrieb.
Was meinte der Herr, indem er sagte, eine Sünde gegen den Menschensohn kann
vergeben werden, eine Sünde gegen den Geist nicht? Die Pharisäer mochten seine
Ansprüche mißverstehen, ein zwar schwerwiegender, aber verzeihlicher Irrtum. Die
Macht des Geistes mißzuverstehen war allerdings unverzeihlich, weil die Kraft und
das Werk des Geistes aus dem Alten Testament hinlänglich bekannt waren.
Lästerung des Geistes ist nicht allein eine Zungensünde. Die Pharisäer hatten
sich nicht nur mit Worten versündigt, ihre Zungensünde hatte vielmehr eine Her
zenssünde aufgedeckt. Außerdem begingen sie diese Sünde vor dem Angesicht des
menschgewordenen Christus. Diese besondere Sünde konnte nur in der persönli
chen und sichtbaren Gegenwart Christi auf Erden begangen werden, heute kann
niemand diese Sünde tun. Herzenshärtigkeit ist aber in jedem Falle unverzeihlich,
sofern man in diesem Zustand stirbt. Unser ewiges Schicksal entscheidet sich in
diesem Leben, aber solange wir atmen, ist keine Sünde unverzeihlich. Der Herr rief
die Pharisäer dazu auf, sich an seine Seite zu stellen (Mt 12,30), Herzensbuße zu
tun (V. 33-35) und durch ihre Worte eine gerechte Einstellung zu bekunden, welche
nicht zu ihrer Verurteilung führen mußte (V. 36-37). Paulus selbst ist ein Beweis
dafür, daß Lästerung verzeihlich ist (ITim 1,13).
d) Die Bedeutung des Geisteswirkens
1. Christus wuchs im Geiste. Aller Wahrscheinlichkeit nach spielte der Geist in
der menschlichen Entwicklung Jesu eine Rolle (Lk 2,52; Hebr 5,8). Sein Wachstum
mußte mit dem Geist zu tun haben, der ihn erfüllte und salbte.
2. Christus lebte in Abhängigkeit vom Geist. Christus ließ sich vom Herrn leiten
und empfing die Kraft, zumindest für manche Wunder, vom Geist.
594 Teil 11; Der HEilige CeiST
Wenn der sündlose Sohn Gottes auf das Wirken des Geistes angewiesen war, wie
können wir glauben, ohne seine Kraft leben zu können?
III. Der Tod Christi
Hebräer 9,14 wird gewöhnlich als Beweis angeführt, daß der Herr sich selbst durch
den Geist opferte. Ob sich diese Stelle auf den Heiligen Geist bezieht, wird aller
dings ebensooft verneint wie bejaht, weshalb eine endgültige Schlußfolgerung
schwer zu treffen ist.
Viele Ausleger beziehen diese Stelle auf den Heiligen Geist. Vor „Geist" steht
im Grundtext kein Artikel (wörtlich: durch ewigen Geist), deshalb dürfte hier der
Heilige Geist gemeint sein, so wie der fehlende Artikel in 1,2 eindeutig auf Christus
hinweist.
Nachdem der Geist bei Christi Geburt und in seinem Leben eine Rolle spielte,
dürfte er auch an seinem Sterben beteiligt gewesen sein.
Andere Ausleger beziehen diese Stelle nicht auf den Heiligen Geist, sondern auf
Christi eigenen ewigen Geist, den er besaß, weil er Gott war. Weil der Heilige Geist
normalerweise mit Artikel verwendet wird, weist das Fehlen des Artikels eher auf
eine andere Bedeutung als auf die des Heiligen Geistes.
Sollte hier der ewige Geist Christi gemeint sein, so bedeutet diese Stelle nicht,
seine göttliche Natur hätte seine menschliche Natur geopfert, sondern die gesamte
Person opferte sich selbst durch den Willen der höchsten Geistesmacht in ihm. Sein
eigener göttlicher Geist war es, der den Gott-Menschen opferte.
Auch 1. Petrus 3,18 könnte sich auf das Wirken des Heiligen Geistes beim Tod
Christi beziehen. Meist wird diese Stelle aber auf das Wirken des Geistes bei der
Auferweckung Christi bezogen. Bei der Auslegung dieses Textes ergeben sich zwei
Hauptprobleme. Zum einen stellt sich die Frage, ob mit „Geist" hier der Heilige
Geist oder Christi eigener ewiger Geist gemeint ist. Die Präposition ist also entwe
der instrumental zu verstehen (durch den [Heiligen] Geist), oder aber sie ist lokativ
(im Geist [Christi]). Die Parallelkonstruktion mit „Fleisch" scheint eher die zweite
Auslegung zu begünstigen. Ist das der Fall, so verfugen wir über kein biblisches
Zeugnis zum Wirken des Heiligen Geistes beim Tod Christi oder bei seiner Aufer
stehung (außer wir legen Hebräer 9,14 dahingehend aus).
Selbst wenn hier der Heilige Geist gemeint ist, stehen wir einem zweiten Pro
blem gegenüber. Es handelt sich um die Auslegung des Aoristpartizips „lebendig
gemacht". Das Aoristpartizip wird für eine Handlung verwendet, die dem
Hauptzeitwort vorangeht oder gleichzeitig mit der Handlung des Hauptsatzes von
statten geht, niemals aber auf sie folgt. (Apostelgeschichte 25,13 ist keine Ausnah
me, denn das „Kommen" kann sich auf einen Zeitablauf beziehen, der unter ande
rem das Begrüßen umfaßte, oder der Gruß wurde vor der Ankunft überbracht.)
Wenn das Hauptzeitwort „gestorben" ist, kann sich das „Lebendigmachen" nicht
auf die Auferstehung beziehen, welche ja auf den Tod folgte. Es müßte dann eine
61. Der HEiliqE Geist im LeBen Chpisii 595
Stärkung am Kreuz gemeint sein (gleichzeitige Handlung). Ist das Hauptzeitwort
aber „führen", dann könnte mit „lebendig gemacht" die Auferweckung gemeint
sein, denn erst nach der Auferweckung Christi können wir in den Himmel kommen.
In diesem Fall ist die Auferstehung Christi gemeint. Im ersten Fall wäre von einer
Kräftigung oder Stärkung am Kreuz die Rede. Jedenfalls können wir nicht eindeu
tig sagen, ob sich die Stelle auf den Heiligen Geist oder auf den Geist Christi be
zieht.
Manchmal wird Römer 1,4 als Beweis dafür angesehen, daß der Heilige Geist an
der Auferstehung Christi beteiligt war. Wieder gibt es zwei exegetische Probleme.
Erstens, was ist der „Geist der Heiligkeit"? Die Parallele mit „dem Fleisch nach"
weist wieder auf Christi eigenen Geist hin, nicht auf den Geist Gottes. Die zweite
Frage ist, welche Auferstehung(en) gemeint ist/sind. Der Text spricht nur von einer
„Toten-Auferstehung", wobei „Tote" in der Mehrzahl steht. Gemeint sein könnte
(a) die Auferweckung Christi aus den Toten oder
(b) die Auferweckungen, die er während seiner Lebenszeit vollbracht hat oder
(c) alle Auferweckungen einschließlich seiner eigenen. Jedenfalls ist bei weitem
nicht sicher, ob der Heilige Geist direkt beteiligt war.
Es gibt also keine eindeutige Belegstelle für die direkte Beteiligung des Geistes
an Tod und Auferstehung unseres Herrn. Indem diese Ereignisse die zweite Person
der Gottheit betrafen, waren natürlich alle drei Personen im weitesten Sinne betei
ligt
für jeden der will,...(Teil 2)
07.04.2022 13:40
für jeden der will,...(Teil 2)
07.04.2022 13:40
für jeden der will,...(Teil 2)
Wer ist der Heilige Geist?
Oft wird das zwanzigste Jahrhundert als das Jahrhundert des Heiligen Geistes be
zeichnet. Aufstieg und Verbreitung der Pfingstgemeinden mit ihrer starken Beto
nung des Heiligen Geistes und auch die Ausbreitung der Äonentheorie mit ihrer
Betonung der Werke des Geistes sind charakteristisch für unsere Zeit. Aber auch
das Anliegen unseres Jahrhunderts für die Weltevangelisation bedingt die Notwen
digkeit, die Kraft des Geistes kennenzulernen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Be
achtung des Geistes, an sich etwas Gutes, ist aber nicht immer von der Schrift gelei
tet, weshalb es notwendiger denn je erscheint, die biblische Lehre über dieses The
ma aufmerksam zu untersuchen.
I. Er ist eine Person
Viele Menschen halten den Geist nicht für eine Person, sondern für die Personifi
zierung einer Kraft, ähnlich wie der Teufel als Personifizierung des Bösen betrach
tet wird. Die Personhaftigkeit des Geistes ist während der gesamten Kirchenge
schichte immer wieder geleugnet worden, zuerst von den Monarchianern, den Arianern und den Sozinianern und heute vom Unitarismus, den Liberalen und man
chen neoorthodoxen Theologen.
a) Er besitzt und beweist Eigenschaften einer Person
1. Er besitzt Vernunft. Er kennt und erforscht die Dinge Gottes (IKor 2,10-11). Er
besitzt einen Sinn (Rom 8,27) und kann die Menschen lehren (IKor 2,13).
2. Er zeigt Gefühle. Er kann durch sündhafte Handlungen von Gläubigen betrübt
werden (Eph 4,30). Ein Einfluß kann nicht betrübt werden.
3. Er hat einen Willen. Er setzt diesen Willen ein, um dem Leib Christi Gaben zu
verleihen (IKor 12,11). Er leitet die Christen auch in ihren Handlungen (Apg 16,6-
11).
Weil Verstand, Gefühl und Wille die Dinge sind, die eine Person ausmachen,
und weil der Geist diese drei Eigenschaften besitzt, muß er eine Person sein.
b) Er handelt wie eine Person
1. Er leitet uns in die Wahrheit, indem er hört, redet und verkündigt (Joh 16,13).
584 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
2. Er überfuhrt uns von der Sünde (Joh 16.8).
3. Er wirkt Wunder (Apg 8,39).
4. Er tritt für uns ein (Rom 8,26).
Diese Handlungen könnte ein Einfluß oder eine Personifizierung nicht vollfuh
ren, der Heilige Geist sehr wohl.
c) Ihm werden Dinge zugeschrieben, die nur von einer Person behauptet wer
den können
1. Wir sollen ihm gehorchen (Apg 10.19-21).
2. Wir können ihn belügen (Apg 5.3).
3. Wir können ihm widerstreben (Apg 7,51).
4. Wir können ihn betrüben (Eph 4,30).
5. Wir können ihn lästern (Mt 12,31).
6. Wir können ihn schmähen (Hebr 10,29).
Es ist widersinnig zu denken, man könne einem Einfluß in dieser Weise begeg
nen und auf ihn reagieren.
d) Er tritt als Person mit anderen Personen in Beziehung
1. Mit den Aposteln. Sein Umgang mit den Aposteln beweist seine eigenständige,
unabhängige Persönlichkeit (Apg 15,28). Er ist eine Person wie sie und dennoch
eigenständig und identifizierbar.
2. Mit Jesus. Seine Beziehung zum Herrn Jesus ist so gestaltet, daß der Geist Per
sönlichkeit haben muß, wenn der Herr sie hat. Und doch unterscheidet er sich von
Christus (Joh 16,14).
3. Mit anderen Personen der Dreieinheit. Er pflegt auf gleicher Stufe Beziehun
gen mit den anderen Personen der Dreieinheit (Mt 28,19; 2Kor 13,13).
4. Mit seiner eigenen Kraft. Der Geist wirkt durch seine eigene Kraft und wird
doch von ihr unterschieden, er kann also nicht die bloße Personifizierung einer
Kraft sein (Lk 4,14; Apg 10,38; IKor 2.4).
e) Eine grammatische Überlegung
Mehrmals im Neuen Testament bezeichnen die Autoren den Heiligen Geist (im
Griechischen ein sächliches Wort) mit einem männlichen Fürwort. Das deutlichste
Beispiel für diese Ausnahme von der üblichen Grammatik ist Johannes 16,13-14,
wo der Geist (V. 13) zweimal mit einem männlichen Fürwort bezeichnet wird. An
dere Stellen sind weniger klar, weil sich das männliche Fürwort auf „Beistand"
(paräklelos, männlich) beziehen kann (15.26; 16,7-8) oder auf das Wort
„Unterpfand" (ebenfalls männlich, Eph 1,14). Die eindeutige Ausnahme von der
normalen Grammatik in Johannes 16,13-14 beweist aber die Personhaftigkeit des
Geistes.
Alle diese biblischen Überlegungen weisen schlüssig nach, daß der Heilige Geist
eine Person ist, zwar ein Geistwesen, aber genauso wirklich als Person wie der Va
ter, der Sohn oder wir selbst.
59. Wer Ist cJer HEiliqE CeIst? 585
II. Er ist Gott
Der Geist ist nicht nur Person, sondern eine einzigartige Person, denn er ist Gott.
Persönlichkeitsbeweise sind nicht notwendigerweise Göttlichkeitsbeweise, Gött
lichkeitsbeweise aber sind zugleich Persönlichkeitsbeweise. Ist Gott eine Person
und ist der Geist Gott, dann ist auch er eine Person.
a) Seine Namen beweisen seine Göttlichkeit
Die göttlichen Namen des Geistes beweisen, daß er Gott ist. lömal wird er nament
lich mit den beiden anderen Personen der Dreieinheit verbunden (Apostelge
schichte 16,7, „der Geist Jesu" und 1. Korinther 6,11, „der Geist unseres Gottes".
Indem der Herr verspricht, einen „anderen Beistand" zu senden (Joh 14,16),
verwendet er ein Wort für „anderer", welches einen anderen von derselben Art
meint. Ist Christus Gott, dann ist auch der Geist, der andere Beistand, von derselben
Art, Gott.
b) Seine Eigenschaften sind Gott allein vorbehalten
Wie wir gesehen haben, besitzt der Geist Eigenschaften, die ihn als wirkliche Per
son beweisen. Es gibt auch Eigenschaften des Geistes, die Gott alleine vorbehalten
sind, weshalb sie seine Göttlichkeit bezeugen. Das sind Allwissenheit (Jes 40,13;
IKor 2,12), Allgegenwart (Ps 139,7) und Allmacht, gesehen in seinem Schöp
fungswerk (Hi 33,4; Ps 104,30).
Er ist auch Wahrheit, Liebe und Lebensspender, aber in relativer Weise könnte
das auch ein Mensch sein.
c) Seine Handlungen kann nur Gott alleine tun
1. Er war es, der die Jungfrauengeburt vollbrachte (Lk 135).
2. Er war es, der die Schrift inspirierte (2Petr 1,21).
3. Er war an der Erschaffung der Welt beteiligt (IMo 1,2). Wie bei anderen
Stellen im Alten Testament, wo vom „Geist Gottes" die Rede ist, müssen wir
uns fragen, ob hier wirklich die dritte Person der Dreieinheit gemeint ist oder
Gott als Geist, denn er ist Geist. Leupold gibt in seinem Kommentar zu Vers 2
eine wohldurchdachte Stellungnahme dazu ab: „Absolut kein anderer als der
Heilige Geist ist hier gemeint... Es war das volle Licht der neutestamentlichen
Offenbarung nötig, damit wir den Geist Gottes hier als den Heiligen Geist des
Neuen Testaments erkennen konnten, im Lichte dieses Wissens aber zögern
wir nicht zu glauben, daß auch die alttestamentliche Verwendung dieses Aus
drucks damit hell erleuchtet ist ... Ist es nicht naheliegend, daß der Geist der
Inspiration die Worte des Alten Testaments, welche über sein Wirken berich
ten, so gestaltet hat, daß angesichts der vollen neutestamentlichen Offenbarung
alle Aussagen über den Heiligen Geist in vollkommener Harmonie mit dieser
späteren Offenbarung stehen?" (H. C. Leupold: Exposition of Genesis
[Columbus: Wartburg 1942], S. 49-50).
586 lEil 11: Der HEiliqE CeIst
d) Seine Beziehungen zu den anderen Personen der Gottheit beweisen seine
Göttlichkeit
1. Der Geist ist Jahwe. Das Neue Testament setzt den Geist mit dem Jahwe des
Alten Testaments gleich, vor allem bei alttestamentlichen Zitaten, in denen Gott
spricht und die im Neuen Testament dem Geist zugeschrieben werden (vgl. Apg
28,25 mit Jes 6,1-13 und Hebr 10,15-17 mit Jer 31,31-34). Die neutestamentlichen
Autoren betrachten den Geist eindeutig als göttlich.
2. Der Geist und Gott. Lästerung des Geistes und Belügen des Geistes sind iden
tisch mit Gotteslästerung und Gottesbetrug (Mt 12,31-32; Apg 5,3-4).
3. Gleichheit. Der Geist wird auf gleiche Ebene gestellt wie der Vater und der
Sohn (Mt 28,19; 2Kor 13,13). In der Matthäusstelle wird dieser Beweis noch ver
stärkt, indem der Singular „Name" verwendet wird.
Der Geist ist eine Person, und er ist Gott
Oft wird das zwanzigste Jahrhundert als das Jahrhundert des Heiligen Geistes be
zeichnet. Aufstieg und Verbreitung der Pfingstgemeinden mit ihrer starken Beto
nung des Heiligen Geistes und auch die Ausbreitung der Äonentheorie mit ihrer
Betonung der Werke des Geistes sind charakteristisch für unsere Zeit. Aber auch
das Anliegen unseres Jahrhunderts für die Weltevangelisation bedingt die Notwen
digkeit, die Kraft des Geistes kennenzulernen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Be
achtung des Geistes, an sich etwas Gutes, ist aber nicht immer von der Schrift gelei
tet, weshalb es notwendiger denn je erscheint, die biblische Lehre über dieses The
ma aufmerksam zu untersuchen.
I. Er ist eine Person
Viele Menschen halten den Geist nicht für eine Person, sondern für die Personifi
zierung einer Kraft, ähnlich wie der Teufel als Personifizierung des Bösen betrach
tet wird. Die Personhaftigkeit des Geistes ist während der gesamten Kirchenge
schichte immer wieder geleugnet worden, zuerst von den Monarchianern, den Arianern und den Sozinianern und heute vom Unitarismus, den Liberalen und man
chen neoorthodoxen Theologen.
a) Er besitzt und beweist Eigenschaften einer Person
1. Er besitzt Vernunft. Er kennt und erforscht die Dinge Gottes (IKor 2,10-11). Er
besitzt einen Sinn (Rom 8,27) und kann die Menschen lehren (IKor 2,13).
2. Er zeigt Gefühle. Er kann durch sündhafte Handlungen von Gläubigen betrübt
werden (Eph 4,30). Ein Einfluß kann nicht betrübt werden.
3. Er hat einen Willen. Er setzt diesen Willen ein, um dem Leib Christi Gaben zu
verleihen (IKor 12,11). Er leitet die Christen auch in ihren Handlungen (Apg 16,6-
11).
Weil Verstand, Gefühl und Wille die Dinge sind, die eine Person ausmachen,
und weil der Geist diese drei Eigenschaften besitzt, muß er eine Person sein.
b) Er handelt wie eine Person
1. Er leitet uns in die Wahrheit, indem er hört, redet und verkündigt (Joh 16,13).
584 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
2. Er überfuhrt uns von der Sünde (Joh 16.8).
3. Er wirkt Wunder (Apg 8,39).
4. Er tritt für uns ein (Rom 8,26).
Diese Handlungen könnte ein Einfluß oder eine Personifizierung nicht vollfuh
ren, der Heilige Geist sehr wohl.
c) Ihm werden Dinge zugeschrieben, die nur von einer Person behauptet wer
den können
1. Wir sollen ihm gehorchen (Apg 10.19-21).
2. Wir können ihn belügen (Apg 5.3).
3. Wir können ihm widerstreben (Apg 7,51).
4. Wir können ihn betrüben (Eph 4,30).
5. Wir können ihn lästern (Mt 12,31).
6. Wir können ihn schmähen (Hebr 10,29).
Es ist widersinnig zu denken, man könne einem Einfluß in dieser Weise begeg
nen und auf ihn reagieren.
d) Er tritt als Person mit anderen Personen in Beziehung
1. Mit den Aposteln. Sein Umgang mit den Aposteln beweist seine eigenständige,
unabhängige Persönlichkeit (Apg 15,28). Er ist eine Person wie sie und dennoch
eigenständig und identifizierbar.
2. Mit Jesus. Seine Beziehung zum Herrn Jesus ist so gestaltet, daß der Geist Per
sönlichkeit haben muß, wenn der Herr sie hat. Und doch unterscheidet er sich von
Christus (Joh 16,14).
3. Mit anderen Personen der Dreieinheit. Er pflegt auf gleicher Stufe Beziehun
gen mit den anderen Personen der Dreieinheit (Mt 28,19; 2Kor 13,13).
4. Mit seiner eigenen Kraft. Der Geist wirkt durch seine eigene Kraft und wird
doch von ihr unterschieden, er kann also nicht die bloße Personifizierung einer
Kraft sein (Lk 4,14; Apg 10,38; IKor 2.4).
e) Eine grammatische Überlegung
Mehrmals im Neuen Testament bezeichnen die Autoren den Heiligen Geist (im
Griechischen ein sächliches Wort) mit einem männlichen Fürwort. Das deutlichste
Beispiel für diese Ausnahme von der üblichen Grammatik ist Johannes 16,13-14,
wo der Geist (V. 13) zweimal mit einem männlichen Fürwort bezeichnet wird. An
dere Stellen sind weniger klar, weil sich das männliche Fürwort auf „Beistand"
(paräklelos, männlich) beziehen kann (15.26; 16,7-8) oder auf das Wort
„Unterpfand" (ebenfalls männlich, Eph 1,14). Die eindeutige Ausnahme von der
normalen Grammatik in Johannes 16,13-14 beweist aber die Personhaftigkeit des
Geistes.
Alle diese biblischen Überlegungen weisen schlüssig nach, daß der Heilige Geist
eine Person ist, zwar ein Geistwesen, aber genauso wirklich als Person wie der Va
ter, der Sohn oder wir selbst.
59. Wer Ist cJer HEiliqE CeIst? 585
II. Er ist Gott
Der Geist ist nicht nur Person, sondern eine einzigartige Person, denn er ist Gott.
Persönlichkeitsbeweise sind nicht notwendigerweise Göttlichkeitsbeweise, Gött
lichkeitsbeweise aber sind zugleich Persönlichkeitsbeweise. Ist Gott eine Person
und ist der Geist Gott, dann ist auch er eine Person.
a) Seine Namen beweisen seine Göttlichkeit
Die göttlichen Namen des Geistes beweisen, daß er Gott ist. lömal wird er nament
lich mit den beiden anderen Personen der Dreieinheit verbunden (Apostelge
schichte 16,7, „der Geist Jesu" und 1. Korinther 6,11, „der Geist unseres Gottes".
Indem der Herr verspricht, einen „anderen Beistand" zu senden (Joh 14,16),
verwendet er ein Wort für „anderer", welches einen anderen von derselben Art
meint. Ist Christus Gott, dann ist auch der Geist, der andere Beistand, von derselben
Art, Gott.
b) Seine Eigenschaften sind Gott allein vorbehalten
Wie wir gesehen haben, besitzt der Geist Eigenschaften, die ihn als wirkliche Per
son beweisen. Es gibt auch Eigenschaften des Geistes, die Gott alleine vorbehalten
sind, weshalb sie seine Göttlichkeit bezeugen. Das sind Allwissenheit (Jes 40,13;
IKor 2,12), Allgegenwart (Ps 139,7) und Allmacht, gesehen in seinem Schöp
fungswerk (Hi 33,4; Ps 104,30).
Er ist auch Wahrheit, Liebe und Lebensspender, aber in relativer Weise könnte
das auch ein Mensch sein.
c) Seine Handlungen kann nur Gott alleine tun
1. Er war es, der die Jungfrauengeburt vollbrachte (Lk 135).
2. Er war es, der die Schrift inspirierte (2Petr 1,21).
3. Er war an der Erschaffung der Welt beteiligt (IMo 1,2). Wie bei anderen
Stellen im Alten Testament, wo vom „Geist Gottes" die Rede ist, müssen wir
uns fragen, ob hier wirklich die dritte Person der Dreieinheit gemeint ist oder
Gott als Geist, denn er ist Geist. Leupold gibt in seinem Kommentar zu Vers 2
eine wohldurchdachte Stellungnahme dazu ab: „Absolut kein anderer als der
Heilige Geist ist hier gemeint... Es war das volle Licht der neutestamentlichen
Offenbarung nötig, damit wir den Geist Gottes hier als den Heiligen Geist des
Neuen Testaments erkennen konnten, im Lichte dieses Wissens aber zögern
wir nicht zu glauben, daß auch die alttestamentliche Verwendung dieses Aus
drucks damit hell erleuchtet ist ... Ist es nicht naheliegend, daß der Geist der
Inspiration die Worte des Alten Testaments, welche über sein Wirken berich
ten, so gestaltet hat, daß angesichts der vollen neutestamentlichen Offenbarung
alle Aussagen über den Heiligen Geist in vollkommener Harmonie mit dieser
späteren Offenbarung stehen?" (H. C. Leupold: Exposition of Genesis
[Columbus: Wartburg 1942], S. 49-50).
586 lEil 11: Der HEiliqE CeIst
d) Seine Beziehungen zu den anderen Personen der Gottheit beweisen seine
Göttlichkeit
1. Der Geist ist Jahwe. Das Neue Testament setzt den Geist mit dem Jahwe des
Alten Testaments gleich, vor allem bei alttestamentlichen Zitaten, in denen Gott
spricht und die im Neuen Testament dem Geist zugeschrieben werden (vgl. Apg
28,25 mit Jes 6,1-13 und Hebr 10,15-17 mit Jer 31,31-34). Die neutestamentlichen
Autoren betrachten den Geist eindeutig als göttlich.
2. Der Geist und Gott. Lästerung des Geistes und Belügen des Geistes sind iden
tisch mit Gotteslästerung und Gottesbetrug (Mt 12,31-32; Apg 5,3-4).
3. Gleichheit. Der Geist wird auf gleiche Ebene gestellt wie der Vater und der
Sohn (Mt 28,19; 2Kor 13,13). In der Matthäusstelle wird dieser Beweis noch ver
stärkt, indem der Singular „Name" verwendet wird.
Der Geist ist eine Person, und er ist Gott
Kommentare
Sulzbacher 07.04.2022 13:43
Die Innewohnuns des Geistes
Wie wir im vorletzten Kapitel zu Johannes 14,17 bemerkten, hat das Wirken des
Geistes seit seinem Kommen am Pfmgsttag eine neue Dimension erhalten. Von
grundlegender Bedeutung für dieses neue Wirken ist die Innewohnung des Geistes
in den Gläubigen, denn sie bildet die Basis für sein übriges Wirken an den Christen.
I. Der Geist wohnt in allen Gläubigen
Paulus spricht nicht nur vom Geist in (griech. en) den Gläubigen, er spricht vom
Geist, der in den Gläubigen wohnt {oikeo, Rom 8,9; IKor 3,16; in 6,19 steht die
Präposition allein).
a) Die Innewohnung des Geistes ist eine Gottesgabe für alle Gläubigen
Wie wir aus vielen Bibelstellen wissen, ist der Geist ein Geschenk Gottes an alle
Gläubigen, nicht nur an einige Auserwählte (Joh 7,39; Apg 11,16-17; Rom 5,5;
IKor 2,12; 2Kor 5,5). Das ist nicht anders zu erwarten, denn ein Geschenk ist keine
Belohnung, sondern grundsätzlich unverdient.
b) Jeder, in dem der Geist nicht wohnt, ist noch unerlöst
Den heiligen Geist nicht zu besitzen ist dasselbe, wie nicht zu Christus zu gehören,
stellt Paulus fest (Rom 8,9). Judas spricht von den Abtrünnigen als von jenen, die
den Geist nicht haben (Jud 19) und die „irdisch" sind. Dasselbe Wort kommt in 1.
Korinther 2,14 vor, wo ebenfalls von unerlösten Menschen die Rede ist. Der irdi
sche oder natürliche Mensch ist unerlöst und hat den Geist nicht. Deshalb ist die
Gabe des Geistes ein Merkmal aller Wiedergeborenen.
c) Der Geist wohnt auch in sündigen Gläubigen
Ob alle Christen den Heiligen Geist haben oder nicht, erkennt man am besten dar
an, ob der Geist in sündigen Christen wohnt. Das ist eindeutig der Fall. 1. Korinther
6,19 ist an eine geistlich buntgemischte Gruppe gerichtet, von denen manche treff
liche Christen waren, andere aber in weltlicher und fleischlicher Gesinnung verharr
ten. Doch Paulus behauptet nicht, der Geist wohne nur in den geistlich Gesinnten.
Ein Bruder aus dieser Gemeinde, der nach dem Urteil des Apostels Paulus gläubig
62. DiE iNNEwohNUNq dES CeIstes 597
war (5,5), lebte in schwerer Sünde. Andere bekämpften einander vor Gericht (Kap
6). Dennoch sagt Paulus, der Geist war „in" ihnen allen (V. 19). Diese Aussage gilt
ausnahmslos, ja, er verwendet die Innewohnung des Geistes als Grundlage für sei
nen Aufruf zu einem heiligen Leben. Der Heilige Geist wohnt eindeutig in allen
Gläubigen, allerdings nur in den Gläubigen.
II. Die Innewohnung des Geistes ist unaufhebbar
Manche Christen geben zwar zu, daß der Geist in allen Gläubigen wohnt, behaup
ten aber, er könne sich aufgrund bestimmter Sünden von einem Gläubigen zurück
ziehen. Sie glauben an die Innewohnung des Geistes, leugnen aber deren Unaufhebbarkeit.
Sollte es eine Sünde geben, die den Heiligen Geist aus einem Gläubigen vertrei
ben könnte, muß sie Jedenfalls schwerwiegender sein als die Blutschande in Kapitel
5 oder die Gerichtsklagen in Kapitel 6, denn Paulus schließt die davon Betroffenen
nicht von der Innewohnung des Geistes aus (V. 19).
Ein Christ, in dem der Heilige Geist nicht mehr wohnt, ist nach Römer 8,9 kein
Christ mehr. Der Geist kann einen Gläubigen nicht verlassen, ohne ihn in seinen
verlorenen und unerlösten Zustand zurückzustoßen. Wer die Innewohnung des
Geistes verliert, verliert zugleich sein Heil, und um sein Heil zu verlieren, muß er
vom Heiligen Geist verlassen werden. Die ewige Sicherheit des Gläubigen und die
Unaufhebbarkeit der Innewohnung des Geistes sind untrennbar miteinander ver
knüpft.
Unser Heiland hat uns versprochen, zum Vater zu beten, um einen anderen Bei
stand zu senden, „daß er bei euch sei in Ewigkeit" (Joh 14,16). Natürlich beein
trächtigt Sünde das Wirken des Geistes im Gläubigen, sie kann ihn aber niemals
dazu bringen, den Gläubigen zu verlassen.
III. Einige Probleme im Zusammenbang mit der Innewohnung des
Geistes
a) Ist Gehorsam nicht Bedingung für die Innewohnung?
Petrus sagt vom Heiligen Geist, daß Gott ihn allen gegeben hat, die ihm gehorchen
(Apg 5,32). Ist also Gehorsam eine Bedingung für die Gabe des Geistes, haben nur
bestimmte (d. h. gehorsame) Gläubige den Geist? Ja, wenn wir Gehorsam so ver
stehen, wie Petrus ihn verstand. Er verteidigt sich vor dem Hohen Rat, der aus un
gläubigen Juden bestand, und beendet seine Rede durch einen Aufruf zum Gehor
sam. Welchen Gehorsam? Ganz sicher hatte der Gehorsam des Hohen Rates nichts
mit Gehorsam in den Fragen des Christseins zu tun, denn sie waren keine Christen.
Mit Gehorsam meint Petrus hier den Glauben an Jesus Christus als den wahren
Messias. Wenig später kamen einige Priester in Jerusalem zum Glauben, und Lukas
schreibt, viele von den Priestern wurden dem Glauben gehorsam (6,7).
598 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
Es gibt zwei weitere Stellen, in denen Gehorsam den Glauben an die Erlösung
durch Christus bedeutet. Paulus arbeitete in der Mission unter den Heiden, um den
Gehorsam des Glaubens an seinen Namen unter allen Völkern aufzurichten (Röm
I,5). Nach dem Hebräerbrief wurde Christus der Urheber ewigen Heils für alle, die
ihm gehorchen (Hebr 5,9). Richtig verstandener Gehorsam (nämlich Gehorsam
dem Evangelium gegenüber) ist eine Bedingung für die Gabe des Geistes.
b) Gibt es nicht Beispiele von Menschen, die der Heilige Geist verlassen hat?
Das stimmt, sie alle lebten aber vor Pfingsten (ISam 16,14; vielleicht Ps 51,13; Lk
II,13; Joh 20,22). Nachdem der Geist am Pfingsttag gekommen war, gibt es solche
Beispiele nicht mehr. Weil der Geist vor Pfingsten auf andere Weise wirkte, können
wir durch diese Ereignisse nichts über sein Wirken nach Pfingsten beweisen, als der
Geist kam, um auf immer im Gläubigen Wohnung zu nehmen.
c) Haben die Samariter den Geist erst nach ihrer Bekehrung bekommen (Apg
8,14-17)?
Die Samariter haben den Geist eindeutig nicht sofort bekommen, die Frage ist nur
warum. Manche behaupten, das sei ein Beweis dafür, daß der Geist einige Zeit nach
der Bekehrung kommt und nicht unbedingt in allen Gläubigen Wohnung genom
men hat. Andere setzen diese Gabe des Geistes mit der Fülle des Geistes gleich.
Wieder andere sehen hier einen Sonderfall, weil die Samariter die ersten Nichtjuden
waren, welche in die Gemeinde aufgenommen wurden. Diese Beobachtung ist zu
treffend: Die Samariter waren ein Mischvolk von Juden und Heiden. Die Heiden
selbst erhielten den Geist in Apostelgeschichte 10,44 im selben Augenblick, als sie
gläubig wurden.
Die beste Erklärung für die Verzögerung im Falle der Samariter liegt in der Re
ligionsabspaltung dieser Volksgruppe. Ihre Religion stand im Widerspruch mit dem
Jerusalemer Tempelkult, darum mußte Gott ihnen beweisen, daß ihr neuer christli
cher Glaube nicht im Widerstreit mit der Gemeinde in Jerusalem liegen durfte. Am
besten konnte er den samaritischen Gläubigen beweisen, daß sie zur selben Ge
meinschaft gehörten wie die Jerusalemer Christen (und am besten konnte er die Je
rusalemer Gemeindeleiter überzeugen, daß die Samariter wirklich errettet waren),
indem der Heilige Geist erst auf sie kam, als Petrus und Johannes aus Jerusalem in
Samarien eintrafen. Diese Verzögerung und die Mitwirkung von Petrus und Johan
nes an der Gabe des Geistes bewahrte die Urgemeinde davor, zwei rivalisierende
Muttergemeinden zu haben.
d) Beweist Apostelgeschichte 19,1-6 nicht, daß die Innewohnung auf die Be
kehrung folgt?
Um diese Frage zu bejahen, müssen die zwölf Johannesjünger bereits Christen ge
wesen sein, als sie in Ephesus dem Apostel Paulus begegneten. Das ist aber nicht
der Fall. Sie wurden nicht an Jesus gläubig, indem sie die Botschaft Johannes des
Täufers annahmen und seine Taufe empfingen, sie wurden erst Christen, als Paulus
62. DiE lNNEWolH\L\q dES CeIstes 599
ihnen den Unterschied zwischen Johannes und Jesus erklärte. Aus dem Text wissen
wir nicht, ob sie die Botschaft Johannes des Täufers überhaupt richtig verstanden
hatten. Als sie aber die Predigt des Apostels Paulus verstanden und annahmen, er
hielten sie durch die Handauflegung des Apostels sofort den Heiligen Geist. Es gab
keine Verzögerung.
Die normale Abfolge für Heiden, die sich zum Glauben bekehrten, sehen wir be
reits im Hause des Kornelius, wo der Geist auf die Menschen fiel, während Petrus
noch predigte und bevor sie die Wassertaufe empfingen (10.44.47).
e) Wie hängen Innewohnung und Salbung zusammen?
Die alttestamentliche Salbung ist eine feierliche Handlung, durch die ein Mensch
oder eine Sache heilig und unantastbar wurde (2Mo 40.9-15). Sie steht im Zusam
menhang mit dem Heiligen Geist und mit der Zurüstung zum Dienst (ISam 10.1.9;
Sach 4,1-14).
Im Neuen Testament ist Christus der Gesalbte (Lk 4.18; Apg 4.27; 10.38; Hebr
1,9), und auch die Gläubigen sind gesalbt (2Kor 1.21; IJo 2.20.27). Die Salbung
der Gläubigen dürfte etwas Einmaliges und Bleibendes sein. Während die alttesta
mentliche Salbung mehr mit Dienst zu tun hatte (ebenso die Salbung Christi), be
zieht sich die Salbung der neutestamentlichen Gläubigen auf eine Beziehung, die
uns zum Verständnis der Wahrheit befähigt. Die alttestamentliche Salbung dürfte
mehr mit der Fülle des Geistes zu tun haben, die neutestamentliche mit der Inne
wohnung. Im Alten Testament war nicht jeder Gläubige gesalbt, heute sehr wohl.
Im Alten Testament konnte man mehrmals gesalbt werden, der heutige Gläubige ist
ein für allemal gesalbt.
Nach dem Neuen Testament wohnt der Geist eindeutig für alle Zeit in allen
Gläubigen. Das wissen wir zwar sehr gut, die Bedeutung dieser Tatsache unter
schätzen wir aber allzu oft. Das universelle und bleibende Wirken des Geistes an
den Gläubigen steht in scharfem Gegensatz zur Innewohnung des Geistes im Alten
Testament (Joh 14,17). Ob wir es fühlen oder nicht, der Heilige Geist lebt beständig
in uns. Die Folgen davon sind
(a) ein Gefühl der Sicherheit in unserer Beziehung zu Gott.
(b) eine starke Motivation, die Gegenwart des Geistes auch auszuleben und
(c) ein Bewußtsein um die Ernsthaftigkeit jeder Sünde vor Gott
Wie wir im vorletzten Kapitel zu Johannes 14,17 bemerkten, hat das Wirken des
Geistes seit seinem Kommen am Pfmgsttag eine neue Dimension erhalten. Von
grundlegender Bedeutung für dieses neue Wirken ist die Innewohnung des Geistes
in den Gläubigen, denn sie bildet die Basis für sein übriges Wirken an den Christen.
I. Der Geist wohnt in allen Gläubigen
Paulus spricht nicht nur vom Geist in (griech. en) den Gläubigen, er spricht vom
Geist, der in den Gläubigen wohnt {oikeo, Rom 8,9; IKor 3,16; in 6,19 steht die
Präposition allein).
a) Die Innewohnung des Geistes ist eine Gottesgabe für alle Gläubigen
Wie wir aus vielen Bibelstellen wissen, ist der Geist ein Geschenk Gottes an alle
Gläubigen, nicht nur an einige Auserwählte (Joh 7,39; Apg 11,16-17; Rom 5,5;
IKor 2,12; 2Kor 5,5). Das ist nicht anders zu erwarten, denn ein Geschenk ist keine
Belohnung, sondern grundsätzlich unverdient.
b) Jeder, in dem der Geist nicht wohnt, ist noch unerlöst
Den heiligen Geist nicht zu besitzen ist dasselbe, wie nicht zu Christus zu gehören,
stellt Paulus fest (Rom 8,9). Judas spricht von den Abtrünnigen als von jenen, die
den Geist nicht haben (Jud 19) und die „irdisch" sind. Dasselbe Wort kommt in 1.
Korinther 2,14 vor, wo ebenfalls von unerlösten Menschen die Rede ist. Der irdi
sche oder natürliche Mensch ist unerlöst und hat den Geist nicht. Deshalb ist die
Gabe des Geistes ein Merkmal aller Wiedergeborenen.
c) Der Geist wohnt auch in sündigen Gläubigen
Ob alle Christen den Heiligen Geist haben oder nicht, erkennt man am besten dar
an, ob der Geist in sündigen Christen wohnt. Das ist eindeutig der Fall. 1. Korinther
6,19 ist an eine geistlich buntgemischte Gruppe gerichtet, von denen manche treff
liche Christen waren, andere aber in weltlicher und fleischlicher Gesinnung verharr
ten. Doch Paulus behauptet nicht, der Geist wohne nur in den geistlich Gesinnten.
Ein Bruder aus dieser Gemeinde, der nach dem Urteil des Apostels Paulus gläubig
62. DiE iNNEwohNUNq dES CeIstes 597
war (5,5), lebte in schwerer Sünde. Andere bekämpften einander vor Gericht (Kap
6). Dennoch sagt Paulus, der Geist war „in" ihnen allen (V. 19). Diese Aussage gilt
ausnahmslos, ja, er verwendet die Innewohnung des Geistes als Grundlage für sei
nen Aufruf zu einem heiligen Leben. Der Heilige Geist wohnt eindeutig in allen
Gläubigen, allerdings nur in den Gläubigen.
II. Die Innewohnung des Geistes ist unaufhebbar
Manche Christen geben zwar zu, daß der Geist in allen Gläubigen wohnt, behaup
ten aber, er könne sich aufgrund bestimmter Sünden von einem Gläubigen zurück
ziehen. Sie glauben an die Innewohnung des Geistes, leugnen aber deren Unaufhebbarkeit.
Sollte es eine Sünde geben, die den Heiligen Geist aus einem Gläubigen vertrei
ben könnte, muß sie Jedenfalls schwerwiegender sein als die Blutschande in Kapitel
5 oder die Gerichtsklagen in Kapitel 6, denn Paulus schließt die davon Betroffenen
nicht von der Innewohnung des Geistes aus (V. 19).
Ein Christ, in dem der Heilige Geist nicht mehr wohnt, ist nach Römer 8,9 kein
Christ mehr. Der Geist kann einen Gläubigen nicht verlassen, ohne ihn in seinen
verlorenen und unerlösten Zustand zurückzustoßen. Wer die Innewohnung des
Geistes verliert, verliert zugleich sein Heil, und um sein Heil zu verlieren, muß er
vom Heiligen Geist verlassen werden. Die ewige Sicherheit des Gläubigen und die
Unaufhebbarkeit der Innewohnung des Geistes sind untrennbar miteinander ver
knüpft.
Unser Heiland hat uns versprochen, zum Vater zu beten, um einen anderen Bei
stand zu senden, „daß er bei euch sei in Ewigkeit" (Joh 14,16). Natürlich beein
trächtigt Sünde das Wirken des Geistes im Gläubigen, sie kann ihn aber niemals
dazu bringen, den Gläubigen zu verlassen.
III. Einige Probleme im Zusammenbang mit der Innewohnung des
Geistes
a) Ist Gehorsam nicht Bedingung für die Innewohnung?
Petrus sagt vom Heiligen Geist, daß Gott ihn allen gegeben hat, die ihm gehorchen
(Apg 5,32). Ist also Gehorsam eine Bedingung für die Gabe des Geistes, haben nur
bestimmte (d. h. gehorsame) Gläubige den Geist? Ja, wenn wir Gehorsam so ver
stehen, wie Petrus ihn verstand. Er verteidigt sich vor dem Hohen Rat, der aus un
gläubigen Juden bestand, und beendet seine Rede durch einen Aufruf zum Gehor
sam. Welchen Gehorsam? Ganz sicher hatte der Gehorsam des Hohen Rates nichts
mit Gehorsam in den Fragen des Christseins zu tun, denn sie waren keine Christen.
Mit Gehorsam meint Petrus hier den Glauben an Jesus Christus als den wahren
Messias. Wenig später kamen einige Priester in Jerusalem zum Glauben, und Lukas
schreibt, viele von den Priestern wurden dem Glauben gehorsam (6,7).
598 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
Es gibt zwei weitere Stellen, in denen Gehorsam den Glauben an die Erlösung
durch Christus bedeutet. Paulus arbeitete in der Mission unter den Heiden, um den
Gehorsam des Glaubens an seinen Namen unter allen Völkern aufzurichten (Röm
I,5). Nach dem Hebräerbrief wurde Christus der Urheber ewigen Heils für alle, die
ihm gehorchen (Hebr 5,9). Richtig verstandener Gehorsam (nämlich Gehorsam
dem Evangelium gegenüber) ist eine Bedingung für die Gabe des Geistes.
b) Gibt es nicht Beispiele von Menschen, die der Heilige Geist verlassen hat?
Das stimmt, sie alle lebten aber vor Pfingsten (ISam 16,14; vielleicht Ps 51,13; Lk
II,13; Joh 20,22). Nachdem der Geist am Pfingsttag gekommen war, gibt es solche
Beispiele nicht mehr. Weil der Geist vor Pfingsten auf andere Weise wirkte, können
wir durch diese Ereignisse nichts über sein Wirken nach Pfingsten beweisen, als der
Geist kam, um auf immer im Gläubigen Wohnung zu nehmen.
c) Haben die Samariter den Geist erst nach ihrer Bekehrung bekommen (Apg
8,14-17)?
Die Samariter haben den Geist eindeutig nicht sofort bekommen, die Frage ist nur
warum. Manche behaupten, das sei ein Beweis dafür, daß der Geist einige Zeit nach
der Bekehrung kommt und nicht unbedingt in allen Gläubigen Wohnung genom
men hat. Andere setzen diese Gabe des Geistes mit der Fülle des Geistes gleich.
Wieder andere sehen hier einen Sonderfall, weil die Samariter die ersten Nichtjuden
waren, welche in die Gemeinde aufgenommen wurden. Diese Beobachtung ist zu
treffend: Die Samariter waren ein Mischvolk von Juden und Heiden. Die Heiden
selbst erhielten den Geist in Apostelgeschichte 10,44 im selben Augenblick, als sie
gläubig wurden.
Die beste Erklärung für die Verzögerung im Falle der Samariter liegt in der Re
ligionsabspaltung dieser Volksgruppe. Ihre Religion stand im Widerspruch mit dem
Jerusalemer Tempelkult, darum mußte Gott ihnen beweisen, daß ihr neuer christli
cher Glaube nicht im Widerstreit mit der Gemeinde in Jerusalem liegen durfte. Am
besten konnte er den samaritischen Gläubigen beweisen, daß sie zur selben Ge
meinschaft gehörten wie die Jerusalemer Christen (und am besten konnte er die Je
rusalemer Gemeindeleiter überzeugen, daß die Samariter wirklich errettet waren),
indem der Heilige Geist erst auf sie kam, als Petrus und Johannes aus Jerusalem in
Samarien eintrafen. Diese Verzögerung und die Mitwirkung von Petrus und Johan
nes an der Gabe des Geistes bewahrte die Urgemeinde davor, zwei rivalisierende
Muttergemeinden zu haben.
d) Beweist Apostelgeschichte 19,1-6 nicht, daß die Innewohnung auf die Be
kehrung folgt?
Um diese Frage zu bejahen, müssen die zwölf Johannesjünger bereits Christen ge
wesen sein, als sie in Ephesus dem Apostel Paulus begegneten. Das ist aber nicht
der Fall. Sie wurden nicht an Jesus gläubig, indem sie die Botschaft Johannes des
Täufers annahmen und seine Taufe empfingen, sie wurden erst Christen, als Paulus
62. DiE lNNEWolH\L\q dES CeIstes 599
ihnen den Unterschied zwischen Johannes und Jesus erklärte. Aus dem Text wissen
wir nicht, ob sie die Botschaft Johannes des Täufers überhaupt richtig verstanden
hatten. Als sie aber die Predigt des Apostels Paulus verstanden und annahmen, er
hielten sie durch die Handauflegung des Apostels sofort den Heiligen Geist. Es gab
keine Verzögerung.
Die normale Abfolge für Heiden, die sich zum Glauben bekehrten, sehen wir be
reits im Hause des Kornelius, wo der Geist auf die Menschen fiel, während Petrus
noch predigte und bevor sie die Wassertaufe empfingen (10.44.47).
e) Wie hängen Innewohnung und Salbung zusammen?
Die alttestamentliche Salbung ist eine feierliche Handlung, durch die ein Mensch
oder eine Sache heilig und unantastbar wurde (2Mo 40.9-15). Sie steht im Zusam
menhang mit dem Heiligen Geist und mit der Zurüstung zum Dienst (ISam 10.1.9;
Sach 4,1-14).
Im Neuen Testament ist Christus der Gesalbte (Lk 4.18; Apg 4.27; 10.38; Hebr
1,9), und auch die Gläubigen sind gesalbt (2Kor 1.21; IJo 2.20.27). Die Salbung
der Gläubigen dürfte etwas Einmaliges und Bleibendes sein. Während die alttesta
mentliche Salbung mehr mit Dienst zu tun hatte (ebenso die Salbung Christi), be
zieht sich die Salbung der neutestamentlichen Gläubigen auf eine Beziehung, die
uns zum Verständnis der Wahrheit befähigt. Die alttestamentliche Salbung dürfte
mehr mit der Fülle des Geistes zu tun haben, die neutestamentliche mit der Inne
wohnung. Im Alten Testament war nicht jeder Gläubige gesalbt, heute sehr wohl.
Im Alten Testament konnte man mehrmals gesalbt werden, der heutige Gläubige ist
ein für allemal gesalbt.
Nach dem Neuen Testament wohnt der Geist eindeutig für alle Zeit in allen
Gläubigen. Das wissen wir zwar sehr gut, die Bedeutung dieser Tatsache unter
schätzen wir aber allzu oft. Das universelle und bleibende Wirken des Geistes an
den Gläubigen steht in scharfem Gegensatz zur Innewohnung des Geistes im Alten
Testament (Joh 14,17). Ob wir es fühlen oder nicht, der Heilige Geist lebt beständig
in uns. Die Folgen davon sind
(a) ein Gefühl der Sicherheit in unserer Beziehung zu Gott.
(b) eine starke Motivation, die Gegenwart des Geistes auch auszuleben und
(c) ein Bewußtsein um die Ernsthaftigkeit jeder Sünde vor Gott
Sulzbacher 07.04.2022 13:43
Die Versiegelung des Geistes
Von der Versiegelung des Geistes ist in drei neutestamentlichen Stellen die Rede.
Nach 2. Korinther 1,22 hat Gott uns versiegelt und uns das Unterpfand des Geistes
gegeben. Aus Epheser 1,13 wissen wir, Gott hat uns mit dem Geist {to pneumati)
versiegelt, als wir gläubig wurden; auch hier wird der Geist als Unterpfand unseres
Erbes bezeichnet. Laut Epheser 4,30 sind wir auf den Tag der Erlösung hin von
oder mit {en) dem Geist versiegelt.
Dieses besondere Werk des Geistes ist aus dem Alten Testament unbekannt. Le
on Wood behauptet, auch im Alten Testament hätte es die Versiegelung des Geistes
gegeben, da sie mit der ewigen Sicherheit des Gläubigen und der Innewohnung des
Geistes zu tun habe und beides im Alten Testament bereits vorhanden war (The
Holy Spirit in the Old Testament [Grand Rapids: Zondervan 1976], S. 70-71). Das
können wir höchstens indirekt schließen, eine konkrete Aussage dazu finden wir
nirgends. Es scheint eher, als habe Gott dieses Werk an den Gläubigen erst am
Pfmgsttag begonnen.
I. Wer wird versiegelt?
Wie die Innewohnung des Geistes bezieht sich die Versiegelung auf alle Gläubigen
und nur auf die Gläubigen. In 2. Korinther 1,22 macht Paulus keine Ausnahme,
obwohl er an Menschen schreibt, unter denen man sehr leicht Ausnahmen hätte fin
den können. Alle sind versiegelt. Wie könnte Paulus sonst in Epheser 4,30 aufgrund
der Versiegelung mit dem Geist dazu ermahnen, den Geist nicht zu betrüben? Er
müßte ja sonst sagen, nur jene Gläubigen, die versiegelt sind, sollen den Geist nicht
betrüben.
II. Wann geschieht die Versiegelung?
Wie die Innewohnung findet die Versiegelung zum Zeitpunkt der Bekehrung statt.
Das „und" in 2. Korinther 1,22 stellt die Versiegelung mit der Gabe des Geistes als
Unterpfand auf eine Stufe. Die Gabe des Geistes bekommen wir, sobald wir gläu
big werden (Apg 2,38).
Epheser 1,13 können wir auf zweierlei Weise auslegen, wobei die Frage nach
65. DiE VERsiEQEluNq dES Geistes 401
dem Zeitpunkt der Versiegelung jeweils anders beantwortet werden müßte. Das
Hauptzeitwort ist „ihr seid versiegelt worden". Das davon abhängige Aoristpartizip
ist „gläubig geworden". Das Aoristpartizip kann eine Handlung bedeuten, die dem
Hauptzeitwort vorangeht, dann müßte das Gläubigwerden vor dem Versiegeln
stattfinden, es könnte also zwischen dem Gläubigwerden und dem Versiegeln eine
gewisse Zeit verstreichen. Das Partizip kann aber auch eine gleichzeitig zum
Hauptzeitwort stattfindende Handlung bezeichnen, wobei Gläubigwerden und Ver
siegeln dann zur selben Zeit erfolgen. Exegetisch sind beide Auslegungen erlaubt.
Theologisch müssen Gläubigwerden und Versiegeln allerdings zugleich stattfinden,
sonst wäre es möglich, daß Gläubige nicht versiegelt wären.
III. Wer bewirkt die Versiegelung?
Eindeutig ist es Gott, der die Gläubigen versiegelt (2Kor 1,22). Weniger klar läßt
sich sagen, ob auch der Heilige Geist die Gläubigen versiegelt. Aus Epheser 4,30
könnten wir diese Frage mit Ja beantworten, sofern wir übersetzen „durch den"
Heiligen Geist. Dieses Vorwort können wir aber auch mit „im Geist" wiedergeben.
Epheser 1,13 ist zweideutig, hier steht im Griechischen kein Vorwort. Der Geist
könnte somit der Urheber der Versiegelung sein, das Siegel selbst oder beides. Wir
sind durch den Geist oder mit dem Geist versiegelt.
Wir können zum Beispiel sagen: „Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit." Das kann
bedeuten: „Mittels meines Autos", wobei das Auto das Instrument ist, das mich zur
Arbeit trägt. Oder es könnte bedeuten: „In meinem Auto", dann ist das Auto das
Gefährt selbst, in dem ich mich befinde. Beides stimmt. Das Auto ist das Instru
ment, welches zu meiner Fortbewegung dient, und das Gefährt, in dem ich mich
befinde. Genauso ist der Heilige Geist der Urheber der Versiegelung und das Siegel
selbst, das uns aufgedrückt ist.
IV. Die Zeitdauer der Versiegelung
Die Versiegelung geschieht auf den Tag der Erlösung hin (Eph 4,30). Damit ist je
ner Tag gemeint, an dem unsere Erlösung vollendet wird und wir unseren Auferste
hungsleib erhalten (vgl. Röm 8,23). Die Versiegelung garantiert also die vollständi
ge Erfüllung der Verheißungen Gottes an uns. Kein Gläubiger kann auf dem Weg
zum Himmel entsiegelt werden.
V. Folgen der Versiegelung
a) Sicherheit
Versiegelung bedeutet Eigentum, Verfügungsgewalt, Verantwortung und vor allem
Sicherheit. Die Versiegelung garantiert die Erfüllung der Verheißungen Gottes, vor
allem bezüglich unserer Erlösung. Wir können sicher sein,
(a) daß wir sein Eigentum sind.
402 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
(b) daß unsere Erlösung gewiß ist, von und mit dem Geist versiegelt, und
(c) daß er uns bis auf dem Tag unserer vollendeten Erlösung bewahren wird.
Ein versiegelter Brief ist tatsächlich ein gutes Beispiel für dieses Wirken des
Geistes. Er wird sorgfaltig zugeklebt und mit einem Siegel versehen, damit nie
mand ihn aufreißen kann. Nur zwei Menschen dürfen das Siegel brechen, der Emp
fanger und der Absender (für den Fall, daß der Brief den Empfänger nicht erreicht).
In unserem Fall ist Gott sowohl Absender als auch Empfänger, und Gott ist es, der
uns versiegelt hat. Deshalb kann nur Gott das Siegel brechen, und er hat uns ver
heißen, es bis zum Tag unserer Erlösung nicht zu tun.
Sowohl in 2. Korinther 1,22 als auch Epheser 1.13-14 wird die Gabe des Geistes
als Unterpfand im Zusammenhang mit der Versiegelung erwähnt. Die Verbindung
ist durchaus logisch. Die Versiegelung garantiert uns, alle Verheißungen zu emp
fangen, manche erst am Tag unserer vollendeten Erlösung. Die Gegenwart des
Geistes in unserem Leben dient als Unterpfand oder Anzahlung auf die volle Erfül
lung der Verheißungen. Sobald eine Anzahlung geleistet und entgegengenommen
wurde, sind Käufer wie Verkäufer gebunden, den Handel auch zu vollziehen. So ist
auch die Gabe des Geistes eine Anzahlung Gottes als Beweis dafür, daß er seine
Verheißungen nicht zurücknehmen wird.
b) Reinheit
Der Gedanke an den Tag unserer vollendeten Erlösung, an dem wir vollkommen
sein werden, führt uns die eigene Sünde um so deutlicher vor Augen. Daß wir eine
Beziehung zum Heiligen Geist haben, der durch unsere Sünde betrübt wird, soll uns
zur Reinheit motivieren.
Welche Sünden betrüben ihn? Alle und jede Sünde. Im unmittelbaren Zusam
menhang (in den beiden Versen, die Epheser 4,30 umrahmen) ist vor allem von
Zungensünden die Rede. Was aus unserem Mund quillt, beweist, was in unserem
Herzen ist. Die Versiegelung von und mit dem Heiligen Geist soll uns dazu bewe
gen, unsere Worte sorgfaltig zu bedenken
Von der Versiegelung des Geistes ist in drei neutestamentlichen Stellen die Rede.
Nach 2. Korinther 1,22 hat Gott uns versiegelt und uns das Unterpfand des Geistes
gegeben. Aus Epheser 1,13 wissen wir, Gott hat uns mit dem Geist {to pneumati)
versiegelt, als wir gläubig wurden; auch hier wird der Geist als Unterpfand unseres
Erbes bezeichnet. Laut Epheser 4,30 sind wir auf den Tag der Erlösung hin von
oder mit {en) dem Geist versiegelt.
Dieses besondere Werk des Geistes ist aus dem Alten Testament unbekannt. Le
on Wood behauptet, auch im Alten Testament hätte es die Versiegelung des Geistes
gegeben, da sie mit der ewigen Sicherheit des Gläubigen und der Innewohnung des
Geistes zu tun habe und beides im Alten Testament bereits vorhanden war (The
Holy Spirit in the Old Testament [Grand Rapids: Zondervan 1976], S. 70-71). Das
können wir höchstens indirekt schließen, eine konkrete Aussage dazu finden wir
nirgends. Es scheint eher, als habe Gott dieses Werk an den Gläubigen erst am
Pfmgsttag begonnen.
I. Wer wird versiegelt?
Wie die Innewohnung des Geistes bezieht sich die Versiegelung auf alle Gläubigen
und nur auf die Gläubigen. In 2. Korinther 1,22 macht Paulus keine Ausnahme,
obwohl er an Menschen schreibt, unter denen man sehr leicht Ausnahmen hätte fin
den können. Alle sind versiegelt. Wie könnte Paulus sonst in Epheser 4,30 aufgrund
der Versiegelung mit dem Geist dazu ermahnen, den Geist nicht zu betrüben? Er
müßte ja sonst sagen, nur jene Gläubigen, die versiegelt sind, sollen den Geist nicht
betrüben.
II. Wann geschieht die Versiegelung?
Wie die Innewohnung findet die Versiegelung zum Zeitpunkt der Bekehrung statt.
Das „und" in 2. Korinther 1,22 stellt die Versiegelung mit der Gabe des Geistes als
Unterpfand auf eine Stufe. Die Gabe des Geistes bekommen wir, sobald wir gläu
big werden (Apg 2,38).
Epheser 1,13 können wir auf zweierlei Weise auslegen, wobei die Frage nach
65. DiE VERsiEQEluNq dES Geistes 401
dem Zeitpunkt der Versiegelung jeweils anders beantwortet werden müßte. Das
Hauptzeitwort ist „ihr seid versiegelt worden". Das davon abhängige Aoristpartizip
ist „gläubig geworden". Das Aoristpartizip kann eine Handlung bedeuten, die dem
Hauptzeitwort vorangeht, dann müßte das Gläubigwerden vor dem Versiegeln
stattfinden, es könnte also zwischen dem Gläubigwerden und dem Versiegeln eine
gewisse Zeit verstreichen. Das Partizip kann aber auch eine gleichzeitig zum
Hauptzeitwort stattfindende Handlung bezeichnen, wobei Gläubigwerden und Ver
siegeln dann zur selben Zeit erfolgen. Exegetisch sind beide Auslegungen erlaubt.
Theologisch müssen Gläubigwerden und Versiegeln allerdings zugleich stattfinden,
sonst wäre es möglich, daß Gläubige nicht versiegelt wären.
III. Wer bewirkt die Versiegelung?
Eindeutig ist es Gott, der die Gläubigen versiegelt (2Kor 1,22). Weniger klar läßt
sich sagen, ob auch der Heilige Geist die Gläubigen versiegelt. Aus Epheser 4,30
könnten wir diese Frage mit Ja beantworten, sofern wir übersetzen „durch den"
Heiligen Geist. Dieses Vorwort können wir aber auch mit „im Geist" wiedergeben.
Epheser 1,13 ist zweideutig, hier steht im Griechischen kein Vorwort. Der Geist
könnte somit der Urheber der Versiegelung sein, das Siegel selbst oder beides. Wir
sind durch den Geist oder mit dem Geist versiegelt.
Wir können zum Beispiel sagen: „Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit." Das kann
bedeuten: „Mittels meines Autos", wobei das Auto das Instrument ist, das mich zur
Arbeit trägt. Oder es könnte bedeuten: „In meinem Auto", dann ist das Auto das
Gefährt selbst, in dem ich mich befinde. Beides stimmt. Das Auto ist das Instru
ment, welches zu meiner Fortbewegung dient, und das Gefährt, in dem ich mich
befinde. Genauso ist der Heilige Geist der Urheber der Versiegelung und das Siegel
selbst, das uns aufgedrückt ist.
IV. Die Zeitdauer der Versiegelung
Die Versiegelung geschieht auf den Tag der Erlösung hin (Eph 4,30). Damit ist je
ner Tag gemeint, an dem unsere Erlösung vollendet wird und wir unseren Auferste
hungsleib erhalten (vgl. Röm 8,23). Die Versiegelung garantiert also die vollständi
ge Erfüllung der Verheißungen Gottes an uns. Kein Gläubiger kann auf dem Weg
zum Himmel entsiegelt werden.
V. Folgen der Versiegelung
a) Sicherheit
Versiegelung bedeutet Eigentum, Verfügungsgewalt, Verantwortung und vor allem
Sicherheit. Die Versiegelung garantiert die Erfüllung der Verheißungen Gottes, vor
allem bezüglich unserer Erlösung. Wir können sicher sein,
(a) daß wir sein Eigentum sind.
402 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
(b) daß unsere Erlösung gewiß ist, von und mit dem Geist versiegelt, und
(c) daß er uns bis auf dem Tag unserer vollendeten Erlösung bewahren wird.
Ein versiegelter Brief ist tatsächlich ein gutes Beispiel für dieses Wirken des
Geistes. Er wird sorgfaltig zugeklebt und mit einem Siegel versehen, damit nie
mand ihn aufreißen kann. Nur zwei Menschen dürfen das Siegel brechen, der Emp
fanger und der Absender (für den Fall, daß der Brief den Empfänger nicht erreicht).
In unserem Fall ist Gott sowohl Absender als auch Empfänger, und Gott ist es, der
uns versiegelt hat. Deshalb kann nur Gott das Siegel brechen, und er hat uns ver
heißen, es bis zum Tag unserer Erlösung nicht zu tun.
Sowohl in 2. Korinther 1,22 als auch Epheser 1.13-14 wird die Gabe des Geistes
als Unterpfand im Zusammenhang mit der Versiegelung erwähnt. Die Verbindung
ist durchaus logisch. Die Versiegelung garantiert uns, alle Verheißungen zu emp
fangen, manche erst am Tag unserer vollendeten Erlösung. Die Gegenwart des
Geistes in unserem Leben dient als Unterpfand oder Anzahlung auf die volle Erfül
lung der Verheißungen. Sobald eine Anzahlung geleistet und entgegengenommen
wurde, sind Käufer wie Verkäufer gebunden, den Handel auch zu vollziehen. So ist
auch die Gabe des Geistes eine Anzahlung Gottes als Beweis dafür, daß er seine
Verheißungen nicht zurücknehmen wird.
b) Reinheit
Der Gedanke an den Tag unserer vollendeten Erlösung, an dem wir vollkommen
sein werden, führt uns die eigene Sünde um so deutlicher vor Augen. Daß wir eine
Beziehung zum Heiligen Geist haben, der durch unsere Sünde betrübt wird, soll uns
zur Reinheit motivieren.
Welche Sünden betrüben ihn? Alle und jede Sünde. Im unmittelbaren Zusam
menhang (in den beiden Versen, die Epheser 4,30 umrahmen) ist vor allem von
Zungensünden die Rede. Was aus unserem Mund quillt, beweist, was in unserem
Herzen ist. Die Versiegelung von und mit dem Heiligen Geist soll uns dazu bewe
gen, unsere Worte sorgfaltig zu bedenken
Sulzbacher 07.04.2022 14:52
Die Taufe des Geistes
Ein weiteres Werk des Geistes, das unsere heutige, nachpfmgstliche Zeit auszeich
net, ist die Taufe des Gläubigen in den Leib Christi. Die erste Verheißung darauf
finden wir nicht im Alten Testament, sondern aus dem Munde Johannes des Täu
fers (Mt 3,11 und Parallelstellen). Während des Erdenwandels unseres Herrn hat
niemand dieses Werk des Geistes erlebt, denn nach der Auferstehung und vor der
Himmelfahrt sagte er, es würde „nach nicht mehr vielen Tagen", nämlich am
Pfingsttag, geschehen (Apg 1,5). Dieses besondere Werk des Geistes dient einem
bestimmten Zweck, nämlich Menschen dem Leib Christi anzugliedern, und weil der
Leib Christi eine Besonderheit dieses Zeitalters ist, gilt dasselbe für die Geistestau
fe.
I. Verwirrung über die Geistestaufe
Über dieses Thema der Pneumatologie besteht Verwirrung, die Spaltungen unter
den Gläubigen verursacht und diese große Wahrheit in Mißkredit bringt. Warum?
Ein Grund für die Verwirrung liegt in der unklaren Lehre über den Leib Christi.
Wer glaubt, die Gemeinde hätte mit Abraham oder mit Johannes dem Täufer be
gonnen, wird die Besonderheit der Geistestaufe im gegenwärtigen Zeitalter nicht
leicht erkennen. Dann wird die Geistestaufe oft mit der Bekehrung gleichgesetzt
(Donald Guthrie: New Testament Theology [Downers Grove: InterVarsity 1981],
S. 564). Wer den Leib Christi als ein Werk Gottes betrachtet, das zu Pfingsten be
gonnen wurde, wird leicht erkennen, warum der Geist Menschen in diesen Leib
hineintauft.
Die Überbetonung der Wassertaufe, vor allem durch Untertauchen, führt oft zur
Entstellung oder Vernachlässigung der Geistestaufe. Wer Wassertaufe und Gei
stestaufe nicht auseinanderhält, läßt für gewöhnlich die Geistestaufe beiseite und
betrachtet sie nur als Redensart für die Wassertaufe. E. Y. Mullins, ein baptistischer
Theologe der letzten Generation, versteht die Geistestaufe als Taufe in die Ortsge
meinde, wobei die tatsächliche (Wasser-)Taufe nach 1. Korinther 12,13 eine vom
Geist geleitete Handlung ist (International Standard Bible Encyclopaedia [Grand
Rapids: Eerdmans 1943], 1:399-401). Dale Moody, ein heutiger baptistischer
404 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
Theologe, sagt: ..Gott gibt den Geist in der Taufe" (The Word of Truth [Grand Rapids: Eerdmans 1981]. S. 447).
Die Pfingstgemeinden. welche die Geistestaufe für eine zweite Segnung
und/oder Zungenrede für einen Beweis für die Geistestaufe halten, tragen noch
mehr zur Verwirrung bei.
Manchmal wird die Taufe des Geistes nicht von der Fülle des Geistes unterschieden,
wodurch die ..Erfüllungs-Taufe" als ein besonderes Ereignis abseits der Bekehrung be
trachtet wird, das nicht alle Christen erfaliren. Diese Taufe muß dabei nicht unbedingt
mit Zungenrede einhergehen. Sie stellt eine besondere Befähigung und Stärkung dar.
Leider drücken sich auch große Männer wie R. A. Totre) und D. L. Mood>' in diesem
Punkt nicht völlig klar aus. Ton'ey lehn, ein Gläubiger müsse die Geistestaufe nicht un
bedingt zum Zeitpunkt seiner Bekehrung erleben (The Baptism with the Hol\ Spirit
[Minneapolis: Bethany House 1972]. S. 13-14). In seiner Mood\-Biographie beschreibt
Torrey die Geisteslaufe Mood> s als ein Erlebnis, das zeitlich auf seine Bekehrung folgte
(Why God Used D. L. Moody [New York: Revell 1923]. S. 51-55).
Diese Unklarheit ist nicht immer von böswilliger Absicht getragen, leider wer
den solche falschen Lehren aber manchmal bewußt verbreitet. In jedem Fall wird
den Gläubigen eine wichtige Lehre \orenthalten. welche unsere Verbindung mit
Christus bezeugt und eine solide Grundlage für ein heiliges Leben darstellt.
II. Merkmale der Geistestaufe
a) Die Geistestaufe ist auf das gegenwärtige Heilszeitalter beschränkt
Wie bereits erwähnt, wird die Geistestaufe im Alten Testament nirgends vorherge
sagt, und der Herr selbst legt klar, daß sie am Pfingsttag zum erste Mal stattfinden
würde (Apg 1.5). Das nennt Petrus später ..im Anfang" (11.15-16). Auch der
Zweck der Taufe, nämlich die Gläubigen in den Leib Christi einzugliedern, und die
Besonderheit dieses Heilszeitalters als Zeitalter der Gemeinde beschränken die
Geistestaufe auf unsere heutige Haushaltung.
b) Sie ist allen Gläubigen in diesem Heilszeitalter gemein
Dieser Schluß stützt sich auf drei Tatsachen. Die Kernstelle. 1. Korinther 12.13.
spricht allen Gläubigen die Geistestaufe zu. so wie alle Gläubigen durch die Innewohnung mit dem Geist getränkt w urden. Gerade im Brief an die Korinther. von
denen so viele fleischlich statt geistlich lebten, bedeutet diese .Aussage, daß
Fleischlichkeit den Gläubigen nicht von diesem Werk des Geistes ausschließen
kann.
Nirgends in der Schrift finden wir die Aufforderung, sich mit dem Geist taufen
zu lassen. Die Gläubigen haben dieses Werk Ja schon alle erlebt.
Sofern sich die ..eine Taufe" in Epheser 4.5 auf die Geistestaufe bezieht (was
wahrscheinlich ist), betrifft die Geistestaufe dieselben Menschen, die auch ..einen
Herrn" und ..einen Glauben" haben, also alle Gläubiszen.
64. DiE TauFe dES CeIstes 405
c) Sie findet bei der Bekehrung statt und wird danach nicht wiederholt
Fände die Geistestaufe nicht bei der Bekehrung statt, müßte es Gläubige geben, die
zwar erlöst, aber noch nicht mit dem Geist getauft und darum nicht Teil des Leibes
Christi sind. Die Geistestaufe gliedert uns dem Leib Christi an, wer also erlöst, aber
nicht getauft ist, wäre ein Gläubiger außerhalb des Leibes Christi.
Die Geistestaufe könnte nur wiederholt werden, falls sich ein Gläubiger vom
Leib Christi lossagen könnte. Nachdem uns die erste Taufe bei der Bekehrung mit
dem Leib Christi vereint, könnte es zu einer zweiten Taufe nur kommen, wenn zwi
schen den beiden Taufen eine Loslösung vom Leib Christi stattgefunden hätte.
III. Folgen der Geistestaufe
a) Sie verbindet uns mit dem Leib Christi
Diese Wahrheit ist besonders wichtig und aufschlußreich, um die Geistestaufe rich
tig zu verstehen. Wer mit dem Leib Christi vereint ist, hat teil an der Auferstehung
zu neuem Leben (Röm 6,4) und soll seine Gaben einsetzen, um den Leib am Leben
zu erhalten (Zusammenhang von I. Korinther 12,13).
Wer die eine Taufe erlebt hat, soll dazu beitragen, die Einheit des Leibes auf
recht zu erhalten (Zusammenhang von Epheser 4,5).
Weil eine zweite Taufe nicht notwendig ist, ist unsere Stellung im Leib Christi
auf immer gesichert.
b) Sie bringt uns die Kreuzigung mit Christus zu Bewußtsein
Weil wir an Tod, Begräbnis und Auferweckung Christi teilhaben, sollen wir un
sere Befreiung von der Macht der innewohnenden Sünde erkennen und in einem
neuen Leben wandeln (Röm 6,1-10; Kol 2,12).
IV. Die Lehre von den zwei Geistestaufen
Weil nach 1. Korinther 12,13 eindeutig alle Gläubigen getauft sind, weil aber
manche Bibellehrer an einer besonderen Geistestaufe (zweiten Segnung) fest
halten wollen, ist die Lehre von den zwei Geistestaufen entstanden, die meines
Wissens neu ist. Während früher die Pfingstler einhellig lehrten, die Gei
stestaufe wäre eine Ausstattung mit der Macht des Geistes, bewiesen durch
Zungenrede, unterscheiden sie heute zwei Taufen. Die erste wird in Vers 13
angesprochen und ist allen Gläubigen gemein, sie wird vom Geist bewirkt und
vereint die Gläubigen mit dem Leib Christi. Die zweite Geistestaufe ist jene,
von der wir in der Apostelgeschichte lesen, sie wird von Christus bewirkt und
stellt die Gläubigen in den Geist, um sie an seiner Kraft teilhaben zu lassen.
Die erste Taufe geschieht bei der Bekehrung und bewirkt die Stellung des
Gläubigen im Leib Christi, die zweite geschieht später, kann auch mehrmals
stattfinden und führt zur Befähigung. Die erste erfordert keine Zungenrede, die
zweite sollte Zungenrede bewirken.
406 TeII 11: Der HEiiiqE Geist
Im Neuen Testament begegnen wir der Wendung „mit dem/im/durch den Geist
taufen" nur siebenmal (Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16; Job 1,33; Apg 1,5; 11,16; IKor
12,13). Diese sieben Stellen können drei Gruppen zugeordnet werden: Vorher
sagen in den Evangelien, Vorhersage und Rückblick auf Pfingsten in den bei
den Stellen der Apostelgeschichte und die Auslegung durch Paulus in 1. Korin
ther. In den Evangelien ist es natürlicher, Christus als den Urheber der Taufe
und den Geist als das Element zu sehen, in welches die Menschen getauft wer
den. In der Apostelgeschichte und im Korintherbrief liegt es näher, den Geist
als Urheber der Taufe und den Leib Christi als das Element zu betrachten, in
das wir getauft werden. Die Trennlinie ist jedoch nicht scharf gezogen. Sowohl
Christus als auch der Geist sind Urheber der Taufe, und sowohl der Geist als
auch der Leib Christi kommen als Elemente in Betracht. Der eigentliche Urhe
ber ist Christus, denn er sandte den Geist, der sozusagen mittelbarer Urheber
ist (Apg 2,33). Der Leib Christi ist eindeutig ein Element, der Geist ein zwei
tes. Ähnliches sahen wir bei der Versiegelung des Geistes: Er ist der Urheber
der Versiegelung und zugleich das Siegel selbst.
Die neue pfingstlerische Lehre ist aber auf eine scharfe Trennlinie angewiesen.
Demnach wäre in den Evangelien und in der Apostelgeschichte Christus als Urhe
ber und der Geist als Element gemeint - das ist die Taufe im Geist, die dem Gläubi
gen Befähigung zuteil werden läßt. In der Korintherstelle ist der Geist der Urheber
und der Leib das Element - hier ist die Taufe durch den Geist gemeint. Alle Gläubi
gen sind durch den Geist getauft, aber nicht alle Gläubigen haben die Taufe im
Geist erlebt.
Vertreter der extremen Äonentheorie (Haushaltungslehre) verwenden interessan
terweise dasselbe Argument für zwei Geistestaufen, um ihre Lehre von zwei Ge
meinden in der Apostelgeschichte zu untermauern. Die Petrusgemeinde oder Ju
dengemeinde bestand von Pfingsten bis Paulus, die Leibesgemeinde von Paulus an.
Die Judengemeinde erhielt ihre Kraft durch die Taufe im Geist, die paulinische
Gemeinde, der Leib Christi, besteht aufgrund der Taufe durch den Geist (Charles F.
Baker: A Dispensational Theology [Grand Rapids: Grace Bible College Publications 1971], S. 503).
Ein Fachausdruck, der so selten Verwendung findet wie die „Geistestaufe",
sollte normalerweise an allen Stellen dieselbe Bedeutung haben. Es ist eine zwei
felhafte Angelegenheit, von zwei unterschiedlichen und getrennten Geistestaufen
zu sprechen. Zwei Urheber der Taufe zu sehen ist aus Apostelgeschcihte 2,33
durchaus biblisch, es ist auch nichts Ungewöhnliches, daß zwei Personen der Drei
einheit an ein und demselben Werk teilhaben. Nach Epheser 4,5 gibt es nur eine
Taufe. Es ist das Werk Chri.sti durch die Mittlerschaft des Heiligen Geistes, die
Gläubigen mit dem Leib Christi zu vereinen mit allen Vorrechten und Aufgaben,
die mit dieser Stellung verbunden sind.
Ein weiteres Werk des Geistes, das unsere heutige, nachpfmgstliche Zeit auszeich
net, ist die Taufe des Gläubigen in den Leib Christi. Die erste Verheißung darauf
finden wir nicht im Alten Testament, sondern aus dem Munde Johannes des Täu
fers (Mt 3,11 und Parallelstellen). Während des Erdenwandels unseres Herrn hat
niemand dieses Werk des Geistes erlebt, denn nach der Auferstehung und vor der
Himmelfahrt sagte er, es würde „nach nicht mehr vielen Tagen", nämlich am
Pfingsttag, geschehen (Apg 1,5). Dieses besondere Werk des Geistes dient einem
bestimmten Zweck, nämlich Menschen dem Leib Christi anzugliedern, und weil der
Leib Christi eine Besonderheit dieses Zeitalters ist, gilt dasselbe für die Geistestau
fe.
I. Verwirrung über die Geistestaufe
Über dieses Thema der Pneumatologie besteht Verwirrung, die Spaltungen unter
den Gläubigen verursacht und diese große Wahrheit in Mißkredit bringt. Warum?
Ein Grund für die Verwirrung liegt in der unklaren Lehre über den Leib Christi.
Wer glaubt, die Gemeinde hätte mit Abraham oder mit Johannes dem Täufer be
gonnen, wird die Besonderheit der Geistestaufe im gegenwärtigen Zeitalter nicht
leicht erkennen. Dann wird die Geistestaufe oft mit der Bekehrung gleichgesetzt
(Donald Guthrie: New Testament Theology [Downers Grove: InterVarsity 1981],
S. 564). Wer den Leib Christi als ein Werk Gottes betrachtet, das zu Pfingsten be
gonnen wurde, wird leicht erkennen, warum der Geist Menschen in diesen Leib
hineintauft.
Die Überbetonung der Wassertaufe, vor allem durch Untertauchen, führt oft zur
Entstellung oder Vernachlässigung der Geistestaufe. Wer Wassertaufe und Gei
stestaufe nicht auseinanderhält, läßt für gewöhnlich die Geistestaufe beiseite und
betrachtet sie nur als Redensart für die Wassertaufe. E. Y. Mullins, ein baptistischer
Theologe der letzten Generation, versteht die Geistestaufe als Taufe in die Ortsge
meinde, wobei die tatsächliche (Wasser-)Taufe nach 1. Korinther 12,13 eine vom
Geist geleitete Handlung ist (International Standard Bible Encyclopaedia [Grand
Rapids: Eerdmans 1943], 1:399-401). Dale Moody, ein heutiger baptistischer
404 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
Theologe, sagt: ..Gott gibt den Geist in der Taufe" (The Word of Truth [Grand Rapids: Eerdmans 1981]. S. 447).
Die Pfingstgemeinden. welche die Geistestaufe für eine zweite Segnung
und/oder Zungenrede für einen Beweis für die Geistestaufe halten, tragen noch
mehr zur Verwirrung bei.
Manchmal wird die Taufe des Geistes nicht von der Fülle des Geistes unterschieden,
wodurch die ..Erfüllungs-Taufe" als ein besonderes Ereignis abseits der Bekehrung be
trachtet wird, das nicht alle Christen erfaliren. Diese Taufe muß dabei nicht unbedingt
mit Zungenrede einhergehen. Sie stellt eine besondere Befähigung und Stärkung dar.
Leider drücken sich auch große Männer wie R. A. Totre) und D. L. Mood>' in diesem
Punkt nicht völlig klar aus. Ton'ey lehn, ein Gläubiger müsse die Geistestaufe nicht un
bedingt zum Zeitpunkt seiner Bekehrung erleben (The Baptism with the Hol\ Spirit
[Minneapolis: Bethany House 1972]. S. 13-14). In seiner Mood\-Biographie beschreibt
Torrey die Geisteslaufe Mood> s als ein Erlebnis, das zeitlich auf seine Bekehrung folgte
(Why God Used D. L. Moody [New York: Revell 1923]. S. 51-55).
Diese Unklarheit ist nicht immer von böswilliger Absicht getragen, leider wer
den solche falschen Lehren aber manchmal bewußt verbreitet. In jedem Fall wird
den Gläubigen eine wichtige Lehre \orenthalten. welche unsere Verbindung mit
Christus bezeugt und eine solide Grundlage für ein heiliges Leben darstellt.
II. Merkmale der Geistestaufe
a) Die Geistestaufe ist auf das gegenwärtige Heilszeitalter beschränkt
Wie bereits erwähnt, wird die Geistestaufe im Alten Testament nirgends vorherge
sagt, und der Herr selbst legt klar, daß sie am Pfingsttag zum erste Mal stattfinden
würde (Apg 1.5). Das nennt Petrus später ..im Anfang" (11.15-16). Auch der
Zweck der Taufe, nämlich die Gläubigen in den Leib Christi einzugliedern, und die
Besonderheit dieses Heilszeitalters als Zeitalter der Gemeinde beschränken die
Geistestaufe auf unsere heutige Haushaltung.
b) Sie ist allen Gläubigen in diesem Heilszeitalter gemein
Dieser Schluß stützt sich auf drei Tatsachen. Die Kernstelle. 1. Korinther 12.13.
spricht allen Gläubigen die Geistestaufe zu. so wie alle Gläubigen durch die Innewohnung mit dem Geist getränkt w urden. Gerade im Brief an die Korinther. von
denen so viele fleischlich statt geistlich lebten, bedeutet diese .Aussage, daß
Fleischlichkeit den Gläubigen nicht von diesem Werk des Geistes ausschließen
kann.
Nirgends in der Schrift finden wir die Aufforderung, sich mit dem Geist taufen
zu lassen. Die Gläubigen haben dieses Werk Ja schon alle erlebt.
Sofern sich die ..eine Taufe" in Epheser 4.5 auf die Geistestaufe bezieht (was
wahrscheinlich ist), betrifft die Geistestaufe dieselben Menschen, die auch ..einen
Herrn" und ..einen Glauben" haben, also alle Gläubiszen.
64. DiE TauFe dES CeIstes 405
c) Sie findet bei der Bekehrung statt und wird danach nicht wiederholt
Fände die Geistestaufe nicht bei der Bekehrung statt, müßte es Gläubige geben, die
zwar erlöst, aber noch nicht mit dem Geist getauft und darum nicht Teil des Leibes
Christi sind. Die Geistestaufe gliedert uns dem Leib Christi an, wer also erlöst, aber
nicht getauft ist, wäre ein Gläubiger außerhalb des Leibes Christi.
Die Geistestaufe könnte nur wiederholt werden, falls sich ein Gläubiger vom
Leib Christi lossagen könnte. Nachdem uns die erste Taufe bei der Bekehrung mit
dem Leib Christi vereint, könnte es zu einer zweiten Taufe nur kommen, wenn zwi
schen den beiden Taufen eine Loslösung vom Leib Christi stattgefunden hätte.
III. Folgen der Geistestaufe
a) Sie verbindet uns mit dem Leib Christi
Diese Wahrheit ist besonders wichtig und aufschlußreich, um die Geistestaufe rich
tig zu verstehen. Wer mit dem Leib Christi vereint ist, hat teil an der Auferstehung
zu neuem Leben (Röm 6,4) und soll seine Gaben einsetzen, um den Leib am Leben
zu erhalten (Zusammenhang von I. Korinther 12,13).
Wer die eine Taufe erlebt hat, soll dazu beitragen, die Einheit des Leibes auf
recht zu erhalten (Zusammenhang von Epheser 4,5).
Weil eine zweite Taufe nicht notwendig ist, ist unsere Stellung im Leib Christi
auf immer gesichert.
b) Sie bringt uns die Kreuzigung mit Christus zu Bewußtsein
Weil wir an Tod, Begräbnis und Auferweckung Christi teilhaben, sollen wir un
sere Befreiung von der Macht der innewohnenden Sünde erkennen und in einem
neuen Leben wandeln (Röm 6,1-10; Kol 2,12).
IV. Die Lehre von den zwei Geistestaufen
Weil nach 1. Korinther 12,13 eindeutig alle Gläubigen getauft sind, weil aber
manche Bibellehrer an einer besonderen Geistestaufe (zweiten Segnung) fest
halten wollen, ist die Lehre von den zwei Geistestaufen entstanden, die meines
Wissens neu ist. Während früher die Pfingstler einhellig lehrten, die Gei
stestaufe wäre eine Ausstattung mit der Macht des Geistes, bewiesen durch
Zungenrede, unterscheiden sie heute zwei Taufen. Die erste wird in Vers 13
angesprochen und ist allen Gläubigen gemein, sie wird vom Geist bewirkt und
vereint die Gläubigen mit dem Leib Christi. Die zweite Geistestaufe ist jene,
von der wir in der Apostelgeschichte lesen, sie wird von Christus bewirkt und
stellt die Gläubigen in den Geist, um sie an seiner Kraft teilhaben zu lassen.
Die erste Taufe geschieht bei der Bekehrung und bewirkt die Stellung des
Gläubigen im Leib Christi, die zweite geschieht später, kann auch mehrmals
stattfinden und führt zur Befähigung. Die erste erfordert keine Zungenrede, die
zweite sollte Zungenrede bewirken.
406 TeII 11: Der HEiiiqE Geist
Im Neuen Testament begegnen wir der Wendung „mit dem/im/durch den Geist
taufen" nur siebenmal (Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16; Job 1,33; Apg 1,5; 11,16; IKor
12,13). Diese sieben Stellen können drei Gruppen zugeordnet werden: Vorher
sagen in den Evangelien, Vorhersage und Rückblick auf Pfingsten in den bei
den Stellen der Apostelgeschichte und die Auslegung durch Paulus in 1. Korin
ther. In den Evangelien ist es natürlicher, Christus als den Urheber der Taufe
und den Geist als das Element zu sehen, in welches die Menschen getauft wer
den. In der Apostelgeschichte und im Korintherbrief liegt es näher, den Geist
als Urheber der Taufe und den Leib Christi als das Element zu betrachten, in
das wir getauft werden. Die Trennlinie ist jedoch nicht scharf gezogen. Sowohl
Christus als auch der Geist sind Urheber der Taufe, und sowohl der Geist als
auch der Leib Christi kommen als Elemente in Betracht. Der eigentliche Urhe
ber ist Christus, denn er sandte den Geist, der sozusagen mittelbarer Urheber
ist (Apg 2,33). Der Leib Christi ist eindeutig ein Element, der Geist ein zwei
tes. Ähnliches sahen wir bei der Versiegelung des Geistes: Er ist der Urheber
der Versiegelung und zugleich das Siegel selbst.
Die neue pfingstlerische Lehre ist aber auf eine scharfe Trennlinie angewiesen.
Demnach wäre in den Evangelien und in der Apostelgeschichte Christus als Urhe
ber und der Geist als Element gemeint - das ist die Taufe im Geist, die dem Gläubi
gen Befähigung zuteil werden läßt. In der Korintherstelle ist der Geist der Urheber
und der Leib das Element - hier ist die Taufe durch den Geist gemeint. Alle Gläubi
gen sind durch den Geist getauft, aber nicht alle Gläubigen haben die Taufe im
Geist erlebt.
Vertreter der extremen Äonentheorie (Haushaltungslehre) verwenden interessan
terweise dasselbe Argument für zwei Geistestaufen, um ihre Lehre von zwei Ge
meinden in der Apostelgeschichte zu untermauern. Die Petrusgemeinde oder Ju
dengemeinde bestand von Pfingsten bis Paulus, die Leibesgemeinde von Paulus an.
Die Judengemeinde erhielt ihre Kraft durch die Taufe im Geist, die paulinische
Gemeinde, der Leib Christi, besteht aufgrund der Taufe durch den Geist (Charles F.
Baker: A Dispensational Theology [Grand Rapids: Grace Bible College Publications 1971], S. 503).
Ein Fachausdruck, der so selten Verwendung findet wie die „Geistestaufe",
sollte normalerweise an allen Stellen dieselbe Bedeutung haben. Es ist eine zwei
felhafte Angelegenheit, von zwei unterschiedlichen und getrennten Geistestaufen
zu sprechen. Zwei Urheber der Taufe zu sehen ist aus Apostelgeschcihte 2,33
durchaus biblisch, es ist auch nichts Ungewöhnliches, daß zwei Personen der Drei
einheit an ein und demselben Werk teilhaben. Nach Epheser 4,5 gibt es nur eine
Taufe. Es ist das Werk Chri.sti durch die Mittlerschaft des Heiligen Geistes, die
Gläubigen mit dem Leib Christi zu vereinen mit allen Vorrechten und Aufgaben,
die mit dieser Stellung verbunden sind.
Sulzbacher 07.04.2022 14:52
Die Gaben des Geistes
Uber die Lehre von den Geistesgaben wissen wir fast nur durch Paulus, die einzige
nichtpaulinische Stelle ist I. Petrus 4,10. Die Kernstelle in Epheser 4 schreibt die
Gaben der Gemeinde zu, verfugt durch den auferstandenen und aufgefahrenen
Christus. Eine weitere Kernstelle in 1. Korinther 12 betont das Werk des Geistes,
der uns Gaben gibt. In der dritten Kernstelle, Römer 12, bleibt der Geber unge
nannt. Da wir die Rolle Christi, seinen Leib mit Gaben zu versehen, in der Christologie nur kurz gestreift haben, betrachten wir diese Lehre im vorliegenden Kapitel
genauer.
I. Definition der Geistesgaben
a) Was sind Geistesgaben?
Das Wort ttir Geistesgabe (chdrisma), von Gnade abgeleitet, meint etwas, was auf
die Gnade Gottes zurückzuführen ist. Im Neuen Testament steht dieses Wort für die
Gabe der Errettung (Rom 6,23), die Gabe der Vorsehung Gottes (2Kor 1,11), vor
allem aber die Gnadengaben an die Gläubigen. Auf der Grundlage letztgenannter
Bedeutung schlage ich folgende Definition vor: Eine geistliche Gabe ist eine gott
gegebene Fähigkeit zum Dienst.
Für Gabe verwende ich dabei das Wort Fähigkeit. Eine geistliche Gabe ist eine
Fähigkeit. Die Gaben sind "gottgegeben", sie stammen von Christus und dem Hei
ligen Geist. Sie sind uns "zum Dienst" gegeben, denn das ist die Hauptbetonung der
Kernstellen. Obwohl geistliche Gaben und natürliche Talente eng miteinander zu
sammenhängen (beide sind von Gott gegeben, 1 Kor 4,7), kann man nicht nur Ta
lente dazu einsetzen, dem Leib zu dienen.
b) Was sind Geistesgaben nicht?
1. Eine Geistesgabe ist kein Ort des Dienstes. Die Gabe ist die Fähigkeit, nicht
der Ort, an dem diese eingesetzt wird. Die Gabe des Lehrens kann man in einer
Sonntagsschulklasse oder auf dem Marktplatz einsetzen, in jedem Land der Welt.
Die Gabe zu helfen kann in der Gemeinde oder unter Bekannten eingesetzt werden.
2. Eine Geistesgabe ist kein Amt. Die Gabe ist die Fähigkeit, sie kann unabhängig
65. DiE CAbEN dEs Geistes 409
von einem Amt in der Ortsgemeinde eingesetzt w erden. Diesbezüglich besteht gro
ße Verwirrung über die Gabe des Hirten. Unter der Gabe verstehen wir die Fähig
keit, Menschen zu leiten und zu lehren. Dies kann durch den Gemeindeleiter ge
schehen oder auch außerhalb eines Gemeindeamtes. Ein Pastor kann diese Gabe
genauso einsetzen wie eine Hausfrau.
3. Eine Geistesgabe ist kein Dienst an einer bestimmten Altersgruppe. Es gibt
keine Gabe zur Jugend- oder Kinderarbeit. Alle .Altersgruppen brauchen Hirten.
Lehrer, Haushalter, Helfer usw.
4. Eine Geistesgabe ist kein Fachhandwerk. Es gibt keine Geistesgabe, Bücher
zu schreiben, zu komponieren oder zu musizieren. Das sind Techniken, durch die
Geistesgaben zum Einsatz gebracht w erden können.
5. Eine Geistesgabe ist kein natürliches Talent. Wie bereits erwähnt, kann ein
Talent auch anderswo als im Dienst am Leib Christi eingesetzt werden, eine Gei
stesgabe nicht. Einige weitere Unterschiede zw ischen Geistesgaben und natürlichen
Talenten:
Natürliche Talente Geistesgaben
Durch unsere Eltern von Gott gegeben Direkt von Gott gegeben
Bei der Geburt gegeben Vermutlich bei der Bekehrung gegeben
Zum Nutzen der Menschheit Zum Nutzen des Leibes Christi
Eine Geistesgabe ist also eine gottgegebene Befähigung zum Dienst am Leib
Christi, wo immer und wie immer er es bestimmt.
II. Wie werden die Geistesgaben gegeben?
a) Sie stammen vom auferstandenen und aufgefahrenen Christus (Eph 4,11)
Die Tatsache, daß das Haupt des Leibes dem Leib Gaben gibt, macht den Einsatz
der Gaben zu einer großen und heiligen Aufgabe. Es sind seine Gaben, uns anver
traut, weil er uns braucht, um seinen Leib aufzuerbauen. Das verleiht selbst den
niedrigsten Diensten Würde und Ansehen.
b) Sie werden vom Heiligen Geist nach freiem Ermessen verteilt (IKor
12,11.18)
Warum verleiht er einem Gläubigen eine bestimmte Gabe? Weil er am besten weiß, was
der Leib braucht und was jedem Gläubigen am besten zusteht. Würden wir das glauben,
könnten wir aufliören zu klagen, weil wir nicht so begabt sind wie manche andere
Christen, und wären stärker motiviert, unsere Gaben so gut wie möglich einzusetzen.
410 TeII II: Der HEiliqE CeIst
Wann gibt der Geist die Gaben? Höchstwahrscheinlich bei der Bekehrung. Weil
es Gaben des Geistes sind und wir den Geist erst bei der Bekehrung empfangen,
müssen wir die Gaben wohl zu diesem Zeitpunkt empfangen. Wir werden nicht alle
unsere Gaben sofort erkennen, ich glaube aber, wir haben sie alle schon seit unserer
Bekehrung. In dem Maße, in dem wir im Glauben wachsen, treten die Gaben zuta
ge, die wir an verschiedenen Punkten unseres Lebens brauchen; sie sind aber seit
unserer Bekehrung vorhanden. Wir können wohl erst sagen, welche Gaben wir
besitzen, wenn wir auf unser Leben zurückblicken und mit sehenden Augen erken
nen, welche Gaben Gott unser Leben lang verwendet hat.
c) Sie sind allen Gläubigen gegeben
Jeder Gläubige hat mindestens eine Geistesgabe. Petrus läßt daran keinen Zweifel
(IPetr 4,10). Jeder Gläubige ist entweder verheiratet oder unverheiratet, und beides
ist eine Geistesgabe (IKor 7,7). Wahrscheinlich haben auch viele Gläubige die Ga
be, zu helfen oder zu dienen.
Aber kein Christ hat alle Gaben. Sonst wäre der Vergleich in 12,12-27 bedeu
tungslos. Hätte ein Christ alle Geistesgaben, brauchte er seine Glaubensgeschwister
nicht. Er wäre Hand und Fuß und Auge und Ohr, eben der ganze Leib, was unmög
lich ist. Wir brauchen als Christen einander, weil wir nicht alle Gaben haben.
d) Sie sind dem Leib Christi insgesamt gegeben
Damit will ich sagen, nicht jede Ortsgemeinde ist mit allen Gaben ausgestattet. Das
ist aufgrund ihres Reifestandes gar nicht notwendig. Gott weiß, was Jede Gruppe
braucht, und er wird uns entsprechend ausstatten.
Es ist auch gar nicht notwendig, alle Gaben in jeder Generation vorzufinden. Ei
ne einmal gegebene Gabe ist dem gesamten Leib Christi gegeben. Gott gab die
Gründungsgaben des Apostelamts und der Weissagung nur am Anfang (Eph 2,20).
Nachdem durch diese Menschen das Fundament gelegt war, wurden andere Gaben
notwendig. Und doch profitieren wir im 20. Jahrhundert immer noch von diesen
Gründungsgaben. Im ersten Jahrhundert wurden sie dem Leib Christi aller Zeiten
verliehen. Keine Generation ist übergangen worden. Der Geist verteilt die Gaben,
wie er will, und er weiß genau, was jeder Gläubige, jede Gemeinde und jede Gene
ration braucht. (Einer der ausgewogensten und prägnantesten Aufsätze über diese
Lehre stammt von William J. McRae: The Dynamics of Spiritual Gifts [Grand Rapids: Zondervan 1976], S. 144ff.)
III. Wie entdecke und fördere ich meine Geistesgaben?
Bezüglich der geistlichen Gaben müssen wir uns hüten, in eines von zwei Extremen
zu fallen. Auf der einen Seite steht der Gedanke, die Geistesgaben wären für unse
ren heutigen Dienst als Christen belanglos, weil Gaben nur der Urgemeinde verlie
hen waren. Die Kernfrage für unsere Zeit sei geistliche Reife, nicht Begabung. Das
andere Extrem lautet, man könne erst einen Dienst übernehmen, wenn man sich
65. DiE CaBen (Jes CeIstes 411
seiner Geistesgaben sicher ist. Wären Geistesgaben nur der Urgemeinde gegeben
und für unsere Zeit belanglos, warum kommen sie dann in neutestamentlichen Bü
chern vor, die an die zweite Generation von Gläubigen und an Christen im gesam
ten Römischen Reich gerichtet sind (Eph; IPetr)? Nachdem Gaben für den Leib
Christi von Bedeutung sind, wie können sie heute belanglos sein, ohne daß der Leib
funktionsuntüchtig wird?
Muß ein Christ im vorhinein wissen, wo seine geistlichen Gaben liegen, bevor er die
nen kann? Warum finden wir in der Schrift dann keine Befehle, unsere Geistesgaben zu
entdecken? Wir sehen nur das Gebot, unsere Gaben einzusetzen (IPetr 4,10 „dient ein
ander". Nirgends steht, wir müßten erst unsere Gabe erkennen, bevor wir dienen kön
nen. Dennoch will ich es riskieren, in diesem Abschnitt vom Entdecken der Gaben zu
sprechen, um den Leser zu ermutigen, seine Gaben einzusetzen.
a) Erkennen Sie die Gesamtheit der Gaben in Ihrem Leben
Jeder Christ hat drei Arten von Gaben.
1. Natürliche Talente. Sie sind uns bei der Geburt von Gott gegeben und umfassen
Intelligenz, Gesundheit und Kraft, musikalische und sprachliche Begabungen, Ge
schicklichkeit etc.
2. Erlernte Fähigkeiten. Diese sind Kochen, Nähen, Autofahren, Sprachen lernen,
Musikinstrumente etc. Wir neigen dazu, solche Fähigkeiten als selbstverständlich
hinzunehmen, aber bedenken wir, wie viele Menschen in dieser Welt kaum die
Möglichkeit haben, sich solche Fähigkeiten anzueignen.
3. Geistliche Gaben. Jeder Gläubige sollte sich dessen bewußt werden, welche
Fähigkeiten ihm Gott insgesamt geschenkt hat. Er sollte sozusagen Inventur machen,
was er für Gott auf Lager hat. Wer in regelmäßigen Abständen Inventur macht, wird
leichter erkennen, in welchen Bereichen er einen Dienst beginnen kann.
b) Ergreifen Sie die sich bietenden Gelegenheiten
Dieses Prinzip gilt für alle drei Arten von Befähigungen. Schärfen Sie Ihre Talente,
eignen Sie sich Fähigkeiten an, und arbeiten Sie an Ihren geistlichen Gaben. Wer
glaubt, die Gabe des Lehrens zu haben, muß die Wahrheit studieren. Die Gabe, sich
mitzuteilen, haben manche Menschen ohne Anstrengung (obwohl selbst diese Fä
higkeit erlernt werden kann), aber den Inhalt der Lehre muß man lernen.
Wer vermutet, die Gabe des Gebens zu haben, soll daran arbeiten, in allen Le
bensbereichen ein guter Verwalter zu sein (IKor 4,2). Die Fähigkeit, freigebig zu
sein, ist von Gott gegeben, aber um auch die Mittel zum Geben zu haben, muß man
in finanziellen Dingen sorgfältig haushalten.
Die Gabe der Evangelisation bedeutete in der Urgemeinde nicht nur die Ver
kündigung der guten Nachricht, sondern Reisetätigkeit, um diese Botschaft zu ver
breiten. Um dazu fähig zu sein, muß man sich besonders um seine Gesundheit
kümmern, damit man die Kraft zu ausgedehnten Rei.sen für das Evangelium hat.
Wer die Gabe der Ermahnung besitzt, muß sie auf einer biblischen Grundlage
einsetzen. Zutreffende und zielführcnde Ermahnung muß sich auf biblische Wahr-
412 TeII II: Der HEiliqE CeIst
heit gründen. Und die Kenntnis der biblischen Wahrheit erfordert Zeit zum Studium,
c) Engagieren Sie sich im Werk des Herrn
Gaben kann man entdecken und fördern, indem man sie einsetzt. Mit der Übung
wird man sich der Gesamtheit seiner Gaben bewußt und entwickelt diese Fähigkei
ten weiter. Wollen Sie Ihre Gaben entdecken, schlagen Sie Gelegenheiten zum
Dienst nicht ab, unabhängig davon, ob Sie sich zu diesem Dienst befähigt fühlen
oder nicht. Vielleicht will Gott Ihnen Fähigkeiten zeigen, von denen Sie nichts ah
nen.
Wer tut, was er kann, wird weitere Gelegenheiten erhalten, die zusätzliche Gei
stesgaben ans Licht bringen werden. Dem Evangelisten Philippus begegnen wir in
der Apostelgeschichte erstmals, wie er notleidenden (und streitenden) Witwen die
Spenden der Gemeinde verteilt (6,5). Er hat sich vorher bestimmt nicht gefragt, ob
er die Geistesgabe dazu hatte. Ihm bot sich eine Gelegenheit zum Dienst, und er er
griff sie. Er erwies sich in diesem niedrigen Dienst als treu. Daraufhin vertraute ihm
der Herr eine andere Aufgabe an, nämlich die Evangelisation unter den Samaritern
(8,5), und später durfte er den Kämmerer aus Äthiopien zum Herrn führen. Indem
er diese Gabe einsetzte, wurde er als Philippus, der Evangelist, bekannt (21,8).
Aber begonnen hat er damit, Witwen zu helfen.
Dasselbe Prinzip finden wir im Leben des Märtyrers Stephanus. Zuerst diente er,
zusammen mit Philippus, den Witwen. Er war aber auch voll Glaubens (6,5) und
ein großer Zeuge (7,1-53). Treue in einem Dienst öffnet neue Gelegenheiten!
Die folgende Aufstellung zeigt einige Geistesgaben und auf der anderen Seite
Gebote, die allen Gläubigen gelten. Der Vergleich beweist: Viele Dinge sind uns
geboten, egal ob wir die Geistesgabe haben oder nicht.
Gaben für manche Gebote für alle
1. Dienst 1. Dient einander (Gal 5,13)
2. Ermahnung 2. Ermahnt einander (Hebr 10,25)
3. Mitteilen 3. Jeder gebe (2Kor 9,7)
4. Lehren 4. Missionsbefehl (Mt 28,19)
5. Barmherzigkeit 5. Seid barmherzig (Eph 4,32)
6. Glauben 6. Wandelt durch Glauben (2Kor 5,7)
7. Evangelisation 7. Seid Zeugen (Apg 1,8)
65. DiE ÜAbEN dES CeIstes 415
Es ist uns also befohlen, bestimmte Dienste zu verrichten, ob wir dazu besonders
begabt sind oder nicht. Wer diesen Geboten Gehorsam leistet, entdeckt seine be
sonderen Geistesgaben.
d) Seien Sie ein guter Verwalter, ob verheiratet oder unverheiratet
Beides sind Geistesgaben (IKor 7,7). Darum müssen wir in beiden Fällen treue
Verwalter sein. Ledig sein und verheiratet sein sind Geistesgaben, die gefordert
werden müssen. Beide Gruppen sind aufgerufen, treue Verwalter zu sein (4,2). Bei
de müssen in der Heiligung wachsen (IThes 4,3). Beide müssen die Zeit auskaufen
(Eph 5,16).
Der Ledige muß besonders auf Reinheit achten, auf Disziplin in Finanzfragen, auf die
freie Zeit, um das Wort Gottes zu studieren, und auf Gelegenheiten zum Dienst, z. B. ei
nen befristeten Einsatz im Ausland. Der Ledige muß sich um die Dinge des Herrn
kümmern und darum, wie er ihm gefallen kann (IKor 7,32). Der Verheiratete muß für
die Familie sorgen, aber dennoch das Werk des Herrn über alles stellen (V. 29.33). Die
richtige Ausübung und Förderung dieser Gaben ist wohl ein wichtiger Faktor für den
Einsatz weiterer Begabungen in allen Lebensbereichen.
e) Seien Sie bereit, für Gott alles zu tun
In Wahrheit ist es wichtiger, hingegeben zu leben und bereit zu sein, alles zu tun,
als geistliche Gaben zu entdecken. Die Stelle über Gaben in Epheser 4 beginnt mit
der Ermahnung, ein würdiges und demütiges Leben zu führen (V. 1-2). Das ganze
Kapitel über Gaben in 1. Korinther 12 folgt auf mehrere Ermahnungen, hingegeben
zu leben (3,16; 6,19-20; 10,31), und Römer 12 beginnt mit dem bekannten Aufruf
zur Lebensweihe in den Versen 1 und 2. Wer sich nicht vollkommen hingibt, wird
niemals alle Fähigkeiten entdecken, die Gott ihm gegeben hat, noch wird er Fähig
keiten voll entwickeln, die er schon entdeckt hat.
IV. Welche Geistesgaben gibt es?
a) Apostelamt (IKor 12,28; Eph 4,11)
Ein Apostel ist im weitesten Sinne ein Gesandter (beispielsweise Epaphroditus in
Philipper 2,25). Im engeren Sinne steht Apostel für die zwölf Jünger Jesu und eini
ge andere wie Paulus und Barnabas (Apg 14,14). Diese Gabe diente der Gründung
der Gemeinde und wurde durch besondere Zeichen bezeugt (2Kor 12,12; Eph
2,20). Diese Gabe gibt Gott heute nicht mehr.
b) Weissagung (Rö 12,6; IKor 12,10; 14,1-40; Eph 4,11)
Auch Weissagung (wörtlich: Prophetie) hat eine allgemeine und eine spezielle Be
deutung. im allgemeinen Sinn bedeutet Weissagung Verkündigung und Predigt. Im
engeren Sinn ist ein Prophet jemand, der nicht nur die Botschaft Gottes verkündigt,
sondern die Zukunft vorhersagen kann. Alle seine Botschaften, ob Verkündigung
oder Vorhersage, kommen durch besondere Offenbarungen direkt von Gott.
414 TeII II: Der HEiliqE CeIst
Diese Gabe muß zur Zeit des Neuen Testaments recht weit verbreitet gewesen
sein, obwohl nur wenige Propheten gesondert erwähnt werden (Agabus in Apostel
geschichte 11,27-28; Propheten in der Gemeinde zu Antiochien in 13,1; die vier
Töchter des Evangelisten Philippus in 21,9; und die Propheten in der korinthischen
Gemeinde in 1. Korinther 14). Auch diese Gabe diente der Gründung der Gemeinde
und wurde entbehrlich, nachdem das Neue Testament mit dem Buch der Offenba
rung abgeschlossen war.
c) Wunderkräfte (IKor 12,28) und Heilungen (V. 9.28.30)
Das ist die Fähigkeit, besondere Zeichen und die Heilung von Krankheit zu bewir
ken. Paulus übte diese Gabe in Ephesus aus (Apg 19.11-12), er konnte oder wollte
sie aber bei Epaphroditus (Phil 2,27), Timotheus (ITim 5,23) und Trophimus (2Tim
4,20) nicht zur Anwendung bringen. Die Gabe der Heilung gehört wohl zur allge
meinen Gabe der Wunderkräfte. Paulus zum Beispiel schlug den Zauberer Elymas
mit Blindheit (Apg 13,11), ganz bestimmt ein übernatürliches Wunder, allerdings
nicht gerade eine Heilung. Wunder und Heilungen kann Gott auch abseits von
geistlichen Gaben wirken (z. B. das Zeichen, das in 4.31 die Fülle des Geistes be
zeugte).
Deshalb kann es wohl sein, daß Gott die Gaben der Wunderkräfte und Heilungen
nur eine Zeitlang gegeben hat und doch heute noch Wunder und Heilungen wirkt.
Die Gaben sind nicht mehr vorhanden, weil sie nicht mehr notwendig sind, d. h. die
Botschaft des Evangeliums braucht nicht mehr durch sie bekräftigt zu werden.
Ein Christ kann heute nicht unbedingt erwarten, geheilt zu werden. Es ist nicht
Gottes Wille, alle seine Kinder gesund zu machen. Obwohl Paulus emsthaft und
wiederholt betete und selbst die Gabe der Heilung besaß, war es nicht Gottes Wille,
Paulus von seinem Stachel im Fleisch zu befreien (2Kor 12,8-9). Wäre es Gottes
Wille, alle Gläubigen zu heilen, würde kein Christ jemals sterben, denn selbst die
letzte Krankheit könnte noch geheilt werden. Jeder, der die Gabe der Heilung zu
besitzen meint, muß zugleich seine Grenzen anerkennen, denn niemand behauptet,
verfallene Zähne kurieren oder gebrochene Knochen auf der Stelle wiederherstellen
zu können.
Wer die verfügbaren menschlichen Mittel zur Heilung ablehnt und sich darauf
beschränkt, um ein Wunder zu beten, handelt wie der Bauer, der um eine gute Ernte
bittet und sich dann in den Schaukelstuhl setzt, ohne den Boden zu bepflanzen und
zu bearbeiten.
d) Zungenrede und Auslegung von Zungenrede (IKor 12,10)
Zungenrede ist die gottgegebene Fähigkeit, in einer irdischen Sprache zu sprechen,
die dem Sprecher nicht bekannt ist. Auslegung der Zungenrede ist die Fähigkeit,
diese Botschaft in eine den Zuhörern verständliche Sprache zu übersetzen. In Apo
stelgeschichte 2, wo erstmalig Zungenrede erwähnt wird, handelte es sich eindeutig
um Fremdsprachen (beachte das Wort „Sprachen" in V. 6 und 8). Die Zungenrede
in Korinth war vermutlich nicht anders.
65. DiE CaBen dES CeIstes 415
Die Auslegung der Zungenrede verfolgte einen zweifachen Zweck: Wahrheit
von Gott zu verkünden und die Wahrheit der christlichen Botschaft zu bezeugen,
vor allem für Juden (IKor 14,5.21-22). Weil die Korinther diese Gabe mißbrauch
ten, legte Paulus eindeutige Richtlinien fest: In jeder Versammlung durften nur
zwei oder drei Zungenredner sprechen; niemand sollte in Zungen reden, außer seine
Botschaft konnte ausgelegt werden, Weissagung wurde in Jedem Fall vorgezogen,
und Frauen sollen schweigen (V. 27-34).
Wird Zungenrede nicht ausgelegt, handelt es sich etwa gar um eine private Ge
betssprache, so ist sie unfruchtbar (V. 14), denn nicht einmal der Beter selbst ver
steht, worum er bittet. Darum ist es besser, mit Verstand zu beten, also in einer
verständlichen Sprache.
Ob wir glauben, daß es die biblische Gabe der Zungenrede heute noch gibt oder
nicht, eines können wir klar sagen: Die pfingstlerische Lehre, daß Zungenrede ein
notwendiges Zeichen ftir die Geistestaufe darstellt, ist falsch. Laut Paulus sind alle
Gläubigen in Korinth getauft (12,13), aber nicht alle redeten in Zungen (V. 30).
e) Evangelisation (Eph 4,11)
Diese Fähigkeit, die Botschaft des Evangeliums mit besonderer Klarheit zu verkün
den. verbindet sich zugleich mit der Vorstellung eines reisenden Evangelisten. Die
se Tätigkeit kann öffentlich oder privat geschehen. Jeder Gläubige ist aufgerufen,
für Christus Zeugnis abzulegen, ob er die Gabe der Evangelisation hat oder nicht.
f) Hirte (Eph 4,11)
Das ist die Fähigkeit, das Volk Gottes zu leiten, zu versorgen, zu nähren und zu
schützen. In V. 11 steht der Hirte in Zusammenhang mit dem Lehrer, in Apostelge
schichte 20,28 mit dem Aufseher.
g) Dienen (Rö 12,7; IKor 12,28; Eph 4,12)
Das ist die Fähigkeit, im weitesten Sinne des Wortes zu helfen oder zu dienen.
h) Lehren (Rö 12,7; IKor 12,28; Eph 4,11)
Das ist die Fähigkeit, Menschen die Wahrheit Gottes zu erklären. Manche Men
schen besitzen diese Gabe offenbar gesondert, andere in Zusammenhang mit der
Gabe des Hirten.
i) Glauben (IKor 12,9)
Darunter verstehen wir die Fähigkeit, Gott die konkreten Bedürfnisse des Lebens
anzuvertrauen. Jeder Gläubige soll im Glauben wandeln, und jeder hat ein bestimm
tes Maß an Glauben. Nicht jeder hat aber die Gabe des Glaubens.
j) Ermahnen (Rom 12,8)
Das ist die Fähigkeit, andere zu ermutigen, zu trösten und zurechtzuweisen,
k) Unterscheidung der Geister (IKor 12,10)
Das war die Fähigkeit, zwischen wahren und falschen Quellen übernatürlicher Of-
416 TeII II: Der HEiliqE CeIst
fenbarung zu unterscheiden, solange diese vor der Vollendung des Kanons in
mündlicher Form geschah.
1) Barmherzigkeit (Rom 12,8)
Ähnlich der Gabe des Dienstes handelt es sich darum, den Kranken und Notleiden
den zu Hilfe zu sein.
m) Mitteilen (Rom 12,8)
Hier dürfte die Fähigkeit gemeint sein, freigebig mit finanziellen Mitteln umzuge
hen. Diese Gabe soll in Einfalt geübt werden, also ohne Erwartung einer Gegenlei
stung oder eigener Vorteile.
n) Vorstehen (Rom 12,8; IKor 12,28)
Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, die Gemeinde zu leiten.
o) Weisheit und Erkenntnis (IKor 12,8)
Wie andere Gaben an die Urgemeinde bedeutet auch diese, die Wahrheit Gottes zu
verstehen und anderen mitzuteilen.
Diese Liste umfaßt 18 einzelne Gaben, wobei ich manche zusammengefaßt habe.
Sind das alle oder gibt es noch mehr? Nirgends finden wir Hinweise auf weitere
Gaben, und die hier aufgezählten dürften ausreichen, um den Leib Christi zu erbau
en
Uber die Lehre von den Geistesgaben wissen wir fast nur durch Paulus, die einzige
nichtpaulinische Stelle ist I. Petrus 4,10. Die Kernstelle in Epheser 4 schreibt die
Gaben der Gemeinde zu, verfugt durch den auferstandenen und aufgefahrenen
Christus. Eine weitere Kernstelle in 1. Korinther 12 betont das Werk des Geistes,
der uns Gaben gibt. In der dritten Kernstelle, Römer 12, bleibt der Geber unge
nannt. Da wir die Rolle Christi, seinen Leib mit Gaben zu versehen, in der Christologie nur kurz gestreift haben, betrachten wir diese Lehre im vorliegenden Kapitel
genauer.
I. Definition der Geistesgaben
a) Was sind Geistesgaben?
Das Wort ttir Geistesgabe (chdrisma), von Gnade abgeleitet, meint etwas, was auf
die Gnade Gottes zurückzuführen ist. Im Neuen Testament steht dieses Wort für die
Gabe der Errettung (Rom 6,23), die Gabe der Vorsehung Gottes (2Kor 1,11), vor
allem aber die Gnadengaben an die Gläubigen. Auf der Grundlage letztgenannter
Bedeutung schlage ich folgende Definition vor: Eine geistliche Gabe ist eine gott
gegebene Fähigkeit zum Dienst.
Für Gabe verwende ich dabei das Wort Fähigkeit. Eine geistliche Gabe ist eine
Fähigkeit. Die Gaben sind "gottgegeben", sie stammen von Christus und dem Hei
ligen Geist. Sie sind uns "zum Dienst" gegeben, denn das ist die Hauptbetonung der
Kernstellen. Obwohl geistliche Gaben und natürliche Talente eng miteinander zu
sammenhängen (beide sind von Gott gegeben, 1 Kor 4,7), kann man nicht nur Ta
lente dazu einsetzen, dem Leib zu dienen.
b) Was sind Geistesgaben nicht?
1. Eine Geistesgabe ist kein Ort des Dienstes. Die Gabe ist die Fähigkeit, nicht
der Ort, an dem diese eingesetzt wird. Die Gabe des Lehrens kann man in einer
Sonntagsschulklasse oder auf dem Marktplatz einsetzen, in jedem Land der Welt.
Die Gabe zu helfen kann in der Gemeinde oder unter Bekannten eingesetzt werden.
2. Eine Geistesgabe ist kein Amt. Die Gabe ist die Fähigkeit, sie kann unabhängig
65. DiE CAbEN dEs Geistes 409
von einem Amt in der Ortsgemeinde eingesetzt w erden. Diesbezüglich besteht gro
ße Verwirrung über die Gabe des Hirten. Unter der Gabe verstehen wir die Fähig
keit, Menschen zu leiten und zu lehren. Dies kann durch den Gemeindeleiter ge
schehen oder auch außerhalb eines Gemeindeamtes. Ein Pastor kann diese Gabe
genauso einsetzen wie eine Hausfrau.
3. Eine Geistesgabe ist kein Dienst an einer bestimmten Altersgruppe. Es gibt
keine Gabe zur Jugend- oder Kinderarbeit. Alle .Altersgruppen brauchen Hirten.
Lehrer, Haushalter, Helfer usw.
4. Eine Geistesgabe ist kein Fachhandwerk. Es gibt keine Geistesgabe, Bücher
zu schreiben, zu komponieren oder zu musizieren. Das sind Techniken, durch die
Geistesgaben zum Einsatz gebracht w erden können.
5. Eine Geistesgabe ist kein natürliches Talent. Wie bereits erwähnt, kann ein
Talent auch anderswo als im Dienst am Leib Christi eingesetzt werden, eine Gei
stesgabe nicht. Einige weitere Unterschiede zw ischen Geistesgaben und natürlichen
Talenten:
Natürliche Talente Geistesgaben
Durch unsere Eltern von Gott gegeben Direkt von Gott gegeben
Bei der Geburt gegeben Vermutlich bei der Bekehrung gegeben
Zum Nutzen der Menschheit Zum Nutzen des Leibes Christi
Eine Geistesgabe ist also eine gottgegebene Befähigung zum Dienst am Leib
Christi, wo immer und wie immer er es bestimmt.
II. Wie werden die Geistesgaben gegeben?
a) Sie stammen vom auferstandenen und aufgefahrenen Christus (Eph 4,11)
Die Tatsache, daß das Haupt des Leibes dem Leib Gaben gibt, macht den Einsatz
der Gaben zu einer großen und heiligen Aufgabe. Es sind seine Gaben, uns anver
traut, weil er uns braucht, um seinen Leib aufzuerbauen. Das verleiht selbst den
niedrigsten Diensten Würde und Ansehen.
b) Sie werden vom Heiligen Geist nach freiem Ermessen verteilt (IKor
12,11.18)
Warum verleiht er einem Gläubigen eine bestimmte Gabe? Weil er am besten weiß, was
der Leib braucht und was jedem Gläubigen am besten zusteht. Würden wir das glauben,
könnten wir aufliören zu klagen, weil wir nicht so begabt sind wie manche andere
Christen, und wären stärker motiviert, unsere Gaben so gut wie möglich einzusetzen.
410 TeII II: Der HEiliqE CeIst
Wann gibt der Geist die Gaben? Höchstwahrscheinlich bei der Bekehrung. Weil
es Gaben des Geistes sind und wir den Geist erst bei der Bekehrung empfangen,
müssen wir die Gaben wohl zu diesem Zeitpunkt empfangen. Wir werden nicht alle
unsere Gaben sofort erkennen, ich glaube aber, wir haben sie alle schon seit unserer
Bekehrung. In dem Maße, in dem wir im Glauben wachsen, treten die Gaben zuta
ge, die wir an verschiedenen Punkten unseres Lebens brauchen; sie sind aber seit
unserer Bekehrung vorhanden. Wir können wohl erst sagen, welche Gaben wir
besitzen, wenn wir auf unser Leben zurückblicken und mit sehenden Augen erken
nen, welche Gaben Gott unser Leben lang verwendet hat.
c) Sie sind allen Gläubigen gegeben
Jeder Gläubige hat mindestens eine Geistesgabe. Petrus läßt daran keinen Zweifel
(IPetr 4,10). Jeder Gläubige ist entweder verheiratet oder unverheiratet, und beides
ist eine Geistesgabe (IKor 7,7). Wahrscheinlich haben auch viele Gläubige die Ga
be, zu helfen oder zu dienen.
Aber kein Christ hat alle Gaben. Sonst wäre der Vergleich in 12,12-27 bedeu
tungslos. Hätte ein Christ alle Geistesgaben, brauchte er seine Glaubensgeschwister
nicht. Er wäre Hand und Fuß und Auge und Ohr, eben der ganze Leib, was unmög
lich ist. Wir brauchen als Christen einander, weil wir nicht alle Gaben haben.
d) Sie sind dem Leib Christi insgesamt gegeben
Damit will ich sagen, nicht jede Ortsgemeinde ist mit allen Gaben ausgestattet. Das
ist aufgrund ihres Reifestandes gar nicht notwendig. Gott weiß, was Jede Gruppe
braucht, und er wird uns entsprechend ausstatten.
Es ist auch gar nicht notwendig, alle Gaben in jeder Generation vorzufinden. Ei
ne einmal gegebene Gabe ist dem gesamten Leib Christi gegeben. Gott gab die
Gründungsgaben des Apostelamts und der Weissagung nur am Anfang (Eph 2,20).
Nachdem durch diese Menschen das Fundament gelegt war, wurden andere Gaben
notwendig. Und doch profitieren wir im 20. Jahrhundert immer noch von diesen
Gründungsgaben. Im ersten Jahrhundert wurden sie dem Leib Christi aller Zeiten
verliehen. Keine Generation ist übergangen worden. Der Geist verteilt die Gaben,
wie er will, und er weiß genau, was jeder Gläubige, jede Gemeinde und jede Gene
ration braucht. (Einer der ausgewogensten und prägnantesten Aufsätze über diese
Lehre stammt von William J. McRae: The Dynamics of Spiritual Gifts [Grand Rapids: Zondervan 1976], S. 144ff.)
III. Wie entdecke und fördere ich meine Geistesgaben?
Bezüglich der geistlichen Gaben müssen wir uns hüten, in eines von zwei Extremen
zu fallen. Auf der einen Seite steht der Gedanke, die Geistesgaben wären für unse
ren heutigen Dienst als Christen belanglos, weil Gaben nur der Urgemeinde verlie
hen waren. Die Kernfrage für unsere Zeit sei geistliche Reife, nicht Begabung. Das
andere Extrem lautet, man könne erst einen Dienst übernehmen, wenn man sich
65. DiE CaBen (Jes CeIstes 411
seiner Geistesgaben sicher ist. Wären Geistesgaben nur der Urgemeinde gegeben
und für unsere Zeit belanglos, warum kommen sie dann in neutestamentlichen Bü
chern vor, die an die zweite Generation von Gläubigen und an Christen im gesam
ten Römischen Reich gerichtet sind (Eph; IPetr)? Nachdem Gaben für den Leib
Christi von Bedeutung sind, wie können sie heute belanglos sein, ohne daß der Leib
funktionsuntüchtig wird?
Muß ein Christ im vorhinein wissen, wo seine geistlichen Gaben liegen, bevor er die
nen kann? Warum finden wir in der Schrift dann keine Befehle, unsere Geistesgaben zu
entdecken? Wir sehen nur das Gebot, unsere Gaben einzusetzen (IPetr 4,10 „dient ein
ander". Nirgends steht, wir müßten erst unsere Gabe erkennen, bevor wir dienen kön
nen. Dennoch will ich es riskieren, in diesem Abschnitt vom Entdecken der Gaben zu
sprechen, um den Leser zu ermutigen, seine Gaben einzusetzen.
a) Erkennen Sie die Gesamtheit der Gaben in Ihrem Leben
Jeder Christ hat drei Arten von Gaben.
1. Natürliche Talente. Sie sind uns bei der Geburt von Gott gegeben und umfassen
Intelligenz, Gesundheit und Kraft, musikalische und sprachliche Begabungen, Ge
schicklichkeit etc.
2. Erlernte Fähigkeiten. Diese sind Kochen, Nähen, Autofahren, Sprachen lernen,
Musikinstrumente etc. Wir neigen dazu, solche Fähigkeiten als selbstverständlich
hinzunehmen, aber bedenken wir, wie viele Menschen in dieser Welt kaum die
Möglichkeit haben, sich solche Fähigkeiten anzueignen.
3. Geistliche Gaben. Jeder Gläubige sollte sich dessen bewußt werden, welche
Fähigkeiten ihm Gott insgesamt geschenkt hat. Er sollte sozusagen Inventur machen,
was er für Gott auf Lager hat. Wer in regelmäßigen Abständen Inventur macht, wird
leichter erkennen, in welchen Bereichen er einen Dienst beginnen kann.
b) Ergreifen Sie die sich bietenden Gelegenheiten
Dieses Prinzip gilt für alle drei Arten von Befähigungen. Schärfen Sie Ihre Talente,
eignen Sie sich Fähigkeiten an, und arbeiten Sie an Ihren geistlichen Gaben. Wer
glaubt, die Gabe des Lehrens zu haben, muß die Wahrheit studieren. Die Gabe, sich
mitzuteilen, haben manche Menschen ohne Anstrengung (obwohl selbst diese Fä
higkeit erlernt werden kann), aber den Inhalt der Lehre muß man lernen.
Wer vermutet, die Gabe des Gebens zu haben, soll daran arbeiten, in allen Le
bensbereichen ein guter Verwalter zu sein (IKor 4,2). Die Fähigkeit, freigebig zu
sein, ist von Gott gegeben, aber um auch die Mittel zum Geben zu haben, muß man
in finanziellen Dingen sorgfältig haushalten.
Die Gabe der Evangelisation bedeutete in der Urgemeinde nicht nur die Ver
kündigung der guten Nachricht, sondern Reisetätigkeit, um diese Botschaft zu ver
breiten. Um dazu fähig zu sein, muß man sich besonders um seine Gesundheit
kümmern, damit man die Kraft zu ausgedehnten Rei.sen für das Evangelium hat.
Wer die Gabe der Ermahnung besitzt, muß sie auf einer biblischen Grundlage
einsetzen. Zutreffende und zielführcnde Ermahnung muß sich auf biblische Wahr-
412 TeII II: Der HEiliqE CeIst
heit gründen. Und die Kenntnis der biblischen Wahrheit erfordert Zeit zum Studium,
c) Engagieren Sie sich im Werk des Herrn
Gaben kann man entdecken und fördern, indem man sie einsetzt. Mit der Übung
wird man sich der Gesamtheit seiner Gaben bewußt und entwickelt diese Fähigkei
ten weiter. Wollen Sie Ihre Gaben entdecken, schlagen Sie Gelegenheiten zum
Dienst nicht ab, unabhängig davon, ob Sie sich zu diesem Dienst befähigt fühlen
oder nicht. Vielleicht will Gott Ihnen Fähigkeiten zeigen, von denen Sie nichts ah
nen.
Wer tut, was er kann, wird weitere Gelegenheiten erhalten, die zusätzliche Gei
stesgaben ans Licht bringen werden. Dem Evangelisten Philippus begegnen wir in
der Apostelgeschichte erstmals, wie er notleidenden (und streitenden) Witwen die
Spenden der Gemeinde verteilt (6,5). Er hat sich vorher bestimmt nicht gefragt, ob
er die Geistesgabe dazu hatte. Ihm bot sich eine Gelegenheit zum Dienst, und er er
griff sie. Er erwies sich in diesem niedrigen Dienst als treu. Daraufhin vertraute ihm
der Herr eine andere Aufgabe an, nämlich die Evangelisation unter den Samaritern
(8,5), und später durfte er den Kämmerer aus Äthiopien zum Herrn führen. Indem
er diese Gabe einsetzte, wurde er als Philippus, der Evangelist, bekannt (21,8).
Aber begonnen hat er damit, Witwen zu helfen.
Dasselbe Prinzip finden wir im Leben des Märtyrers Stephanus. Zuerst diente er,
zusammen mit Philippus, den Witwen. Er war aber auch voll Glaubens (6,5) und
ein großer Zeuge (7,1-53). Treue in einem Dienst öffnet neue Gelegenheiten!
Die folgende Aufstellung zeigt einige Geistesgaben und auf der anderen Seite
Gebote, die allen Gläubigen gelten. Der Vergleich beweist: Viele Dinge sind uns
geboten, egal ob wir die Geistesgabe haben oder nicht.
Gaben für manche Gebote für alle
1. Dienst 1. Dient einander (Gal 5,13)
2. Ermahnung 2. Ermahnt einander (Hebr 10,25)
3. Mitteilen 3. Jeder gebe (2Kor 9,7)
4. Lehren 4. Missionsbefehl (Mt 28,19)
5. Barmherzigkeit 5. Seid barmherzig (Eph 4,32)
6. Glauben 6. Wandelt durch Glauben (2Kor 5,7)
7. Evangelisation 7. Seid Zeugen (Apg 1,8)
65. DiE ÜAbEN dES CeIstes 415
Es ist uns also befohlen, bestimmte Dienste zu verrichten, ob wir dazu besonders
begabt sind oder nicht. Wer diesen Geboten Gehorsam leistet, entdeckt seine be
sonderen Geistesgaben.
d) Seien Sie ein guter Verwalter, ob verheiratet oder unverheiratet
Beides sind Geistesgaben (IKor 7,7). Darum müssen wir in beiden Fällen treue
Verwalter sein. Ledig sein und verheiratet sein sind Geistesgaben, die gefordert
werden müssen. Beide Gruppen sind aufgerufen, treue Verwalter zu sein (4,2). Bei
de müssen in der Heiligung wachsen (IThes 4,3). Beide müssen die Zeit auskaufen
(Eph 5,16).
Der Ledige muß besonders auf Reinheit achten, auf Disziplin in Finanzfragen, auf die
freie Zeit, um das Wort Gottes zu studieren, und auf Gelegenheiten zum Dienst, z. B. ei
nen befristeten Einsatz im Ausland. Der Ledige muß sich um die Dinge des Herrn
kümmern und darum, wie er ihm gefallen kann (IKor 7,32). Der Verheiratete muß für
die Familie sorgen, aber dennoch das Werk des Herrn über alles stellen (V. 29.33). Die
richtige Ausübung und Förderung dieser Gaben ist wohl ein wichtiger Faktor für den
Einsatz weiterer Begabungen in allen Lebensbereichen.
e) Seien Sie bereit, für Gott alles zu tun
In Wahrheit ist es wichtiger, hingegeben zu leben und bereit zu sein, alles zu tun,
als geistliche Gaben zu entdecken. Die Stelle über Gaben in Epheser 4 beginnt mit
der Ermahnung, ein würdiges und demütiges Leben zu führen (V. 1-2). Das ganze
Kapitel über Gaben in 1. Korinther 12 folgt auf mehrere Ermahnungen, hingegeben
zu leben (3,16; 6,19-20; 10,31), und Römer 12 beginnt mit dem bekannten Aufruf
zur Lebensweihe in den Versen 1 und 2. Wer sich nicht vollkommen hingibt, wird
niemals alle Fähigkeiten entdecken, die Gott ihm gegeben hat, noch wird er Fähig
keiten voll entwickeln, die er schon entdeckt hat.
IV. Welche Geistesgaben gibt es?
a) Apostelamt (IKor 12,28; Eph 4,11)
Ein Apostel ist im weitesten Sinne ein Gesandter (beispielsweise Epaphroditus in
Philipper 2,25). Im engeren Sinne steht Apostel für die zwölf Jünger Jesu und eini
ge andere wie Paulus und Barnabas (Apg 14,14). Diese Gabe diente der Gründung
der Gemeinde und wurde durch besondere Zeichen bezeugt (2Kor 12,12; Eph
2,20). Diese Gabe gibt Gott heute nicht mehr.
b) Weissagung (Rö 12,6; IKor 12,10; 14,1-40; Eph 4,11)
Auch Weissagung (wörtlich: Prophetie) hat eine allgemeine und eine spezielle Be
deutung. im allgemeinen Sinn bedeutet Weissagung Verkündigung und Predigt. Im
engeren Sinn ist ein Prophet jemand, der nicht nur die Botschaft Gottes verkündigt,
sondern die Zukunft vorhersagen kann. Alle seine Botschaften, ob Verkündigung
oder Vorhersage, kommen durch besondere Offenbarungen direkt von Gott.
414 TeII II: Der HEiliqE CeIst
Diese Gabe muß zur Zeit des Neuen Testaments recht weit verbreitet gewesen
sein, obwohl nur wenige Propheten gesondert erwähnt werden (Agabus in Apostel
geschichte 11,27-28; Propheten in der Gemeinde zu Antiochien in 13,1; die vier
Töchter des Evangelisten Philippus in 21,9; und die Propheten in der korinthischen
Gemeinde in 1. Korinther 14). Auch diese Gabe diente der Gründung der Gemeinde
und wurde entbehrlich, nachdem das Neue Testament mit dem Buch der Offenba
rung abgeschlossen war.
c) Wunderkräfte (IKor 12,28) und Heilungen (V. 9.28.30)
Das ist die Fähigkeit, besondere Zeichen und die Heilung von Krankheit zu bewir
ken. Paulus übte diese Gabe in Ephesus aus (Apg 19.11-12), er konnte oder wollte
sie aber bei Epaphroditus (Phil 2,27), Timotheus (ITim 5,23) und Trophimus (2Tim
4,20) nicht zur Anwendung bringen. Die Gabe der Heilung gehört wohl zur allge
meinen Gabe der Wunderkräfte. Paulus zum Beispiel schlug den Zauberer Elymas
mit Blindheit (Apg 13,11), ganz bestimmt ein übernatürliches Wunder, allerdings
nicht gerade eine Heilung. Wunder und Heilungen kann Gott auch abseits von
geistlichen Gaben wirken (z. B. das Zeichen, das in 4.31 die Fülle des Geistes be
zeugte).
Deshalb kann es wohl sein, daß Gott die Gaben der Wunderkräfte und Heilungen
nur eine Zeitlang gegeben hat und doch heute noch Wunder und Heilungen wirkt.
Die Gaben sind nicht mehr vorhanden, weil sie nicht mehr notwendig sind, d. h. die
Botschaft des Evangeliums braucht nicht mehr durch sie bekräftigt zu werden.
Ein Christ kann heute nicht unbedingt erwarten, geheilt zu werden. Es ist nicht
Gottes Wille, alle seine Kinder gesund zu machen. Obwohl Paulus emsthaft und
wiederholt betete und selbst die Gabe der Heilung besaß, war es nicht Gottes Wille,
Paulus von seinem Stachel im Fleisch zu befreien (2Kor 12,8-9). Wäre es Gottes
Wille, alle Gläubigen zu heilen, würde kein Christ jemals sterben, denn selbst die
letzte Krankheit könnte noch geheilt werden. Jeder, der die Gabe der Heilung zu
besitzen meint, muß zugleich seine Grenzen anerkennen, denn niemand behauptet,
verfallene Zähne kurieren oder gebrochene Knochen auf der Stelle wiederherstellen
zu können.
Wer die verfügbaren menschlichen Mittel zur Heilung ablehnt und sich darauf
beschränkt, um ein Wunder zu beten, handelt wie der Bauer, der um eine gute Ernte
bittet und sich dann in den Schaukelstuhl setzt, ohne den Boden zu bepflanzen und
zu bearbeiten.
d) Zungenrede und Auslegung von Zungenrede (IKor 12,10)
Zungenrede ist die gottgegebene Fähigkeit, in einer irdischen Sprache zu sprechen,
die dem Sprecher nicht bekannt ist. Auslegung der Zungenrede ist die Fähigkeit,
diese Botschaft in eine den Zuhörern verständliche Sprache zu übersetzen. In Apo
stelgeschichte 2, wo erstmalig Zungenrede erwähnt wird, handelte es sich eindeutig
um Fremdsprachen (beachte das Wort „Sprachen" in V. 6 und 8). Die Zungenrede
in Korinth war vermutlich nicht anders.
65. DiE CaBen dES CeIstes 415
Die Auslegung der Zungenrede verfolgte einen zweifachen Zweck: Wahrheit
von Gott zu verkünden und die Wahrheit der christlichen Botschaft zu bezeugen,
vor allem für Juden (IKor 14,5.21-22). Weil die Korinther diese Gabe mißbrauch
ten, legte Paulus eindeutige Richtlinien fest: In jeder Versammlung durften nur
zwei oder drei Zungenredner sprechen; niemand sollte in Zungen reden, außer seine
Botschaft konnte ausgelegt werden, Weissagung wurde in Jedem Fall vorgezogen,
und Frauen sollen schweigen (V. 27-34).
Wird Zungenrede nicht ausgelegt, handelt es sich etwa gar um eine private Ge
betssprache, so ist sie unfruchtbar (V. 14), denn nicht einmal der Beter selbst ver
steht, worum er bittet. Darum ist es besser, mit Verstand zu beten, also in einer
verständlichen Sprache.
Ob wir glauben, daß es die biblische Gabe der Zungenrede heute noch gibt oder
nicht, eines können wir klar sagen: Die pfingstlerische Lehre, daß Zungenrede ein
notwendiges Zeichen ftir die Geistestaufe darstellt, ist falsch. Laut Paulus sind alle
Gläubigen in Korinth getauft (12,13), aber nicht alle redeten in Zungen (V. 30).
e) Evangelisation (Eph 4,11)
Diese Fähigkeit, die Botschaft des Evangeliums mit besonderer Klarheit zu verkün
den. verbindet sich zugleich mit der Vorstellung eines reisenden Evangelisten. Die
se Tätigkeit kann öffentlich oder privat geschehen. Jeder Gläubige ist aufgerufen,
für Christus Zeugnis abzulegen, ob er die Gabe der Evangelisation hat oder nicht.
f) Hirte (Eph 4,11)
Das ist die Fähigkeit, das Volk Gottes zu leiten, zu versorgen, zu nähren und zu
schützen. In V. 11 steht der Hirte in Zusammenhang mit dem Lehrer, in Apostelge
schichte 20,28 mit dem Aufseher.
g) Dienen (Rö 12,7; IKor 12,28; Eph 4,12)
Das ist die Fähigkeit, im weitesten Sinne des Wortes zu helfen oder zu dienen.
h) Lehren (Rö 12,7; IKor 12,28; Eph 4,11)
Das ist die Fähigkeit, Menschen die Wahrheit Gottes zu erklären. Manche Men
schen besitzen diese Gabe offenbar gesondert, andere in Zusammenhang mit der
Gabe des Hirten.
i) Glauben (IKor 12,9)
Darunter verstehen wir die Fähigkeit, Gott die konkreten Bedürfnisse des Lebens
anzuvertrauen. Jeder Gläubige soll im Glauben wandeln, und jeder hat ein bestimm
tes Maß an Glauben. Nicht jeder hat aber die Gabe des Glaubens.
j) Ermahnen (Rom 12,8)
Das ist die Fähigkeit, andere zu ermutigen, zu trösten und zurechtzuweisen,
k) Unterscheidung der Geister (IKor 12,10)
Das war die Fähigkeit, zwischen wahren und falschen Quellen übernatürlicher Of-
416 TeII II: Der HEiliqE CeIst
fenbarung zu unterscheiden, solange diese vor der Vollendung des Kanons in
mündlicher Form geschah.
1) Barmherzigkeit (Rom 12,8)
Ähnlich der Gabe des Dienstes handelt es sich darum, den Kranken und Notleiden
den zu Hilfe zu sein.
m) Mitteilen (Rom 12,8)
Hier dürfte die Fähigkeit gemeint sein, freigebig mit finanziellen Mitteln umzuge
hen. Diese Gabe soll in Einfalt geübt werden, also ohne Erwartung einer Gegenlei
stung oder eigener Vorteile.
n) Vorstehen (Rom 12,8; IKor 12,28)
Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, die Gemeinde zu leiten.
o) Weisheit und Erkenntnis (IKor 12,8)
Wie andere Gaben an die Urgemeinde bedeutet auch diese, die Wahrheit Gottes zu
verstehen und anderen mitzuteilen.
Diese Liste umfaßt 18 einzelne Gaben, wobei ich manche zusammengefaßt habe.
Sind das alle oder gibt es noch mehr? Nirgends finden wir Hinweise auf weitere
Gaben, und die hier aufgezählten dürften ausreichen, um den Leib Christi zu erbau
en
Sulzbacher 07.04.2022 14:53
Die Fülle des Geistes
Fünfzehntnal ist im Neuen Testament davon die Rede, wie der Geist Menschen er
füllt, viermal davon vor Pfingsten. Die Fülle des Geistes umfaßt zwei Dinge, die für
das Leben und Handeln des Christen von entscheidender Wichtigkeit sind.
I. Welcher Unterschied besteht zwischen Fülle des Geistes und
Geistlichkeit?
a) Was ist Geistlichkeit?
In 1. Korinther 2,15 finden wir so etwas wie eine Definition von Geistlichkeit, ob
wohl es eigentlich mehr eine Beschreibung ist. Weil der geistliche Christ alle Dinge
beurteilt, prüft oder unterscheidet, ohne selbst beurteilt zu werden, bedeutet Geist
lichkeit eine reife und weiterreifende Beziehung zu Gott.
Dazu sind jedenfalls drei Dinge nötig:
(a) Wiedergeburt;
(b) das Wirken Gottes im Leben des Gläubigen; und
(c) Zeit zu Wachstum und Reife.
b) Welche Rolle spielt der Geist, um Geistlichkeit hervorzubringen?
Weil Reife ein wesentliches Merkmal eines geistlichen Christen ist, muß der Heili
ge Geist entscheidend dazu beitragen, Geistlichkeit hervorzubringen. Urteilsfähig
keit erfordert die Kenntnis des Willens Gottes und seiner Sicht der Dinge. Diese
Kenntnis vermittelt der Geist durch Unterweisung (Joh 16,12-15). Dazu gehört
auch das Gebet nach dem Willen Gottes, das vom Geist geleitet ist (Röm 8,26; Eph
6,18). Der geistliche Christ setzt die Geistesgaben ein, die ihm verliehen sind (IKor
12,7). Er lernt es, das Fleisch durch die Kraft des Geistes zu überwinden (Röm
8,13; Gal 5,16-17). Die Fülle des Geistes ist also der Schlüssel zur Geistlichkeit.
c) Was schließen wir aus dieser Definition von Geistlichkeit?
Weil Geistlichkeit mit Reife zu tun hat, gibt es verschiedene Stufen der Geistlich
keit, so wie es verschiedene Reifegrade gibt. Paulus erwartet von den korinthischen
Gläubigen offenbar, innerhalb von fünf oder sechs Jahren einen Reifestand erreicht
418 TeII 11: Der HEiliqE CeIst
zu haben, wo er sie als geistlich bezeichnen kann. Er brachte das Evangelium auf
seiner zweiten Missionsreise (etwa 50 n. Chr.) nach Korinth, und sein erster Korintherbrief, in dem er die Empfanger tadelt, weil er sie nicht als geistlich reife Men
schen behandeln kann, entstand um 56 n. Chr.
Offenbar kann ein Christ in einem Gebiet der Geistlichkeit Rückschritte erleiden,
ohne alles zu verlieren, was er im Laufe der Jahre erworben hat. Manche Sünden
beeinträchtigen mehr Lebensbereiche als andere.
Weil die Fülle des Geistes damit zu tun hat, ob man sein Leben vom Geist be
stimmen läßt, kann ein Junggläubiger sie besitzen, sofern er alle ihm bewußten Le
bensbereiche dem Geist überläßt. Deshalb ist er aber noch lange nicht geistlich,
denn er hat noch nicht die Zeit zum Reifen gehabt. Je reifer er wird, desto mehr Le
bensbereiche, in denen er den Geist bestimmen lassen muß, werden ihm bewußt.
Reagiert er darauf positiv und gestattet er es dem Geist, sein Leben vermehrt zu
bestimmen, schreitet er weiter zur Reife.
Wer bereits längere Zeit Christ ist, muß darum noch lange nicht geistlich sein,
denn möglicherweise hat er es dem Geist nicht erlaubt, ihn während all dieser Jahre
zu bestimmen.
Es gibt Stadien der Reife. Wer gereift ist, kann immer noch einen höheren Rei
festand erreichen. Geistlichkeit ist darum eine reife und weiterreifende Beziehung
zu Gott.
II. Die Fülle des Geistes
Die Fülle des Geistes umfaßt zwei Seiten. Erstens bezeichnet sie einen souveränen
Akt Gottes, wobei er für eine besondere Aufgabe von einem Menschen Besitz er
greift. Das drückt die Bibel durch die griechische Wendung pimplemi pneumatos
hagiou (erfüllen mit Heiligem Geist) aus, wobei der Moment der Erfüllung betont
ist und nicht der daraus resultierende Zustand. Diese Wendung finden wir in Lukas
1,15 (Johannes der Täufer); 1,41 (Elisabeth); 1,67 (Zacharias); Apostelgeschichte
2,4; (die Jünger am Pflngsttag), 4,8 (Petrus), 4,31 (die Gläubigen), 9,17 (Paulus)
und 13,9 (Paulus).
Beachten wir besonders, wie diese Erfüllung mit dem Geist von manchen Gläu
bigen mehrmals erlebt wurde, ohne daß eine dazwischenliegende Sünde eine Wie
derholung erforderlich gemacht hätte. Die erneute Erfüllung ergab sich aus einer
neuen Aufgabe, nicht aus dazwischenliegender Sünde (2,4; 4,8.31). Gott erfüllt die
Menschen mit dem Geist als souveräne Handlung von seiner Seite, ohne Vorbedin
gungen seitens der Betroffenen.
Die zweite Facette der Fülle des Geistes ist ein bestimmender Einfluß des Gei
stes im Leben des Gläubigen. Sie bedeutet einen bleibenden Zustand der Geistesfül
le, nicht ein konkretes Ereignis. Sie fuhrt zu einem veränderten Charakter und ist
fast dasselbe wie Geistlichkeit. Die griechische Wendung dafür ist plere oder
pleröo pneumatos hagiou. Davon lesen wir in Lukas 4,1 (Christus), Apostelge-
66. Die FüUe (Jes CeIstes 419
schichte 6,3.5 (die ersten Helfer der Apostel). 7.55 (Stephanus). 11.24 (Barnabas),
13,52 (die Jünger) und Epheser 5.18 (die Gläubigen).
Voll Geist zu sein ist die beste Empfehlung, die ein Christ je bekommen kann.
Offenbar kann Jeder Christ voll Geist werden (Apg 13.52). aber nicht jeder ist es
(6,3). Zwar werden im Zusammenhang nirgends konkrete Bedingungen genannt,
die normalen Erfordernisse geistlichen Wachstums dürften aber auch Vorbedingun
gen für diesen Charakterzug sein.
Das dürfte auch Paulus meinen, der nur an einer Stelle von der Fülle des Geistes
spricht (Eph 5,18). Weil er in der Befehlsform schreibt, dürften nicht alle seine Le
ser voll Geist gewesen sein. Bei der Auslegung dieses Verses erheben sich zwei
Fragen.
Erstens, was bedeutet ..Geist"? Ist hier der Heilige Geist oder der menschliche
Geist gemeint? In letzterem Fall bedeutet der Vers, wir sollen mit unserem Geist an
der gemeinsamen Anbetung teilnehmen (obwohl nirgends sonst davon die Rede ist.
voll des eigenen Geistes zu sein). Alle anderen Epheser-Verse. in denen die Wen
dung en pneumati vorkommt (2.22: 3.5: 6.18) ebenso wie Kolosser 1.8 beziehen
sich eindeutig auf den Heiligen Geist. Deshalb dürfte Paulus auch in 5.18 den Hei
ligen Geist meinen. Beachten wir auch, das Zeitwort pleröo wird in 3.19 für Gott
und in 4,10 für den Sohn verwendet. Warum sollte Paulus in 5.18 plötzlich auf den
menschlichen Geist umschwenken? (Ein Autor, der in dieser Stelle den menschli
chen Geist erblickt, ist S. D. F. Salmond: ..The Epistle to the Ephesians". in: The
Expositor's Greek Testament [Grand Rapids: Eerdmans 1952]. 3:362.)
Die zweite Frage bezieht sich auf die Bedeutung von en (wörtlich: werdet voll
im Geist). Meint Paulus, wir sollen uns mit dem Geist oder vom Geist füllen las
sen? Sollen wir voll Geist werden oder uns vom Geist voll machen lassen? Beide
Auslegungen sind gerechtfertigt. (Die Bedeutung ..voll Geist sein" könnte man aus
Römer 1,29 und 2. Korinther 7.4 belegen.) Vielleicht sind hier beide Aspekte ge
meint. Der Geist ist es, der uns mit sich selbst erfüllt (so auch C. J. Ellicott: St.
Paul's Epistle to the Ephesians [London: Longmans 1868]. S. 124).
Zusammenfassung: Die Fülle des Geistes ist erstens Gottes souveräne Befähi
gung durch den Geist für eine besondere Aufgabe und zweitens unsere Erfüllung
mit dem Wesen des Gottesgeistes.
III. Was bewirkt die Fülle des Geistes?
a) Christusgleichheit (Gal 5,22)
Ein vom Geist bestimmtes Leben bringt die Frucht des Geistes hervor. Die Frucht
des Geistes ist zugleich die Beschreibung des Wesens Christi. Allerdings müssen
wir jeden dieser Wesenszüge in allen seinen Aspekten betrachten, nicht nur von je
ner Seite, die wir mit unseren Vorstellungen von Christusgleichheit vereinbaren
können.
Viele von uns stellen sich Christusgleichheit mehr oder weniger als Spiegelbild
420 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
ihrer eigenen Persönlichkeit vor. Ein introvertierter Mensch hält den Herrn wahr
scheinlich für still und zurückgezogen, eine extrovertierte Persönlichkeit sieht ihn
als wortgewaltigen Anführer. Erst eine umfassende Definition der neun Wörter,
welche die Frucht des Geistes beschreiben, ergibt ein wohlabgewogenes Bild wah
rer Christusgleichheit.
Ein Beispiel; Liebe ist nicht nur Zartheit, sondern oft auch Kompromißlosigkeit.
Den Kindern begegnet Christus mit zarter Liebe. Als er die Geldwechsler austrieb,
zeigte er kompromißlose Härte. Beide Handlungen sind Erweise seiner Liebe, denn
er ist Gott, und Gott ist Liebe.
Freude erweist sich nicht nur in Fröhlichkeit, sondern auch in Schwermut (IPetr
1,6). Friede ist Harmonie, gestattet aber auch zwischenmenschliche Probleme (Mt
10,34). Langmut bedeutet Ausgeglichenheit und Geduld, umfaßt aber auch Tadel
(wie ihn der Herr gegen Philippus aussprach, Joh 14,9). Freundlichkeit und Güte
sind wohlwollende Gedanken und Handlungen, und doch jagte Jesus zweitausend
Schweine in das galiläische Meer, um ihren Besitzern einen Gefallen zu tun, die
sich diesem illegalen Geschäft widmeten (Mt 8,28-34). Treue ist ganz bestimmt re
gelmäßiger und verläßlicher Dienst, ist aber auch immer für Überraschungen gut.
Sanftmut schließt Selbstbehauptung keinesfalls aus. Enthaltsamkeit umfaßt alle Le
bensbereiche (1 Kor 9,27).
b) Evangelistisches Engagement
Wo immer die Fülle des Geistes in der Apostelgeschichte erwähnt wird, folgen Be
kehrungen auf dem Fuß. Die Fülle des Geistes am Pflngsttag (Apg 2,4) führte zur
Bekehrung von dreitausend Menschen (V. 41). Die Erfüllung der Jünger in 4,31
bekehrte eine Vielzahl von Männern und Frauen zum Herrn (5,14). Eines der Kri
terien für die Auswahl der ersten Helfer der Apostel war, ob sie voll Geist waren
(6,3). Daraufhin bekehrte sich eine Anzahl von Priestern (V. 7). Paulus wurde nach
seiner Bekehrung mit dem Geist erfüllt, und die Frucht seines Lebens ist wohlbe
kannt. Als Barnabas, voll Geistes, nach Antiochien kam, bekehrten sich viele
(11,24). Ganz sicher waren jene, die beteten (4,24), und jene, die gaben (V. 34),
daran genauso beteiligt wie jene, deren direktes Zeugnis zu diesen Bekehrungen
führte.
c) Lobpreis und Anbetung, Dank, Unterordnung (Eph 5,19-21)
Diese vier Beweise für die Fülle des Geistes fügt Paulus an sein Gebot in Vers 18
an. Lobpreis zeigt sich in Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern. Singen und
Spielen im Herzen beweist eine innere Haltung der Anbetung. Dank soll unser gan
zes Leben durchziehen, und das schreibt ein Mensch, der in Rom unter Hausarrest
steht und auf die Verhandlung wartet. Unterordnung von Mann und Frau, Eltern
und Kindern, Herren und Sklaven ist ebenfalls ein Zeichen für ein Leben, das vom
Geist erfüllt ist. All das sind ganz gewöhnliche Dinge, welche den Alltag bestim
men, nicht außerordentliche Erweise geistlicher Kraft.
66. DiE FüUe cIes CeIstes 421
IV. Wie werde ich vom Geist erfüllt?
in den nachpfingstlichen Berichten des Neuen Testaments finden wir kein Beispiel,
wie wir um die Fülle des Geistes beten sollen. Gebet ist offenbar nicht der richtige
Weg, um erfüllt zu werden.
Weil sich die Fülle des Geistes auf seine Herrschaft in unserem Leben bezieht
(ob in der souveränen Besitzergreifung Gottes oder in Form einer bleibenden Herr
schaft, welche zu einem erneuerten Wesen führt), hat die Geistesflille mit Hingabe
zu tun. Sooft ich bereit bin, den Geist über mich bestimmen zu lassen, liegt es an
ihm, nach seinem Wohlgefallen zu handeln. Meine Bereitschaft kann ich beeinflus
sen, nicht aber sein Handeln.
Mit der Reife vertieft sich die Erkenntnis und die richtige Perspektive. Neue Le
bensbereiche, die der Übergabe bedürfen, treten zutage. Wer voll Geist ist, muß
immer wieder neu erfüllt werden, um als Christ zu reifen. Kein Christ kann es sich
leisten, in irgendeinem Stadium seines geistlichen Wachstums nicht erfüllt zu sein.
Geistestaufe Geistesfülle
einmalig im Leben des Gläubigen wiederholtes Ereignis
vor dem Pfingsttag unbekannt bereits im Alten Testament
betrifft alle Gläubigen betrifft nicht unbedingt alle
unaufhebbar kann verloren gehen
betrifft unsere Stellung betrifft unsere Kraft
findet bei der Bekehrung statt wiederholt sich während des
gesamten Christseins
bedingungslos
(außer dem Glauben an Christus)
hängt von Hingabe ab
Fünfzehntnal ist im Neuen Testament davon die Rede, wie der Geist Menschen er
füllt, viermal davon vor Pfingsten. Die Fülle des Geistes umfaßt zwei Dinge, die für
das Leben und Handeln des Christen von entscheidender Wichtigkeit sind.
I. Welcher Unterschied besteht zwischen Fülle des Geistes und
Geistlichkeit?
a) Was ist Geistlichkeit?
In 1. Korinther 2,15 finden wir so etwas wie eine Definition von Geistlichkeit, ob
wohl es eigentlich mehr eine Beschreibung ist. Weil der geistliche Christ alle Dinge
beurteilt, prüft oder unterscheidet, ohne selbst beurteilt zu werden, bedeutet Geist
lichkeit eine reife und weiterreifende Beziehung zu Gott.
Dazu sind jedenfalls drei Dinge nötig:
(a) Wiedergeburt;
(b) das Wirken Gottes im Leben des Gläubigen; und
(c) Zeit zu Wachstum und Reife.
b) Welche Rolle spielt der Geist, um Geistlichkeit hervorzubringen?
Weil Reife ein wesentliches Merkmal eines geistlichen Christen ist, muß der Heili
ge Geist entscheidend dazu beitragen, Geistlichkeit hervorzubringen. Urteilsfähig
keit erfordert die Kenntnis des Willens Gottes und seiner Sicht der Dinge. Diese
Kenntnis vermittelt der Geist durch Unterweisung (Joh 16,12-15). Dazu gehört
auch das Gebet nach dem Willen Gottes, das vom Geist geleitet ist (Röm 8,26; Eph
6,18). Der geistliche Christ setzt die Geistesgaben ein, die ihm verliehen sind (IKor
12,7). Er lernt es, das Fleisch durch die Kraft des Geistes zu überwinden (Röm
8,13; Gal 5,16-17). Die Fülle des Geistes ist also der Schlüssel zur Geistlichkeit.
c) Was schließen wir aus dieser Definition von Geistlichkeit?
Weil Geistlichkeit mit Reife zu tun hat, gibt es verschiedene Stufen der Geistlich
keit, so wie es verschiedene Reifegrade gibt. Paulus erwartet von den korinthischen
Gläubigen offenbar, innerhalb von fünf oder sechs Jahren einen Reifestand erreicht
418 TeII 11: Der HEiliqE CeIst
zu haben, wo er sie als geistlich bezeichnen kann. Er brachte das Evangelium auf
seiner zweiten Missionsreise (etwa 50 n. Chr.) nach Korinth, und sein erster Korintherbrief, in dem er die Empfanger tadelt, weil er sie nicht als geistlich reife Men
schen behandeln kann, entstand um 56 n. Chr.
Offenbar kann ein Christ in einem Gebiet der Geistlichkeit Rückschritte erleiden,
ohne alles zu verlieren, was er im Laufe der Jahre erworben hat. Manche Sünden
beeinträchtigen mehr Lebensbereiche als andere.
Weil die Fülle des Geistes damit zu tun hat, ob man sein Leben vom Geist be
stimmen läßt, kann ein Junggläubiger sie besitzen, sofern er alle ihm bewußten Le
bensbereiche dem Geist überläßt. Deshalb ist er aber noch lange nicht geistlich,
denn er hat noch nicht die Zeit zum Reifen gehabt. Je reifer er wird, desto mehr Le
bensbereiche, in denen er den Geist bestimmen lassen muß, werden ihm bewußt.
Reagiert er darauf positiv und gestattet er es dem Geist, sein Leben vermehrt zu
bestimmen, schreitet er weiter zur Reife.
Wer bereits längere Zeit Christ ist, muß darum noch lange nicht geistlich sein,
denn möglicherweise hat er es dem Geist nicht erlaubt, ihn während all dieser Jahre
zu bestimmen.
Es gibt Stadien der Reife. Wer gereift ist, kann immer noch einen höheren Rei
festand erreichen. Geistlichkeit ist darum eine reife und weiterreifende Beziehung
zu Gott.
II. Die Fülle des Geistes
Die Fülle des Geistes umfaßt zwei Seiten. Erstens bezeichnet sie einen souveränen
Akt Gottes, wobei er für eine besondere Aufgabe von einem Menschen Besitz er
greift. Das drückt die Bibel durch die griechische Wendung pimplemi pneumatos
hagiou (erfüllen mit Heiligem Geist) aus, wobei der Moment der Erfüllung betont
ist und nicht der daraus resultierende Zustand. Diese Wendung finden wir in Lukas
1,15 (Johannes der Täufer); 1,41 (Elisabeth); 1,67 (Zacharias); Apostelgeschichte
2,4; (die Jünger am Pflngsttag), 4,8 (Petrus), 4,31 (die Gläubigen), 9,17 (Paulus)
und 13,9 (Paulus).
Beachten wir besonders, wie diese Erfüllung mit dem Geist von manchen Gläu
bigen mehrmals erlebt wurde, ohne daß eine dazwischenliegende Sünde eine Wie
derholung erforderlich gemacht hätte. Die erneute Erfüllung ergab sich aus einer
neuen Aufgabe, nicht aus dazwischenliegender Sünde (2,4; 4,8.31). Gott erfüllt die
Menschen mit dem Geist als souveräne Handlung von seiner Seite, ohne Vorbedin
gungen seitens der Betroffenen.
Die zweite Facette der Fülle des Geistes ist ein bestimmender Einfluß des Gei
stes im Leben des Gläubigen. Sie bedeutet einen bleibenden Zustand der Geistesfül
le, nicht ein konkretes Ereignis. Sie fuhrt zu einem veränderten Charakter und ist
fast dasselbe wie Geistlichkeit. Die griechische Wendung dafür ist plere oder
pleröo pneumatos hagiou. Davon lesen wir in Lukas 4,1 (Christus), Apostelge-
66. Die FüUe (Jes CeIstes 419
schichte 6,3.5 (die ersten Helfer der Apostel). 7.55 (Stephanus). 11.24 (Barnabas),
13,52 (die Jünger) und Epheser 5.18 (die Gläubigen).
Voll Geist zu sein ist die beste Empfehlung, die ein Christ je bekommen kann.
Offenbar kann Jeder Christ voll Geist werden (Apg 13.52). aber nicht jeder ist es
(6,3). Zwar werden im Zusammenhang nirgends konkrete Bedingungen genannt,
die normalen Erfordernisse geistlichen Wachstums dürften aber auch Vorbedingun
gen für diesen Charakterzug sein.
Das dürfte auch Paulus meinen, der nur an einer Stelle von der Fülle des Geistes
spricht (Eph 5,18). Weil er in der Befehlsform schreibt, dürften nicht alle seine Le
ser voll Geist gewesen sein. Bei der Auslegung dieses Verses erheben sich zwei
Fragen.
Erstens, was bedeutet ..Geist"? Ist hier der Heilige Geist oder der menschliche
Geist gemeint? In letzterem Fall bedeutet der Vers, wir sollen mit unserem Geist an
der gemeinsamen Anbetung teilnehmen (obwohl nirgends sonst davon die Rede ist.
voll des eigenen Geistes zu sein). Alle anderen Epheser-Verse. in denen die Wen
dung en pneumati vorkommt (2.22: 3.5: 6.18) ebenso wie Kolosser 1.8 beziehen
sich eindeutig auf den Heiligen Geist. Deshalb dürfte Paulus auch in 5.18 den Hei
ligen Geist meinen. Beachten wir auch, das Zeitwort pleröo wird in 3.19 für Gott
und in 4,10 für den Sohn verwendet. Warum sollte Paulus in 5.18 plötzlich auf den
menschlichen Geist umschwenken? (Ein Autor, der in dieser Stelle den menschli
chen Geist erblickt, ist S. D. F. Salmond: ..The Epistle to the Ephesians". in: The
Expositor's Greek Testament [Grand Rapids: Eerdmans 1952]. 3:362.)
Die zweite Frage bezieht sich auf die Bedeutung von en (wörtlich: werdet voll
im Geist). Meint Paulus, wir sollen uns mit dem Geist oder vom Geist füllen las
sen? Sollen wir voll Geist werden oder uns vom Geist voll machen lassen? Beide
Auslegungen sind gerechtfertigt. (Die Bedeutung ..voll Geist sein" könnte man aus
Römer 1,29 und 2. Korinther 7.4 belegen.) Vielleicht sind hier beide Aspekte ge
meint. Der Geist ist es, der uns mit sich selbst erfüllt (so auch C. J. Ellicott: St.
Paul's Epistle to the Ephesians [London: Longmans 1868]. S. 124).
Zusammenfassung: Die Fülle des Geistes ist erstens Gottes souveräne Befähi
gung durch den Geist für eine besondere Aufgabe und zweitens unsere Erfüllung
mit dem Wesen des Gottesgeistes.
III. Was bewirkt die Fülle des Geistes?
a) Christusgleichheit (Gal 5,22)
Ein vom Geist bestimmtes Leben bringt die Frucht des Geistes hervor. Die Frucht
des Geistes ist zugleich die Beschreibung des Wesens Christi. Allerdings müssen
wir jeden dieser Wesenszüge in allen seinen Aspekten betrachten, nicht nur von je
ner Seite, die wir mit unseren Vorstellungen von Christusgleichheit vereinbaren
können.
Viele von uns stellen sich Christusgleichheit mehr oder weniger als Spiegelbild
420 Teil 11: Der HEiliqE CeIst
ihrer eigenen Persönlichkeit vor. Ein introvertierter Mensch hält den Herrn wahr
scheinlich für still und zurückgezogen, eine extrovertierte Persönlichkeit sieht ihn
als wortgewaltigen Anführer. Erst eine umfassende Definition der neun Wörter,
welche die Frucht des Geistes beschreiben, ergibt ein wohlabgewogenes Bild wah
rer Christusgleichheit.
Ein Beispiel; Liebe ist nicht nur Zartheit, sondern oft auch Kompromißlosigkeit.
Den Kindern begegnet Christus mit zarter Liebe. Als er die Geldwechsler austrieb,
zeigte er kompromißlose Härte. Beide Handlungen sind Erweise seiner Liebe, denn
er ist Gott, und Gott ist Liebe.
Freude erweist sich nicht nur in Fröhlichkeit, sondern auch in Schwermut (IPetr
1,6). Friede ist Harmonie, gestattet aber auch zwischenmenschliche Probleme (Mt
10,34). Langmut bedeutet Ausgeglichenheit und Geduld, umfaßt aber auch Tadel
(wie ihn der Herr gegen Philippus aussprach, Joh 14,9). Freundlichkeit und Güte
sind wohlwollende Gedanken und Handlungen, und doch jagte Jesus zweitausend
Schweine in das galiläische Meer, um ihren Besitzern einen Gefallen zu tun, die
sich diesem illegalen Geschäft widmeten (Mt 8,28-34). Treue ist ganz bestimmt re
gelmäßiger und verläßlicher Dienst, ist aber auch immer für Überraschungen gut.
Sanftmut schließt Selbstbehauptung keinesfalls aus. Enthaltsamkeit umfaßt alle Le
bensbereiche (1 Kor 9,27).
b) Evangelistisches Engagement
Wo immer die Fülle des Geistes in der Apostelgeschichte erwähnt wird, folgen Be
kehrungen auf dem Fuß. Die Fülle des Geistes am Pflngsttag (Apg 2,4) führte zur
Bekehrung von dreitausend Menschen (V. 41). Die Erfüllung der Jünger in 4,31
bekehrte eine Vielzahl von Männern und Frauen zum Herrn (5,14). Eines der Kri
terien für die Auswahl der ersten Helfer der Apostel war, ob sie voll Geist waren
(6,3). Daraufhin bekehrte sich eine Anzahl von Priestern (V. 7). Paulus wurde nach
seiner Bekehrung mit dem Geist erfüllt, und die Frucht seines Lebens ist wohlbe
kannt. Als Barnabas, voll Geistes, nach Antiochien kam, bekehrten sich viele
(11,24). Ganz sicher waren jene, die beteten (4,24), und jene, die gaben (V. 34),
daran genauso beteiligt wie jene, deren direktes Zeugnis zu diesen Bekehrungen
führte.
c) Lobpreis und Anbetung, Dank, Unterordnung (Eph 5,19-21)
Diese vier Beweise für die Fülle des Geistes fügt Paulus an sein Gebot in Vers 18
an. Lobpreis zeigt sich in Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern. Singen und
Spielen im Herzen beweist eine innere Haltung der Anbetung. Dank soll unser gan
zes Leben durchziehen, und das schreibt ein Mensch, der in Rom unter Hausarrest
steht und auf die Verhandlung wartet. Unterordnung von Mann und Frau, Eltern
und Kindern, Herren und Sklaven ist ebenfalls ein Zeichen für ein Leben, das vom
Geist erfüllt ist. All das sind ganz gewöhnliche Dinge, welche den Alltag bestim
men, nicht außerordentliche Erweise geistlicher Kraft.
66. DiE FüUe cIes CeIstes 421
IV. Wie werde ich vom Geist erfüllt?
in den nachpfingstlichen Berichten des Neuen Testaments finden wir kein Beispiel,
wie wir um die Fülle des Geistes beten sollen. Gebet ist offenbar nicht der richtige
Weg, um erfüllt zu werden.
Weil sich die Fülle des Geistes auf seine Herrschaft in unserem Leben bezieht
(ob in der souveränen Besitzergreifung Gottes oder in Form einer bleibenden Herr
schaft, welche zu einem erneuerten Wesen führt), hat die Geistesflille mit Hingabe
zu tun. Sooft ich bereit bin, den Geist über mich bestimmen zu lassen, liegt es an
ihm, nach seinem Wohlgefallen zu handeln. Meine Bereitschaft kann ich beeinflus
sen, nicht aber sein Handeln.
Mit der Reife vertieft sich die Erkenntnis und die richtige Perspektive. Neue Le
bensbereiche, die der Übergabe bedürfen, treten zutage. Wer voll Geist ist, muß
immer wieder neu erfüllt werden, um als Christ zu reifen. Kein Christ kann es sich
leisten, in irgendeinem Stadium seines geistlichen Wachstums nicht erfüllt zu sein.
Geistestaufe Geistesfülle
einmalig im Leben des Gläubigen wiederholtes Ereignis
vor dem Pfingsttag unbekannt bereits im Alten Testament
betrifft alle Gläubigen betrifft nicht unbedingt alle
unaufhebbar kann verloren gehen
betrifft unsere Stellung betrifft unsere Kraft
findet bei der Bekehrung statt wiederholt sich während des
gesamten Christseins
bedingungslos
(außer dem Glauben an Christus)
hängt von Hingabe ab
Sulzbacher 07.04.2022 15:55
Andere Werke des Geistes
I. Unterweisung
Die Unterweisung durch den Geist ist eine der letzten Verheißungen Christi
vor der Kreuzigung. Er sagt: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr
könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekom
men ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich
selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende
wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen
wird er nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; dar
um sagte ich, daß er von dem Meinen nimmt und euch verkündigen wird" (Joh
16,12-15).
a) Zeit
Dieses Werk des Geistes lag noch in der Zukunft, als unser Herr diese Worte
sprach. Es begann am Pflngsttag und setzt sich durch unser gegenwärtiges Zeitalter
fort. Das geschärfte Verständnis des Apostels Petrus, das wir in seiner Pfingstansprache erleben, ist der erste Beweis für dieses Geisteswerk.
b) Inhalt
Der Geist leitet uns in „die ganze Wahrheit" (der bestimmte Artikel steht im
Grundtext). Das bedeutet natürlich Offenbarung über Christus selbst, allerdings auf
der Basis des geschriebenen Wortes (denn außerhalb der Bibel haben wir keine In
formationsquelle über ihn). Er belehrt den Gläubigen also über die Schrift und
macht ihn fähig, Prophetie zu verstehen („das Kommende". Diese besondere Be
tonung innerhalb der allgemeinen Verheißung sollte jeden Christen ermutigen, Pro
phetie zu studieren. Beachten wir auch, die Botschaft stammt nicht vom Geist, sie
stammt vom Herrn selbst.
c) Ergebnis
Die Unterweisung durch den Geist führt zur Verherrlichung Christi. Wo er nicht
verherrlicht wird, hat nicht der Heilige Geist gewirkt. Es ist nicht der Geist, der bei
einem Gottesdienst im Mittelpunkt stehen soll, sondern Christus. Weil wir nur aus
67. AncIere WERkE dES CeIstes 425
dem geschriebenen Wort von Christus wissen, wird er verherrlicht, wo das Wort
Gottes in der Kraft des Geistes ausgelegt wird.
d) Lehrmethoden
Wie belehrt der Geist die Gläubigen? Johannes sagt: „Und ihr! Die Salbung, die ihr
von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, daß euch jemand
belehre, sondern wie seine Salbung euch über alles belehrt, so ist es auch wahr und
keine Lüge; und wie sie euch belehrt hat, so bleibt in ihm" (1 Jo 2,27). Das bedeutet
nicht, menschliche Lehrer wären zur Auslegung des Wortes Gottes nicht notwen
dig. Wozu wäre sonst die Geistesgabe der Lehre dienlich (Rom 12,7)? Johannes
schreibt über die Antichristen in den Gemeinden. Er legt seine eigene Überzeugung
über ihre Irrlehre dar und fahrt fort, niemand brauche diese Wahrheit erklärt zu be
kommen, denn der Heilige Geist würde sie bekräftigen. Menschliche Lehrer sind
ein notwendiges Bindeglied zur Unterweisung der Gläubigen, beglaubigt wird die
Wahrheit aber durch die Unterweisung des Geistes.
II. Führung
„Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes"
(Röm 8,14). Vom Geist geleitet zu werden ist ein Beweis für unsere Sohnschaff.
Dieses Werk der Führung und Leitung ist vor allem das Werk des Geistes. Das er
fahren wir in Römer 8,14 und finden wir vielfach bezeugt in der Apostelgeschichte
(8,29; 10,19-20; 13,2.4; 16,6-7; 20,22-23). Dieses Werk des Geistes ist ruhige Ge
wißheit für den Christen. Ein Kind Gottes tappt nie im dunkeln, es kann jederzeit
die Führung des Geistes anfordern und erhalten.
III. Gewißheit
Der Geist ist es auch, der dem Christen die Gewißheit schenkt, daß er ein Kind
Gottes ist. „Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind"
(Röm 8,16). Für Kinder steht hier tekna (im Unterschied zu hyioi. Söhne). Das be
tont unseren Anteil am Leben des Vaters. Darum sind wir auch Erben dessen, was
der Vater besitzt. Diese Gewißheit schenkt der Geist jedem, der an den Herrn
glaubt.
Das Herz des Gläubigen erfahrt auch größere Gewißheit, indem er besser ver
steht, was der Geist für ihn getan hat. Große Gewißheit ist es zu wissen, was es be
deutet, mit dem Geist versiegelt zu sein und das Unterpfand des Geistes als Garan
tie für die Vollendung der Erlösung empfangen zu haben (Eph 1,13-14). Auch die
Erkenntnis, daß der Gläubige mit dem auferstandenen, unsterblichen Leib Christi
verbunden ist, vermehrt unsere Gewißheit. Diese großen Dinge zu begreifen gehört
natürlich zur Unterweisung durch den Heiligen Geist, darum ist der Heilige Geist in
vielfacher Weise damit befaßt, dem Gotteskind Gewißheit zu schenken.
424 Tei'I 11: Der HEiliqE CeIst
IV. Gebet
a) Die Kernstellc
Wir mögen zwar nie völlig begreifen, was es bedeutet, daß der Geist im Gläubigen
betet, die Tatsache an sich ist aber unzweifelhaft: ..Ebenso aber nimmt auch der
Geist sich unserer Schwachheit an. denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen,
wie es sich gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechli
chen Seufzern" (Röm 8.26).
b) Die Notwendigkeit
Dieses Werk des Geistes wird durch unsere Schwachheit notwendig (das Wort steht
in der Einzahl). Er hilft uns in unserer ganzen Schwachheit. \ or allem aber was un
ser Gebetsleben betrifft und unsere Erkenntnis, wofür wir in diesem Augenblick
beten sollen. Solange wir auf unsere vollendete Erlösung warten, brauchen wir
Anleitung im Gebet.
c) Die Methode
Ganz allgemein hilft uns der Geist in unseren Gebeten, indem er ..sich für uns ver
wendet", wörtlich übersetzt: ..zusammen mit uns Hand ans Werk legt" (R. St. John
Parry: „Romans", in: Cambridge Greek Testament [New York: Cambridge University Press 1912]. S. 120). Konkret nimmt diese Hilfestellung die Form von
„unaussprechlichen Seufzern" an. Diese Seufzer, deren Bedeutung wir nicht verste
hen können, kann man gar nicht in Worte fassen. Nur eines ist sicher: Sie stehen im
Willen Gottes.
Aus einer anderen Stelle wird klar, der Geist fuhrt und leitet unsere Gebete (Eph
6,18). Dort ist eher die Führung unseres Herzens und Verstandes beim Beten ge
meint, weniger die unaussprechlichen Seufzer des Geistes selbst.
d) Das Ergebnis
Das geistgeführte Gebetsleben bringt dem Gläubigen die Gewißheit der vollendeten
Erlösung, die ihn erwartet (Röm 8.23). Dieses Werk des Geistes ist eine Art Anzah
lung auf die Erlösung. Ein vom Geist gestütztes Gebetsleben läßt uns genügsam in
dieser Welt leben, während wir auf die Vollendung warten. Dieses Werk des Gei
stes hat also nicht nur mit Gebetserhörungen zu tun. sondern stärkt unsere Gewiß
heit und Genügsamkeit in diesem Leben
I. Unterweisung
Die Unterweisung durch den Geist ist eine der letzten Verheißungen Christi
vor der Kreuzigung. Er sagt: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr
könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekom
men ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich
selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende
wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen
wird er nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; dar
um sagte ich, daß er von dem Meinen nimmt und euch verkündigen wird" (Joh
16,12-15).
a) Zeit
Dieses Werk des Geistes lag noch in der Zukunft, als unser Herr diese Worte
sprach. Es begann am Pflngsttag und setzt sich durch unser gegenwärtiges Zeitalter
fort. Das geschärfte Verständnis des Apostels Petrus, das wir in seiner Pfingstansprache erleben, ist der erste Beweis für dieses Geisteswerk.
b) Inhalt
Der Geist leitet uns in „die ganze Wahrheit" (der bestimmte Artikel steht im
Grundtext). Das bedeutet natürlich Offenbarung über Christus selbst, allerdings auf
der Basis des geschriebenen Wortes (denn außerhalb der Bibel haben wir keine In
formationsquelle über ihn). Er belehrt den Gläubigen also über die Schrift und
macht ihn fähig, Prophetie zu verstehen („das Kommende". Diese besondere Be
tonung innerhalb der allgemeinen Verheißung sollte jeden Christen ermutigen, Pro
phetie zu studieren. Beachten wir auch, die Botschaft stammt nicht vom Geist, sie
stammt vom Herrn selbst.
c) Ergebnis
Die Unterweisung durch den Geist führt zur Verherrlichung Christi. Wo er nicht
verherrlicht wird, hat nicht der Heilige Geist gewirkt. Es ist nicht der Geist, der bei
einem Gottesdienst im Mittelpunkt stehen soll, sondern Christus. Weil wir nur aus
67. AncIere WERkE dES CeIstes 425
dem geschriebenen Wort von Christus wissen, wird er verherrlicht, wo das Wort
Gottes in der Kraft des Geistes ausgelegt wird.
d) Lehrmethoden
Wie belehrt der Geist die Gläubigen? Johannes sagt: „Und ihr! Die Salbung, die ihr
von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, daß euch jemand
belehre, sondern wie seine Salbung euch über alles belehrt, so ist es auch wahr und
keine Lüge; und wie sie euch belehrt hat, so bleibt in ihm" (1 Jo 2,27). Das bedeutet
nicht, menschliche Lehrer wären zur Auslegung des Wortes Gottes nicht notwen
dig. Wozu wäre sonst die Geistesgabe der Lehre dienlich (Rom 12,7)? Johannes
schreibt über die Antichristen in den Gemeinden. Er legt seine eigene Überzeugung
über ihre Irrlehre dar und fahrt fort, niemand brauche diese Wahrheit erklärt zu be
kommen, denn der Heilige Geist würde sie bekräftigen. Menschliche Lehrer sind
ein notwendiges Bindeglied zur Unterweisung der Gläubigen, beglaubigt wird die
Wahrheit aber durch die Unterweisung des Geistes.
II. Führung
„Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes"
(Röm 8,14). Vom Geist geleitet zu werden ist ein Beweis für unsere Sohnschaff.
Dieses Werk der Führung und Leitung ist vor allem das Werk des Geistes. Das er
fahren wir in Römer 8,14 und finden wir vielfach bezeugt in der Apostelgeschichte
(8,29; 10,19-20; 13,2.4; 16,6-7; 20,22-23). Dieses Werk des Geistes ist ruhige Ge
wißheit für den Christen. Ein Kind Gottes tappt nie im dunkeln, es kann jederzeit
die Führung des Geistes anfordern und erhalten.
III. Gewißheit
Der Geist ist es auch, der dem Christen die Gewißheit schenkt, daß er ein Kind
Gottes ist. „Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind"
(Röm 8,16). Für Kinder steht hier tekna (im Unterschied zu hyioi. Söhne). Das be
tont unseren Anteil am Leben des Vaters. Darum sind wir auch Erben dessen, was
der Vater besitzt. Diese Gewißheit schenkt der Geist jedem, der an den Herrn
glaubt.
Das Herz des Gläubigen erfahrt auch größere Gewißheit, indem er besser ver
steht, was der Geist für ihn getan hat. Große Gewißheit ist es zu wissen, was es be
deutet, mit dem Geist versiegelt zu sein und das Unterpfand des Geistes als Garan
tie für die Vollendung der Erlösung empfangen zu haben (Eph 1,13-14). Auch die
Erkenntnis, daß der Gläubige mit dem auferstandenen, unsterblichen Leib Christi
verbunden ist, vermehrt unsere Gewißheit. Diese großen Dinge zu begreifen gehört
natürlich zur Unterweisung durch den Heiligen Geist, darum ist der Heilige Geist in
vielfacher Weise damit befaßt, dem Gotteskind Gewißheit zu schenken.
424 Tei'I 11: Der HEiliqE CeIst
IV. Gebet
a) Die Kernstellc
Wir mögen zwar nie völlig begreifen, was es bedeutet, daß der Geist im Gläubigen
betet, die Tatsache an sich ist aber unzweifelhaft: ..Ebenso aber nimmt auch der
Geist sich unserer Schwachheit an. denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen,
wie es sich gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechli
chen Seufzern" (Röm 8.26).
b) Die Notwendigkeit
Dieses Werk des Geistes wird durch unsere Schwachheit notwendig (das Wort steht
in der Einzahl). Er hilft uns in unserer ganzen Schwachheit. \ or allem aber was un
ser Gebetsleben betrifft und unsere Erkenntnis, wofür wir in diesem Augenblick
beten sollen. Solange wir auf unsere vollendete Erlösung warten, brauchen wir
Anleitung im Gebet.
c) Die Methode
Ganz allgemein hilft uns der Geist in unseren Gebeten, indem er ..sich für uns ver
wendet", wörtlich übersetzt: ..zusammen mit uns Hand ans Werk legt" (R. St. John
Parry: „Romans", in: Cambridge Greek Testament [New York: Cambridge University Press 1912]. S. 120). Konkret nimmt diese Hilfestellung die Form von
„unaussprechlichen Seufzern" an. Diese Seufzer, deren Bedeutung wir nicht verste
hen können, kann man gar nicht in Worte fassen. Nur eines ist sicher: Sie stehen im
Willen Gottes.
Aus einer anderen Stelle wird klar, der Geist fuhrt und leitet unsere Gebete (Eph
6,18). Dort ist eher die Führung unseres Herzens und Verstandes beim Beten ge
meint, weniger die unaussprechlichen Seufzer des Geistes selbst.
d) Das Ergebnis
Das geistgeführte Gebetsleben bringt dem Gläubigen die Gewißheit der vollendeten
Erlösung, die ihn erwartet (Röm 8.23). Dieses Werk des Geistes ist eine Art Anzah
lung auf die Erlösung. Ein vom Geist gestütztes Gebetsleben läßt uns genügsam in
dieser Welt leben, während wir auf die Vollendung warten. Dieses Werk des Gei
stes hat also nicht nur mit Gebetserhörungen zu tun. sondern stärkt unsere Gewiß
heit und Genügsamkeit in diesem Leben
Sulzbacher 07.04.2022 15:56
Geschichtlicher Abriß der Lehre vom Heilisen Geist
1. Bis zum Nizäischen Konzil
a) Das orthodoxe Zeugnis
Die endgültige Ausfomiulierung einer biblischen Lehre läßt sich nicht immer auf
ein bestimmtes Ereignis in der Kirchengeschichte zurückführen. Auch sind nicht
alle christlichen Lehren gleich rasch ausformuliert worden. Jede Epoche brachte ei
ne bestimmte Lehre in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die nächste Epoche
konzentrierte sich wieder auf eine andere Frage.
In den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte genoß die Lehre vom Heili
gen Geist, soweit ihre theologische Formulierung betroffen war, keine besondere
Beachtung. Was wir heute als orthodoxe Lehre vom Geist bezeichnen, läßt sich in
der Taufformel des apostolischen Glaubensbekenntnisses und in der Widerlegung
auftauchender Irrtümer erahnen. Die Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und
des Heiligen Geistes zeigt, daß die Urgemeinde Göttlichkeit und Persönlichkeit des
Geistes in der Praxis anerkannten.
Unmittelbar nach dem Ende des apostolischen Zeitalters konzentrierte man sich
vielmehr auf die Erfahrung des Geistes, nicht auf die Lehre vom Geist. Das erken
nen wir vor allem im Hirten des Hermas. Im Zeitalter der Apologeten tritt der Geist
eher in den Hintergrund, denn die Aufmerksamkeit richtete sich auf den Logos.
Obwohl es keine theologische Ausformulierung gab, scheint es zu keinen Irrwegen
in der Erfahrung des Geistes gekommen zu sein.
b) Der Montanismus (170)
Erst im Montanismus wurde dem Thema des Heiligen Geistes größeres Au
genmerk geschenkt. Ursprünglich richtete sich diese Bewegung gegen die zu
nehmende Starrheit und Kälte der organisierten Kirche. Der Montanismus
(auch als „Häresie der Phrygier" bezeichnet) entstand um etwa 170 n. Chr.
durch Montanus und zwei Frauen, Priscilla und Maximilla, in Phrygien. Sie
bezeichneten sich selbst als Propheten und riefen das Zeitalter des Parakleten
aus, in dem neue Offenbarungen von Gott kommen würden. Sie predigten, das
Ende der Welt sei herbeigekommen, und riefen ihre Nachfolger zu hohen und
426 TeiI 11: Der HEiliqER CeIst
strengen moralischen Maßstäben auf. Diese hochstehende Moral wirkte anzie
hend auf Tertuilian und andere.
Im Gegensatz zum Gnostizismus war der Montanismus eine orthodoxe Bewe
gung. Er wandte sich auch gegen die Gnostiker mit ihrem Intellektualismus, der die
Seelengemeinschaft mit Gott zu behindern schien. Für viele Christen stand Monta
nismus für die aktive Gegenwart und Wirksamkeit des Geistes in der Gemeinde und
für ein geistbestimmtes Gemeindeleben. Offiziell wurde der Montanismus aber
verworfen, weil er behauptete, der Geist offenbare neue Wahrheit. Nach einhelliger
Überzeugung der Kirche gibt der Geist außerhalb der Schrift keine neuen Offenba
rungen mehr. Obwohl diese Lehre starkes Gewicht auf die Erfahrung des Geistes
legte, kam es zu jener Zeit zu keinen klaren Definitionen und Formulierungen der
Lehre.
c) Der Sabellianismus (215)
Der Vorläufer des Sabellianismus war der Monarchianismus. Der modalistische
Monarchianismus hielt den Sohn nur für eine Ausdrucksform des Vaters. Noetus
und Praxeas waren Führer dieser Bewegung, beide lehrten auch den Patripassianismus (d. h. der Vater wurde gekreuzigt). Weil die Monarchianer den Sohn nur für
eine Ausdrucksform Gottes hielten, sah sich die Kirche damals gezwungen, die
Beziehung des Geistes zum Sohn und zum Vater zu überprüfen. Sabellius lehrte,
Gott sei eine Einheit, er offenbare sich selbst aber in drei verschiedenen Gestalten
oder Formen. Diese drei Gestalten waren nicht drei Hypostasen, sondern drei Rol
len, die der eine Gott spielt. Der Sabellianismus war der erste große Irrtum über die
Dreieinheit, der in der Kirche eine große Nachfolgerschar fand.
d) Der Arianismus (325)
Der Arianismus geht auf den Antitrinitarier Arius, einen alexandrinischen Pres
byter, zurück. In seiner Lehre spielt das monotheistische Prinzip des Monarchia
nismus eine beherrschende Rolle. Er unterschied aber zwischen dem einen ewigen
Gott und dem Sohn, der vom Vater gezeugt ist und daher einen Anfang hat. Nach
seiner Ansicht war der Heilige Geist das erste Geschöpf des Sohnes, durch den alle
Dinge gemacht sind. Arius mußte sich mit Athanasius auseinandersetzen, und zur
Schlichtung des Disputs wurde das Nizäische Konzil einberufen.
Das Konzil beschränkte sich vor allem darauf, die Göttlichkeit des Sohnes fest
zulegen und klarzustellen, Christus ist „von derselben Substanz" wie der Vater.
In diesem Konzil ging es also um den Sohn, nicht um den Geist. Im Nizäischen
Glaubensbekenntnis heißt es vom Geist nur: „Ich glaube an den Heiligen
Geist." Damit sind Göttlichkeit und Persönlichkeit des Heiligen Geistes nur
indirekt angesprochen, weil diese Aussage parallel zur eindeutigen Erklärung
über den Sohn formuliert ist. Warum das Konzil sich bezüglich des Geistes zu
keiner eindeutigen Aussage durchringen konnte, bleibt ungewiß. Wahr.scheinlich begnügte sich die Kirche damit, der Irrlehre nicht vorzugreifen und nicht
über die Erfordernisse des Augenblicks hinauszugehen. Athanasius war in .seiner
68. CEsdHickilic^iER AbRiß cJer Le^re \ o\i HEiÜqES Geist 427
Lehre wesentlich klarer und ließ keinen Zweifel daran, daß der Geist wie der Sohn
von derselben Essenz wie der Vater ist.
II. Von Nizäa bis zur Reformation
a) Das Konzil von Konstantinopel (381)
Mit dem Nizäischen Konzil war der Streit nicht endgültig beigelegt. Obwohl Atha
nasius eine klare und biblische Lehre vertrat, hatte das Nizäische Glaubensbe
kenntnis keine eindeutige Aussage über den Geist getroffen. Bald entstand eine
neue Kontroverse, und viele Christen lehnten die Göttlichkeit des Geistes ab. Unter
der Leitung des Bischofs von Konstantinopel, Makedonios. traten die Makedonianer auf und behaupteten, der Geist wäre ein dem Sohn unterlegenes Geschöpf. Sie
wurden unter dem Namen Pneumatomachen bekannt (Geistbekämpfer). Die mei
sten Theologen hielten auch den Heiligen Geist für göttlich, sonst könnte auch der
Sohn nicht Gott sein. Basileios von Cäsarea, Gregor von Nazianz und Gregor von
Nyssa waren fuhrende Vertreter der orthodoxen Lehre und Wegbereiter des Konzils
von Konstantinopel.
Die Kontroverse erreichte solche Ausmaße, daß Kaiser Theodosius ein Konzil
nach Konstantinopel berief, in dem die 150 orthodoxen Bischöfe der Ostkirche zu
sammentrafen. Das Konzil wurde 381 n. Chr. unter der Leitung von Gregor von
Nazianz abgehalten und formulierte die folgende Aussage über den Heiligen Geist;
„Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der aus dem
Vater hervorgeht, der mit Vater und Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten." Wie bereits erwähnt, vermeidet dieses
Glaubensbekenntnis sorgsam die Formulierung ,.von derselben Substanz" (mit der
im Nizäischen Glaubensbekenntnis Christus bezeichnet wird) für die Einheit des
Geistes mit Vater und Sohn. Der Geist wird in diesem Bekenntnis nicht einmal als
Gott bezeichnet, sein Werk wird aber mit Begriffen beschrieben, die auf kein Ge
schöpf zutreffen können. Diese Formulierung genügte, um den Makedonianem eine
klare Absage zu erteilen, obwohl die Wesensgleichheit des Geistes mit dem Vater
nicht unmißverständlich geklärt war und die Beziehung des Geistes zu Vater und
Sohn unerwähnt blieb. Dieses Konzil legte die Frage der Göttlichkeit des Geistes
bei, so wie das Nizäische Konzil die Frage der Göttlichkeit Christi geklärt hatte.
b) Augustinus (354-430)
1. De Trinitate. Die Lehre von der Trinität (Dreieinheit) erhielt in der Westkirche
ihre endgültige Ausformung in diesem Werk des Kirchenvaters Augustinus. Seine
Betonung der Gnade mußte zwangsläufig zur Beachtung des Geistes führen, denn
seine eigene Erfahrung lehrte ihn, wie notwendig die Macht des Geistes für den
Gläubigen ist. In dieser Schrift legt Augustinus klar, daß alle drei Personen der
Trinität die gesamte Essenz Gottes besitzen und daß alle drei Personen voneinander
abhängen. Er stieß sich an dem Wort „Personen", um die drei Hypostasen zu be-
428 TeII 11: Der HEiliCER CeIst
schreiben, dennoch verwendete er es, „um nicht schweigen zu müssen". Nach der
Lehre von Augustinus geht der Geist eindeutig sowohl vom Vater als auch vom
Sohn hervor.
2. Die Kontroverse mit Pelagius (431). Augustinus betonte auch das Gnadenwerk
des Heiligen Geistes. Das wirkte sich nicht nur auf seine Lehre über den Menschen
und die Sünde aus, sondern auch auf seine Auffassung vom Heiligen Geist. Sein
Gegenspieler Pelagius leugnete die Erbsünde praktisch völlig und betonte die Fä
higkeit des Menschen, auch ohne den Beistand des Geistes Gutes zu tun. Mit die
sem Streit wurde 431 das Konzil von Ephesus befaßt, welches Pelagius und seine
Ansichten verwarf und Augustinus bestätigte. Obwohl der Pelagianismus offiziell
verurteilt wurde, war er nicht ausgelöscht, denn Pelagianismus und Semipelagianismus (ebenso wie der Augustinianismus) bestehen bis heute.
c) Das Konzil von Clialzcdon (451)
Im Jahre 451 bestätigte das Konzil von Chalzedon, welches die Bistümer von Rom,
Konstantinopel, Antiochien und Jerusalem vertrat, die Entscheidungen von Nizäa
und Konstüntinopel. Das Konzil bezeichnet ausdrücklich das Nizäische Glaubens
bekenntnis als ausreichend in der Lehre über die Dreieinheit, wobei die im Konzil
zu Konstantinopel im Jahre 381 hinzugefügten Erklärungen nur ergänzend, nicht
abändernd verstanden wurden. Damit war die Lehre von der Göttlichkeit des Heili
gen Geistes endgültig geklärt.
d) Die Synode von Toledo (589)
Zwar war die Frage der Göttlichkeit des Geistes in den Konzilen von Konstan
tinopel und Chalzedon beigelegt, dennoch blieb die wichtige und geheimnisvolle
Frage der genauen Beziehung des Geistes zu Vater und Sohn unklar. Dieses Pro
blem wurde im Westen aufgeworfen (die Frage der Göttlichkeit des Geistes im
Osten). Während die Beziehung des Sohnes zum Vater durch „Zeugung" um
schrieben wurde, bezeichnete man die Beziehung des Geistes zum Vater als
„Hervorgehen". Die Frage war: Geht der Geist nur vom Vater hervor oder vom
Vater und dem Sohn? Während das Konzil von Konstantinopel nicht ausdrücklich
festlegte, daß der Geist auch vom Sohn hervorgeht, war das die Lehre vieler Kir
chenhäupter. Das war notwendig, weil sonst das Hervorgehen vom Vater allein die
essentielle Einheit des Sohnes mit dem Vater geleugnet hätte. In dieser Frage kam
es jedoch zu keiner Einigung, denn nach Auffassung vieler würde der Geist, wäre
er auch vom Sohn hervorgegangen, vom Sohn abhängig und damit nicht in vollem
Maße göttlich. Die westlichen Theologen hielten am Hervorgehen des Geistes vom
Vater und vom Sohn fest und lligten bei der Synode von Toledo dem konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis das berühmte J'l/ioque" bei („und dem Sohn".
Somit lautete der Satz: Der Geist, „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht".
Wie das „Filiociite'^ in das Glaubensbekenntnis kam, ist eine vieldiskutierte Frage.
Manche halten es für den Irrtum eines Kopisten. Der Zusatz erregte Jedenfalls nir
gends Aufsehen und wurde Synode um Synode als orthodoxe Lehre wiederholt.
68. CESchiclHiliclHER AbRiß cIer Le^re vom HEiliCES CeIst 429
Die Führer der Ostkirche meinten, die Westkirche verfälsche das konstantinopolitanische Bekenntnis. Bis iieute hält die Ostkirche den .J'iUoque"-Z\xs^\z für Irrlehre.
Drei Dinge waren es also, die bezüglich der Dreieinheit über jeden Zweifel fest
gelegt wurden, zumindest in der Westkirche. Das Konzil von Nizäa legte die Frage
der Göttlichkeit des Sohnes bei. das Konzil von Konstantinopel die Göttlichkeit des
Geistes und die S> node von Toledo das Hervorgehen des Geistes vom Vater und
dem Sohn. Die Ausformulierung dieser großen Lehrfragen wurde Jeweils wegen
Irrlehren erforderlich gemacht.
c) Abälard (1079-1142)
Die Lehre Abälards über die Dreieinheit brachte ihm den Vorwurf ein. dem Sabellianismus verfallen zu sein. Der Name des Vaters, so sagte er. stehe für Macht, der
Name des Sohnes für Weisheit und der Name des Geistes für Güte. Manchmal
schien er echte persönliche Unterschiede innerhalb der Gottheit zu treffen, andern
orts sind seine Beispiele und Ausdrücke modalistisch.
0 Thomas von Aquin (1225-1274)
Thomas vertrat die gängige orthodo.xe Lehre von der Dreieinheit. Im großen und
ganzen wurde die ausgezeichnete Sv stematik des Kirchenvaters Augustinus in den
.lahrhunderten bis zur Reformation nur wenig bereichert, was die Lehre vom Geist
betrifft. Im Westen wurde die Kirche trotz des fortgesetzten Einflusses von Augu
stinus semipelagianistisch (indem die Erbsünde vernachlässigt und die Willensfrei
heit hervorgehoben wurde). Zugleich mit der zunehmenden Priestergläubigkeit und
ihren Folgen (vor allem der besonderen Vollmacht der Priesterschaft) hielt dies eher
vom Nachdenken über den Heiligen Geist ab. Manchmal finden sich zwar Tenden
zen zum Mystizismus, neue Erkenntnisse über die Lehre vom Geist wurden aber
erst in der Reformationszeit gewonnen.
III. Von der Reformation bis zur Gegenwart
a) Die Reformation (1517)
Bis zur Reformationszeit hatte sich die Aufmerksamkeit der Kirche auf die Person
des Geistes beschränkt. Die Reformation lenkte das Augenmerk auf sein Werk.
Über die Person des Geistes schlössen sich alle Glaubensbekenntnisse der Refor
mationszeit der orthodo.xen Lehre über den Geist und seine Beziehung zu den ande
ren Personen der Dreieinheil an. .An seinem Werk wurde insbesondere die Not
wendigkeit seines Wirkens zur Wiedergeburt hervorgehoben, weil man zur augustinischen Lehre von der totalen Verworfenheit des Menschen zurückkehrte.
Ein weiterer wesentlicher Beitrag der Reformatoren ist ihre Betonung der Er
leuchtung durch den Geist. Nach der römischen Kirche konnten nur Priester das
Wort Gottes auslegen, die Reformatoren hingegen befürworteten offen das Studium
der Bibel, denn alle Gläubigen können durch die Unterweisung des Geistes ihre
Wahrheiten verstehen.
450 TeII II: Der HEiliqER CeIst
Luther legte besonderes Gewicht auf die Rechtfertigung aus Glauben und hatte viel
über das Werk des Geistes im Zusammenhang damit zu sagen. Calvin betonte jene
Aspekte des Geisteswirkens, welche mit der Dreieinheit und dem Wirken des Gei
stes im Herzen und Leben des Gläubigen zu tun haben.
Die verschiedenen Schriften und Glaubensbekenntnisse der Reformation rütteln
nicht an der orthodoxen Lehre von der Dreieinheit. Das Augsburger Bekenntnis, die
Anglikanischen Artikel, die Formula Concordiae, das Helvetische Glaubensbe
kenntnis und die Westminster Confession bekräftigen alle die Göttlichkeit des Gei
stes nach der Formulierung des Konzils von Chalzedon, einschließlich des
„F///o(3fW(?"-Zusatzes und der besonderen Erkenntnisse der Reformation selbst. In
gewissem Sinne wurde die Lehre vom Heiligen Geist erst in der Reformationszeit
voll entwickelt.
b) Sozinianismus und Arminianismus
Fast jede religiöse Bewegung führt zu Auswüchsen und Reaktionen. Die Refor
mation bildet hier keine Ausnahme. Manche verfielen in das Extrem des Enthusi
asmus und Mystizismus, andere neigten zu einem Rationalismus, der das Werk des
Geistes fast vollständig ignorierte. Im 16. .lahrhundert hielten es die Sozinianer für
einen Irrtum, daß die Personen der Dreieinheit dieselbe Essenz besäßen. In dieser
Lehre glichen sie den Arianern, sie gingen aber über jene hinaus, indem sie die Prä
existenz des Sohnes leugneten und den Geist als einen „Einfluß oder Kraftstrom,
welcher von Gott zum Menschen fließt", definierten.
Aus der reformierten Kirche selbst entsprangen ernsthafte Nöte im Zusammen
hang mit der arminianischen Theologie (Arminius, 1560-1609). Diese Lehre beton
te vor allem menschliches Bemühen und menschlichen Willen und machte die Er
rettung zu einem menschlichen Werk statt einer göttlichen Gabe, wobei der Wille
des Menschen das Werk des Geistes bei der Wiedergeburt ersetzte.
Die Synode von Dort (1618-1619) wurde einberufen, um diese Fragen zu klären.
Sie verurteilte die arminianische Theologie, wobei die Notwendigkeit des Werkes
und der Kraft des Heiligen Geistes unmißverständlich betont wurde. Die Synode
vermochte die arminianische Theologie allerdings nicht auszurotten, und diese Irr
lehre besteht bis heute. Die Puritaner in England drängten durch ihre Betonung der
Gnadenlehre den Arminianismus stark zurück.
c) John Owen (1616-1683)
Einer der wichtigsten Beitrüge der Puritaner ist Owens Buch „Discourse Concerning the Holy Spirit". Viele halten sein Werk über den Heiligen Geist für das beste
aller Zeiten. Es ist eine Auslegung der großen Prinzipien der Reformation bezüglich
des Heiligen Geistes und des christlichen Lebens.
d) Abraham Kuypcr (1837-1920)
Das Werk Kuypers ist ebenfalls ein Klassiker, vor allem im Hinblick auf den Ra
tionalismus, welcher Europa erfaßt hatte. Swedenborg (1688-1772) leugnete die
6Ö. CESchiclHTliclHER AbRiß (Jer Le^re vom HEiliqEX CeIst 451
Dreieinheit. Schleiermacher (1768-1834) stellte sich zwar gegen den vorherrschen
den Rationalismus, indem er Notwendigkeit und Erfahrbarkeit der persönlichen
Religion betonte, leugnete aber die objektive Wirklichkeit der Menschwerdung, des
Kreuzes und des Kommens des Geistes. Seine Trinitätslehre ist sabellianistisch, die
Personen der Gottheit sind nur Erscheinungsformen. Die eigenständige Persönlich
keit des Geistes wurde geleugnet und sein Werk umgedeutet als „der kollektive
Geist des neuen Gemeinschaftslebens, welches Christus eingeführt hat". Ritsehl
(1822-1889) erweckte den Monarchianismus des Paul von Samosata zu neuem Le
ben. Seine Theologie ist bar Jeder Metaphysik, was notwendige Auswirkungen auf
seine Lehre vom Geist hat.
e) Die Plymouth-Brüder (1825)
Den Plymouth-Brüdern verdanken wir unser Verständnis der Geistestaufe und der
Besonderheit der neutestamentlichen Gemeinde. Ihrem Zeugnis für die Bedeutung
des Wortes Gottes, der Erleuchtung durch den Geist und der Stellung, die der
Gläubige durch das Werk des Geistes in Christus hat, ist die heutige Gemeinde zu
tiefst verpflichtet. Innerhalb dieser Gruppe kam es zu bedauerlichen Spaltungen, die
Brüder zeugten aber mächtig für die Gegenwart, Kraft und Führung des Geistes in
der Gemeinde.
f) Die Neoorthodoxie
Die Neoorthodoxie ist eine Bewegung des 20. Jahrhunderts, die auf den Theologen
Karl Barth zurückgeht (1886-1968). Sie ist eine Reaktion auf den Liberalismus, der
unumschränkt regierte, bis die Schrecken eines Weltkrieges die Menschen zwan
gen, ernsthafter über die Sünde und die menschliche Unfähigkeit zur Lösung der
eigenen Probleme nachzudenken. Die neoorthodoxe Bewegung erhob den An
spruch, eine neue Reformation zu sein, welche die Menschen zur Bibel zurück
brachte. Ihre Bibel war allerdings nicht die Bibel der Reformatoren, denn die
Neoorthodoxen schließen sich bereitwillig den Auffassungen der Liberalen über
Wahrheitsgehalt und Zuverlässigkeit der Bibel an, während sie zugleich versuchen,
die Botschaft der Bibel zu predigen.
Zwar gibt es die Neoorthodoxie in vielen Schattierungen, ihre Lehre über den
Heiligen Geist läßt aber viel zu wünschen übrig. Viele Neoorthodoxe leugnen die
Personhaftigkeit des Geistes und bekräftigen seine Göttlichkeit nur insofern, als er
eine göttliche Erscheinungsform Gottes ist. Der Heilige Gci.st sei vielmehr eine
Aktivität Gottes als eine Person der Gottheit.
Barths eigene Trinitätslehre hat man als modalistisch bezeichnet, obwohl er
selbst sich dagegen wehrte. Er wendet sich gegen den herkömmlichen Modalismus
in dem Sinne, Gott habe drei Erscheinungsformen angenommen. Seiner Meinung
nach bleibt der Modalismus weit hinter der wahren Dreieinigkeitslehre zurück. An
dererseits verwirft er auch den Ausdruck „Person", der über die Wahrheit hinaus
gehe, d. h. dieser Ausdruck bedeute einen Dreigottglauben. Seiner Ansicht nach ist
die Dreieinheit eine dreifache Seinsweise, jedenfalls nicht drei Personen. Im Ge-
452 TeII 11: Der HEiliqER CeIst
gensatz zu den meisten neoorthodoxen Theologen glaubt Barth an die Göttlichkeit
des Geistes.
g) Der Neoliberalismus
Aufstieg und Verbreitung der neoorthodoxen Theologie hat die Liberalen gezwun
gen, ihre eigenen Glaubensgrundsätze zu überprüfen. Das Resultat ist ein neuer Li
beralismus, der im Vergleich zum alten Liberalismus ein ernsteres Sündenbild und
ein geringeres Maß an Optimismus vertritt. Der Neoliberalismus geht anders an die
Probleme der Welt heran, unterscheidet sich in seiner Lehre aber wenig vom alten
Liberalismus. Der Neoliberale kann mit der orthodoxen Lehre vom Geist wenig an
fangen, weil er nicht an die Göttlichkeit der zweiten Person der Dreieinheit glaubt.
Darum gibt es in Wahrheit keine Trinität und keine dritte Person der Gottheit. Der
Geist ist nur eine Funktion Gottes, er besitzt keine eigene Persönlichkeit.
h) Die Pfingstgemeinden
Die heutige pfingstlerische Lehre ist zweifellos eine Reaktion gegen die Unterküh
lung, die in den etablierten Gemeinden unserer Tage um sich gegriffen hat. Sie be
tont die Geistestaufe als zweites Gnadenwerk, als Erfüllung mit Kraft von oben,
und will die Geistesgaben, welche zur Zeit des Neuen Testaments erfahren wurden,
in neuer Weise erleben. Die Pfingstler übernehmen die orthodoxe Lehre von der
Person des Geistes, sie fordern aber in extremer und oft unbiblischer Weise die
Realität des Geisteswirkens im Leben der Gläubigen.
Im Rückblick auf die Kirchengeschichte erkennen wir zuerst die Formulierung
der biblischen Lehre über den Geist, dann die Abgrenzung dieser Lehre in den frü
hen Kirchenkonzilen und die Weiterentwicklung in der Reformationszeit. An jedem
Punkt, an dem die Wahrheit genauer definiert oder weiter erforscht wurde, gab es
abweichende Bewegungen, entweder in Form rationalistischer Sterilität oder über
triebener Enthusiastik und Mystik. Aus der Geschichte können wir lernen, wie bi
blische Lehre nicht nur für den Glauben wichtig, sondern für die Lebensführung
entscheidend ist. Diese Verwebung von Wahrheit und Leben ist vielleicht in keiner
Lehrfrage so deutlich sichtbar wie bei der Lehre vom Heiligen Geist
1. Bis zum Nizäischen Konzil
a) Das orthodoxe Zeugnis
Die endgültige Ausfomiulierung einer biblischen Lehre läßt sich nicht immer auf
ein bestimmtes Ereignis in der Kirchengeschichte zurückführen. Auch sind nicht
alle christlichen Lehren gleich rasch ausformuliert worden. Jede Epoche brachte ei
ne bestimmte Lehre in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die nächste Epoche
konzentrierte sich wieder auf eine andere Frage.
In den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte genoß die Lehre vom Heili
gen Geist, soweit ihre theologische Formulierung betroffen war, keine besondere
Beachtung. Was wir heute als orthodoxe Lehre vom Geist bezeichnen, läßt sich in
der Taufformel des apostolischen Glaubensbekenntnisses und in der Widerlegung
auftauchender Irrtümer erahnen. Die Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und
des Heiligen Geistes zeigt, daß die Urgemeinde Göttlichkeit und Persönlichkeit des
Geistes in der Praxis anerkannten.
Unmittelbar nach dem Ende des apostolischen Zeitalters konzentrierte man sich
vielmehr auf die Erfahrung des Geistes, nicht auf die Lehre vom Geist. Das erken
nen wir vor allem im Hirten des Hermas. Im Zeitalter der Apologeten tritt der Geist
eher in den Hintergrund, denn die Aufmerksamkeit richtete sich auf den Logos.
Obwohl es keine theologische Ausformulierung gab, scheint es zu keinen Irrwegen
in der Erfahrung des Geistes gekommen zu sein.
b) Der Montanismus (170)
Erst im Montanismus wurde dem Thema des Heiligen Geistes größeres Au
genmerk geschenkt. Ursprünglich richtete sich diese Bewegung gegen die zu
nehmende Starrheit und Kälte der organisierten Kirche. Der Montanismus
(auch als „Häresie der Phrygier" bezeichnet) entstand um etwa 170 n. Chr.
durch Montanus und zwei Frauen, Priscilla und Maximilla, in Phrygien. Sie
bezeichneten sich selbst als Propheten und riefen das Zeitalter des Parakleten
aus, in dem neue Offenbarungen von Gott kommen würden. Sie predigten, das
Ende der Welt sei herbeigekommen, und riefen ihre Nachfolger zu hohen und
426 TeiI 11: Der HEiliqER CeIst
strengen moralischen Maßstäben auf. Diese hochstehende Moral wirkte anzie
hend auf Tertuilian und andere.
Im Gegensatz zum Gnostizismus war der Montanismus eine orthodoxe Bewe
gung. Er wandte sich auch gegen die Gnostiker mit ihrem Intellektualismus, der die
Seelengemeinschaft mit Gott zu behindern schien. Für viele Christen stand Monta
nismus für die aktive Gegenwart und Wirksamkeit des Geistes in der Gemeinde und
für ein geistbestimmtes Gemeindeleben. Offiziell wurde der Montanismus aber
verworfen, weil er behauptete, der Geist offenbare neue Wahrheit. Nach einhelliger
Überzeugung der Kirche gibt der Geist außerhalb der Schrift keine neuen Offenba
rungen mehr. Obwohl diese Lehre starkes Gewicht auf die Erfahrung des Geistes
legte, kam es zu jener Zeit zu keinen klaren Definitionen und Formulierungen der
Lehre.
c) Der Sabellianismus (215)
Der Vorläufer des Sabellianismus war der Monarchianismus. Der modalistische
Monarchianismus hielt den Sohn nur für eine Ausdrucksform des Vaters. Noetus
und Praxeas waren Führer dieser Bewegung, beide lehrten auch den Patripassianismus (d. h. der Vater wurde gekreuzigt). Weil die Monarchianer den Sohn nur für
eine Ausdrucksform Gottes hielten, sah sich die Kirche damals gezwungen, die
Beziehung des Geistes zum Sohn und zum Vater zu überprüfen. Sabellius lehrte,
Gott sei eine Einheit, er offenbare sich selbst aber in drei verschiedenen Gestalten
oder Formen. Diese drei Gestalten waren nicht drei Hypostasen, sondern drei Rol
len, die der eine Gott spielt. Der Sabellianismus war der erste große Irrtum über die
Dreieinheit, der in der Kirche eine große Nachfolgerschar fand.
d) Der Arianismus (325)
Der Arianismus geht auf den Antitrinitarier Arius, einen alexandrinischen Pres
byter, zurück. In seiner Lehre spielt das monotheistische Prinzip des Monarchia
nismus eine beherrschende Rolle. Er unterschied aber zwischen dem einen ewigen
Gott und dem Sohn, der vom Vater gezeugt ist und daher einen Anfang hat. Nach
seiner Ansicht war der Heilige Geist das erste Geschöpf des Sohnes, durch den alle
Dinge gemacht sind. Arius mußte sich mit Athanasius auseinandersetzen, und zur
Schlichtung des Disputs wurde das Nizäische Konzil einberufen.
Das Konzil beschränkte sich vor allem darauf, die Göttlichkeit des Sohnes fest
zulegen und klarzustellen, Christus ist „von derselben Substanz" wie der Vater.
In diesem Konzil ging es also um den Sohn, nicht um den Geist. Im Nizäischen
Glaubensbekenntnis heißt es vom Geist nur: „Ich glaube an den Heiligen
Geist." Damit sind Göttlichkeit und Persönlichkeit des Heiligen Geistes nur
indirekt angesprochen, weil diese Aussage parallel zur eindeutigen Erklärung
über den Sohn formuliert ist. Warum das Konzil sich bezüglich des Geistes zu
keiner eindeutigen Aussage durchringen konnte, bleibt ungewiß. Wahr.scheinlich begnügte sich die Kirche damit, der Irrlehre nicht vorzugreifen und nicht
über die Erfordernisse des Augenblicks hinauszugehen. Athanasius war in .seiner
68. CEsdHickilic^iER AbRiß cJer Le^re \ o\i HEiÜqES Geist 427
Lehre wesentlich klarer und ließ keinen Zweifel daran, daß der Geist wie der Sohn
von derselben Essenz wie der Vater ist.
II. Von Nizäa bis zur Reformation
a) Das Konzil von Konstantinopel (381)
Mit dem Nizäischen Konzil war der Streit nicht endgültig beigelegt. Obwohl Atha
nasius eine klare und biblische Lehre vertrat, hatte das Nizäische Glaubensbe
kenntnis keine eindeutige Aussage über den Geist getroffen. Bald entstand eine
neue Kontroverse, und viele Christen lehnten die Göttlichkeit des Geistes ab. Unter
der Leitung des Bischofs von Konstantinopel, Makedonios. traten die Makedonianer auf und behaupteten, der Geist wäre ein dem Sohn unterlegenes Geschöpf. Sie
wurden unter dem Namen Pneumatomachen bekannt (Geistbekämpfer). Die mei
sten Theologen hielten auch den Heiligen Geist für göttlich, sonst könnte auch der
Sohn nicht Gott sein. Basileios von Cäsarea, Gregor von Nazianz und Gregor von
Nyssa waren fuhrende Vertreter der orthodoxen Lehre und Wegbereiter des Konzils
von Konstantinopel.
Die Kontroverse erreichte solche Ausmaße, daß Kaiser Theodosius ein Konzil
nach Konstantinopel berief, in dem die 150 orthodoxen Bischöfe der Ostkirche zu
sammentrafen. Das Konzil wurde 381 n. Chr. unter der Leitung von Gregor von
Nazianz abgehalten und formulierte die folgende Aussage über den Heiligen Geist;
„Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der aus dem
Vater hervorgeht, der mit Vater und Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten." Wie bereits erwähnt, vermeidet dieses
Glaubensbekenntnis sorgsam die Formulierung ,.von derselben Substanz" (mit der
im Nizäischen Glaubensbekenntnis Christus bezeichnet wird) für die Einheit des
Geistes mit Vater und Sohn. Der Geist wird in diesem Bekenntnis nicht einmal als
Gott bezeichnet, sein Werk wird aber mit Begriffen beschrieben, die auf kein Ge
schöpf zutreffen können. Diese Formulierung genügte, um den Makedonianem eine
klare Absage zu erteilen, obwohl die Wesensgleichheit des Geistes mit dem Vater
nicht unmißverständlich geklärt war und die Beziehung des Geistes zu Vater und
Sohn unerwähnt blieb. Dieses Konzil legte die Frage der Göttlichkeit des Geistes
bei, so wie das Nizäische Konzil die Frage der Göttlichkeit Christi geklärt hatte.
b) Augustinus (354-430)
1. De Trinitate. Die Lehre von der Trinität (Dreieinheit) erhielt in der Westkirche
ihre endgültige Ausformung in diesem Werk des Kirchenvaters Augustinus. Seine
Betonung der Gnade mußte zwangsläufig zur Beachtung des Geistes führen, denn
seine eigene Erfahrung lehrte ihn, wie notwendig die Macht des Geistes für den
Gläubigen ist. In dieser Schrift legt Augustinus klar, daß alle drei Personen der
Trinität die gesamte Essenz Gottes besitzen und daß alle drei Personen voneinander
abhängen. Er stieß sich an dem Wort „Personen", um die drei Hypostasen zu be-
428 TeII 11: Der HEiliCER CeIst
schreiben, dennoch verwendete er es, „um nicht schweigen zu müssen". Nach der
Lehre von Augustinus geht der Geist eindeutig sowohl vom Vater als auch vom
Sohn hervor.
2. Die Kontroverse mit Pelagius (431). Augustinus betonte auch das Gnadenwerk
des Heiligen Geistes. Das wirkte sich nicht nur auf seine Lehre über den Menschen
und die Sünde aus, sondern auch auf seine Auffassung vom Heiligen Geist. Sein
Gegenspieler Pelagius leugnete die Erbsünde praktisch völlig und betonte die Fä
higkeit des Menschen, auch ohne den Beistand des Geistes Gutes zu tun. Mit die
sem Streit wurde 431 das Konzil von Ephesus befaßt, welches Pelagius und seine
Ansichten verwarf und Augustinus bestätigte. Obwohl der Pelagianismus offiziell
verurteilt wurde, war er nicht ausgelöscht, denn Pelagianismus und Semipelagianismus (ebenso wie der Augustinianismus) bestehen bis heute.
c) Das Konzil von Clialzcdon (451)
Im Jahre 451 bestätigte das Konzil von Chalzedon, welches die Bistümer von Rom,
Konstantinopel, Antiochien und Jerusalem vertrat, die Entscheidungen von Nizäa
und Konstüntinopel. Das Konzil bezeichnet ausdrücklich das Nizäische Glaubens
bekenntnis als ausreichend in der Lehre über die Dreieinheit, wobei die im Konzil
zu Konstantinopel im Jahre 381 hinzugefügten Erklärungen nur ergänzend, nicht
abändernd verstanden wurden. Damit war die Lehre von der Göttlichkeit des Heili
gen Geistes endgültig geklärt.
d) Die Synode von Toledo (589)
Zwar war die Frage der Göttlichkeit des Geistes in den Konzilen von Konstan
tinopel und Chalzedon beigelegt, dennoch blieb die wichtige und geheimnisvolle
Frage der genauen Beziehung des Geistes zu Vater und Sohn unklar. Dieses Pro
blem wurde im Westen aufgeworfen (die Frage der Göttlichkeit des Geistes im
Osten). Während die Beziehung des Sohnes zum Vater durch „Zeugung" um
schrieben wurde, bezeichnete man die Beziehung des Geistes zum Vater als
„Hervorgehen". Die Frage war: Geht der Geist nur vom Vater hervor oder vom
Vater und dem Sohn? Während das Konzil von Konstantinopel nicht ausdrücklich
festlegte, daß der Geist auch vom Sohn hervorgeht, war das die Lehre vieler Kir
chenhäupter. Das war notwendig, weil sonst das Hervorgehen vom Vater allein die
essentielle Einheit des Sohnes mit dem Vater geleugnet hätte. In dieser Frage kam
es jedoch zu keiner Einigung, denn nach Auffassung vieler würde der Geist, wäre
er auch vom Sohn hervorgegangen, vom Sohn abhängig und damit nicht in vollem
Maße göttlich. Die westlichen Theologen hielten am Hervorgehen des Geistes vom
Vater und vom Sohn fest und lligten bei der Synode von Toledo dem konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis das berühmte J'l/ioque" bei („und dem Sohn".
Somit lautete der Satz: Der Geist, „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht".
Wie das „Filiociite'^ in das Glaubensbekenntnis kam, ist eine vieldiskutierte Frage.
Manche halten es für den Irrtum eines Kopisten. Der Zusatz erregte Jedenfalls nir
gends Aufsehen und wurde Synode um Synode als orthodoxe Lehre wiederholt.
68. CESchiclHiliclHER AbRiß cIer Le^re vom HEiliCES CeIst 429
Die Führer der Ostkirche meinten, die Westkirche verfälsche das konstantinopolitanische Bekenntnis. Bis iieute hält die Ostkirche den .J'iUoque"-Z\xs^\z für Irrlehre.
Drei Dinge waren es also, die bezüglich der Dreieinheit über jeden Zweifel fest
gelegt wurden, zumindest in der Westkirche. Das Konzil von Nizäa legte die Frage
der Göttlichkeit des Sohnes bei. das Konzil von Konstantinopel die Göttlichkeit des
Geistes und die S> node von Toledo das Hervorgehen des Geistes vom Vater und
dem Sohn. Die Ausformulierung dieser großen Lehrfragen wurde Jeweils wegen
Irrlehren erforderlich gemacht.
c) Abälard (1079-1142)
Die Lehre Abälards über die Dreieinheit brachte ihm den Vorwurf ein. dem Sabellianismus verfallen zu sein. Der Name des Vaters, so sagte er. stehe für Macht, der
Name des Sohnes für Weisheit und der Name des Geistes für Güte. Manchmal
schien er echte persönliche Unterschiede innerhalb der Gottheit zu treffen, andern
orts sind seine Beispiele und Ausdrücke modalistisch.
0 Thomas von Aquin (1225-1274)
Thomas vertrat die gängige orthodo.xe Lehre von der Dreieinheit. Im großen und
ganzen wurde die ausgezeichnete Sv stematik des Kirchenvaters Augustinus in den
.lahrhunderten bis zur Reformation nur wenig bereichert, was die Lehre vom Geist
betrifft. Im Westen wurde die Kirche trotz des fortgesetzten Einflusses von Augu
stinus semipelagianistisch (indem die Erbsünde vernachlässigt und die Willensfrei
heit hervorgehoben wurde). Zugleich mit der zunehmenden Priestergläubigkeit und
ihren Folgen (vor allem der besonderen Vollmacht der Priesterschaft) hielt dies eher
vom Nachdenken über den Heiligen Geist ab. Manchmal finden sich zwar Tenden
zen zum Mystizismus, neue Erkenntnisse über die Lehre vom Geist wurden aber
erst in der Reformationszeit gewonnen.
III. Von der Reformation bis zur Gegenwart
a) Die Reformation (1517)
Bis zur Reformationszeit hatte sich die Aufmerksamkeit der Kirche auf die Person
des Geistes beschränkt. Die Reformation lenkte das Augenmerk auf sein Werk.
Über die Person des Geistes schlössen sich alle Glaubensbekenntnisse der Refor
mationszeit der orthodo.xen Lehre über den Geist und seine Beziehung zu den ande
ren Personen der Dreieinheil an. .An seinem Werk wurde insbesondere die Not
wendigkeit seines Wirkens zur Wiedergeburt hervorgehoben, weil man zur augustinischen Lehre von der totalen Verworfenheit des Menschen zurückkehrte.
Ein weiterer wesentlicher Beitrag der Reformatoren ist ihre Betonung der Er
leuchtung durch den Geist. Nach der römischen Kirche konnten nur Priester das
Wort Gottes auslegen, die Reformatoren hingegen befürworteten offen das Studium
der Bibel, denn alle Gläubigen können durch die Unterweisung des Geistes ihre
Wahrheiten verstehen.
450 TeII II: Der HEiliqER CeIst
Luther legte besonderes Gewicht auf die Rechtfertigung aus Glauben und hatte viel
über das Werk des Geistes im Zusammenhang damit zu sagen. Calvin betonte jene
Aspekte des Geisteswirkens, welche mit der Dreieinheit und dem Wirken des Gei
stes im Herzen und Leben des Gläubigen zu tun haben.
Die verschiedenen Schriften und Glaubensbekenntnisse der Reformation rütteln
nicht an der orthodoxen Lehre von der Dreieinheit. Das Augsburger Bekenntnis, die
Anglikanischen Artikel, die Formula Concordiae, das Helvetische Glaubensbe
kenntnis und die Westminster Confession bekräftigen alle die Göttlichkeit des Gei
stes nach der Formulierung des Konzils von Chalzedon, einschließlich des
„F///o(3fW(?"-Zusatzes und der besonderen Erkenntnisse der Reformation selbst. In
gewissem Sinne wurde die Lehre vom Heiligen Geist erst in der Reformationszeit
voll entwickelt.
b) Sozinianismus und Arminianismus
Fast jede religiöse Bewegung führt zu Auswüchsen und Reaktionen. Die Refor
mation bildet hier keine Ausnahme. Manche verfielen in das Extrem des Enthusi
asmus und Mystizismus, andere neigten zu einem Rationalismus, der das Werk des
Geistes fast vollständig ignorierte. Im 16. .lahrhundert hielten es die Sozinianer für
einen Irrtum, daß die Personen der Dreieinheit dieselbe Essenz besäßen. In dieser
Lehre glichen sie den Arianern, sie gingen aber über jene hinaus, indem sie die Prä
existenz des Sohnes leugneten und den Geist als einen „Einfluß oder Kraftstrom,
welcher von Gott zum Menschen fließt", definierten.
Aus der reformierten Kirche selbst entsprangen ernsthafte Nöte im Zusammen
hang mit der arminianischen Theologie (Arminius, 1560-1609). Diese Lehre beton
te vor allem menschliches Bemühen und menschlichen Willen und machte die Er
rettung zu einem menschlichen Werk statt einer göttlichen Gabe, wobei der Wille
des Menschen das Werk des Geistes bei der Wiedergeburt ersetzte.
Die Synode von Dort (1618-1619) wurde einberufen, um diese Fragen zu klären.
Sie verurteilte die arminianische Theologie, wobei die Notwendigkeit des Werkes
und der Kraft des Heiligen Geistes unmißverständlich betont wurde. Die Synode
vermochte die arminianische Theologie allerdings nicht auszurotten, und diese Irr
lehre besteht bis heute. Die Puritaner in England drängten durch ihre Betonung der
Gnadenlehre den Arminianismus stark zurück.
c) John Owen (1616-1683)
Einer der wichtigsten Beitrüge der Puritaner ist Owens Buch „Discourse Concerning the Holy Spirit". Viele halten sein Werk über den Heiligen Geist für das beste
aller Zeiten. Es ist eine Auslegung der großen Prinzipien der Reformation bezüglich
des Heiligen Geistes und des christlichen Lebens.
d) Abraham Kuypcr (1837-1920)
Das Werk Kuypers ist ebenfalls ein Klassiker, vor allem im Hinblick auf den Ra
tionalismus, welcher Europa erfaßt hatte. Swedenborg (1688-1772) leugnete die
6Ö. CESchiclHTliclHER AbRiß (Jer Le^re vom HEiliqEX CeIst 451
Dreieinheit. Schleiermacher (1768-1834) stellte sich zwar gegen den vorherrschen
den Rationalismus, indem er Notwendigkeit und Erfahrbarkeit der persönlichen
Religion betonte, leugnete aber die objektive Wirklichkeit der Menschwerdung, des
Kreuzes und des Kommens des Geistes. Seine Trinitätslehre ist sabellianistisch, die
Personen der Gottheit sind nur Erscheinungsformen. Die eigenständige Persönlich
keit des Geistes wurde geleugnet und sein Werk umgedeutet als „der kollektive
Geist des neuen Gemeinschaftslebens, welches Christus eingeführt hat". Ritsehl
(1822-1889) erweckte den Monarchianismus des Paul von Samosata zu neuem Le
ben. Seine Theologie ist bar Jeder Metaphysik, was notwendige Auswirkungen auf
seine Lehre vom Geist hat.
e) Die Plymouth-Brüder (1825)
Den Plymouth-Brüdern verdanken wir unser Verständnis der Geistestaufe und der
Besonderheit der neutestamentlichen Gemeinde. Ihrem Zeugnis für die Bedeutung
des Wortes Gottes, der Erleuchtung durch den Geist und der Stellung, die der
Gläubige durch das Werk des Geistes in Christus hat, ist die heutige Gemeinde zu
tiefst verpflichtet. Innerhalb dieser Gruppe kam es zu bedauerlichen Spaltungen, die
Brüder zeugten aber mächtig für die Gegenwart, Kraft und Führung des Geistes in
der Gemeinde.
f) Die Neoorthodoxie
Die Neoorthodoxie ist eine Bewegung des 20. Jahrhunderts, die auf den Theologen
Karl Barth zurückgeht (1886-1968). Sie ist eine Reaktion auf den Liberalismus, der
unumschränkt regierte, bis die Schrecken eines Weltkrieges die Menschen zwan
gen, ernsthafter über die Sünde und die menschliche Unfähigkeit zur Lösung der
eigenen Probleme nachzudenken. Die neoorthodoxe Bewegung erhob den An
spruch, eine neue Reformation zu sein, welche die Menschen zur Bibel zurück
brachte. Ihre Bibel war allerdings nicht die Bibel der Reformatoren, denn die
Neoorthodoxen schließen sich bereitwillig den Auffassungen der Liberalen über
Wahrheitsgehalt und Zuverlässigkeit der Bibel an, während sie zugleich versuchen,
die Botschaft der Bibel zu predigen.
Zwar gibt es die Neoorthodoxie in vielen Schattierungen, ihre Lehre über den
Heiligen Geist läßt aber viel zu wünschen übrig. Viele Neoorthodoxe leugnen die
Personhaftigkeit des Geistes und bekräftigen seine Göttlichkeit nur insofern, als er
eine göttliche Erscheinungsform Gottes ist. Der Heilige Gci.st sei vielmehr eine
Aktivität Gottes als eine Person der Gottheit.
Barths eigene Trinitätslehre hat man als modalistisch bezeichnet, obwohl er
selbst sich dagegen wehrte. Er wendet sich gegen den herkömmlichen Modalismus
in dem Sinne, Gott habe drei Erscheinungsformen angenommen. Seiner Meinung
nach bleibt der Modalismus weit hinter der wahren Dreieinigkeitslehre zurück. An
dererseits verwirft er auch den Ausdruck „Person", der über die Wahrheit hinaus
gehe, d. h. dieser Ausdruck bedeute einen Dreigottglauben. Seiner Ansicht nach ist
die Dreieinheit eine dreifache Seinsweise, jedenfalls nicht drei Personen. Im Ge-
452 TeII 11: Der HEiliqER CeIst
gensatz zu den meisten neoorthodoxen Theologen glaubt Barth an die Göttlichkeit
des Geistes.
g) Der Neoliberalismus
Aufstieg und Verbreitung der neoorthodoxen Theologie hat die Liberalen gezwun
gen, ihre eigenen Glaubensgrundsätze zu überprüfen. Das Resultat ist ein neuer Li
beralismus, der im Vergleich zum alten Liberalismus ein ernsteres Sündenbild und
ein geringeres Maß an Optimismus vertritt. Der Neoliberalismus geht anders an die
Probleme der Welt heran, unterscheidet sich in seiner Lehre aber wenig vom alten
Liberalismus. Der Neoliberale kann mit der orthodoxen Lehre vom Geist wenig an
fangen, weil er nicht an die Göttlichkeit der zweiten Person der Dreieinheit glaubt.
Darum gibt es in Wahrheit keine Trinität und keine dritte Person der Gottheit. Der
Geist ist nur eine Funktion Gottes, er besitzt keine eigene Persönlichkeit.
h) Die Pfingstgemeinden
Die heutige pfingstlerische Lehre ist zweifellos eine Reaktion gegen die Unterküh
lung, die in den etablierten Gemeinden unserer Tage um sich gegriffen hat. Sie be
tont die Geistestaufe als zweites Gnadenwerk, als Erfüllung mit Kraft von oben,
und will die Geistesgaben, welche zur Zeit des Neuen Testaments erfahren wurden,
in neuer Weise erleben. Die Pfingstler übernehmen die orthodoxe Lehre von der
Person des Geistes, sie fordern aber in extremer und oft unbiblischer Weise die
Realität des Geisteswirkens im Leben der Gläubigen.
Im Rückblick auf die Kirchengeschichte erkennen wir zuerst die Formulierung
der biblischen Lehre über den Geist, dann die Abgrenzung dieser Lehre in den frü
hen Kirchenkonzilen und die Weiterentwicklung in der Reformationszeit. An jedem
Punkt, an dem die Wahrheit genauer definiert oder weiter erforscht wurde, gab es
abweichende Bewegungen, entweder in Form rationalistischer Sterilität oder über
triebener Enthusiastik und Mystik. Aus der Geschichte können wir lernen, wie bi
blische Lehre nicht nur für den Glauben wichtig, sondern für die Lebensführung
entscheidend ist. Diese Verwebung von Wahrheit und Leben ist vielleicht in keiner
Lehrfrage so deutlich sichtbar wie bei der Lehre vom Heiligen Geist
Etwa 100 Belegstellen für den Geist Gottes im Alten Testament bezeugen sein
Wirken in jener Epoche. Viele Ausleger meinen jedoch, in diesen Texten könne
nicht die dritte Person der Dreieinheit gemeint sein. P.K. Jewett beispielsweise be
hauptet, im Alten Testament bedeute der Heilige Geist an keiner Stelle „eine vom
Vater und dem Sohn unterschiedene Person", sondern vielmehr ..das göttliche We
sen unter dem Blickpunkt vitaler Energie" (..Holy Spirit". in: The Zondervan Pictorial
Encyclopedia of the Bible [Grand Rapids: Zondervan 1975]. 3:184). Gewiß, das Alte
Testament offenbart die Lehre von der Dreieinheit nicht, dennoch scheint auch dort der
Geist als Person auf, nicht bloß als vitale Energie (Ps 104.30). Leon Wood bemerkt sehr
treffend: „Es gilt auch zu beachten: Wer der Heilige Geist im Alten Testament ist, ent
scheidet sich nicht so sehr daran, was die Menschen damals über diese Person der Gott
heit wußten, sondern daran, was Gott selbst, der die Autoren inspirierte, zu sagen beab
sichtigte" (The Holy Spirit in the Old Testament [Grand Rapids: Zondervan 1976], S.
19). Und wie wir aus dem Neuen Testament wissen, war auch im Alten Testament der
Heilige Geist wirksam (Apg 7,51; 2Petr 1,21).
I. Das Schöpfungswerk des Geistes
a) Belegstellen
Sieben Verse bezeugen verschiedene Aspekte des Schöpfungswirkens des Geistes.
Das sind: 1. Mose 1,2; Hiob 26,13; Hiob 27,3; Hiob 33,4; Psalm 33,6; Psalm
104,30 und Jesaja 40,13. Obwohl viele Ausleger hierin keine eindeutigen Bezug
nahmen auf den Geist sehen, gibt es keine stichhaltigen Gründe dafür (selbst wenn
in manchen Übersetzungen „Hauch" oder „Atem" statt Geist steht).
b) Sein Wirken
Der Heilige Geist war an der Planung des Universums beteiligt (Jes 40,12-14).
Er hatte auch teil an der Erschaffung der Sterne (Ps 33,6).
Der Geist wirkte an der Erschaffung der Erde mit (IMo 1,2). Das Wort
„schwebte" (sonst nur in 5. Mose 32,11 und Jeremia 23,9, „zittern" bedeutet, daß
der Geist für die noch ungeformte und unbewohnte Erde sorgte.
588 lEil 11: Der HEiliqE CeIst
Der Geist wirkte an der Erschaffung der Tiere mit (Ps 104,30) und war an der
Erschaffung des Menschen beteiligt (Hi 27,3; 33,4). Er hatte somit an allen wichti
gen Schöpfungsphasen Anteil.
II. Das Offenbarungs- und Inspirationswirken des Geistes
Es war der Heilige Geist, der den Menschen in alttestamentlicher Zeit die Botschaft
Gottes offenbarte und mitteilte, das ist vom Alten wie vom Neuen Testament her
klar. Die eindeutigste Aussage darüber stammt aus der Feder des Apostels Petrus in
2. Petrus 1,21. Die Weissagungen waren nicht vom Willen des Menschen getragen,
sondern die Schreiber wurden vom Geist getragen. In beiden Teilen des Verses
steht dasselbe Zeitwort, es war also nicht der Wille des Menschen Träger des Wor
tes, sondern der Geist Gottes. Die Schreiber waren die Ausfuhrenden, ihr Wille
kontrollierte oder bestimmte jedoch nicht, was Gott mitteilen wollte, der Geist war
es, der sie trug.
Einzelne alttestamentliche Verse wie 2. Samuel 23,2 und Micha 3,8 beweisen,
daß die Propheten durch den Geist sprachen.
Außerdem schreibt das Neue Testament dem Geist mehrere alttestamentliche
Zitate zu. In seinem Disput mit den Pharisäern zitiert Christus Psalm 110, der zwar
von David geschrieben, aber vom Geist eingegeben war (Mt 22,43). Im Zusam
menhang mit der Wahl eines Apostels an Judas' Stelle zitiert Petrus den 41. Psalm
und behauptet, der Heilige Geist habe durch den Mund Davids über Judas geweissagt
(Apg 1,16). Später sagt die Gemeinde in Jerusalem, Psalm 2 wurde „durch den Heiligen
Geist und den Mund unseres Vaters, deines Knechtes David," gegeben (Apg 4,25).
Auch Paulus zitiert aus dem Alten Testament und schreibt die betreffenden Worte
dem Heiligen Geist zu (28,25, aus Jes 6,9-10), und dasselbe geschieht zweimal im
Hebräerbrief (Hebr 3,7; 10,15-16). Diese neutestamentlichen Stellen beweisen, daß
es der Geist war, der im Alten Testament die Wahrheit Gottes mitteilte.
III. Das persönliche Wirken des Geistes im Alten Bund
Das Wirken des Heiligen Geistes an Menschen im Alten Testament war anders ge
artet als seit Pfingsten. Jedenfalls macht der Herr selbst klar, daß nach Pfingsten
etwas Neues entstehen würde. Beachten wir, wie der Herr mehrmals vom
„Kommen" des Geistes spricht, obwohl der Geist bereits unter ihnen war (Joh
15,26; 16,7-8.13). Der Geist wirkte also bereits damals, nach Pfingsten aber würde
sein Wirken eine völlig neue Gestalt annehmen. In Zusammenfassung dieses Kontrasts sagt der Herr: Der Geist „bleibt [Gegenwart] bei \parä\ euch und wird
[Zukunft] in [eri\ euch sein" (Joh 14,17). Zwar gibt es auch eine andere Lesart, die
im zweiten Teil die Gegenwart verwendet, d. h. ist in euch, die meisten Kommenta
toren ziehen aber die Zukunft vor. Dieser Vers beweist somit einen Gegensatz zwi
schen dem Wirken des Geistes zu der Zeit, als der Herr diese Worte sprach, und
seinem künftigen Wirken nach Pfingsten. Buswell, der diesen Gegensatz entschär-
60. Der HEiliqE CeIst iM AIten Testament 5Ö9
fen will, übersetzt en als „unter euch", der Geist würde also an der Gemeinschaft
der Jünger teilhaben. Die andere mögliche Auslegung, „in jedem einzelnen von
euch", lehnt er ab (Systematic Theology [Grand Rapids: Zondervan 1962], 1:115).
Vielen Kommentatoren dürfte der Gegensatz in diesem Vers gar nicht aufgefallen
sein. F. Godets Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf:
„Die vorbereitende Wirkung des Geistes auf die Jünger ist ausgedrückt in den
Worten „er bleibt bei euch" und das noch innigere Verhältnis, in welches er vom
Pfingstfest an mit ihnen treten soll, durch das Wort „er wird in euch sein". Man darf
also nicht im ersten Satz mit der Vulgata menei (Fut.) lesen, aber im zweiten Satz
auch nicht esti mit Vatic. und Cantabr. Die ganze Bedeutung der Rede liegt eben in
dem Gegensatz zwischen dem Präs. 'bleibt' (vgl. menon, V. 25) und dem Fut. 'wird
sein'. Dieser Unterschied in der Zeit wird vervollständigt durch den der beiden nä
heren Bestimmungen 'bei euch' (vgl. par' hymin V. 25) und 'in euch'" (Frederic
Godet: Kommentar zu dem Evangelium des Johannes [Hannover: Verlag von Carl
Meyer 1890], S. 486).
Angesichts dieses Gegensatzes wollen wir versuchen, genau abzugrenzen und
systematisch zu erfassen, wie der Geist im Alten Testament an Einzelpersonen
wirkte.
a) Die Art seines Wirkens
Mit drei Begriffen läßt sich das Wirken des Geistes an alttestamentlichen Gestalten
erklären.
1. Er war „in" bestimmten Menschen. Der Pharao erkannte, daß der Geist in Jo
seph war (IMo 41,38). Wahrscheinlich verstand der Pharao nicht, daß es sich um
den Heiligen Geist handelte, aus späterer Offenbarung erscheint dies aber eindeutig.
Der Geist war in Josua, deshalb erwählte ihn Gott (4Mo 27,18). Der Geist war in
Daniel (Dan 4,5; Dan 5,11-14; Dan 6,4). In allen diesen Fällen wird als Präposition
der Buchstabe bet (in) verwendet.
2. Der Geist „kam" über einzelne Personen. Das wird durch die Präposition al
deutlich gemacht. Eine ganze Anzahl von Menschen erlebte dieses Wirken des
Geistes. (4Mo 24,2; Ri 3,10; Ri 6,34; 11,29; 13,25; ISam 10,10; 16,13; 2Chr 15,1).
Dazu gehören hauptsächlich die Richter, Samuel, Saul und die Propheten Bileam
und Asarja.
3. Der Geist „erfüllte" Bezaiel (2Mo 31,3; 35,31). Hier dürfte es sich um eine
spezielle Befähigung handeln, die Handwerker bei der Arbeit an der Stiftshütte an
zuleiten.
b) Das Ausmaß seines Wirkens
1. Nicht für alle Menschen. Nachdem Gott Israel als sein Volk auserwählt hatte,
beschränkte sich das Wirken des Geistes hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich,
auf dieses Volk. Israel war natürlich ein geistliches Mischvolk, in dem es Ungläu
bige wie Gläubige gab. Der Geist wirkte aber am gesamten Volk, indem er bei ihm
war und es führte (Neh 9,20; Jes 63,10-11.14). Hier dürfte es sich um eine Bezie-
590 Teil 11: Der HEiliQE CeIst
hung zum Gesamtvolk handeln. Mit einigen Menschen im Volk pflegte der Geist
engeren Umgang (siehe oben und 4. Mose 11.29).
Wir verfugen allerdings über keine klaren Offenbarungen über das Wirken Got
tes außerhalb Israels. 1. Mose 6,3 könnte eine Ausnahme sein, wenn dieser Vers
bedeutet, daß der Geist Gottes die Menschen wegen ihrer Bosheit in den Tagen
Noahs richtete. Der Vers könnte aber auch eine Warnung sein, daß der Menschen
geist, den Gott in den Menschen gelegt hatte, nicht für immer bleiben würde, weil
die Menschheit in der Flut ausgerottet werden würde. Ganz sicher hat der Geist die
Welt im Alten Testament nicht ihrer Sünde überführt (wie es heute geschieht. Joh
16,8), und keine andere Nation erfuhr seine allgemeine Gegenwart so wie Israel.
Soweit wir wissen, beschränkte sich sein Wirken auf Israel und einzelne Personen
in diesem Volk.
2. Nicht in allen Aspekten. Wie erwähnt, wirkte der Geist nicht zur Überführung
der Menschen, es gab keine Innewohnung und Ermächtigung wie nach Pfingsten
(7,37-39), keine Versiegelung und ganz sicher keine Taufe des Geistes (denn diese
ist in Apg 1,5 noch Zukunft). Die Wiedergeburt durch den Geist wird nicht konkret
erwähnt, obwohl manche Ausleger der Ansicht sind, daß der Geist auch im Alten
Bund Wiedergeburt bewirkte, weil die Gläubigen den Kampf zwischen altem und
neuem Wesen erlebten.
3. Nicht fiir alle Zeit. Der Geist wirkte mächtig in Simson, später verließ ihn der
Herr (Ri 13,25; 16,20). Der Geist kam auf Saul und verließ ihn wieder (ISam
10,10; 16,14). Offenbar gab es im Alten Testament keine Garantie der bleibenden
Gegenwart des Geistes.
Vielleicht könnte man einen Vergleich ziehen zwischen dem Wirken des Geistes
im Alten Testament und der Gnade im Alten Testament. Beide waren vorhanden,
trotzdem konnte der Geist, der bereits im Alten Bund wirkte, zu Pfingsten
„kommen", um eine neue Dimension seines Wirkens zu beginnen, so wie die Gna
denerweise im Alten Testament nur Schatten waren im Vergleich zu der Gnade,
welche in die Welt flutete, als Christus erschien (Joh 1.17; Tit 2.11)