Die Souveränität Gottes und der Wille des Gläubigen
26.03.2022 17:13
Die Souveränität Gottes und der Wille des Gläubigen
26.03.2022 17:13
Die Souveränität Gottes und der Wille des Gläubigen
https://www.christ-sucht-christ.de/christliches-forum/Sulzbacher/92622/...und...Der menschliche Wille ist das Organ, Entschlüsse zu fassen.
Etwas zu begehren oder nicht, etwas zu wählen oder nicht - das sind typische Willensentschlüsse.
Der Wille ist das »Ruder«, mit dem der Mensch auf den Wogen seines Lebens dahinsteuert. Der
Wille des Menschen kann als sein eigentliches Ich betrachtet werden, weil er ihn kennzeichnet.
Sein Handeln ist das Handeln des Menschen. Wenn wir sagen: »Ich will«, ist es unser Wille, der
zum Ausdruck kommt. Sagen wir: »Ich möchte, ich entscheide«, ist es wiederum unser Wille,
der sich meldet. Unser Wille handelt für den ganzen Menschen. Unsere Gefühle äußern nur,
was wir empfinden. Unser Verstand sagt uns, was wir denken. Aber der Wille äußert, was wir
wollen. Darum ist er der einflußreichste Bestandteil unserer Persönlichkeit. Der Wille reicht tiefer
als das Gefühl oder der Verstand. Wenn wir nach geistlichem Wachstum streben, dürfen wir
nicht unsere Willenskraft außer acht lassen. Viele machen den Fehler und betrachten »Religion«
als Gefühlssache. Sie meinen, Religion beruhige oder beglücke nur die menschlichen Gefühle.
Andere behaupten, »Religion« müsse mit der Vernunft zu vereinbaren und dürfe nicht zu stark
gefühlsbetont sein. Sie akzeptieren nur eine Art Vernunftsreligion. Beide Gruppen erkennen aber
nicht, daß wahre »Religion« nicht an sich auf das Gefühl oder den Verstand zielt, sondern dem
menschlichen Geist Leben geben soll und seinen Willen völlig unter den Willen Gottes zu stellen
sucht. Unser »religiöses« Erleben ist sehr oberflächlich, wenn es in uns keine Bereitschaft erzeugt,
den ganzen Ratschluß Gottes willentlich anzunehmen. Was hülfe es einem Menschen, wenn sein
Wille auf dem geistlichen Lebensweg nie ein echtes Zeichen wahrer Gnade bekundete, oder wenn
der Wille nicht einmal berührt würde? Wahres und vollkommenes Heil errettet den Willen des
Menschen. Alles andere, was nicht zu einer völligen Errettung des menschlichen Willens ausreicht,
ist umsonst. Alle schönen Gefühle und lichten Gedanken gehören ausschließlich dem äußeren
Bereich an. Der Mensch mag Freude, Trost und Frieden in seinem Glauben an Gott finden;
er kann die Majestät Gottes begreifen und wunderbares Wissen sammeln - aber kann er echte
Gemeinschaft mit ihm haben, wenn sein Wille nicht eins geworden ist mit dem Willen Gottes? Die
Vereinigung des menschlichen mit dem göttlichen Willen schafft die einzig wahre Einheit. Darum
muß der Gläubige, nachdem er das neue Leben empfangen hat, nicht nur auf seine Intuition
achten, sondern auch auf seinen Willen.
Der freie Wille
Wenn wir uns mit dem Menschen und seinem Willen auseinandersetzen, sollten wir besonders
beachten, daß der Mensch einen freien Willen hat. Das bedeutet: der Mensch ist souverän, er hat
einen souveränen Willen. Es sollte ihm nichts aufgezwungen werden, was er nicht annehmen kann.
Was er ablehnt, dazu sollte er nicht genötigt werden. Der freie Wille gestattet dem Menschen,
frei zu entscheiden. Er ist kein Spielzeug, das von anderen gelenkt wird. Er ist für sein Handeln
verantwortlich. Der Wille in ihm bestimmt alle seine inneren und äußeren Geschäfte. Er wird
nicht automatisch durch eine äußere Macht gesteuert; in ihm wohnt vielmehr ein Prinzip, das
seine Handlungen bestimmt. Das war der Zustand des Menschen, als Gott ihn schuf. Der Mensch,
den der Schöpfer geschaffen hat, war nicht etwas Mechanisches. Wir erinnern uns sicher, daß Gott
zu ihm sagte: »Von allen Bäumen des Gartens darfst du nach Beliehen essen, aber vom Baum
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der Erkenntnis des Guten und Bösen - von dem darfst du nicht essen; denn sobald du von diesem
ißt, mußt du des Todes sterben« (1. Mose 2, 26 u. 17). Wie gab Gott dem Menschen diesen
Befehl? Gott beschwor, verbot - aber er übte keinen Zwang aus. Wenn es Adam gefallen hätte,
zu gehorchen und die verbotene Frucht nicht zu essen, so wäre dies sein Wille gewesen. Wollte er
nicht auf den Befehl hören, würde sogar Gott ihn nicht daran hindern. Das ist freier Wille. Gott
auferlegte dem Menschen die Verantwortung, nach seinem uneingeschränkten Willen zu wählen.
Gott schuf keinen Menschen, der nicht sündigen, rebellieren oder stehlen konnte. Hätte er das
getan, dann hätte er den Menschen zu einer Maschine gemacht. Gott konnte raten, verbieten und
gebieten - aber die Verantwortung, darauf zu hören oder nicht, lag beim Menschen. Aus Liebe
gab Gott sein Gebot im voraus; aus Gerechtigkeit zwingt er den Menschen nicht, das zu tun, was
er nicht wünscht. Gott muß die Einwilligung des Menschen, ihm zu gehorchen, abwarten, weil
Gott den Menschen nie zwingt. Gott könnte bestimmt eine Vielzahl von Maßnahmen anwenden,
ihn gefügig zu machen; jedoch nur wenn der Mensch zustimmt, wird Gott seine Absichten in
ihm verwirklichen. Das ist ein äußerst wichtiger Grundsatz. Wir werden noch feststellen, daß der
Schöpfer nie gegen sein Prinzip handelt, aber die bösen Geister tun das ständig. Daran können
wir unterscheiden, was von Gott ist und was nicht.
Der Sündenfall und die Errettung
Leider ist der Mensch gefallen. Durch den Sündenfall hat der freie Wille des Menschen ungeheuren
Schaden genommen. Wir können sagen, daß es im Universum zwei gewaltige, sich widersprechende Willenskräfte gibt. Auf der einen Seite steht der heilige und vollkommene Wille Gottes, auf der
anderen Seite erhebt sich der verderbte und Verderben bewirkende, widerstrebende Wille Satans.
Dazwischen steht der souveräne, unabhängige, freie Wille des Menschen. Wenn der Mensch auf
den Teufel hört und gegen Gott rebelliert, gibt er dem Willen Gottes ein ewiges »Nein« und dem
Willen Satans ein bleibendes »Ja«. Weil der Mensch seinen Willen gebraucht, um sich für Satans
Willen zu entscheiden, gerät sein Wille in die Gefangenschaft des Teufels. Darum werden seine
Handlungen von Satans Willen beherrscht. Wenn er nicht seine frühere Unterordnung rückgängig
macht, bleibt sein Wille unter der Herrschaft des Feindes. In diesem gefallenen Zustand ist der
Mensch fleischlich gesinnt. Diese fleischliche Gesinnung, durch die sein Wille und die anderen
Lebensbereiche beherrscht werden, ist durch und durch verderbt. Wie kann aus einem solch verfinsterten Willen etwas Gott Wohlgefälliges hervorgehen? Sogar das Fragen des Menschen nach
Gott entspringt dem Fleisch und hat keinen geistlichen Wert. In diesem Zustand mag er viele
Arten der Anbetung erfinden, aber es sind alles seine eigenen Vorstellungen, »eigenwilliger Gottesdienst« (Kol. 2, 23). Gott kann das nicht annehmen. Wir wollen uns dessen bewußt sein, daß
jeglicher Gottesdienst- es sei denn, daß der Mensch neues Leben aus Gott empfangen hat und
ihm darin dient - nichts als Werk des Fleisches ist. Sogar die Absicht, Gott zu dienen und selbst
für ihn zu leiden, ist wertlos. Unser Wille ist nichtig, bevor wir wiedergeboren sind, selbst wenn
er dem Guten und Gott zugewandt ist. Nicht, was der gefallene Mensch für Gott tun möchte,
sondern wie Gott wünscht, daß es der Mensch für ihn tue, das allein zählt in Gottes Augen. Der
Mensch mag viele bemerkenswerte Taten für Gott planen und vollbringen; wenn sie aber nicht
von Gott ausgehen, sind sie bloß eigenwilliger Gottesdienst. Das trifft auch für die Errettung zu.
Wenn der Mensch nach dem Fleisch lebt, ist Gott nicht einmal sein Wunsch, gerettet zu werden,
angenehm. Wir lesen im Johannesevangelium: »Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das
Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem
Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott
geboren sind« (Joh. 1, 12 u. 13). Der Mensch wird nicht wiedergeboren, weil es sein Wille ist.
Er muß von Gott geboren sein. Heutzutage haben viele Christen die verkehrte Vorstellung, daß
man bestimmt ein guter Jünger Jesu sein wird, wenn man gerettet werden will und den Weg
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des Lebens sucht. Es gibt doch nichts Besseres als diesen Wunsch! Trotzdem sagt Gott, daß
der Wille des Menschen nichts auszurichten vermag, was die Wiedergeburt oder andere Gott
zugeordnete Dinge betrifft. Viele Gläubige können nicht begreifen, warum im ersten Kapitel des
Johannesevangeliums steht, daß der Wille des Menschen nichts nützt, wo doch die Offenbarung
folgendermaßen schließt: »Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst« (22, 17). Das
sieht doch so aus, als sei der Mensch allein für seine Errettung verantwortlich. Erklärt Jesus
nicht selber, warum die Juden nicht gerettet werden: »Und ihr wollt nicht zu mir kommen, auf
daß ihr Leben habet« (Joh. 5, 40). Auch hier scheint die Verantwortung, ob man verloren geht
oder nicht, beim Willen des Menschen zu liegen. Haben diese scheinbaren Widersprüche eine bestimmte Bedeutung? Eine Erläuterung dieses Punktes wird uns zu einem besseren Verständnis
verhelfen, was Gott von uns als Christen fordert. Wir wissen, Gott will, daß »keiner verloren
gehe, sondern daß alle zur Buße gelangen«, und daß er »will, daß alle Menschen errettet werden
und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen« (2. Petr. 3, 9; 1. Tim. 2, 4). Wen Gott retten will
oder verloren gehen läßt, ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, welche Haltung der Sünder
gegenüber Gottes Willen einnimmt. Wenn er nur deshalb beschließt, Christ zu werden, weil er
von Natur aus zur Religiosität neigt und die Welt verachtet oder durch seine Vererbung, Umwelt
oder Angehörigen beeinflußt wurde, ist er so weit von Gott und seinem Leben entfernt, wie andere Sünder auch. Wird jemand nur aus momentaner Begeisterung Christ, wird er nicht besser
fahren als alle übrigen Sünder. Alles entscheidet sich an dieser Frage: Wie verhält sich der Sünder
zum Willen Gottes? Gott liebt ihn. Wird er seine Liebe annehmen? Christus ruft ihn, aber wird
er kommen? Der Heilige Geist möchte ihm Leben geben, aber ist er willens, geboren zu werden?
Sein Wille ist nur dazu nütze, Gottes Willen zu erwählen. Die Frage ist einzig und allein: Wie
reagiert der Wille des Menschen auf den Willen Gottes? Haben wir den Unterschied bemerkt?
Wenn der Mensch selbst beginnt, das Heil zu suchen, geht er doch verloren. Viele Religionsstifter gehören zu dieser Kategorie. Aber wenn der Mensch, der das Evangelium hört, willens
ist, anzunehmen, was Gott anbietet, wird er gerettet. Der eine produziert selbst - der andere
empfängt. Der eine will selber - der andere akzeptiert, was Gott für ihn will. Johannes (Kap. 1)
spricht vom Menschen, der selber will. Johannes (Kap. 5) und Offenbarung (Kap. 22) reden vom
Menschen, der Gottes Willen annimmt. Also sind diese beiden Aussagen nicht widersprüchlich,
sondern hier gibt es für uns eine entscheidende Lektion zu lernen. Gott will uns zeigen, daß er
in einer so wichtigen und großartigen Sache wie der Errettung nichts, was aus dem eigenen Ich
hervorgeht, annehmen kann, sondern alles verwerfen muß. Wenn wir geistlich wachsen wollen,
müssen wir die entscheidenden Prinzipien Gottes kennen und uns vor Augen halten, welche Gott
bei unserer Wiedergeburt anwendet. Diese Grundregeln zeigen, wie wir in unserem geistlichen
Leben weitergehen sollen. Wir haben einen der wichtigsten Grundsätze behandelt: Alles was aus
uns hervorgeht, d. h. aus dem Fleisch, ist Gott nicht angenehm. Selbst wenn wir eine so erhabene
und notwendige Sache wie das Heil suchen, wird doch unser eigenes Tun abgelehnt. Wir müssen
uns stets vergegenwärtigen, daß Gott nicht auf die äußere Erscheinung schaut - sei sie gut oder
böse, groß oder klein - Gott prüft, woher sie kommt, ob von Ihm oder nicht. Was das Heil betrifft,
werden wir nicht gerettet, weil wir es wollen, sondern weil Gott uns erretten will. Das gilt für
unser ganzes Leben. Wir müssen erkennen, daß, abgesehen von dem, was Gott durch uns tut,
alle Aktivitäten, wie lobenswert sie auch sein mögen, völlig bedeutungslos sind. Wenn wir dieses
wichtige Lebensprinzip nicht am Anfang unseres Glaubenslebens begreifen, werden wir unendlich
viele Niederlagen erleben. Vor der Wiedergeburt rebelliert der Wille des Menschen gegen Gott.
Darum muß Gott den Menschen zu sich ziehen und ihm neues Leben geben. Wie der Wille des
Menschen den Menschen kennzeichnet (denn er ist ja der wichtigste Bestandteil seines Wesens),
so personifiziert der göttliche Wille Gott, da dieser sein Leben selbst ist. Wenn wir sagen, daß
Gott einen Menschen zu sich führt, heißt das, daß er den Menschen seinem Willen zuführt. Es
dauert natürlich ein ganzes Leben, bis das völlig zur Erfüllung kommt, aber Gott wirkt bereits
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am Anfang der Errettung auf dieses Ziel hin. Wenn der Heilige Geist einen Menschen von Sünde
überführt, ist diese Überführung derart, daß der Mensch kein Wort sagen könnte, selbst wenn
Gott ihn in die Hölle verdammen würde. Wenn Gott dann diesem Menschen seinen Heilsplan
im Kreuz Christi offenbart, wird er Gottes Vergebung gerne annehmen. Wir erkennen also, daß
der erste Schritt der Errettung im Grunde die Erretung des Willens ist. Der Glaube des Sünders
und die Annahme des Heils besteht in seinem Verlangen, das Wasser des Lebens zu nehmen und
gerettet zu werden. Genauso ist das Widerstehen sein Unwille, zum Herrn zu kommen, um Leben
zu empfangen, und darum geht er verloren. Der Kampf zwischen Gerettetwerden oder Verlorengehen wird im Willen des Menschen ausgefochten. Der Sündenfall geschah, weil der Mensch mit
seinem Willen gegen Gottes Willen rebellierte. Seine Errettung wird bewirkt, indem sein Wille
unter Gottes Gehorsam gebracht wird. Der Wille des Menschen ist bei der Wiedergeburt nicht
völlig mit dem Willen Gottes eins geworden. Weil er aber Jesus aufgenommen und dem Satan,
seinem Ich und der Welt abgesagt hat, wird der gefallene Wille trotzdem emporgehoben. Durch
den Glauben an das Wort Gottes und den Empfang des Heiligen Geistes wird auch der Wille
erneuert. Indem ein Mensch von neuem geboren wird, empfängt er einen neuen Geist, ein neues
Herz und ein neues Leben; sein Wille empfängt einen neuen Herrn und steht von nun an unter
einer anderen Herrschaft. Wenn sein Wille gehorsam ist, wird er zu einem Teil des neuen Lebens;
wenn er widersteht, wird er sich als größter Feind des neuen Lebens entpuppen. Dieser erneuerte
Wille ist viel wichtiger als die anderen Bereiche der Seele. Der Verstand kann verführt werden
und das Gefühl rebellieren, aber der Wille kann es sich nicht leisten, falsch zu handeln. Wenn der
Wille nicht richtig handelt, hat das ernste Folgen, denn er ist das eigentliche Ich des Menschen
und regiert alle anderen menschlichen Bereiche. Wenn er nicht in Ordnung ist, kann Gottes Wille
nicht verwirklicht werden.
Ein gehorsamer Wille
Was ist Heil? Nichts anderes, als von sich selbst weg und zu Gott hin gerettet zu werden. Erlösung hat zwei Seiten: ein »Trennen von« und ein »Vereinen mit«. Getrennt wird vom Ich;
vereint wird mit Gott. Alles, was nicht die Befreiung vom Ich und das Einswerden mit Gott zum
Ziel hat, ist keine echte Errettung. Was nicht den Menschen vom Selbst befreit und mit Gott
verbindet, ist nur Eitelkeit. Ein wahrhaft geistgewirkter Anfang umfaßt die Loslösung von einem
natürlich-seelischen Leben und den Eintritt in ein göttliches Leben. Alles, was dem Geschöpf
eigen ist, muß abgelegt werden, damit das Geschöpf sich der Dinge erfreuen kann, die einzig
und allein im Schöpfer sind. Der Erschaffene muß schwinden, damit sich wahres Heil auswirken
kann. Wahre Größe liegt nicht darin, daß wir viel besitzen, sondern daß wir viel aufgegeben
haben. Echtes Leben kann sich nur im Ablegen des Ichs zeigen. Wenn das Geschöpf sein Wesen,
sein Leben und sein Treiben nicht verleugnet, hat das Leben aus Gott keine Möglichkeit, sich
auszuwirken. Unser Ich ist oft der Feind des göttlichen Lebens. Unser geistliches Leben wird
ernstlich gehemmt, wenn wir unser Selbst nicht aufgeben wollen. Was ist das Ich? Es ist sehr
schwer zu erklären; wir können es nicht genau beschreiben. Sagen wir aber, das »Ich« ist der
»eigene Wille«, treffen wir die Sache ziemlich genau. Das Wesen des Menschen liegt in seinem
Willen, weil er das ausdrückt, was der Mensch eigentlich ist, was er will und wozu er bereit ist.
Bevor nicht die Gnade Gottes ihr Werk im Menschen getan hat, ist alles im Menschen - er sei
ein verlorener Sünder oder ein geretteter Sünder- grundsätzlich gegen Gott gerichtet, weil der
Mensch dem Natürlichen verhaftet ist, das im krassen Widerspruch zum Leben aus Gott steht.
Das Heil soll also den Menschen von seinem geschaffenen, natürlichen, seelischen und fleischlichen
Willen befreien. Wir wollen das noch vertiefen: Neben der Tatsache, daß Gott uns neues Leben
gibt, ist die Umkehr unseres Willens zu ihm das größte Werk der Errettung. Wir können sogar
sagen, daß Gott uns das neue Leben schenkt, damit wir unseren Willen ihm unterstellen. Das
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Evangelium will es möglich machen, daß menschlicher und göttlicher Wille sich vereinen. Was
nicht dazu führt, verfehlt das Ziel. Gott richtet seinen Pfeil des Heils nicht so sehr auf unser
Gefühl oder unseren Verstand, sondern auf unseren Willen. Wenn nämlich der Wille gerettet ist,
wird alles andere miteinbezogen. Manch einer ist vielleicht bis zu einem gewissen Grad mit Gott
der Gesinnung nach eins; in vielen Dingen mag er auch Gott gefühlsmäßig zustimmen. Aber die
folgenschwerste und engste Verbindung ist das Einswerden seines Willens mit dem göttlichen
Willen. Diese Übereinstimmung umschließt alle anderen Vereinigungen zwischen Gott und dem
Menschen. Was nicht die Willensvereinigung erreicht, ist unzulänglich. Weil unser ganzes Wesen sich nach unserem Willen richtet, ist der Wille der Bereich des Menschen, der den größten
Einfluß ausübt. Selbst ein so edles Organ wie der Geist muß sich dem Willen unterordnen (wir
werden noch ausführlicher darauf eingehen). Der Geist kennzeichnet nicht den ganzen Menschen,
denn er ist bloß das Organ, das den Kontakt mit Gott herstellt. Auch der Leib kann nicht den
ganzen Menschen repräsentieren. Er ist ja nur der Teil des Mensehen, der die Verbindung zur
Welt knüpft. Aber der Wille umschließt die wahre Haltung, die Absicht und den Zustand des
Menschen. Er ist der Mechanismus in ihm, der ihm selbst am ehesten entspricht. Wenn also der
Wille nicht mit Gott eins ist, sind alle anderen Verbindungen bedeutungslos. Wenn aber der
herrschende Wille des Menschen völlig mit Gott vereint wird, ist der Mensch freiwillig und völlig
Gott unterstellt. Unsere Vereinigung mit dem Herrn erfolgt in zwei Schritten: Es sind dies eine
Vereinigung des Lebens und ein Einswerden des Willens. Wenn wir wiedergeboren werden und
sein Leben empfangen, werden wir mit ihm vereinigt im Leben. Wie Gott durch seinen Geist
lebt, werden wir von nun an auch durch den Heiligen Geist leben. Das ist das Band des Lebens.
Das heißt: Wir haben Leben aus Gott. Es ist dies eine innere Vereinigung. Aber was dieses Leben zum Ausdruck bringt, ist der Wille. Also muß es zu einer äußeren Vereinigung kommen,
einer Vereinigung des Willens. Mit dem Herrn im Willen vereint zu sein, bedeutet: Wir sind
eines Willens mit ihm. Diese zwei Vereinigungen stehen in Beziehung zueinander, keine ist von
der anderen unabhängig. Die Einheit des neuen Lebens ist spontan, denn dieses neue Leben ist
das Leben Gottes. Aber die Einheit des Willens ist nicht spontan und daher nicht so einfach,
weil der Wille unser Ich ist. Wir wir bereits erwähnt haben, will Gott das Leben unserer Seele
töten, aber nicht, um deren Funktion aufzuheben. Nachdem wir mit dem Herrn im Leben eins
geworden sind, ist es sein Ziel, unsere Seele und ihre verschiedenen Bereiche zu erneuern, damit
unsere Seele im Einklang mit dem neuen Leben steht und infolgedessen eins mit seinem Willen
ist. Da unser Wille eine solch wichtige Funktion hat, sucht Gott täglich dessen Vereinigung mit
seinem Willen. Das Heil ist nicht vollständig, wenn der menschliche Wille nicht völlig mit dem
göttlichen Willen vereint ist. Ohne diese totale Vereinigung steht das Ich des Menschen noch
immer auf Kriegsfuß mit Gott. Er will uns sein Leben geben, aber er will auch unsere völlige
Vereinigung mit ihm. Wenn wir aufmerksam die Schrift lesen, zeigt sie uns, daß unseren Sünden
ein gemeinsamer Nenner zugrundeliegt: das Prinzip des Ungehorsams. Durch Adams Ungehorsam gehen wir alle verloren; durch Christi Gehorsam werden wir gerettet. Einst waren wir Söhne
des Ungehorsams, jetzt ist es Gottes Wunsch, daß wir Söhne des Gehorsams seien. Ungehorsam heißt, dem eigenen Willen zu folgen. Gehorsam heißt: Gottes Willen befolgen. Die Absicht
des göttlichen Heils ist, uns dahin zu bringen, daß wir unseren Willen verleugnen und mit ihm
eins werden. Gerade hier besteht unter den modernen Christen ein großes Mißverständnis. Sie
meinen, geistliches Leben bedeute freudige Gefühle oder großes Wissen. Sie verbringen viel Zeit
damit, verschiedenen gefühlsmäßigen Erfahrungen nachzujagen oder sich verstandesmäßiges Bibelwissen anzueignen, weil sie denken, diese beiden Dinge seien anderen Dingen weit überlegen.
Während sie dabei nach ihren Gedanken und Gefühlen handeln, gehen sie umher und erfüllen
viele gute, großartige und bemerkenswerte Aufgaben und meinen, Gott damit zu gefallen. Sie
begreifen nicht, daß Gott nicht danach fragt, was sie empfinden oder denken. Ihm geht es nur
darum, daß ihr Wille mit seinem Willen eins wird. Gott gefällt es, wenn seine Kinder wollen, was
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er will, und tun, was er sagt. Nur das hat Wert: wenn sich ein gläubiger Mensch vorbehaltlos
Gott ausliefert und bereit ist, seinen Willen anzunehmen. Alles andere, was den Anschein von
geistlichem Leben trägt - seien es fromme und selige Gefühle oder kluge Ideen -, ist nur äußerer
Schein. Dazu gehören Visionen, Träume, Stimmen, Seufzer, Eifer, Werke und Betriebsamkeit.
Wenn der Gläubige nicht in seinem Willen entschlossen ist, den Lauf zu vollenden, den ihm Gott
vorgelegt hat, ist nichts von Wert. Wenn wir wirklich eines Willens mit Gott sind, werden wir
augenblicklich von allen Aktivitäten, die aus uns selbst entspringen, ablassen. Von nun an hat
kein unabhängiges Handeln mehr Platz. Wir sind dem Ich gestorben und leben für Gott. Wir
arbeiten nicht mehr für ihn nach eigenem Antrieb und nach unseren Ansichten. Wir handeln
erst, wenn wir von Gott dazu bewegt werden. Wir sind von allem eigenen Tun befreit. Solch eine
Vereinigung ist mit anderen Worten eine Veränderung des Zentrums - ein neuer Anfang. Früher
konzentrierten sich alle Aktivitäten auf das Ich, jetzt ist alles von Gott. Er fragt nicht danach,
was wir begonnen haben. Er fragt nur wer es begonnen hat.
Die Hand Gottes
Weil viele Gläubige gerettet, aber nicht völlig Gott Untertan sind, verwendet er viele Mittel
und Wege, um sie zum Gehorsam zu führen. Er bewegt die Seinen durch seinen Geist und läßt
sie seine Liebe spüren, damit sie ihm allein gehorchen und nur noch seinen Willen tun wollen.
Aber oft erwirken diese Maßnahmen nicht die von Gott gewollte Haltung in seinen Kindern.
Darum muß Gott seine Hand gebrauchen, um sie dahin zu führen, wo er sie haben möchte.
Seine Hand wirkt hauptsächlich durch Umstände. Gott legt seine Hand schwer auf seine Kinder,
um sie zu zerbrechen, zu zerschlagen oder zu binden, damit sich ihr Wille nicht länger gegen
seinen Willen verhärtet. Der Herr ist erst dann zufrieden, wenn wir ganz mit seinem Willen
vereint sind. Damit er dieses Ziel erreicht, läßt er es zu, daß uns viele unangenehme Dinge
widerfahren. Er läßt uns seufzen, uns sorgen und leiden. Er sorgt dafür, daß sich uns viele
praktische Kreuze in den Weg stellen, damit wir unser Haupt beugen und kapitulieren. Von
Natur aus ist unser Wille sehr eigensinnig. Er widersetzt sich dem Gehorsam Gottes, bis er
schwer gezüchtigt worden ist. Indem wir uns unter die mächtige Hand Gottes demütigen und
willig seine Zucht annehmen, erhält unser Wille einen weiteren Schlag und wird wiederum in den
Tod gegeben. Widerstehen wir ihm immer noch, warten härtere Schläge auf uns, die uns unter
seine Herrschaft bringen sollen. Gott beabsichtigt, uns alles Eigene zu nehmen. Alle Gläubigen,
die wirklich wiedergeboren sind, wollen nach Gottes Willen leben. Manche legen ein öffentliches
Versprechen ab, andere fassen diesen Entschluß in der Stille. Gott führt seine Kinder durch viele
schwere Situationen, um zu prüfen, ob ihr Versprechen oder ihr Entschluß echt war. Er läßt sie
materielle Güter verlieren, Gesundheit, Ruf, Stellung, Brauchbarkeit. Mehr noch, er nimmt ihnen
Glücksgefühle, das Bewußtsein seiner Gegenwart und seine Tröstungen. Er muß ihnen zeigen, daß
alles - außer seinem Willen - verleugnet werden muß. Wenn es Gottes Wille ist, sollten wir bereit
sein, körperliche Leiden und Schmerzen auf uns zu nehmen. Wir müssen bereit sein, Dürre,
Finsternis und Kälte anzunehmen, wenn es ihm gefällt, uns solches zuteil werden zu lassen. Und
wenn er alles von uns nimmt -sogar unseren Dienst für ihn -, müssen wir auch das akzeptieren. Er
will, daß sich seine Kinder bewußt sind: Er hat sie nicht zu ihrem Vergnügen gerettet, sondern für
seinen Willen. In Gewinn oder Verlust, in Freud oder Leid, in Bewußtsein seiner Gegenwart oder
des Verworfenseins dürfen Christen allein nach Gottes Willen trachten. Wenn es sein Wille wäre,
uns zu verwerfen (was nie der Fall ist!), könnten wir dann freudig die Verwerfung annehmen?
Wenn sich ein Sünder dem Herrn anvertraut, ist am Anfang des Glaubenslebens die Seligkeit
sein Ziel. Das ist ihm in dieser besonderen Zeit erlaubt. Wenn er eine Weile unterwiesen und in
Gott gegründet wurde, erkennt er bald, daß er allein um Gottes Willen zu erfüllen zum Glauben
gekommen ist. Er kümmert sich nicht mehr um seinen eigenen Gewinn oder Verlust. Wenn es
9 Kapitel 9 250
Gott verherrlichte, wenn er in die Hölle führe, wäre er dazu bereit. Dies ist natürlich nur ein
angenommener Fall. Aber die Christen müssen erkennen, daß sie nicht um ihretwillen auf der
Erde leben, sondern um Gottes Willen zu tun. Ihr größter Segen, ihr höchstes Vorrecht, ihre
erhabenste Ehre ist es, ihrem verderbten Willen absagen zu dürfen, um sich mit Gottes Willen
zu vereinen, damit Gott dadurch seines Herzens Wunsch erfüllen kann. Der Gewinn oder der
Verlust, die Freude oder der Schmerz, die Ehre oder die Schande des Geschöpfes fällt überhaupt
nicht ins Gewicht. Wenn nur der Höchste befriedigt werden kann, kommt es nicht darauf an, wie
tief der Demütige erniedrigt wird. Dies ist der einzige Weg für den Gläubigen, sich selbst völlig
an Gott zu verlieren.
Zweierlei Maß
Zwei Dinge müssen geschehen, die uns mit Gottes Willen vereinen: Gott muß erstens die Aktivität
unseres Willens sich selbst unterordnen, und zweitens muß er das Leben unseres Willens besiegen.
Häufig ist unser Wille dem Herrn nur in bestimmten Dingen Untertan, und trotzdem wiegen wir
uns in dem Glauben, wir seien Ihm in allen Dingen gehorsam. Aber tief in unserem Herzen
verbirgt sich eine geheime Neigung, die an die Oberfläche tritt, wenn sich dazu die Gelegenheit
bietet. Gott will nicht nur die Bewegungen unseres Willens begrenzen, sondern er will auch
dessen innerste Neigungen töten, damit er völlig umgewandelt wird. Streng genommen sind ein
gehorsamer Wille und ein harmonischer Wille zweierlei. Gehorsam bezieht sich auf die Aktivität,
Harmonie auf Leben, Eigenart und Neigung. Der Gehorsam eines Dieners zeigt sich im Ausführen
aller Befehle seines Meisters. Aber ein Sohn, der das Vaterherz kennt und mit dem Willen des
Vaters eins ist, tut nicht nur seine Pflicht, sondern tut sie auch mit Freuden. Ein gehorsamer Wille
setzt dem eigenen Tun eine Schranke, aber der harmonische Wille ist außerdem ein Herz und eine
Seele mit Gott. Nur wer im Einklang mit Gott lebt, vermag Gottes Herz richtig zu verstehen.
Dem Menschen, der noch nicht den völligen Einklang seines Willens mit Gottes Willen erreicht
hat, steht das Höchste im geistlichen Leben noch bevor. Es ist gut, dem Herrn zu gehorchen,
aber erst der Sieg der Gnade über das natürliche Leben des Christen stellt die völlige Harmonie
mit Gott her. Erst wenn sich menschlicher und göttlicher Wille vereinen, erlebt der Christ die
höchste Ebene seines geistlichen Lebens. Viele Gläubige meinen, daß sie bereits ihren Willen
völlig aufgegeben hätten. Aber nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Wenn die
Versuchung oder Prüfung naht, entdecken sie, daß ein gehorsamer Wille nicht dasselbe ist, wie
ein harmonischer Wille; daß es nicht unbedingt dasselbe ist, ob wir Gott nicht widerstehen oder
keinen Eigenwillen mehr haben. Wer möchte schon nicht etwas für sich gewinnen, ein wenig
für sich behalten? Wer verlangt wirklich nicht nach Gold oder Silber, Ehre, Freiheit, Freude,
Vorteilen, Positionen oder anderen Dingen? Mancher Christ denkt vielleicht, daß er sich nichts
aus solchen Dingen macht; solange er sie hat, ist ihm nicht bewußt, daß er an ihnen hängt.
Aber wenn er nahe daran ist, sie zu verlieren, merkt er bald, wie fest er sich an sie klammert.
Ein gehorsamer Wille kann in vielen Fällen mit Gottes Willen übereinstimmen, aber früher
oder später muß es zu einem gewaltigen Kampf zwischen dem Leben des Willens des Gläubigen
und Gottes Willen kommen. Wenn Gottes Gnade nicht völlig zum Zuge kommt, ist es dem
Gläubigen kaum möglich zu überwinden. Hieraus wird uns klar, daß ein gehorsamer Wille nicht
als der Zustand der Perfektion angesehen werden kann. Der Wille, obwohl gebrochen und der
Widerstandskraft gegen Gott beraubt, muß noch zur Einmütigkeit mit ihm gelangen. Wir geben
natürlich zu, daß es an sich schon eine Frucht seiner großen Gnade ist, wenn wir an den Punkt
gelangen, wo wir keine Kraft mehr haben, Gott zu widerstehen. Auch sagen wir gewöhnlich,
daß ein gehorsamer Wille schon in sich selbst tot ist. Aber genau gesagt besitzt er immer noch
einen ungebrochenen Lebensfaden. Da lebt noch eine verborgene Neigung, eine heimliche Freude
am alten Leben. Das ist der Grund dafür, daß diese Christen zeitweise mit geringerer Freude,
9 Kapitel 9 251
geringerem Eifer und weniger Fleiß dem Herrn gehorchen. Obwohl der Wille Gottes tatsächlich
befolgt wird, deckt er sich nicht immer mit dem, was sie persönlich wollen. Wäre das Eigenleben
gründlich in den Tod gegeben worden, würde der Gläubige stets allem gegenüber genau die gleiche
Haltung einnehmen, wie Gott es von ihm will. Alle Unterschiede sind ein Beweis für die mangelnde
Harmonie zwischen dem menschlichen und göttlichen Willen. Diese zwei Verhaltensweisen des
Willens werden an den Beispielen von Lots Frau, den Israeliten und dem Propheten Bileam
deutlich. Wie Lots Frau Sodom verließ, die Israeliten von Ägypten auszogen und Bileam Israel
segnete- dies kann alles als Gehorsam gegenüber Gottes Willen bezeichnet werden. Sie waren
Männer und Frauen, die dem Herrn untenan waren, die nicht ihrer eigenen Meinung folgten.
Trotzdem waren ihre inneren Neigungen nicht eins mit Gott. Darum strauchelten sie alle. Wie
oft ist die Richtung unserer Tritte korrekt, aber im Geheimen weicht unser Herz von Gott ab.
Darum kommen wir schließlich zu Fall.
Der Weg zum Überwinden
Gott gehorcht niemals uns. Nichts kann ihm mehr gefallen, als wenn wir ihm, das heißt seinem
Willen, gehorchen. Wie vornehm, großartig und unerläßlich eine Sache scheinen mag, sie ist kein
Ersatz für Gottes Willen. Er will, daß wir seinen Willen tun. Er tut ihn selbst und fordert von uns
das gleiche. Von seiner Warte aus erkennt er nichts als Verderbtheit, wo vom menschlichen Ich
noch etwas zu sehen ist. Wenn Werke unter der Leitung des Heiligen Geistes Zustandekommen,
sind sie gut und nützlich. Wenn dieselben Werke aber aus dem Menschen hervorgehen, schwindet
ihr Wert dahin. Infolgedessen ist weder die Absicht des Ausführenden, noch das Wesen der
betreffenden Sache entscheidend, sondern allein der Wille Gottes. Dies ist der erste Punkt, den
wir uns merken müssen. Wir wollen uns als nächstes fragen, wie der menschliche Wille mit Gottes
Willen in Einklang kommt. Wie kann der Mensch seinen Eigenwillen aus seinem Zentrum rücken
und Gottes Willen an seinen Platz stellen? Es hängt alles vom natürlichen Leben ab. In dem
Maß, in dem wir von der Herrschaft des Seelenlebens befreit werden, können wir Vereinigung
mit Gott erleben, denn nichts hindert dieses Einssein mehr als die Energie der Seele. Je mehr
die Lebenskraft der Seele gebrochen wird, um so gründlicher wird sich unser Wille auf Gott
ausrichten. Das neue Leben in uns ist Gott übereignet, aber es wird durch das alte Leben der
Seele unterdrückt. Unser seelisches Leben in den Tod zu geben ist daher der Weg, der zum
eigentlichen geistlichen Leben führt. Außerhalb von Gott ist der Mensch verloren, und Dinge
außerhalb von Gott sind wertlos. Alles, was außerhalb von Gott gewirkt ist, kommt aus dem
Fleisch. Jede Kraft, jeder Gedanke, der nicht von ihm kommt, ist verflucht. Der Gläubige muß
seine eigene Kraft verleugnen. Er sollte von sich selbst in jeder Beziehung völlig absehen. Er
sollte nichts für sich selbst tun, sondern in allem auf Gott vertrauen. Der Gläubige muß Schritt
für Schritt vorwärts gehen, nach Gottes Plan - indem er Gottes Zeit abwartet und sich an seine
Bedingungen hält. Er muß gerne bereit sein, von Gott Kraft, Weisheit, Gerechtigkeit und seine
Aufgaben zu empfangen, und er muß Gott als den Urheber aller Dinge anerkennen. Auf diese
Weise wird sich echte Harmonie verwirklichen. Dies ist in der Tat die »enge Pforte« - ein schwerer
Weg. Er ist deshalb schmal und steil, weil Gottes Wille der Maßstab für jeden Schritt sein muß.
Er kennt nur eine Regel: keine Vorteile für sich selbst zu suchen. Die geringste Abweichung von
dieser Regel führt vom Weg ab. Aber der Weg ist gangbar, denn wenn man das Seelenleben
verliert, wird dem Herrn kein Widerstand mehr im Wege stehen. Es ist traurig, daß so wenige
Christen diese Pforte passieren und diesen Weg beschreiten. Einige haben wohl den Weg betreten,
aber gehen nicht mit Ausdauer voran. Wie lang oder kurz diese schwere Zeit auch sein mag -
es gibt keinen anderen Weg des Lebens. Dies ist Gottes Tor und Gottes Weg. Er ist wahrhaftig
und zuverlässig. Jeder, der ein Leben aus der Fülle ersehnt, muß ein Wanderer auf diesem Weg
werden.
9 Kapitel 9 252
Die Passivität und ihre Gefahren
»Mein Volk geht aus Mangel an Erkenntnis zugrunde« (Hos. 4, 6-Schlachter), das läßt sich auch
auf unsere Generation anwenden. Allgemein mangelt es den Christen an zwei Arten von Erkenntnis: 1. Die Erkenntnis der Bedingungen, unter welchen böse Geister wirken. 2. Die Erkenntnis der
Prinzipien eines Lebens im Geist. Unwissenheit in diesen Punkten gibt Satan und seinen bösen
Geistern einen unglaublichen Vorteil und fügt der Gemeinde Jesu großen Schaden zu. Es betrübt
uns so sehr, daß Christen mit ihrer Bibelkenntnis und Erfahrung prahlen, obwohl Unverstand ihr
Leben beherrscht. Sie erkennen nicht, daß ihre sogenannte Erkenntnis nur menschliche Vernunft
und daher zu nichts nütze ist. Demut vor dem Herrn und Eifer im Trachten nach Offenbarungen
göttlicher Wahrheiten kennen sie kaum. Während sie sich ihrer reichen Erkenntnis rühmen, versinken sie im Treibsand, aus dem sie weder sich noch andere befreien können. Das sind wirklich
schlimme Zustände.
Das Gesetz von Ursache und Wirkung
Für alles, was Gott geschaffen hat, gibt es ein Gesetz. Alles Handeln wird von Gesetzen bestimmt. Folglich handeln auch böse Geister nach festgelegten Gesetzen. Eines davon ist, daß
bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen haben. Wenn nun jemand die Voraussetzungen für
das Wirken böser Geister erfüllt (bewußt, wie der Zauberer, das Medium oder der Wahrsager,
oder unwissend, wie z. B. mancher Christ), dann hat er ihrem Wirken Raum gegeben. Wir sehen,
daß hier das Gesetz von Ursache und Wirkung zutrifft. Feuer brennt, Wasser ertränkt. Das sind
Gesetze. Wer ins Feuer fällt, verbrennt. Wer ins Wasser springt und nicht schwimmen kann, wird
ertrinken. So wird jedem, der die Voraussetzungen zum Wirken böser Geister erfüllt, von ihnen
zugesetzt werden. Hier gilt also das gleiche Gesetz von Ursache und Wirkung. Das Gesetz kümmert sich nicht darum, ob jemand ein Christ ist oder nicht; wenn die Voraussetzungen stimmen,
werden die bösen Geister handeln. Wie ein Christ verbrennt oder ertrinkt, wenn er ins Feuer oder
Wasser fällt, genauso kann er nicht der Gefahr entrinnen, wenn er unwissend die Bedingungen
für das Wirken böser Geister erfüllt. Dem entgeht man nicht, nur weil man ein Kind Gottes ist.
Wenn man dem Feind Gelegenheit gibt, wird dieser nicht zögern, zum Angriff überzugehen. Was
sind denn nun die Voraussetzungen für das Wirken des Feindes? Was begünstigt sein böses Tun?
Das ist die entscheidende Frage. Die Bibel bezeichnet diese Voraussetzung als »Raum« (Eph.
4, 27) oder als »Gelegenheit«. Sie kann auch als »Spielraum« bezeichnet werden. Dies bezeichnet allen leeren Raum im Menschen, der bösen Geistern ausgeliefert wurde. Dieser Bereich oder
Raum bildet die Grundlage für ihr Handeln. Sobald die bösen Geister eine Basis erworben haben, beginnen sie in den Menschen einzudringen - ob er nun ein Gläubiger oder ein »Heide« ist.
Alles, was bösen Geistern eine Gelegenheit oder eine Handhabe für ihre Angriffe bietet, kann als
»Raum« bezeichnet werden. Wenn ihnen Raum gegeben wurde, ist eine Invasion unvermeidlich.
Die bestimmte Ursache hat ihre bestimmte Wirkung zur Folge. Ein Christ, der bösen Geistern
Spielraum überläßt und sich trotzdem über alle Angriffe erhaben wähnt, ist bereits vom Feind
ernsthaft betrogen worden. Um es anders zu sagen: der Raum oder das Gebiet, das der Gläubige
dem Teufel einräumt, ist Sünde. Und Sünde schließt alle erdenklichen Bereiche ein. Wenn er Sünde behält, behält er auch die bösen Geister, die sich dahinter verbergen. Alle Sünde gibt ihnen
Spielraum. Es gibt aber zweierlei Sünde: Begehungssünde und Unterlassungssünde. Begehungssünden sind jene, die ein Mensch aktiv begeht: Seine Hände vollbringen schlechte Handlungen,
seine Augen verfolgen böse Vorgänge, seine Ohren hören üble Stimmen, sein Mund spricht unreine Worte. Diese Dinge geben bösen Geistern die Gelegenheit, in unterschiedlichem Ausmaß
von den Händen, Augen, Ohren und Lippen eines Gläubigen Besitz zu ergreifen. Das Glied, mit
dem er sündigt, lädt den Feind ein und liefert sich dadurch seiner Herrschaft aus. Wenn sündigen die Ursache für den feindlichen Einfall ist, dann muß der Gläubige unverzüglich davon
9 Kapitel 9 253
ablassen, um den verlorenen Raum wieder zurückzugewinnen. Sonst werden die bösen Geister
ihre Basis allmählich ausweiten, bis schließlich der ganze Mensch völlig unter ihrer Herrschaft
steht. Viele Christen haben zwar die Tatsache im Glauben angenommen, daß sie mit Christus
gestorben sind, und doch finden sie es so schwer, die hartnäckig anhaftenden Sünden abzulegen.
Neben dem Problem des »Fleisches«, besteht ihr Problem darin, daß sie von übernatürlichen,
bösen Mächten angegriffen worden sind. Diese Art bewußt begangener Sünde, die bösen Geistern
Handlungsfreiheit bietet, wird größtenteils von Christen als solche erkannt. Darum wollen wir
uns nicht weiter darüber auslassen, sondern uns nun auf die andere Art- die Unterlassungssündekonzentrieren. Sie wird häufig mißverstanden. Weil dies zum Bereich des Willens gehört, wollen
wir ausführlich darauf eingehen. Eine gern vertretene Auffassung bezeichnet nur Tatsünden als
Sünden, Unterlassungssünden hingegen nicht. Aber die Bibel sagt, daß nicht nur das Sünde ist,
was ein Mensch an Ungerechtigkeit bewußt begeht, sondern auch: »Wer nun weiß, Gutes zu tun,
und tut es nicht, dem ist es Sünde« (Jak. 4,17). Gottes Wort bezeichnet beides gleichermaßen als
Sünde: was der Mensch tut und was er unterläßt. Sünde gibt dem Wirken böser Geister Handhabe oder Raum. Und neben der begangenen Sünde gibt auch die Sünde der Unterlassung dem
Feind einen Wirkungsraum. Die eigentliche Unterlassungssünde, die den bösen Geistern Raum
gewährt, ist die Passivität des Gläubigen. Einen Bereich unseres Seins nicht zu gebrauchen, ist
in Gottes Augen genau so Sünde, wie denselben zu mißbrauchen. Der Herr hat uns mit verschiedenen Fähigkeiten ausgestattet; sie dürfen weder mißbraucht werden noch brachliegen. Wenn ein
Mensch aufhört, eine natürliche Gabe zu gebrauchen und sie in Untätigkeit absinken läßt, gibt
er damit dem Teufel und seinen Helfern eine Gelegenheit, sie an seiner Stelle zu nutzen. Dies
bildet dann die Basis für ihre finsteren Machenschaften. Allen Christen ist klar, daß Sünde die
Grundlage für Satans Angriffe bildet, aber zahllose Gläubige sind sich dessen nicht bewußt, daß
auch Passivität Sünde ist und somit eine Voraussetzung für solche Angriffe bildet. Wenn erst
Raum gegeben wurde, sind Angriffe unvermeidlich, denen dann Leiden folgen.
Passivität
Was den Angriff des Feindes bei den »Heiden« und auch bei fleischlichen Christen in erster Linie
auslöst, ist mutwillige Sünde. Aber »die hauptsächliche Ursache des Betruges . . . bei gottgeweihten Gläubigen kann in einem Wort zusammengefaßt werden: Passivität, das heißt, ein Einstellen
der aktiven Betätigung des Willens bei der Beherrschung von Geist, Seele und Leib, oder einem
von den dreien.« Der Wille hört auf, Dinge zu entscheiden, die ihm vorgelegt werden. »Das Wort
Passivität drückt genau das Gegenteil von Aktivität aus; im Erleben des Gläubigen bedeutet das
kurz gesagt: 1. Verlust der Selbstbeherrschung, d. h. der Fähigkeit, selbst alle Bereiche seines
Wesens zu beherrschen. 2. Verlust des freien Willens, d. h. der Fähigkeit, selbst den Willen als
das führende Prinzip zur Beherrschung seiner Persönlichkeit im Einklang mit dem Willen Gottes
zu betätigen*.« Aus dem Brachliegenlassen seiner verschiedenen Anlagen entsteht die Passivität
eines Gläubigen. Er hat einen Mund, aber er weigert sich zu reden, weil erhofft, der Heilige Geist
werde durch ihn sprechen. Er hat Hände, aber ist nicht bereit, sie zu gebrauchen, da er von Gott
erwartet, daß er es für ihn tut. Er betrachtet sich selbst als Gott völlig hingegeben, darum will er
keinen Bereich seiner Persönlichkeit mehr gebrauchen. Dadurch verfällt er in einen Zustand der
völligen Trägheit, der dem Betrug und der darauffolgenden Besetzung durch böse Geister Tür
und Tor öffnet. Viele Christen entwickeln eine verkehrte Auffassung von Einssein, nachdem sie
die Lehre vom Einswerden mit Gottes Willen angenommen haben. Sie legen diesen Begriff falsch
aus, indem sie meinen, man müsse Gott in passiver Weise gehorchen. Sie meinen, ihr Wille sei
auszuschalten und sie müßten Marionetten werden und dürften nicht mehr ihren eigenen Willen
verwenden, noch habe er über irgendeinen anderen Bereich ihres Leibes zu herrschen. Sie wählen,
entscheiden und handeln nicht mehr mit ihrem Willen. Das sieht zunächst wie ein großer Triumph
9 Kapitel 9 254
aus, denn erstaunlicherweise »wird die willensstarke Persönlichkeit plötzlich passiv hingegeben«
(Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, S. 73). Sie hat in keiner Auseinandersetzung eine eigene Meinung, sondern befolgt strikt jeden Befehl. Dieser Christ gebraucht weder den Verstand noch den
Willen, ja nicht einmal das Gewissen, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, weil er ein
Mensch totalen Gehorsams ist. Nur wenn er angetrieben wird, bewegt er sich - das ist die beste
Voraussetzung für das Wirken des Feindes. Wenn der Christ in diesen Zustand der Untätigkeit
verfällt, zieht er sich von aller Aktivität zurück. Ja, er wartet beständig darauf, von einer äußeren
Kraft bewegt zu werden. Es sei denn, diese Kraft zwingt ihn, etwas zu tun, so bleibt er untätig.
Wenn er diesen Zustand andauern läßt, wird der Betreffende feststellen, daß er manchmal, wenn
er handeln sollte, nicht handeln kann, weil diese äußere Kraft nicht über ihn gekommen ist. Er
ist sogar dann unfähig, etwas zu tun, wenn er es möchte. Ohne diese Kraft von außen kann er
keinen Schritt tun. Sein Wille ist unterdrückt, und er ist gebunden. Er kann nur tätig werden,
wenn diese fremde Macht kommt und ihn bewegt.
Der Unverstand des Gläubigen
Die bösen Geister machen sich diesen Zustand der Passivität zunutze, um mit ihren listigen Anläufen ans Ziel zu kommen, während der Betreffende beharrlich daran festhält, diese Untätigkeit
sei wahrer Gehorsam gegenüber Gott und vollkommenes Einssein mit seinem Willen. Er erkennt
nicht, daß Gott nie Passivität fordert. Es sind Mächte der Finsternis, die ihn in diesen Zustand
getrieben haben. Gott möchte vielmehr, daß seine Kinder aktiv ihren Willen betätigen, um mit
ihm zusammenzuarbeiten. Gerade das sagen Schriftstellen wie: »Wenn jemand dessen Willen tun
will, wird er inne werden . . .« (Joh. 7, 17); »bittet, um was ihr wollt: es wird euch zuteil werden«
(Joh. 15, 7). Gott ignoriert unseren Willen nicht. Wir Menschen erfreuen uns eines freien Willens.
Gott beschneidet uns nie in unserer Willensfreiheit. Obwohl er von uns erwartet, daß wir ihm
gehorchen, respektiert er unsere Persönlichkeit (beachte: das Wort »Persönlichkeit« bezieht sich
hier immer auf die Person des Menschen, nicht auf seinen Charakter). Sein Wunsch ist es, daß wir
wollen, was er will. Er übt aber keinen Zwang auf unser Begehren aus und engt unseren Willen
nicht bis zur totalen Untätigkeit ein. Er braucht unsere bewußte Mitarbeit. Sein Wohlgefallen ist
es, daß das Geschöpf den höchstmöglichen Stand erreicht, das heißt, die vollkommene Freiheit
des Willens. Bei der Erschaffung ordnete Gott dem Menschen einen freien Willen zu; bei der
Erlösung stellt er diesen Willen wieder her. Da Gott den Menschen nicht dazu schuf, ihm mechanisch zu gehorchen, erwartet er vom erlösten Menschen nicht, wie ein Roboter zu funktionieren,
der von ihm ferngesteuert wird. Gewiß bekundet sich Gottes Größe darin, daß er von uns nicht
erwartet, daß wir uns in Holz oder Stein verwandeln, um ihm gehorchen zu können. Gottes Weg
ist es, uns durch das Wirken seines Geistes in unserem Geist dahin zu bringen, daß wir ihm
bereitwillig gehorchen. Gott weigert sich, für uns zu wollen. Mit einem Wort: Das Gesetz, das
göttliches und satanisches Wirken im Menschen regiert, ist ein und dasselbe. Gott hat den Menschen mit einem freien Willen ausgestattet. Das bedeutet: Es steht in des Menschen Macht, in
allen Dingen selbst zu entscheiden und zu wählen. Obwohl Gott der Herr des Universums ist, ist
er bereit, sich einschränken zu lassen, indem er keinen Zwang auf den freien Willen des Menschen
ausübt. Er zwingt den Menschen nie, sich ihm unterzuordnen. Genauso kann sich auch Satan
keinen Bereich des Menschen ohne dessen unbewußte oder bewußte Einwilligung widerrechtlich
aneignen. Sowohl Gott als auch der Teufel brauchen die Zustimmung des Menschen, ehe sie in
ihm wirken können. Wenn der Mensch das Gute »begehrt«, wird Gott es vollbringen; aber wenn
er Böses »begehrt«, wird der böse Geist es erfüllen. Genau das geschah im Garten Eden. Vor der
Wiedergeburt war der Wille des Menschen von Satan versklavt und darum nicht frei. Aber bei
einem wiedergeborenen und sieghaften Christen ist der Wille frei - er kann deshalb das Göttliche erwählen. Natürlich läßt Satan nicht ab, und so erfindet er verschiedene Mittel und Wege,
9 Kapitel 9 255
um ihn zurückzugewinnen. Er ist sich darüber völlig klar, daß der Christ dazu nie freiwillig die
Erlaubnis geben wird. Darum wendet er seine Listen an, um die notwendige Zustimmung zu erhalten. Merken wir uns gut: Satan muß die Erlaubnis des Gläubigen erhalten, aber der Gläubige
wird sie ihm nicht geben. Darum ist Satan gezwungen, zum Betrug zu greifen, um sich so die
Einwilligung des Gläubigen zu sichern. Ohne das Einverständnis des Menschen können die bösen
Geister nicht eindringen, und sie können nur soweit vordringen, wie sein Wille es zuläßt. Wenn
der Gläubige sowohl die Prinzipien des geistlichen Lebens als auch die Voraussetzungen für das
Wirken böser Geister kennt, gerät er nicht in diese Gefahr. Weil er nicht erkennt, wie wichtig
im geistlichen Leben ein aktiver, im Einklang mit Gott tätiger Wille ist, und nicht Bescheid
weiß über die Vorteile, die sich der Feind durch Untätigkeit sichert, gestattet er seinem Willen,
passiv zu sein. Wir müssen immer bedenken, daß Gott nie den menschlichen Willen durch seinen
Willen ersetzt. Der Mensch trägt die Verantwortung für sein Tun. Gott entscheidet nicht für ihn.
Wenn Menschen ohne das Wirken böser Geister passiv sind, so ist diese Passivität ganz einfach
auf Faulheit oder Trägheit zurückzuführen. Gewöhnlich können solche Christen (deren Passivität
nichts mit dem Wirken böser Geister zu tun hat) jederzeit aktiv werden. Wenn sie aber in Passivität gefallen sind, die zu dämonischer Besitzergreifung führt, können sie nicht aktiv werden,
selbst wenn sie es wollten. Folgendes ist also die Antithese zwischen dem Wirken Gottes und
dem Wirken Satans. Obwohl Gott will, daß der Mensch sich ihm ganz ausliefert, will er auch,
daß der Mensch jede natürliche Anlage, die er besitzt, in Zusammenarbeit mit dem Heiligen
Geist gebraucht. Satan dagegen verlangt vom Menschen die totale Aufgabe seines Willens und
Handelns, damit seine bösen Geister an ihrer Stelle wirken können. Dieser Gegensatz ist wirklich
ernüchternd: Gott beauftragt den Menschen, bewußt und freiwillig zu wählen, seinen Willen zu
tun, damit sein Geist, seine Seele und sein Leib frei seien. Satan zwingt den Menschen, sein
passiver Sklave und Gefangener zu werden. Gott erwählt den Menschen, selbstständig, frei und
sein eigner Herr zu sein. Satan zwingt den Menschen, eine Marionette zu sein, die vollständig
von ihm manipuliert wird. Gott verlangt nie vom Menschen, zuerst untätig zu werden, bevor
er wirken kann. Satan fordert vom Menschen, völlig passiv und untätig zu sein. Gott bittet den
Menschen, mit ihm bewußt zusammenzuarbeiten. Satan verlangt vom Menschen, ihm passiv zu
gehorchen. Wohl fordert Gott den Menschen auf, alles sündhafte Handeln zu meiden, weil sonst
eine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist unmöglich wäre. Aber Satan nötigt den Menschen,
all sein Handeln zu lassen, samt dem Wirken unserer Seele, damit Satans Gesandte anstelle
des Menschen handeln können. So wird der Mensch zu einem Rädchen im Getriebe reduziert,
ohne bewußte Verantwortung. Es ist eine erschreckende Tatsache, daß viele Christen sich nicht
der Innewohnung Gottes bewußt sind und nicht das Prinzip seines Wirkens an ihnen kennen.
Sie meinen, sie sollten wie eine Schachbrettfigur sein, die er beliebig herumschieben kann. Sie
meinen, sie müßten absolut passiv sein, dürften weder entscheiden noch wählen, sondern müßten
sich unbewußt von Gott dirigieren lassen. Sie vergessen, daß Gott den Menschen mit einem freien
Willen schuf. Natürlich gefällt es Gott nicht, wenn der Mensch etwas anderes will als er, aber er
hat auch keine Freude daran, wenn der Mensch ihm nur mechanisch und unbewußt gehorcht. Er
ist zufrieden, wenn ein Mensch will, was er will. Viele Dinge muß der Gläubige selbst ausführen;
Gott wird sie nicht für ihn erledigen. Es wird gelehrt, daß wir Gott alles aushändigen müssen und
ihn alles an unserer Stelle tun lassen sollen - daß wir keine Handbewegung und keinen Schritt
tun dürfen, uns völlig dem innewohnenden Heiligen Geist ausliefern müssen, damit er an unserer
Statt handeln kann, und daß wir uns von Gott bewegen lassen müssen. Wir geben zu, daß in
dieser Lehre ein Körnchen Wahrheit enthalten ist, aber der Irrtum, der sich damit vermischt,
ist größer als die Wahrheit. (Diesen Punkt werden wir noch ausführlicher im nächsten Kapitel
behandeln.)
9 Kapitel 9 256
Die Gefahren
Ein Christ kann in seiner Unwissenheit von den Mächten der Finsternis verführt werden und
unwissend in die Falle Satans stolpern und Voraussetzungen für sein Wirken erfüllen. Wir wollen
die Reihenfolge dieses Prozesses betrachten, denn sie ist sehr wichtig:
1. Unwissenheit 2. Verführung 3. Passivität 4. Einkesselung
Unwissenheit ist die Hauptursache dieses Prozesses. Satan kann den Gläubigen wegen seiner
Unwissenheit verführen, weil er weder die Forderungen des Heiligen Geistes noch die Prinzipien teuflischen Wirkens kennt. Wüßten alle Christen, wie man mit Gott zusammenarbeitet und
nach welchen Grundsätzen er vorgeht, würden sie nie auf den Betrug Satans hereinfallen. Aber
wenn sie erst einmal verführt sind, meinen sie, Gott könne nur dann durch sie leben und wirken,
wenn sie passiv bleiben. So nehmen sie viele übernatürliche Kundgebungen der bösen Geister
als Weisungen Gottes an. Die Verführung wird größer und mündet schließlich in eine Einkesselung alarmierenden Ausmaßes. Es ist ein wahrer Teufelskreis: Wer Raum gibt, lädt damit die
bösen Geister ein. Wenn sie eingefallen sind, machen sie sich durch verschiedene Aktivitäten
bemerkbar. Wenn der Gläubige diese Aktivitäten falsch beurteilt und nicht erkennt, daß sie
vom Teufel sind, überläßt er den bösen Geistern noch mehr Raum, da er ihren Lügen bereits
Glauben geschenkt hat. Dieses Rad dreht sich unaufhörlich; von Tag zu Tag vermehrt sich das
Ausmaß der Inbesitznahme. Wenn man erst einmal in die Passivität abgestiegen ist, können sich
die Gefahren sehr leicht vervielfachen. Nachdem ein Mensch in den Zustand völliger Trägheit
abgesunken ist und nicht mehr selbst für sich entscheidet, wird er allem passiv nachgeben, was
ihm begegnet. Er nimmt an, daß jetzt Gott für ihn entscheidet und daher von ihm nur noch
verlangt wird, sich passiv zu unterwerfen. Was ihm auch zustößt, widerfährt ihm von Gott und
ist von ihm in die Wege geleitet worden. Es ist Gottes Wille, darum muß er alles stillschweigend
annehmen. Bald verliert der Gläubige alle Entschlußkraft im täglichen Leben. Er kann weder
etwas entscheiden noch seine Pflicht erfüllen. Außerdem fürchtet er sich, seine Meinung zu äußern und sträubt sich sogar dagegen, seine Gaben und Fähigkeiten einzusetzen. Darum müssen
andere für ihn entscheiden und die Wahl treffen. Ein solches Opfer des Feindes ist wie Seegras
in den Wogen des Meeres. Er läßt sich lieber von Umständen nötigen, als frei zu wählen, weil
ihm ein Entschluß so schwer fällt. In diesem Zustand der Untätigkeit ist selbst die kleinste Entscheidung eine Riesenaufgabe! Der Betreffende hält überall nach Hilfe Ausschau. Er fühlt sich
ganz durcheinander, weil er nicht in der Lage ist, mit alltäglichen Geschäften fertig zu werden.
Er scheint kaum zu begreifen, was ihm die Leute sagen. Es fällt ihm schwer, sich an irgend etwas zu erinnern; es ist ihm eine schreckliche Qual, sich zu entscheiden, und beängstigend, eine
Aufgabe zu durchdenken. Sein passiver Wille ist unfähig, große Verantwortung zu tragen. Durch
seine große Schwäche ist er auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen. Wenn ihm ein Mensch
hilft, freut er sich darüber und ärgert sich gleichzeitig, daß sein Wille versklavt ist. Wer kann
die Stunden zählen, die durch das Warten auf äußere Hilfe vertan wurden? Können wir sagen,
solch ein passiver Christ sei arbeitsscheu? Keineswegs, denn er kann arbeiten, wenn er dazu von
einer äußeren Kraft gezwungen wird. Hört aber der Zwang auf, legt er sofort seine Arbeit nieder
und meint, keine Kraft mehr zum Weiterarbeiten zu haben. Unzählige halberledigte Arbeiten
sind traurige Zeugnisse eines passiven Willens. Wie lästig muß dieser Zustand der Untätigkeit
sein! Der Gläubige braucht unzählbare Notizen als Gedächtnisstütze. Er muß laut reden, um
sich zu konzentrieren. Tausende von »Krücken« muß er erfinden, die ihm durchs Leben helfen.
Seine Sinne werden allmählich stumpf, bis er schließlich unbewußt viele Eigenarten und seltsame
Gewohnheiten annimmt. So kann er z.B. beim Reden nicht geradeaus schauen, beugt sich beim
Gehen vor, gebraucht bei der Ausführung einer Aufgabe wenig oder keinen Verstand. Entweder
schenkt er den körperlichen Bedürfnissen zu große Beachtung oder er unterdrückt sie übermäßig.
In seinem Unverstand erkennt der Christ nicht, daß alle diese Symptome aus der Passivität und
9 Kapitel 9 257
der daraus resultierenden Inbesitznahme des Feindes hervorgehen, sondern er meint, es seien natürliche Schwächen und tröstet sich mit dem Gedanken, dies alles sei nicht so verwunderlich, weil
er nicht so begabt oder talentiert sei wie andere. Er kann die Lügen Satans nicht durchschauen
und läßt sich weiterhin täuschen. Er wagt sich an keine Aufgabe, weil er Angst hat, nervös ist,
sich so schlecht ausdrücken kann, so dumm und körperlich schwach ist. Er hat nie geprüft, warum
es anderen Christen anders ergeht. Weniger Begabte können mehr leisten als er. Auch ihm ging
es früher viel besser. Wie kann er dann diese Eigenschaften als Vererbung, natürliche Veranlagung usw. bezeichnen? Sie sind von bösen Geistern verursacht, ob man es erkennt oder nicht.
Da Finsternismächte bestens mit dem Zustand des Gläubigen vertraut sind, verursachen sie in
seiner Umgebung viele Unannehmlichkeiten, um ihn zu stören. Weil sein Wille bereits passiv und
zu kraftlos ist, um tätig zu sein, manövrieren ihn die bösen Geister gewöhnlich in eine Situation,
in der es erforderlich ist, den Willen zu gebrauchen. Sie wollen ihn dadurch bloßstellen und zum
Gespött machen. In dieser Zeit wird das Opfer von bösen Geistern nach Belieben belästigt. Sie
verursachen viele Schwierigkeiten, um damit den Gläubigen aufzureiben. Wie traurig, daß er
sich nicht zu wehren vermag und widerstehen kann. Sein Zustand verschlimmert sich. Er hätte
die Autorität, den bösen Geistern entgegenzutreten, aber er kann kein Wort sagen. Die Finsternismächte haben die Oberhand gewonnen, weil ihr Opfer aus der Unwissenheit in den Betrug
absank, vom Betrug in die Passivität und von der Passivität in die Pein völliger Einkesselung.
Trotzdem hat er noch nicht erkannt, daß ihm dieser Zustand nicht von Gott gegeben wurde, und
er läßt somit dieses passive Akzeptieren fortdauern. Wenn ein Christ auf einen solchen Stand
abgesunken ist, kann er sich unbewußt sogar auf die Hilfe böser Geister verlassen. Er kann nichts
aus eigenem Antrieb wollen und trachtet nach Hilfe von außenstehenden Mächten. Er wird oft
von bösen Geistern gequält, und doch erwartet er, daß ihm dieselben Geister zu Hilfe kommen.
Aus diesem Grunde wollen sie, daß der Mensch passiv wird. Mit Freude betätigen sie den Willen
des Menschen an seiner Stelle. Und wo sie willkommen geheißen werden, halten sie sich nicht
zurück. Mit Vorliebe verführen sie den Menschen dazu, blindlings äußeren Offenbarungen zu folgen, ohne den Verstand oder Willen zu gebrauchen. Darum bescheren sie dem Menschen oft viele
eigenartige und übernatürliche Phänomene. Der Christ, der Gottes Handlungsweise nicht kennt,
nimmt an, er sei Gott gehorsam, obwohl er eigentlich ein Opfer des Betrugs geworden ist. Wir
wollen uns von diesem Vers in Römer 6 belehren lassen: »Ihr wißt ja doch, daß, wenn ihr euch
jemand als Knechte zum Gehorsam hingebt, ihr dann auch dessen Knechte seid . . .« (V. 16).
Wenn wir uns mit den Lippen Gott hingeben, uns aber in der Praxis bösen Geistern ausliefern,
werden wir ihre Sklaven werden. Es stimmt: Wir wurden betrogen. Trotzdem haben wir uns freiwillig dem Falschen ausgeliefert und sind deshalb auch dafür verantwortlich. Der Christ sollte es
erkennen, wenn er seinen Umgang mit Gott nicht nach den Bedingungen der Gemeinschaft mit
ihm ausrichtet, sondern statt dessen die Erfordernisse zum Wirken böser Geister erfüllt. Wenn
er dies nicht begreift, wird er versklavt. Gott aber will seine Freiheit. Er erwartet von jedem
Christen die aktive Bejahung seines göttlichen Willens.
Das Fehlverhalten des Gläubigen
Wir dürfen nicht dem Irrtum verfallen, die Gläubigen, die von bösen Geistern betrogen worden
sind, seien die am meisten befleckten, zurückgefallenen und sündigsten Christen. Im Gegenteil,
oft sind sie ganz hingegebene Christen und geistlich weiter fortgeschritten als durchschnittliche Christen. Sie bemühen sich, Gott zu gehorchen, und sind bereit, jeden Preis zu bezahlen.
Unwissentlich fallen sie in Passivität, denn sie haben sich zwar Gott ganz ausgeliefert, wissen
aber nicht, wie man mit Gott zusammenarbeitet. Diejenigen, die geistliche Dinge weniger ernst
nehmen, sind nicht gefährdet, passiv zu werden. Wie könnte jemand in Passivität versinken und
schließlich in die Klauen des Feindes geraten, wenn er noch an eigenen Vorstellungen festhält,
9 Kapitel 9 258
obwohl er vorgibt, sich Gott ganz geweiht zu haben? Ein solcher Christ mag auf andere Weise
bösen Geistern Raum geben, aber nicht in dem Punkt, mit dem wir es hier zu tun haben. Nur
hingegebene Christen, die nicht ihre eigenen Interessen verfolgen, sind offen für Passivität. Ihr
Wille kann leicht in diesen Zustand geraten, weil sie danach trachten, alle Befehle zu befolgen.
Viele Christen wundern sich, daß Gott sie nicht beschirmt. Haben sie keine reinen Motive? Wie
kann Gott zulassen, daß treu suchende Menschen von bösen Geistern verführt werden? Viele
Menschen werden behaupten, Gott müsse doch seine Kinder unter allen Umständen bewahren.
Sie erkennen nicht, daß man auch Gottes Bedingungen erfüllen muß, wenn man mit seinem Schutz
rechnen will. Wenn jemand die Bedingungen böser Geister erfüllt, kann Gott ihnen den Zugang
nicht verwehren, weil er ein gesetzestreuer Gott ist. Weil sich der Christ bewußt oder unbewußt
bösen Geistern ausgeliefert hat, wird Gott ihnen ihr Recht zur Herrschaft über diesen Menschen
nicht verweigern. Wieviele Menschen sind überzeugt, daß reine Motive uns vor Täuschung und
Betrug bewahren! Sie übersehen, daß die meistbetrogenen Leute in der Welt solche sind, die gute
Absichten hegen. Ehrlichkeit ist keine Garantie, nicht verführt zu werden; wohl aber Erkenntnis.
Wenn der Gläubige die biblische Lehre mißachtet und es versäumt, zu beten und zu wachen
-auch wenn er darauf vertraut, daß reine Motive ihn vor Verführung bewahren werden -, wird er
dem Betrug verfallen. Wie kann er von Gott erwarten, daß er ihn beschirmt, wenn er die Voraussetzungen für das Wirken böser Geister erfüllt? Zahllose Gläubige halten es für ausgeschlossen,
daß gerade sie verführt werden könnten, wo sie so viele geistliche Erfahrungen gemacht haben.
Gerade dieses Selbstvertrauen verrät die Täuschung, der sie bereits erlegen sind. Wenn sie nicht
demütig genug sind, zuzugeben, daß auch sie getäuscht werden können, werden sie immer mehr
verführt werden. Betrogensein ist nicht eine Sache des Lebens noch der Absicht, sondern der
Erkenntnis. Es ist für den Heiligen Geist schwer, einem Menschen die Wahrheit aufzuzeigen, der
am Anfang seines Glaubenslebens zu viele idealistische Lehrmeinungen angenommen hat. Auch
ist es für andere schwer, ihm die notwendige Erklärung zu geben, wenn bereits Vorurteile seine
Auslegung der Schrift bestimmen. Die Gefahr dieser falschen Sicherheit liegt darin, daß man
bösen Geistern Gelegenheit gibt, ihr Werk zu treiben oder fortzusetzen. Wir sahen bereits, daß
Unwissenheit die Ursache der Passivität ist und Passivität wiederum die Ursache für Einkesselung. Es würde nie zur Einkesselung kommen, wenn der Gläubige die richtige Erkenntnis hätte.
Passivität ist eigentlich falsch verstandener Gehorsam, man könnte auch sagen, ein übertriebener
Gehorsam oder eine übertriebene Hingabe. Hätte der Christ erkannt, wie die bösen Mächte für
ihr Wirken Trägheit vom Menschen fordern, dann hätte er sich nicht in diese Passivität fallen
lassen. Wäre ihm klar, daß Gott den Menschen nicht zur Marionette macht, dann würde er nicht
passiv auf einen äußeren Anstoß warten. Der tragische Zustand vieler Christen in unserer Zeit ist
durch Unwissenheit selbst verschuldet. Ein Christ braucht Erkenntnis, um zwischen göttlichem
und satanischem Wirken unterscheiden zu können. Er sollte die jeweiligen Prinzipien kennen,
nach denen einerseits Gott und anderseits Satan handelt. Wer solche Erkenntnis hat, bewahrt
sich vor den Finsternismächten. Weil Satan den Gläubigen mit Lügen überfällt, muß ihm die
Wahrheit entgegengehalten werden. Weil er den Gläubigen in der Finsternis gefangenhalten will,
muß ihm mit Licht begegnet werden. Merken wir uns gut: Die Grundsätze, die das Wirken des
Heiligen Geistes und der bösen Geister beherrschen, sind einander gerade entgegengesetzt. Beide
arbeiten nach ihrem besonderen Grundsatz. Obwohl die bösen Geister meisterhaft unter den
verschiedensten Tarnungen auftreten, bleibt doch ihr Arbeitsprinzip dasselbe. Wenn die inneren
Prinzipien geprüft werden, können wir unterscheiden, was vom Heiligen Geist und was vom bösen
Geist ist, weil beide unfehlbar nach ihrem Prinzip handeln. Wir wollen nun einige der falschen
Auffassungen betrachten, die viele Christen nur zu häufig vertreten.
9 Kapitel 9 259
Ein falsches Verständnis vom »Gestorbensein mit Christus«
Der Zustand der Passivität eines Gläubigen kann sich durch ein falsches Verständnis »vom Gestorbensein mit Christus« ableiten. Paulus sagt: »Ich bin mit Christus gekreuzigt. So lebe also
nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir; was ich jetzt aber noch im Fleisch lebe, das
lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben
hat« (Gal. 2, 20). Manche Christen meinen irrtümlich, dieser Vers spreche von Selbstauslöschung. Sie halten den Verlust der Persönlichkeit, eine Abwesenheit des Willensvermögens und
der Selbstbeherrschung und ein passives Abgleitenlassen des Ichs in einen Zustand mechanischen,
automatischen Gehorsams für den Gipfel des geistlichen Lebens. Sie dürfen nach dieser Vorstellung keine Gefühle mehr hegen; sie sollten alle persönlichen Wünsche und Interessen verleugnen.
Sie müssen Selbstvernichtung anstreben, um sich so zu einem Leichnam zu reduzieren. Ihre Persönlichkeit muß total verdrängt werden. Sie mißverstehen Gottes Gebot und meinen, es bedeute
Selbstauslöschung, Selbstvernichtung und Selbstverneinung. Ihr falsches Verständnis von »sich
selbst gestorben sein« geht dahin, kein Bewußtsein des Selbst mehr zu haben. Unaufhörlich arbeiten sie daran, ihr Selbstbewußtsein zu vernichten, bis sie nichts als die Gegenwart Gottes
spüren. Aufgrund dieser falschen Auffassung meinen sie, das Totsein praktizieren zu müssen.
Wenn sie sich ihres Ichs oder ihrer persönlichen Wünsche und Interessen bewußt werden, geben
sie diese in den Tod. Weil »ich mit Christus gekreuzigt bin«, sagen sie, existiere ich nicht mehr,
und da ja »Christus in mir lebt«, lebe nicht mehr ich. Da ich gestorben bin, muß ich dieses
Totsein praktizieren - das heißt, ich darf keine Gedanken oder Gefühle hegen. Weil Christus in
mir lebt, denkt und fühlt er für mich. Meine Persönlichkeit ist vernichtet worden, darum werde ich ihm passiv gehorchen und lasse ihn für mich denken und fühlen. Leider übersehen sie,
was Paulus weiter sagt über »das, was ich jetzt noch im Fleisch lebe«. Paulus starb und ist
trotzdem nicht gestorben! Das »Ich« ist gekreuzigt, trotzdem lebt das »Ich« noch im Fleisch.
Paulus, der den Weg über das Kreuz gegangen ist, erklärt: »Aber jetzt lebe ich«! Dies bestätigt,
daß das Kreuz mein Ich nicht auslöscht; es existiert ewig. Schließlich geht das Ich eines Tages
in das ewige Leben ein. Was würde mir die Erlösung nützen, ginge jemand anders für mich in
den Himmel? Wenn wir uns für »mit Christus gestorben« halten, heißt das in Wirklichkeit, daß
wir der Sünde gestorben sind, und unser Seelenleben in den Tod gegeben ist. Sogar das beste,
gerechteste und tugendhafteste Seelenleben wird dem Tod übergeben. Gott erwartet von uns,
daß wir den Wunsch, aus unserer natürlichen Kraft zu leben, verleugnen, und stattdessen aus
ihm leben, indem wir uns auf seine Kraft stützen. Das will keineswegs besagen, daß wir unsere
verschiedenen Funktionen einstellen und passiv werden sollen. Es verhält sich genau umgekehrt:
Ein solcher Wandel mit Gott verlangt, daß wir täglich unseren Willen aktiv im Einklang mit
Gott und im Glauben an ihn gebrauchen, um unsere eigenen, natürlichen Kräfte zu verleugnen
und stattdessen Gottes Kraft einzusetzen. Wie leiblicher Tod nicht Vernichtung und der Tod im
Feuersee nicht Austilgung bedeutet, so ist »mit Christus gestorben sein« nicht Selbstauslöschung.
Der Mensch muß als Persönlichkeit existieren; sein Wille muß weiter funktionieren; nur sein natürliches Leben muß sterben. So lehrt es die Heilige Schrift. Die Folgen der erwähnten irrigen
Auffassung sind: 1. Der Gläubige wird passiv. 2. Gott kann ihn nicht mehr gebrauchen, weil der
Mensch Gottes Grundsätze, nach denen er handelt, verletzt hat. 3. Die bösen Geister nutzen die
Gelegenheit, sich seiner zu bemächtigen, weil er unbewußt die Bedingungen ihres Wirkens erfüllt
hat. Aufgrund seines falschen Verständnisses der Wahrheit wird er ein Werkzeug des Feindes, der
sich selbst als Gott ausgegeben hat. Es ist beklagenswert, daß dieses Mißverständnis der Lehre von Galter zwei in vielen Fällen Täuschung und Betrug eingeleitet hat. Nach einem solchen
»Sterben« ist der Mensch aller Gefühle beraubt. Er kann nicht mehr selbst empfinden und auch
keine Gefühle für andere hegen. Bei seinen Mitmenschen hinterläßt er den Eindruck, gefühllos
wie ein Stück Eisen oder ein Stein zu sein. Er weiß nichts von der Not im Leben anderer und
9 Kapitel 9 260
merkt nicht, wieviel Schmerz er selber seinen Mitmenschen schon bereitet hat. Dieser Mensch ist
sich seiner eigenen Art, Haltung und Handlungen völlig unbewußt. Er spricht und handelt ohne
seinen Willen zu gebrauchen und weiß nicht, woher seine Worte, Gedanken und Gefühle kommen.
Obwohl er dazu keine Entscheidung in seinem Willen gefällt hat, fließen seine Worte und Gefühle
wie ein Strom. Seine Handlungen vollziehen sich mechanisch. Er erkennt ihren Ursprung nicht;
er wird von einer fremden Macht angetrieben. Es ist aber eigenartig: Obwohl er sich seiner selbst
nicht bewußt wird, empfindet er doch sehr deutlich, wie andere ihn behandeln. Er neigt dazu,
Dinge falsch zu verstehen, und leidet dementsprechend darunter. Dieses »Unbewußtsein« bildet
die Voraussetzung für das feindliche Eindringen. Die bösen Geister können dadurch arbeiten,
angreifen, einflößen, denken, drängen und unterdrücken, ohne den geringsten Widerstand des
Gläubigen, der von allem überhaupt nichts wahrnimmt. Wir wollen uns deshalb merken: Was
allgemein als »Sich-selbst-Absterben« bezeichnet wird, bedeutet im wesentlichen den Tod des
Lebens, der Kraft, des Willens und der Aktivität alles Eigenen; es bedeutet auf keinen Fall die
Tötung unserer Persönlichkeit. Wir müssen uns nicht selbst auslöschen und unsere Persönlichkeit
zerstören. Diese Unterscheidung müssen wir begreifen. Wenn wir sagen: ohne das Selbst, dann
meinen wir: ohne Selbstaktivität, aber nicht ohne Selbstexistenz! Wenn ein Christ die Auslegung
akzeptiert, die den Verlust der Persönlichkeit anstrebt und sich folglich weigert, zu denken, zu
fühlen oder die geringste Initiative zu ergreifen, wird er wie in einem Traum dahinleben. Obwohl er denkt, sich selbst wirklich gestorben zu sein, und sich als vollkommen, selbstlos und tief
geistlich betrachtet, gilt seine Hingabe nicht Gott, sondern den bösen Geistern.
Gottes Wirken
Die Bibelstelle Philipper 2, 13 wird ebenfalls oft falsch ausgelegt: »Denn Gott ist es, der in euch
wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken.« Manche Christen meinen, dieser Vers lehre, daß
Gott sowohl das Wollen als auch das Wirken ausführe, das heißt: Er legt in das Gotteskind hinein,
was er gewollt und gewirkt hat. Da Gott für ihn will und wirkt, braucht er selbst es nicht mehr
zu tun. Der Gläubige ist zu einer Art überlegenem Wesen geworden, das nicht mehr wollen und
handeln muß, weil Gott das nun für ihn tut. Er gleicht einem mechanischen Spielzeug, das nicht
verantwortungsbewußt will oder handelt. Diese Gläubigen erkennen nicht den eigentlichen Inhalt
dieses Verses. Gott wirkt in uns nur bis an den Punkt, an dem wir zum Wollen und Tun bereit
werden. Er geht nur bis dahin und nicht weiter. Das Wollen und Vollbringen wirkt er nie an
unserer Statt. Gott bemüht sich nur, uns soweit zu bringen, daß wir seinen guten Willen wollen
und zu tun bereit sind. Das Wollen und Wirken muß aber der Mensch selbst ausführen. Der
Apostel sagt deutlich: »Beides, das Wollen und Vollbringen in euch« - nicht in Gott, sondern
in euch. Unsere Persönlichkeit lebt noch. Darum sind wir für das Wollen und Handeln selbst
verantwortlich und müssen es auch tun. Ja, Gott ist am Werk, aber er tritt nicht an unsere
Stelle. Wählen und Handeln ist Sache des Menschen. Gott möchte uns anleiten, willig machen
und uns ermutigen, daß wir uns von Herzen seinem Willen zuwenden. Aber seinen Willen tun
zu wollen, das nimmt er uns nicht ab. Er richtet uns auf sein Wohlgefallen aus, dann überläßt
er es uns zu entscheiden. Dieser Vers lehrt also, daß unser Wille die Unterstützung durch Gottes
Kraft braucht. Wie unwirksam und fruchtlos sind doch eigenwillige Taten ohne ihn. Obwohl Gott
nicht anstelle des Menschen will, möchte er auch nicht, daß wir ohne ihn wollen. Er fordert uns
zum Wollen in seiner Kraft auf, das heißt, zum Wollen gemäß seines Wirkens im Menschen.
Weil er diesen Vers falsch versteht, glaubt mancher Christ, er brauche nicht zu wollen. Damit
überläßt er einer anderen Willenskraft die Herrschaft über sich selbst. Er wagt nicht, etwas zu
wählen, zu entscheiden oder irgendeiner Macht zu widerstehen, sondern wartet passiv darauf, bis
der Wille Gottes zu ihm kommt. Entscheidet eine außenstehende Willenskraft für ihn, nimmt er
das passiv an. Er unterdrückt alles eigene Wollen. Das Resultat ist: Weder er selbst gebraucht
9 Kapitel 9 261
seine Willenskraft, um Entscheidungen zu fällen oder Entschlüsse zu fassen, noch tut es Gott,
da er aktive Zusammenarbeit verlangt. Aber die bösen Geister bemächtigen sich seines passiven
Willens und handeln an seiner Statt. Wir müssen klar auseinanderhalten können, ob Gott für uns
will oder ob wir mit unserer Willensfähigkeit mit ihm zusammenarbeiten. Würde Gott an unserer
Stelle wählen und entscheiden, hätten wir keine echte Beziehung und Verbindung zur Sache, weil
unser Herz nicht daran beteiligt ist. Kämen wir dann wieder zu uns selbst, würde uns bewußt, daß
nicht wir gehandelt haben. Gebrauchen wir aber unseren Willen zur aktiven Mitarbeit mit Gott,
sind wir die Handelnden, wenn auch in der Kraft Gottes. Ein Mensch, der dem Betrug verfallen
ist, meint vielleicht, er selber sei der Denkende, Handelnde und Redende. Wird er aber von Gott
erleuchtet, erkennt er, daß er eigentlich nicht so denken, handeln und reden will. Er erkennt, daß
er mit diesen Handlungen nichts zu tun hat, weil sie vom Feind ausgeführt wurden. Gott hat
nicht die Absicht, unser Wollen zu töten. Wenn wir sagen: Von jetzt an habe ich keinen eigenen
Willen mehr, nur noch sein Wille soll sich durch mich bekunden, dann haben wir uns nicht Gott
geweiht. Wir haben uns vielmehr mit dem Bösen verbündet, da Gott unseren Willen nie durch
seinen Willen ersetzt. Folgendermaßen verhalten wir uns richtig: Ich habe einen eigenen Willen,
aber ich will Gottes Willen tun. Wir sollten unsere Willensfähigkeit ihm zur Seite stellen - aber
auch das nicht durch unsere eigene Kraft, sondern durch das Leben aus Gott. Das Ganze verhält
sich so: Das Leben, das früher unsere Willenskraft nährte, ist in den Tod gegeben worden; nun
gebrauchen wir unsere Willensfähigkeit durch das kraftspendende Leben Gottes. Wir schalten
nicht unsere Willenskraft aus; sie ist immer noch da. Nur das Leben ist ein anderes. Gestürben
ist lediglich das Eigenleben; der Wille bleibt noch tätig -aber von Gott erneuert. Künftig wird
die Willenskraft durch das neue Leben aktiviert.
Das Werk des Heiligen Geistes
Die Christen, die in Passivität und Versklavung geraten sind, sind nicht mehr zu zählen. Sie haben
das Wirken des Heiligen Geistes nicht verstanden. Im folgenden werden einige der häufigsten
Mißverständnisse aufgeführt: 1. Dem Heiligen Geist gehorchen Viele Gläubige meinen, daß wir
nach Apostelgeschichte 5, 32 dem Heiligen Geist gehorchen müßten: »Der Heilige Geist, den Gott
denen verliehen hat, die ihm gehorsam sind.« Sie prüfen aber nicht anhand der Schrift, ob die
Geister aus der Wahrheit oder aus der Lüge sind. Sie halten jeden Geist, der auf sie kommt, für den
Heiligen Geist. Sie meinen, solcher Gehorsam sei Gott sehr wohlgefällig. Sie erkennen nicht, daß
die Schrift hier nicht lehrt, wir müßten dem Heiligen Geist gehorchen, sondern daß wir Gott, dem
Vater, durch den Heiligen Geist gehorchen sollen. Die Apostel antworteten in Apostelgeschichte
5, 29, als sie vor dem hohen Rat verhört wurden, sie müßten »Gott . . . gehorchen«. Wenn
jemand aber den Heiligen Geist zum Objekt seines Gehorsams macht und Gott den Vater vergißt,
neigt er dazu, dem Geist, der in ihm oder um ihn ist, zu gehorchen, anstatt durch den Heiligen
Geist dem Vater, der im Himmel ist. Das führt ihn auf den Weg der Passivität und gibt bösen
Geistern außerdem eine Chance, ihn mit einer Fälschung zu betrügen. Wenn wir die Grenzen
des Wortes Gottes überschreiten, setzen wir uns unzähligen Gefahren aus. 2. Die Herrschaft des
Heiligen Geistes Sicher erinnern wir uns aus unserer vorherigen Auseinandersetzung, wie Gott
unseren Geist durch den Heiligen Geist regiert und wie unser Geist den Leib oder die ganze
Persönlichkeit durch die Seele (oder den Willen) beherrscht. Das hört sich vielleicht einfach
an, doch die geistlichen Zusammenhänge sind gewaltig. Der Heilige Geist wirkt nur auf unsere
Intuition, damit wir seinen Willen erkennen. Er erfüllt nur unseren Geist und nichts anderes.
Niemals beherrscht oder erfüllt er unmittelbar unsere Seele oder unseren Leib. Dieser Punkt
muß gründlich behandelt und hervorgehoben werden. Deshalb sollten wir nicht von Gottes Geist
erwarten, daß er durch unseren Verstand denke, durch unser Gefühl empfinde oder durch unseren
Willen entscheide. Der Intuition in unserem Geist tut er seinen Willen kund, damit wir selbst nach
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seinem Willen denken, empfinden und handeln. Wir irren sehr, wenn wir meinen, wir müßten
unseren Verstand dem Heiligen Geist ausliefern, damit er durch ihn denke. Er verlangt keine
passive Übergabe. Gott möchte unsere Mitarbeit. Er wird nicht für den Menschen tätig. Er zwingt
keinen Menschen zu irgend etwas. Auch beherrscht der Geist Gottes nicht direkt unseren Leib.
Wenn wir reden wollen, müssen wir unseren eigenen Mund auftun. Wollen wir gehen, müssen wir
die eigenen Füße gebrauchen. Bei der Arbeit müssen die eigenen Hände handeln. Der Geist Gottes
mischt sich nie in den freien Willen des Menschen ein. Neben seinem Wirken im menschlichen
Geist (der Gottes neue Schöpfung ist) gebraucht er keinen anderen Bereich des menschlichen Seins
ohne die Zustimmung des Menschen selbst; und nicht einmal dann, denn selbst wenn der Mensch
willens wäre, betätigte er keines seiner Glieder für ihn. Der Mensch sollte sein eigener Herr sein.
Er muß den Leib selbst betätigen. Das ist Gottes Gesetz, das er nicht brechen will. Oft sagen wir:
»Der Heilige Geist beherrscht den Menschen.« Damit meinen wir: Er wirkt in uns, damit wir Gott
gehorsam werden. Sollten wir aber meinen, er beherrsche unser ganzes Wesen direkt, irren wir
uns gewaltig. Gerade hier können wir zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes und dem böser
Geister unterscheiden. Der Heilige Geist wohnt in uns, um zu bezeugen, daß wir Gott gehören.
Die bösen Geister aber manipulieren den Menschen und reduzieren ihn zum Roboter. Gottes
Geist bittet um unsere Mitarbeit; böse Geister trachten nach direkter Kontrolle. Infolgedessen
ist klar: Unsere Verbindung zu Gott ist im Geist und nicht im Leib oder in der Seele. Sollten wir
diese Wahrheit nicht erkennen und von Gott erwarten, daß er unseren Verstand, unsere Gefühle,
unsere Willenskraft und unseren Leib unmittelbar regiert, öffnen wir die Tür dem Betrug böser
Geister. Wohl sollte ein Christ nicht seinen eigenen Gedanken, Gefühlen und Wünschen folgen.
Nachdem er aber im Geist eine Offenbarung empfangen hat, sollte er diese im Geist empfangene
Weisung mit seinem Verstand, seinem Gefühl und seinem Willen vollziehen.
Leben im Geist
Zu den falschen Auffassungen bezüglich des geistlichen Lebens gehören auch folgende:
1. Reden Hier wird die Stelle im Matthäus 10, 20 verwendet: »Nicht ihr seid es ja, die dann
reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet.« Oft meinen die Christen, Gott
werde für sie reden. Manche haben die Vorstellung, wenn sie in einer Versammlung predigen,
müßten sie nicht ihren Verstand und Willen gebrauchen, sondern nur ihren Mund passiv Gott
ausliefern, damit er durch sie rede. Es erübrigt sich zu sagen, daß die Worte Jesu in diesem
Abschnitt nur auf Zeiten der Prüfung und Verfolgung angewandt werden dürfen. Sie sagen nicht
aus, daß der Heilige Geist anstelle des Gläubigen redet. Die Erfahrung von Petrus und Johannes
vor dem Hohen Rat unterstreicht diese Bedeutung.
2. Führung »Deine Ohren werden hinter dir den Zuruf vernehmen: >Dies ist der Weg, wandelt
auf ihm!<« (Jes. 30, 21). Viele Gläubige erkennen nicht, daß sich dieser Vers spezifisch auf
Gottes Volk auf Erden, die Juden im Tausendjährigen Reich, bezieht, wo es keinen satanischen
Betrug geben wird. Da sie diese Tatsache übersehen, meinen sie, übernatürliche Führung durch
eine Stimme sei die höchste Art von Führung. Sie denken, sie seien geistlicher als andere, und
nehmen deshalb solche übernatürlichen Weisungen an. Sie hören weder auf ihr Gewissen noch
folgen sie der Intuition; sie warten einfach passiv auf die übernatürliche Stimme. Diese Gläubigen
sind der Meinung, sie brauchten nicht zu denken, zu überlegen, zu wählen oder zu entscheiden. Sie
müßten einfach gehorchen. Sie gestatten der Stimme, die Stelle ihres Gewissens und ihrer Intuition
einzunehmen. Die Folge ist: a) Sie gebrauchen nicht ihr Gewissen; b) böse Geister nutzen die
Gelegenheit, und übernatürliche Stimmen treten an die Stelle der Gewissensentscheidung. Das
Ergebnis ist, daß der Feind mehr Raum in diesen Gläubigen gewinnt. »Von der Zeit an läßt sich
der Betrogene nicht mehr beeinflussen durch das, was er fühlt oder sieht, oder was andere ihm
sagen. Er verschließt sich gegen alle Fragen und weigert sich, zu diskutieren. Dieses Ersetzen
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der eigenen Gewissensentscheidung durch übernatürliche Führung erklärt den Zerfall der Moral
von Personen mit übernatürlichen Erfahrungen, weil sie ihr Gewissen durch die Weisungen böser
Geister ersetzt haben. Sie selber haben keine Ahnung davon, daß sich ihr sittliches Niveau gesenkt
hat; denn ihr Gewissen ist durch fortgesetztes, mutwilliges Überhören der Mahnung des Heiligen
Geistes und durch das Befolgen der Weisungen verführerischer Geister in Angelegenheiten, wo
nur das Gewissen entscheiden sollte, ob sie recht oder unrecht, gut oder böse seien, verhärtet
worden« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 121, 122).
3. Gedächtnis »Der Helfer aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden
wird, der wird euch über alles belehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe«
(Joh. 14, 26). Viele Christen begreifen nicht, daß dieser Vers bedeutet: Der Helfer wird ihren
Verstand erleuchten, daß sie sich daran erinnern, was der Herr geredet hat. Statt dessen denken
sie, ihnen würde gesagt, ihr Gedächtnis nicht zu gebrauchen, da Gott sie an alles erinnern werde.
So lassen sie zu, daß ihr Erinnerungsvermögen bis zur Passivität verkümmert. Sie betätigen ihren
Willen nicht, um sich auf etwas zu besinnen. Und was ist das Resultat? a) Der Mensch selbst
gebraucht sein Gedächtnis nicht, und b) Gott gebraucht es nicht, weil er das ohne die Mitarbeit
des Gläubigen nicht tut; c) böse Geister gebrauchen es, um durch ihr Wirken den willentlichen
Gebrauch des Gedächtnisses des Gläubigen zu ersetzen« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 121).
4. Liebe »Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist,
welcher uns gegeben worden ist« (Rom. 5, 5). Viele Gläubige mißverstehen die Bedeutung dieses
Verses, indem sie meinen, nicht sie selbst sollten lieben, sondern es sei dem Heiligen Geist zu
überlassen, ihnen die Liebe Gottes auszuteilen. Sie bitten Gott, durch sie zu lieben, daß seine
Liebe reichlich ausgegossen werde, damit sie mit Gottes Liebe erfüllt werden mögen. Sie lieben
nicht mehr, weil Gott sie ja nun zum Lieben befähigen soll. Sie machen keinen Gebrauch von
ihrer Liebesfähigkeit und lassen diese Funktion völlig erlahmen. Mit folgendem Ergebnis: a) Der
Gläubige selbst übt keine Liebe; b) Gott verleiht ihm nicht - indem er von ihm und seiner
natürlichen Liebesfähigkeit absieht - eine übernatürliche Liebe; c) darum treten böse Geister an
die Stelle des Menschen und bringen ihre Liebe oder ihren Haß durch ihn zum Ausdruck. Wenn der
Mensch erst einmal den Gebrauch seines Willens, mit dem er seine Liebesfähigkeit kontrolliert,
losgelassen hat, legen die bösen Geister ihre Fälschung der Liebe in ihn hinein. Danach reagiert
dieser Christ wie Holz und Stein, kalt und tot gegenüber jeglicher Liebesäußerung. Das erklärt,
warum viele Gläubige, obwohl fromm, kaum auf Liebe ansprechbar sind. »Du sollst den Herrn,
deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen
Denken und mit aller deiner Kraft!« (Mark. 12, 30), spricht der Herr. Um wessen Liebe geht es
hier? Von wessen Herz, Seele, Denken und Kraft ist denn hier die Rede? Wir sind gemeint. Unser
natürliches Leben muß sterben, aber diese natürlichen Gaben und Funktionen bleiben bestehen.
5. Demut »Denn wir wagen nicht, uns selbst etlichen derer beizuzählen oder zu vergleichen, die
sich selbst empfehlen« (2. Kor. 10, 12 ff.). Die Verse 12 bis 18 werden von Gläubigen oft falsch
verstanden, als wären sie eine Aufforderung, ihre Persönlichkeit soweit zu unterdrük-ken, bis sie
keine Selbstachtung mehr haben, die uns Gott gewiß zugesteht. Viele Fälle von Selbsterniedrigung
sind eigentlich versteckte Passivität. Folglich a) löscht der Gläubige sich selbst aus, b) erfüllt Gott
ihn nicht, c) machen sich böse Geister seine Passivität zunutze und machen ihn unbrauchbar.
Wenn sich der Christ durch den Einfluß des Feindes selbst erniedrigt, erscheint ihm seine Umwelt
finster, ohne Hoffnung und trostlos. Er erweckt in allen, mit denen er in Berührung kommt, den
Eindruck, als sei er eiskalt und zutiefst betrübt. Er gibt schnell auf und ist leicht entmutigt.
In kritischen Augenblicken gibt er den Kampf auf, zieht sich zurück und bringt damit andere
in Schwierigkeiten. Die Arbeit des Herrn interessiert ihn kaum. Er versucht sich hinter seinen
Worten und Taten zu verstecken, was sein Ich noch mehr zur Schau stellt. In übertriebener
Selbstverachtung steht er da und schaut bloß zu, obwohl noch so viele Aufgaben im Reiche
Gottes zu erfüllen sind. Ständig bringt er Unfähigkeit, Hoffnunglosig-keit und verletzte Gefühle
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zum Ausdruck. Während er dies als echte Demut betrachtet, erkennt er nicht, daß es das Werk
böser Geister ist. Echte Demut kann zu Gott aufblicken und sich vorwärtsbewegen.
Gottes Befehle
Wir wissen, daß es neben dem menschlichen Willen zwei andere, sich widerstreitende Willensmächte in der Welt gibt. Gott fordert uns auf, Ihm zu gehorchen und Satan zu widerstehen.
Diese beiden Aspekte werden in der Bibel zweimal miteinander erwähnt: 1. »Unterwerfet euch
nun Gott«, mahnt uns Jakobus und fährt sogleich fort: »Widersteht dem Teufel« (4, 7). 2. »So
demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes«, betont Petrus, und er fordert anschließend seine Leser auf: »Dem (Teufel) widersteht standhaft im Glauben« (1. Petr. 5, 6 u. 9). Dies
ist das Gleichgewicht der Wahrheit. Der Gläubige muß es lernen, sich in allen Dingen Gott zu
unterwerfen und seine Anordnungen als das für ihn Beste anzuerkennen. Obwohl er leidet, ist er
doch von Herzen dem Willen Gottes Untertan. Dies ist aber erst die halbe Wahrheit. Die Apostel
sahen die Gefahr, einseitig zu werden. Darum ermahnen sie die Christen sogleich, dem Teufel zu
widerstehen, wenn sie sich Gott unterworfen haben, weil es neben Gottes Willen auch den Willen
des Teufels gibt. Der Teufel gibt oft seinen Willen für den Willen Gottes aus, besonders in den
Dingen, die uns widerfahren. Wenn uns nicht bewußt ist, daß es neben dem göttlichen Willen
auch den Willen eines anderen gibt, halten wir leicht Satans Willen für Gottes Willen und gehen
dem Teufel so in die Falle. Darum will Gott, daß wir dem Teufel widerstehen. Wir widerstehen
mit unserem Willen. Widerstand bedeutet: unser Wille widersteht und äußert sein Mißfallen.
Gott will, daß wir unseren Willen gebrauchen, darum fordert er uns auf, »dem Teufel zu widerstehen«. Er widersteht nicht an unserer Statt; wir müssen es selbst tun. Wir haben einen Willen,
den sollten wir gebrauchen, um Gottes Wort zu befolgen. Das lehrt die Bibel. Weil der Christ
ja denkt, Gottes Wille werde in seinen Befehlen offenbart, kann es geschehen, daß er alles, was
ihm widerfährt, als Gottes Willen erachtet. In diesem Fall gebraucht er nicht seine Willenskraft,
um zu wählen, zu entscheiden und zu widerstehen. Stillschweigend nimmt er alles an. Dies hört
sich gut und richtig an und ist doch ein gefährlicher Trugschluß. Wir geben zu, daß Gott hinter
allem steht, und wir bekennen, daß wir uns völlig seiner Hand unterordnen müssen. Aber worum
es uns hier eigentlich geht, ist mehr eine Sache der Haltung als des Verhaltens. Wenn etwas
Gottes Wille ist, würden wir uns dagegen wehren? Dies ist eine Sache der inneren Einstellung.
Wenn wir aber befestigt sind, was unseren Gehorsam Gott gegenüber betrifft, sollten wir uns
weiter fragen: »Kommt dies vom bösen Geist oder ist es Gottes Wille, der das zuläßt?« Wenn
es sein ausdrücklicher Wille ist, haben wir nichts dagegen einzuwenden; andernfalls werden wir
mit Gottes Hilfe widerstehen. Das heißt also, daß wir uns nie unseren Umständen unterwerfen
sollten, ohne dabei täglich zu untersuchen und zu prüfen. Unsere Haltung bleibt immer gleich,
aber zum Handeln schreiten wir erst, wenn wir vom Willen Gottes überzeugt sind, denn wie
könnten wir uns auch Satans Willen unterwerfen? Ein Christ sollte nicht wie ein gedankenloser
Mensch, der durch die Umstände getrieben wird, handeln. Er sollte den Ursprung aller Dinge
bewußt und aktiv prüfen, die Natur einer Sache ergründen, deren Bedeutung verstehen und dann
sein Handeln bestimmen. Es ist wichtig, Gott zu gehorchen - aber nicht blind. Aktives Prüfen
ist kein Zeichen von Rebellion gegen Gottes Gebote, weil wir uns ja innerlich noch immer Gott
unterordnen. Wir wollen nur sichergehen, daß wir in unserer Unterordnung wirklich Gott gehorchen. Gewiß mangelt es heutzutage an Gehorsam unter den Gläubigen. Obwohl sie Gottes
Willen erkennen, beugen sie sich nicht darunter. Aber im Gegensatz dazu fallen viele, die von
Gott zerbrochen wurden, in das andere Extrem und akzeptieren alles, was ihnen begegnet, ohne
zu fragen und zu prüfen als Gottes Willen. Die Wahrheit liegt in der Mitte: Mit dem Herzen
gehorsam sein, und erst dann etwas akzeptieren, nachdem der Sache auf den Grund gegangen
wurde. Es ist traurig, daß viele Gott völlig geweihte Gläubige nicht diesen Unterschied sehen.
9 Kapitel 9 265
Darum unterwirft sich der Christ passiv den Gegebenheiten und nimmt an, daß alles auf Gottes
Befehl hin geschieht. Den bösen Geistern gibt er Raum, ihn zu verletzen und zu quälen. Diese
Geister führen Umstände herbei (ihre Fallstricke), um den Gläubigen zu überlisten, ihren Willen
zu tun, oder beschwören Situationen herauf, die ihm Not bereiten. Viele Christen mißverstehen
das und meinen, hier sei der Tatbestand von Matthäus 5, 39 gegeben: »Widerstehet nicht dem
Bösen«, und denken nicht daran, daß Gott uns befiehlt, gegen die Sünde anzukämpfen (Hebr.
12, 4). Wer die Umstände überwindet, der überwindet den Geist dieser Welt. Die Faktoren eines
falschen Verständnisses der Gebote Gottes sind: a) Der Gläubige gebraucht nicht seinen Willen,
um zu wählen und zu entscheiden. b) Gott unterdrückt den Menschen bestimmt nicht durch die
natürlichen Gegebenheiten. c) Die bösen Geister gebrauchen die Umstände seiner Umwelt als
Ersatz für seinen passiven Willen. Anstatt Gott zu gehorchen, gehorchen solche Gläubige den
bösen Geistern.
Schwachheit und Leiden
Wenn sich der Christ Gott ganz ausgeliefert hat, folgert er natürlich, daß er den Weg des Kreuzes
gehen und um Christi willen leiden muß. Er anerkennt zudem die Nichtigkeit seines natürlichen
Lebens. Darum ist er bereit, schwach zu sein, damit er durch Gottes Kraft stark werde. Diese
Haltung ist gut. Aber der Feind kann daraus Nutzen ziehen, wenn man sie nicht richtig versteht.
Wenn ein Christ erkannt hat, daß im Leiden auch Gewinn liegt, so kann es geschehen, daß er
alles, was ihm widerfährt, passiv hinnimmt. Er meint, daß er nun für den Herrn leide und daß
dies gut und nützlich sei. Er denkt nicht daran, daß er damit bösen Geistern eine ausgezeichnete
Gelegenheit bietet, ihn zu quälen, wenn er sich passiv in jegliches Leiden schickt und nicht
bewußt seinen Willen gebraucht, um einerseits anzunehmen, was Gott ihm zuweist, anderseits
aber abzuweisen, was der Feind ihm aufdrängen will. Wenn er in den Händen böser Geister
leidet, dabei aber der satanischen Lüge glaubt, dieses Leiden komme von Gott, dann verstärkt
er dadurch noch ihr Anrecht, den Angriff fortzusetzen. Dieser Mensch erkennt nicht, daß das
Leiden nicht von Gott herrührt, sondern dadurch zu erklären ist, daß er die Voraussetzungen
für das Wirken böser Geister erfüllt hat. Er meint noch immer, er leide für die Gemeinde. Er
betrachtet sich selbst als Märtyrer, dabei ist er ein Opfer feindlicher Mächte. Er rühmt sich dieser
Leiden, doch sind diese nur Symptome der Einkesselung des Feindes. Wir sollten uns merken,
daß alle Nöte, die auf das Wirken böser Geister zurückgehen, keinen Sinn haben, vollkommen
frucht- und zwecklos sind. Außer Leid bringen sie nichts ein. Der Heilige Geist bezeugt nicht
unserem Geist (durch die Intuition), daß diese von Gott sind. Wenn der Gläubige der Sache
etwas nachginge, würde ihm aufgehen, daß er keine solchen Erfahrungen machte, bevor er sich
Gott auslieferte und er sich erwählt hatte zu leiden. Nachdem er sich aber dazu entschlossen
hatte, akzeptierte er automatisch jedes Leid als von Gott gegeben, obwohl das meiste von der
Macht der Finsternis ausgelöst worden war. Er hat bösen Geistern Raum gelassen; er hat ihren
Lügen geglaubt; sein Leben ist folglich von sinnlosem und wirkungslosem Leiden gekennzeichnet.
Wenn sich der Gläubige bewußt ist, wie tiefgehend der Feind arbeitet, so hilft ihm das nicht nur,
Sünden zu überwinden, sondern es erspart ihm auch unnötige Qualen. Viele Gläubige haben
vielleicht auch in bezug auf Schwachheit eine falsche Auffassung. Sie meinen, sie müßten, um
die Kraft Gottes zu besitzen, in einem Zustand der Schwachheit bleiben. Hat denn nicht Paulus
behauptet: »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« (2. Kor. 12, 10)? Sie wollen also schwach
sein, um geistliche Kraft zu besitzen. Dabei beachten sie nicht, daß der Apsotel nicht schwach
sein wollte, sondern uns nur aus seiner Erfahrung mitteilt, wie die Gnade Gottes ihn in seiner
Schwachheit dazu stärkte, die Absichten Gottes zu erfüllen. Paulus hat sich diese Schwachheit
nicht gewünscht; doch in seiner Schwachheit machte Gott ihn stark. Paulus versucht also nicht,
den starken Christen zu bewegen, absichtlich die Schwachheit zu wählen, damit Gott ihn dann
9 Kapitel 9 266
stärken kann. Er zeigt nur dem Schwachen den Weg zur Kraft. Schwachheit und Leid selbst zu
wählen, erfüllt die Bedingung für das Wirken böser Geister, weil durch solches Verhalten der
menschliche Wille sich auf die Seite des Feindes stellt. Das erklärt, warum so viele Christen,
die sich anfangs guter Gesundheit erfreuten, täglich schwächer werden, weil sie schwach sein
wollen. Die erhoffte Kraft findet sich nicht ein; sie fallen andern Menschen zu Last und sind für
die Arbeit des Herrn unbrauchbar. Eine solche Entscheidung zieht nicht die Kraft Gottes an,
sondern räumt bösen Geistern eine Angriffsfläche ein. Wenn solche Gläubige nicht entschieden
dieser Kraftlosigkeit widerstehen, werden sie anhaltende Schwachheit erleben.
Der entscheidende Punkt
Was wir geschildert haben, trifft in erster Linie auf schwierige Fälle zu; viele Christen sind
nicht ganz so weit gegangen. Das Grundprinzip bleibt aber bei allen gleich. Ohne Ausnahme
handelt der Feind, wenn irgendwo der ’Willepassiv ist oder die Voraussetzungen für sein Wirken
erfüllt wurden. Obwohl manche Christen nicht absichtlich Leiden oder Schwachheit wählen, lassen
sie sich trotzdem unwissend in Passivität absinken. Dadurch überlassen sie dem Feind Raum
und geraten in eine gefährliche Lage. Jeder, der eine solche Erfahrung gemacht hat, sollte sich
fragen, ob er nicht die Bedingungen für das Wirken böser Geister erfüllt hat. Das wird ihn vor
vielen Fälschungen des Feindes und unnötigen Leiden bewahren. Wir wissen, daß der Feind die
Wahrheit verwenden kann, doch überspannt er sie und geht über ihre Grenze hinaus. Entstammen
etwa folgende Begriffe nicht biblischen Wahrheiten: Selbstverleugnung, Unterordnung, auf Gottes
Befehle warten, Leiden, usw.? Die bösen Geister machen sich die Unkenntnis der Gläubigen über
geistliche Grundsätze zunutze und führen ihn soweit ab, bis er die Voraussetzungen zu ihren
Angriffen erfüllt. Wenn wir es versäumen, bei irgendeiner Lehre das Prinzip zu beurteilen, das
ihr zugrunde liegt, werden wir betrogen und verführt werden. Das Überspannen einer Wahrheit
ist höchst gefährlich. Wir wollen in diesem Punkt sehr vorsichtig sein. Mittlerweile sollten wir mit
dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Gottes Handeln und dem Wirken Satans vertraut sein:
a) Gott will, daß der Gläubige mit ihm zusammenarbeitet, indem er seinen Willen und alle seine
Fähigkeiten gebraucht, damit er vom Heiligen Geist erfüllt werden kann. b) Damit der böse Geist
sein Werk treiben kann, verlangt er vom Gläubigen, daß er im Willen passiv ist und den Gebrauch
einiger oder aller seiner Fähigkeiten einstellt. Im Falle a) wird der Geist des Menschen von Gottes
Geist erfüllt, der ihm Leben, Vollmacht, Befreiung, Wachstum, Erneuerung und Kraft schenkt,
damit er ihm in Freiheit dienen kann. Im Fall b) beschlagnahmt Satan die passiven Funktionen
des Menschen, und falls er unbemerkt bleibt, fährt er fort und zerstört seine Persönlichkeit
und seinen Willen und macht ihn zu einer Marionette, indem er seinen Leib und seine Seele
knechtet und den Menschen gebunden, niedergedrückt, zerstört und gefangen zurückläßt. Der
Heilige Geist befähigt den Gläubigen, in seiner Intuition Gottes Willen zu erkennen, damit er
ihn dann mit dem Verstand begreifen und später unter Gebrauch des Willens ausführen kann.
Der satanische Geist aber stellt die Person unter den Zwang einer äußeren Macht, die sich ihm als
Wille Gottes vorstellt, und er erniedrigt ihn zu einer Maschine, die nicht denken und entscheiden
kann. Viele Gläubige in unserer Zeit sind unbewußt in Passivität abgesunken. Ihr Wille und
Verstand haben aufgehört zu arbeiten. Darum machen sie unsagbares Leid durch. Dies geschieht
alles nach geistlichen Gesetzen. Wie es im natürlichen Bereich für alles Gesetze gibt, so gibt es
auch im geistlichen Bereich für alles ein Gesetz. Bestimmte Ursachen haben bestimmte Folgen.
Gott, der diese Gesetze aufstellt, hält sich auch daran. Wer gegen diese Gesetze verstößt, bewußt
oder unbewußt, muß die entsprechenden Folgen tragen. Wenn aber der Mensch seinen Willen,
seinen Verstand und seine Kraft gebraucht, um mit Gott zusammenzuarbeiten, dann wird Gottes
Geist wirken; denn auch das ist ein Gesetz.
9 Kapitel 9 267
Der Weg zur Freiheit
Es ist möglich, daß ein Gott ergebener Christ jahrelang zur Passivität verführt wird, ohne seine
gefährliche Notlage zu erkennen. Die Untätigkeit nimmt solche Ausmaße an, daß er schließlich
an seinem Verstand, seinen Gefühlen, am Leib und durch seine Umwelt unsagbare Schmerzen
erduldet. Es ist unbedingt notwendig, solchen Menschen die wahre Bedeutung der Hingabe zu erklären. Auch müssen sie die Wahrheit erkennen, um von der Passivität frei zu werden - ohne diese
Erkenntnis ist Befreiung unmöglich. Wir wissen, daß der Gläubige durch Betrug in Passivität
fällt. Dies wiederum wird durch Unkenntnis verursacht.
Die Wahrheit erkennen
Der erste Schritt zur Freiheit besteht darin, den wahren Sachverhalt fol gender Dinge zu erkennen: Was ist wahres Zusammenwirken mit Gott? Wie wirken böse Geister? Was ist Hingabe,
und wie zeigen sich übernatürliche Kundgebungen? Wenn das Kind Gottes frei werden will, muß
es die Wahrheit über Wesen und Ursprung seiner gemachten Erfahrungen erkennen. Das Gefälle verlief folgendermaßen: 1. Betrug, 2. Passivität, 3. Einkesselung und 4. anhaltender Betrug
und Passivität. Deshalb beginnt der Weg der Befreiung damit, daß der Betrug aufgedeckt wird.
Wenn das geschieht, werden weitere Passivität, Einkesselung und Betrug zunichtegemacht. Betrug öffnet bösen Geistern die Tür. Passivität bietet ihnen einen Aktionsraum; die Folge davon
ist Einkesselung. Um den Feind zu entmachten, muß die Passivität aufhören. Das erfordert die
Aufdeckung des Betruges, was wiederum Erkennen der Wahrheit voraussetzt. Diese Erkenntnis
ist die erste Etappe zur Freiheit. Nur die Wahrheit kann den Menschen befreien.
Wir haben unsere Leser wiederholt vor der Gefahr übernatürlicher Erfahrungen gewarnt. Wir
behaupten aber nicht, daß jede Offenbarung kategorisch abzulehnen ist. Das stünde im Widerspruch zur biblischen Lehre, weil die Schrift von vielen übernatürlichen Taten Gottes berichtet.
Unsere Absicht war es, den Christen daran zu erinnern, daß hinter übernatürlichen Phänomenen
mehr als nur eine Quelle stehen kann. Gott kann Wunder tun; aber das können böse Geister
auch! Wie wichtig ist es doch für uns, zu unterscheiden, was von Gott ist und was nicht. Wer
seelische Erfahrungen sucht und noch nicht dem gefühlsbetonten Leben gestorben ist, der kann
leicht betrogen werden. Wir drängen niemanden, allen übernatürlichen Kundgebungen zu widerstehen, aber wir wollen ermahnen, alle übernatürlichen Kundgebungen, die von Satan kommen,
abzuweisen. Wir haben also in diesem Teil des Buches versucht, den grundsätzlichen Unterschied
zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes und dem Wirken des Bösen zu betonen. Es soll Gläubigen eine Hilfe bieten, damit sie unterscheiden können, was jeweils zutrifft. Heute sind viele
Christen sehr empfänglich für die Verführungen durch das Übernatürliche. Wir hoffen sehr, daß
sie es sich zur Aufgabe machen, wenn sie mit einem übernatürlichen Phänomen in Berührung
kommen, dieses zu prüfen, damit sie nicht betrogen werden. Sie dürfen nicht vergessen, daß sie
bei einem vom Heiligen Geist gewirkten übernatürlichen Erlebnis ihren Verstand gebrauchen
können. Sie müssen nicht ganz oder teilweise passiv werden, um ein solches Erlebnis zu haben.
Auch hinterher können sie noch ungehindert Gut und Böse mit ihrem Gewissen unterscheiden.
Ist das Erlebnis aber vom bösen Geist inspiriert, muß der Leidtragende passiv und der Verstand
abgeblockt werden, und jede Betätigung vollzieht sich durch einen äußeren Zwang. Das ist der
wesentliche Unterschied. In 1. Korinther 14 erwähnt der Apostel Paulus verschiedene geistliche
Gaben. Dazu gehören Prophetie, Sprachen und andere übernatürliche Offenbarungen. Er bestätigt, daß es Gaben des Heiligen Geistes sind, aber er erklärt den Ursprung dieser göttlichen Gaben
mit folgenden Worten: »Die prophetischen Geister sind ja auch den Propheten gehorsam« (V.
32). Wenn es vom Heiligen Geist gegeben ist, was die Propheten (Gläubigen) empfangen haben,
dann sind ihnen die Geister, die sie empfangen, auch Untertan D. h., daß der Heilige Geist, indem er übernatürliche Segnungen schenkt, nie das menschliche Recht verletzt und einen Teil ihres
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Seins manipuliert. Die Selbstbeherrschung bleibt in der Macht der betreffenden Christen. Nur der
Geist ist von Gott, der dem Propheten bzw. dem Gläubigen Untertan ist. Jeder Geist, der vom
Propheten verlangt, Untertan zu sein, ist nicht von Gott. Obwohl wir nicht alle übernatürlichen
Elemente ablehnen können, sollten wir doch prüfen, ob die Geister die passive Unterordnung des
Menschen verlangen oder nicht. Das Wirken des Heiligen Geistes und das der bösen Geister ist
grundverschieden. Der Heilige Geist gewährt dem Menschen absolute Freiheit; Satan verlangt
seine völlige Passivität. Der Gläubige muß seine Erfahrungen an diesem Prüfstein messen. Die
Erkenntnis, ob er sich passiv verhalten hat, kann die Lösung aller seiner Probleme sein. Wenn
das Gotteskind freiwerden möchte, muß zunächst mit seiner Unwissenheit aufgeräumt werden.
Mit anderen Worten, es muß die Wahrheit erkennen. Es geht darum, die eigentlichen Ursachen
der Ereignisse zu verstehen. Satans Lügen binden, die göttliche Wahrheit befreit. Die Wahrheit
fordert natürlich einen hohen Preis, denn sie erschüttert alle Selbstherrlichkeit, die man sich
aufgrund der vergangenen Erfahrungen angeeignet hat. Der Gläubige betrachtet sich anderen
gegenüber als überlegen, als geistlich und unfehlbar. Welch ein harter Schlag wird es für ihn
sein, wenn er eine mögliche oder tatsächliche Einflußnahme von bösen Mächten zugeben muß.
Wenn der Gläubige nicht aufrichtig an Gottes Wahrheit hängt, wird es für ihn sehr schwer sein,
diese schmerzliche und demütigende Wahrheit anzuerkennen. Es fällt uns nicht schwer, eine angenehme Erkenntnis anzunehmen; aber es ist nicht leicht, sich einer Erkenntnis zu beugen, die
unser Ich vom Sockel stößt. Es ist verhältnismäßig einfach, zuzugeben, daß man sich täuschen
könnte; hingegen sehr schwierig, zu bekennen, daß man vom Feind eingekesselt worden ist. Möge
Gott Gnade geben, wenn ein Mensch die Wahrheit erkannt hat und ihr dennoch widerstrebt.
Annehmen der Wahrheit ist der erste Schritt zur Befreiung. Das Gotteskind muß gewillt sein,
seinen wahren Zustand zu erkennen. Das erfordert Demut und Aufrichtigkeit. Wer der Wahrheit
widersteht, der lasse sich warnen, sonst wird er unbewußt tatsächlich ein Sklave. Es gibt viele
verschiedene Wege zur Erkenntnis. Manchen Christen werden die Augen über ihren tatsächlichen Zustand geöffnet, indem sie erkennen, daß sie ihre Freiheit durch ihre langanhaltende und
schwere satanische Versklavung in jeder Beziehung verloren haben. Andere, deren Erlebnisse zu
neunzig Prozent göttlich und nur zu zehn Prozent unrein sind, erkennen die Wahrheit, wenn sie
ihre Erfahrungen in Frage stellen. Andere wiederum erkennen ihren Zustand durch die Hilfe, die
sie von anderen Gläubigen erfahren. Auf jeden Fall sollte der Christ den ersten Lichtstrahl, der
ihm aufleuchtet, annehmen. Etwas in Frage zu stellen, öffnet den Weg zur Wahrheit. Damit ist
aber nicht gemeint, daß man am Heiligen Geist, Gott oder dem Wort Gottes zweifelt, sondern an
den bisherigen eigenen Erfahrungen. Solches Prüfen ist sowohl notwendig als auch biblisch, weil
Gottes Wort uns auffordert, »die Geister zu prüfen« (1. Joh. 4, 1). Hier haben die Gläubigen oft
eine verkehrte Einstellung. Sie fürchten sich, die Geister zu prüfen, weil sie Angst haben, damit
wider den Heiligen Geist zu sündigen. Aber es ist sein Wille, daß wir selbst prüfen. Wenn sich
eine Sache als vom Heiligen Geist erweist, wird er es bestätigen. Ist aber Satan der Urheber, wird
es das Licht offenbaren. Sind wir etwa durch Gott in unseren gegenwärtigen Zustand geraten?
Wirkt der Heilige Geist jemals im Widerspruch zu seinem Gesetz? Sind wir in jeder Hinsicht
unfehlbar? Hat er einmal Licht über die Wahrheit empfangen, kann der Gläubige leichter zugeben, daß er betrogen werden kann. Das eröffnet der Wahrheit die Möglichkeit, weiter zu wirken.
Sich als unfehlbar zu betrachten, ist der schlimmste Trugschluß. Wenn jemand behauptet, daß
andere sich irren, nur er selbst nicht, ist er der größte Narr. Nur nach einer Demütigung kann
er erkennen, daß er von Grund auf betrogen wurde. Vergleicht er den Grundsatz göttlichen Wirkens mit den Bedingungen des Wirkens Satans, erkennt er, daß die früheren Erfahrungen durch
Passivität empfangen wurden. Er hatte die erforderlichen Bedingungen des Wirkens böser Geister erfüllt und machte dadurch Erfahrungen, die ihn zunächst beglückten, ihm aber schließlich
schmerzlich wurden. Er arbeitete nicht aktiv im Einklang mit Gott, sondern folgte passiv dem
Willen, den er als selbstverständlich für den Willen Gottes hielt. Seine beglückenden wie auch
9 Kapitel 9 269
seine schmerzlichen Erfahrungen müssen daher von bösen Geistern herrühren. Folglich wird er
zugeben, daß er betrogen wurde. Der Gläubige muß nicht nur die Wahrheit annehmen, sondern
auch gemäß der Erkenntnis dieser Wahrheit seinen Zustand zugeben. Auf diese Weise wird die
Lüge des Feindes für nichtig erklärt. Das sieht dann praktisch so aus: 1. zugeben, daß sich der
Gläubige täuschen kann, 2. bekennen, daß er einer Fälschung verfallen kann, 3. bekennen, daß er
selbst betrogen wurde und 4. fragen, warum er betrogen wurde.
Was ist mit »Raum« gemeint?
Jetzt können wir folgern, daß dem Feind Raum gelassen wurde. Doch welches ist der Raum, den
der Gläubige überlassen kann? Bevor er untersucht, welchen Raum er abgegeben hat, soll festgehalten werden, was Raum überhaupt bedeutet. Der Gläubige muß wissen, daß außer Sünde auch
andere Dinge den bösen Geistern Anrechte einräumen, z. B. eine Fälschung anzunehmen, Passivität des Willens und die Bejahung eines feindlichen Gedankens. Nun wollen wir die Passivität
betrachten. Passivität heißt: Wir lassen zu, daß unser Verstand oder Leib in einen komaähnlichen Zustand gerät, üben keine bewußte Kontrolle über den Verstand aus und nutzen nicht
die eigentliche Funktion des Willens, Gewissens und Gedächtnisses. Obwohl es da verschiedene
Abstufungen gibt, ist es hauptsächlich die Passivität, die Raum abtritt. Das Ausmaß der Passivität bestimmt, inwieweit der Feind eindringen kann. Sobald man den passiven Zustand erkenntganz gleich welchen Ausmaßes -, muß man umgehend den Boden zurückgewinnen. Beständig,
entschieden und bewußt sollte man dem feindlichen Versuch, Anrechte zu behalten, widerstehen,
besonders in dem Bereich, worin man getäuscht wurde. Wenn der Gläubige erkannt hat, daß er
betrogen wurde, sollte er danach trachten, das verlorene Territorium zurückzugewinnen. Da böse
Geister ihre Position auf den ihnen ausgelieferten Gebieten festhalten, verlassen sie diese Gebiete
erst dann, wenn die Ursache ausgeräumt ist. Weil der Christ nicht bewußt Selbstbeherrschung
übte, geriet er in Passivität und Betrug. Er muß jetzt seinen Willen aktiv ausüben, in der Kraft
Gottes allen Versuchungen und Angriffen der Finsternismächte widerstehen und seine früheren
Zugeständnisse widerrufen. Weil die Passivität allmählich eintrat, wird sie auch allmählich abgebaut. Die Befreiung tritt in dem Maße ein, in dem die Passivität aufgedeckt wird. Wenn man
lange Zeit passiv war, wird es lange dauern, frei zu werden. Es ist immer leichter, einen Berg
hinunterzugehen, als hinaufzusteigen. Ebenso ist es leichter, passiv zu werden, aber die Freiheit
wiederzugewinnen ist mühsam. Das überlassene Gebiet zurückzuerobern erfordert die Mitarbeit
des ganzen Menschen. Das Kind Gottes sollte auf jeden Fall Gott bitten, ihm zu zeigen, wo es
getäuscht wurde. Es muß aufrichtig wollen, daß die ganze Wahrheit über sich selbst offenbar
wird. Allgemein kann man sagen, daß das, was der Gläubige nicht hören will, gerade mit dem
verlorenen Boden zu tun hat. Wovor er sich fürchtet, ist genau der Punkt, mit dem er aufräumen
sollte, denn in neun von zehn Fällen besitzt der Feind gerade hier ein Anrecht. Darum ist es so
wichtig, daß der Christ Gott anfleht, Licht auf diese Symptome und ihre Ursachen zu werfen,
damit verlorenes Territorium zurückgewonnen wird. Aufklärung ist ein Muß; ohne sie ist der
Gläubige in der Gefahr, übernatürliche Dinge als natürlich anzusehen und geistliche (von bösen
Geistern) für etwas Physisches zu halten. Dadurch überläßt er dem Feind Raum.
Raum zurückgewinnen
Ein Prinzip liegt immer zugrunde, wenn bösen Geistern Raum überlassen wird: Die Passivität,
die Untätigkeit des Willens. Wenn verlorener Boden zurückgewonnen werden soll, ist es unerläßlich, den Willen zu reaktivieren. Darum muß der Christ lernen, a) Gottes Willen zu gehorchen,
b) dem Willen Satans zu widerstehen, c) den eigenen Willen in Zusammenarbeit mit dem Willen anderer Gläubiger zu gebrauchen. Die Aufgabe, verlorenes Gebiet zurückzugewinnen, obliegt
9 Kapitel 9 270
hauptsächlich dem Willen. Es ist der Wille, der passiv wurde, darum muß auch der Wille die Passivität vertreiben. Als erstes muß der Wille Entschlossenheit zeigen, d. h. selbst ein bestimmtes
Ziel ansteuern. Das Gotteskind, das in der Hand des Feindes viel zu leiden hatte, jetzt Kenntnis
von der Wahrheit empfangen hat und durch den Heiligen Geist ermutigt wurde, wird nun ganz
natürlich zu einer neuen Stellung geführt, nämlich die bösen Geister zu verabscheuen. Es wird
sich entsprechend gegen ihr Wirken stellen. Es ist entschlossen, frei zu werden, sein eigener Herr
zu sein und den Feind zu verjagen. Der Geist Gottes wirkt so in ihm, daß sein Zorn gegen die
bösen Geister wächst. Je größer das Leiden, umso größer der Haß; je mehr es über seine Zwangslage nachdenkt, umso zorniger wird es. Es ist entschlossen, völlig von den Finsternismächten
befreit zu werden. Diese Entschlossenheit ist der erste Schritt zur Wiedergewinnung verlorenen
Bodens. Wenn sein Entschluß echt war, wird es diesem Ziel nachjagen, ohne Rücksicht darauf,
welch grimmigen Gegenangriff der Feind startet. Der ganze Mensch stellt sich hinter diesen Entschluß, um dem Feind zu widerstehen. Der Christ sollte auch seinen Willen gebrauchen, um zu
entscheiden, was er in Zukunft will. In Zeiten geistlichen Kampfes kann dieser Entschluß sehr
wichtig sein. Er sollte nachdrücklich erklären: Ich wähle die Freiheit; ich will Unabhängigkeit;
ich weigere mich, passiv zu sein; ich will meine Gaben selber einsetzen; ich bestehe darauf, die
List der bösen Geister zu erkennen; ich will ihre Niederlage; ich sage mich los von jeder Bindung
an die Finsternismächte; ich widerstehe allen ihren Lügen und Vorwänden. Diese bewußte Willenserklärung ist sehr wertvoll im Kampf. Die Finsternismächte beachten aber diesen Entschluß
kaum. Nur wenn der Christ mit seinem Willen entscheidet, in der Kraft Gottes zu widerstehen,
werden sie fliehen. Dies unterstreicht den Grundsatz, daß der Mensch einen freien Willen hat.
Wie der Gläubige am Anfang den bösen Geistern das Eindringen erlaubt hat, so wählt er jetzt
das Gegenteil - die Ausrottung ihrer Anrechte. In dieser Konfliktperiode muß sich der Wille
des Christen auf verschiedene Weise aktiv einsetzen. Er muß nicht nur wählen und entscheiden,
sondern auch widerstehen. Er muß die Kraft seines Willens im Kampf gegen die bösen Geister
gehrauchen. Ja, mehr noch, er muß dem Feind den Zutritt verweigern, ihm die Türe verschließen. Durch Widerstehen verbietet er den bösen Geistern ihr weiteres Wirken. Durch Verweigern
kündigt er ihnen alle Rechte, die er ihnen zuvor gegeben hatte. Widerstand und Verweigerung
verhindern praktisch jedes Eindringen des Feindes. Widerstehen ist unsere Haltung dem gegenüber, was auf uns zukommt; Verweigern ist unsere Stellung gegenüber dem Vergangenen. Wenn
wir sagen: »Ich will meine Freiheit haben«, weisen wir damit die bösen Geister ab. Aber wir
müssen auch widerstehen und alle Widerstandskraft dem Feind gegenüber aufbieten, um in der
Freiheit zu bleiben, die wir durch die Verweigerung erlangt haben. Widerstand und Verweigerung
müssen andauern, bis die völlige Freiheit erlangt wird. Widerstehen ist wahrlich ein Kampf. Dazu
braucht der Gläubige die ganze Kraft von Geist, Seele und Leib. Aber die Hauptkraft ist der
Wille. Zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern ist in erster Linie eine Frage der Haltung,
aber Widerstand erfordert unser Handeln. Durch Widerstand wird unsere innere Haltung in die
Tat umgesetzt. Es ist ein Ringen im Geist. Durch die Kraft des Geistes treibt der Wille die bösen
Geister aus dem von ihnen besetzten Gebiet. Es ist ein Angriff auf die Feindeslinie. Beim Widerstehen wird die Willenskraft eingeschaltet. Sie treibt aus und verjagt. Auch wenn die feindlichen
Mächte die feindselige Haltung des Gläubigen gegen sie wahrnehmen, weichen sie doch keinen
Zentimeter von dem Raum, den sie besitzen. Sie müssen mit wahrer Kraft ausgetrieben werden.
Das Gotteskind muß geistliche Kräfte mobilisieren, um den Feind lahmzulegen und ihn zu beseitigen. Eine Willenserklärung allein genügt nicht. Es müssen außerdem praktische Maßnahmen
ergriffen werden. Widerstand ohne Verweigerung ist genauso zwecklos, weil der Raum, der dem
Feind ursprünglich zugestanden wurde, wiedergewonnen werden muß. Wenn verlorene Gebiete
zurückerobert werden sollen, muß der Gläubige seinen Willen gebrauchen, einerseits um zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern und anderseits zu widerstehen. Er sollte sich zum Kampf
entschließen und die Freiheit erwählen, Einflußbereiche verweigern und dem Feind widerstehen.
9 Kapitel 9 271
Er muß um seine Oberherrschaft kämpfen. Wir sollten unseren freien Willen nie aus den Augen
verlieren. Gott hat uns einen uneingeschränkten Willen gegeben, damit wir unser eigener Herr
sind, aber böse Geister haben unsere Glieder und Fähigkeiten widerrechtlich beschlagnahmt. Sie
beherrschen den Menschen, und der Mensch hat seine souveränen Rechte verloren. Um hier Einhalt zu gebieten, begibt sich der Christ in den Kampf. Immer wieder erklärt er: »Ich bin nicht
bereit, meine souveränen Rechte von bösen Geistern beschneiden zu lassen; ich gestatte ihnen
nicht, in meine Persönlichkeit einzudringen; ich erlaube ihnen nicht, daß sie von mir Besitz ergreifen; ich folge ihnen nicht blindlings; ich bin nicht einverstanden, daß sie mich manipulieren; ich
will es tatsächlich nicht; ich will mein eigener Herr sein; ich weiß, was ich tue; ich bin entschlossen, mich selbst zu beherrschen; ich ziehe es vor, daß mein ganzes Wesen mir selbst unterworfen
ist; ich widerstehe allem Wirken böser Geister und ihrem Recht, in mir zu handeln.« Durch das
Entscheiden, Wählen und Verweigern unseres Willens schieben wir der Aktivität des Feindes
einen Riegel vor. Danach müssen wir mit unserem Willen widerstehen. Nach der Eroberung des
verlorenen Gebietes beginnt der Gläubige ein neues Leben. Das Alte ist vergangen, und ein neuer
Anfang kann gemacht werden. Alles, was dem Feind ausgeliefert war, wurde zurückverlangt. Der
ganze Mensch-Leib, Seele und Geist-ist aus der Hand des Feindes befreit und wurde erneut Gott
geweiht. Jeder Millimeter durch Unwissenheit verlorenen Territoriums ist jetzt zurückgewonnen.
Dem Menschen ist eine Souveränität wiedergegeben. Wie kam es dazu? Was einst akzeptiert
wurde, wird nun abgelehnt; was geglaubt wurde, nicht mehr für wahr gehalten; was ihn anzog,
dem entzieht er sich; was einst aufgebaut wurde, wird niedergerissen; alte Zugeständnisse werden gekündigt; Zusammenge-fü gtes wird getrennt; Uberlassenes wird zurückgewonnen; worin
er gehorchte, in dem widersteht er; was unausgesprochen war, wird ausgesprochen; was früher
ausgeliefert wurde, dem sagt er ab. Alle früheren Ratschläge, Zugeständisse und Gedanken werden zurückgewiesen. Sogar frühere Gebete und Gebetserhörungen muß er widerrufen. Jede dieser
Handlungen steht in direktem Widerspruch zu den bösen Geistern. Weil sie mit dem Heiligen
Geist verwechselt wurden, ist man in eine enge Verbindung zu ihnen getreten. Alles, was ihnen
durch Unwissenheit ausgeliefert wurde, muß durch die neu gewonnene Erkenntnis zurückerobert
werden. So wie jedes Gebiet eines nach dem anderen übereignet wurde, so müssen alle Gebiete
auch einzeln wieder zurückgewonnen werden. Das größte Hindernis zur völligen Befreiung des
Gläubigen ist seine Weigerung, alle Bereiche ohne Ausnahme zurückzugewinnen. Er ist geneigt,
seinen Willen in einer pauschalen, vagen und allgemeinen Weise anzuwenden, um den Raum
wieder zu erobern. Dieser allumfassende Widerstand zeigt aber nur die korrekte innere Haltung
des Gläubigen. Um aber frei zu werden, muß alles im einzelnen wiederhergestellt werden. Das
erscheint uns mühsam. Aber wenn ein Gläubiger wirklich frei werden will und um göttliche
Erleuchtung bittet, wird der Heilige Geist nach und nach die Vergangenheit offenbaren. Wenn
er geduldig vorwärts schreitet, wird er schließlich in allen Bereichen frei. Dann ist er auf dem
Weg zur Freiheit. Wen wir pauschal widerstehen, zeigen wir, daß wir wohl den bösen Geistern
widerstehen; aber nur gezielter Widerstand zwingt sie dazu, das besetzte Gebiet zu verlassen.
Der Raum, der zuletzt an böse Geister verloren ging, muß als erstes wiedergewonnen werden,
wie beim Wiederbesteigen einer Treppe die letzte Stufe abwärts wieder die erste Stufe aufwärts
sein muß. Das Gotteskind muß allen Anrechten des Feindes absagen, bis es sich wieder der vollen
Freiheit erfreut. Es muß erkennen, wovon es gefallen ist, denn es muß ja wiederhergestellt werden.
Es muß erkennen, was früher normal war - wie aktiv der Wille und wie klar sein Verstand waren
- und wie sein gegenwärtiger Zustand ist. Wenn es diese beiden Zustände vergleicht, kann es
ermessen, wie weit es in die Passivität abgesunken ist. Sein normaler Zustand muß als Ziel seines
Aufstieges angesehen werden. Es sollte sich nicht eher zufriedengeben, als bis der Wille in seinen
ursprünglichen Zustand gebracht wurde und bis es aktiv jeden Teil seines Seins beherrscht. Es
sollte sich nicht als befreit betrachten, ehe nicht der Normalzustand wiedergewonnen ist. Auf
diese Weise muß der Christ wieder Herr über alle Funktionen seiner Persönlichkeit werden, die
9 Kapitel 9 272
aus dem Normalzustand in Passivität gerieten- sei es die Denktätigkeit, das Erinnerungsvermögen, die Vorstellungskraft, das Unterscheidungsvermögen, die Entschlußkraft oder die Fähigkeit
zu wählen, zu verweigern, zu widerstehen, zu lieben usw. Alles, worüber er die Oberherrschaft
aufgegeben hat, muß wieder unter seine persönliche Herrschaft gebracht werden. Er sollte seinen
Willen betätigen, um der Untätigkeit zu widerstehen und alle menschlichen Funktionen wieder
zu benutzen. Als er in Passivität absank, ergriffen die bösen Geister von seinen passiven Organen Besitz und haben sie für ihn gebraucht. Es mag für den Gläubigen außerordentlich schwierig
sein, verlorene Gebiete zurückgewinnen und über seine Organe selbst bestimmen zu wollen. Das
erklärt sich so: a) Sein Wille ist noch schwach und daher nicht in der Lage, jeden Teil seines
Wesens zu lenken. b) Die bösen Geister streiten mit aller Macht gegen ihn. Wenn er sich z. B.
bei Entscheidungen passiv verhielt, wird er jetzt dieses Anrecht kündigen und den bösen Geistern verbieten, sich einzumischen. Er ist entschlossen, selbst zu entscheiden, ohne sich von ihnen
daran hindern zu lassen. Aber er merkt, 1. daß er selbst nicht entscheiden kann und 2. daß die
bösen Geister ihn nicht entscheiden und handeln lassen. Auch wenn der Gläubige ihre Herrschaft
zurückweist, lassen sie nicht zu, daß ihr Gefangener ohne ihre Erlaubnis handelt. Gerade hier
muß der Gläubige wählen: Bleibt er passiv, läßt er es zu, daß die bösen Geister weiter an seiner
Statt handeln? Er wird natürlich nicht erlauben, daß sie ihn weiterhin manipulieren. Wenn er
auch vorübergehend nichts entscheiden kann, wird er doch den bösen Geistern nicht gestatten,
seine Entscheidungsfähigkeit zu beherrschen. Der Befreiungskampf hat nun begonnen. Jetzt ist es
eine Willenssache, denn aufgrund der Passivität sind Bereiche des Menschen in die Hände böser
Geister gefallen. Jetzt muß sich der Wille erheben, um a) der Herrschaft böser Geister zu widerstehen, b) verlorene Bereiche wiederzugewinnen, c) aktiv mit Gott zusammenzuarbeiten, damit
er jeden Bereich der Person gebrauchen kann. Vom Willen hängt alles ab. Die bösen Geister werden sich zurückziehen, wenn ihnen der Wille des Gläubigen widersteht und ihnen verbietet, seine
Lebensbereiche zu besetzen. Jeder Zoll der ihnen ausgelieferten Bereiche muß zurückgewonnen,
und jeder Betrug muß aufgedeckt werden. Um jedes Detail muß der Gläubige geduldig mit dem
Feind kämpfen. Es gilt »durchzukämpfen«. Wenn der Widerstand beginnt, sind nicht unbedingt
gleich alle Anrechte beseitigt. Die bösen Geister werden jetzt zum Endkampf übergehen; die
Gläubigen müssen durch viele Kämpfe stark werden. »Die Periode des >Sich-Durchkämpfens<
ist eine äußerst schmerzvolle Zeit. Es gibt dabei böse Augenblicke akuten Leidens und intensiven
Kampfes. Diese entstehen aus dem Bewußtsein des Widerstandes der Finsternismächte, die dem
Gläubigen das streitig machen, was er wiedereinzunehmen sucht« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 194). Der Christ wird hartnäckigen Widerstand des Feindes erfahren, wenn er seinen Willen
betätigt, um der Herrschaft böser Geister zu widerstehen und seine Funktionen wiederherzustellen. Er wird sich zunächst der Tiefe nicht bewußt sein, in die er gesunken ist. Aber wenn
er Punkt für Punkt beginnt, den Weg zu seinem Normalzustand zurückzukämpfen, merkt er,
wie tief er gefallen ist. Wegen des Widerstandes des Feindes ist es möglich, daß sich am Anfang
des Kampfes die Symptome verschlimmern. Es scheint dann oft so, als hätte er immer weniger
Willenskraft und als würden die Verstrickungen immer stärker. Dieses Phänomen kennzeichnet
trotzdem den Sieg! Obwohl der Gläubige sich schlechter fühlt, geht es ihm tatsächlich besser.
Es beweist, daß der Widerstand seine Auswirkung hat: Der Feind hat den Druck gespürt und
unternimmt einen letzten Gegenangriff. Wenn der Druck anhält, weichen die bösen Geister. Es
ist außerordentlich wichtig, daß sich der Gläubige im Kampf auf Römer 6, 11 verläßt und anerkennt, daß er eins mit dem Herrn ist. Der Tod Christi ist sein Tod. Dieser Glaube befreit ihn
von der Macht des Feindes, weil dieser keine Gewalt über Tote haben kann. Diese Haltung muß
ganz bewußt eingenommen werden. Und in Verbindung mit dieser Haltung muß Gottes Wort
gegen alle Lügen Satans angewandt werden, weil Satan jetzt versuchen wird, dem Gläubigen
vorzugaukeln, er sei so tief gefallen, daß es für ihn keine Hoffnung auf Wiederherstellung gebe.
Wenn er auf diese Lüge hört, wird er sich in die größte aller Gefahren begeben. Er rufe sich ins
9 Kapitel 9 273
Gedächtnis, daß Satan und seine üblen Horden auf Golgatha bereits besiegt wurden (Hebr. 2, 14;
Kol. 2, 14-15). Das Erlösungswerk ist vollbracht, »auf daß alle versetzt werden aus der Gewalt
der Finsternis in das Reich des Sohnes seiner Liebe« (Kol. 1, 13). Wenn der Gläubige leiden
muß, um Raum zurückzugewinnen, so ist ihm das ein sicherer Hinweis auf das, wovor der Feind
Angst hat, und es zeigt, wie wichtig es ist, gerade diesen Raum zu erobern. Wenn dann die bösen
Mächte dem Gläubigen neue und ärgere Qualen zufügen, so soll er wissen, daß diese vom Feind
gewirkt sind, und er soll sie abweisen, ihnen keine Beachtung schenken und sich auch nicht darum
sorgen oder darüber sprechen. Wenn der Christ geduldig die vorübergehenden Schwierigkeiten
trägt und entschlossen seinen Willen ausübt, um verlorene Gebiete zurückzugewinnen, wird er
zunehmende Befreiung erfahren. Wenn er Schritt für Schritt dem Feind Raum verweigert und
ihn selber wieder einnimmt, wird sich der Einfluß Satans entsprechend verringern. Wenn er dem
Feind keinen neuen Raum ausliefert, wird dessen Macht schwinden. Wenn es auch eine gewisse
Zeit dauert, bis er völlig frei ist, so befindet er sich doch jetzt auf dem Weg zur Befreiung. Er
wird sich seiner selbst wieder bewußt, der Notwendigkeit zu essen, sein Äußeres wird nicht mehr
vernachlässigt- alles Dinge, die er durch den Angriff des Feindes aufgegeben hatte. Er soll dies
aber nicht fälschlicherweise für eine rückläufige Entwicklung in seinem geistlichen Leben halten.
Im Gegenteil, die Wiederherstellung des Bewußtseins ist ein Beweis, daß der frühere Eindringling
aus seinen Sinnen gewichen ist. An diesem Punkt sollte er also zuversichtlich weiterkämpfen, bis
die völlige Freiheit wiederhergestellt ist. Der Gläubige darf sich nicht damit zufriedengeben, einen
Teilbereich zurückgewonnen zu haben; er sollte nicht nachlassen, bis sein Normalzustand wieder
völlig hergestellt ist.
Echte Führung
Wir müssen begreifen lernen, wie Gott uns Menschen wirklich füh rt und welches die Beziehung
zwischen dem menschlichen Willen und dem Willen Gottes ist. Ein Christ sollte Gott gegenüber
vorbehaltlos gehorsam sein. Wenn sein geistliches Leben die höchste Ebene erreicht hat, wird
sein Wille völlig eins sein mit dem Willen Gottes. Das heißt aber nicht, daß er keinen eigenen
Willen mehr hat. Der ist immer noch vorhanden, aber er wird nicht mehr vom Fleisch beherrscht.
Gott verlangt stets, daß der Wille des Menschen mit ihm zusammenarbeitet, um seinen Willen
zu tun. Am Beispiel Jesu erkennen wir, daß man noch immer seinen eigenen Willen hat, auch
wenn er völlig eins ist mit Gott. »Weil ich nicht meinen Willen suche, sondern den Willen dessen,
der mich gesandt hat« - »nicht um meinen Willen auszuführen, sondern den Willen dessen, der
mich gesandt hat.« - »Doch nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe« (Joh. 5, 30; 6, 38;
Luk. 22, 42). Hier wird uns gezeigt, daß Jesus neben dem Willen des Vaters seinen eigenen,
persönlichen Willen besitzt, obwohl er mit dem Vater eins ist. Der Hinweis sagt deutlich, daß
alle, die wirklich mit Gott vereint sind, ihren Willen an die Seite des Willens Gottes stellen. Sie
sollen aber nicht ihren Willen ausschalten. Wahre Führung verpflichtet den Christen nicht, Gott
mechanisch zu gehorchen; er soll Gottes Willenaktiv ausführen. Es macht Gott keine Freude, von
seinen Kindern blinden Gehorsam zu verlangen. Er will, daß sie seinen Willen durch die bewußte
Hingabe ihrer gesamten Persönlichkeit ausleben. Ein bequemer Mensch wünscht sich, daß Gott
für ihn handelt, damit er einfach passiv folgen kann. Aber Gott will nicht, daß sein Kind untätig
ist. Er will, daß es seine Glieder aktiv in seinen Dienst stellt und aktiv gehorcht, nachdem es
Gottes Willen erforscht hat. Die Gehorsamsschritte sehen in der Praxis so aus: a) Bereitschaft,
Gottes Willen zu tun (Joh. 7, 17), b) Offenbarung dieses Willens an die Intuition des Christen
durch den Heiligen Geist (Eph. 5, 17), c) Stärkung durch Gott, seinen Willen tun zu wollen
(Phil. 2, 13), d) Stärkung durch Gott, seinen Willen zu tun (Phil. 2, 13). Gott tritt nicht an
unsere Stelle, um Seinen Willen auszuführen. Wenn wir Gottes Willen erkannt haben, müssen
wir ihn tun wollen, um dann aus dem Heiligen Geist die Kraft zur Ausführung zu schöpfen.
9 Kapitel 9 274
Warum muß der Christ aus der Kraft des Heiligen Geistes schöpfen? Weil auf sich gestellt sein
Wille sehr schwach ist. Wie wahr sind die Worte des Paulus: »Das Wollen ist bei mir vorhanden,
aber das Vollbringen finde ich nicht« (Rom. 7,18). Bevor man Gott praktisch gehorchen kann,
muß man durch den Heiligen Geist am inneren Menschen gestärkt werden. Daher wirkt Gott
zuerst das Wollen in uns, dann wirkt er das Vollbringen seines Wohlgefallens (Phil. 2, 13). Gott
offenbart seinen Willen in der Intuition unseres Geistes und stärkt uns in der Intuition, seinen
Willen zu wollen und auch zu tun. Er verlangt, daß wir mit ihm eins sind, doch manipuliert er
nicht einfach unseren Willen. Der Sinn der Schöpfung und Erlösung Gottes ist es, dem Menschen
einen völlig freien Willen zu geben. Durch das Heil, das Jesus am Kreuz vollbrachte, können
wir Christen jetzt frei wählen, Gottes Willen zu tun. Alle Ermahnungen im Neuen Testament,
die das Leben und die Gottseligkeit betreffen, müssen entweder angenommen oder abgewiesen
werden, je nachdem wir uns entscheiden. Solche Ermahnungen hätten keine Bedeutung, wenn
Gott die Betätigung unseres Willens ausschalten würde. Ein geistlicher Christ ist jemand, der
volle Gewalt über seinen eigenen Willen ausübt. Er sollte immer Gottes Willen wählen und Satans
Willen abweisen. Wenn er manchmal unsicher ist, ob etwas von Gott oder vom Teufel ist, kann
er trotzdem in der Lage sein, anzunehmen und abzuweisen. Er kann erklären: Obwohl ich nicht
weiß, ob dies von Gott oder von Satan ist, wähle ich doch, was von Gott ist, und weise ab, was
von Satan ist. Er mag weiterhin im Ungewissen bleiben, doch kann er die Haltung einnehmen,
zu wollen, was von Gott ist, und zurückweisen, was vom Teufel kommt. Ein Kind Gottes sollte
von diesem Recht der Entscheidung immer Gebrauch machen. Es ist nicht entscheidend, daß es
im Unklaren ist, solange es den Willen Gottes tun will. Diese Haltung öffnet dem Geist Gottes
die Möglichkeit, in ihm zu wirken, bis sein Wille gegen den Teufel immer stärker wird, und Satan
täglich an Einfluß einbüßt. Auf diese Weise gewinnt Gott einen weiteren treuen Diener inmitten
einer rebellischen Welt. Indem der Gläubige beständig in dieser Haltung bleibt, wird er bald den
großen Segen einer solchen Willenshaltung erkennen.
Selbstbeherrschung
Die höchste Stufe des geistlichen Wandels eines Christen ist die Selbstbeherrschung. Was man
gewöhnlich als die Herrschaft des Heiligen Geistes in uns bezeichnet, bedeutet nicht, daß er unmittelbar alle Bereiche des Menschen beherrscht. Alle Mißverständnisse an diesem Punkt werden
entweder zu Täuschungen oder Verzweiflung führen. Wenn wir wissen, daß es das Ziel des Heiligen
Geistes ist, uns zur Selbstbeherrschung zu erziehen, werden wir nicht in Passivität versinken, sondern im geistlichen Leben gut vorankommen. »Die Frucht des Geistes ist ...Selbstbeherrschung«
(Gal. 5, 22-23). Das Werk des Heiligen Geistes ist es, den äußeren Menschen im Gläubigen zum
völligen Gehorsam unter seine Selbstbeherrschung zu bringen. Der Heilige Geist herrscht über
den Gläubigen durch seinen erneuerten Willen. Wenn ein Kind Gottes nach dem Fleisch wandelt,
befindet sich sein äußerer Mensch in Auflehnung gegen den Geist, und er wird so zu einer gespaltenen Person. Wenn ein Christ aber im Geist wandelt und geistliche Frucht bringt, manifestiert er
sowohl die Kraft der Selbstbeherrschung als auch Liebe, Freude, Gütigkeit, usw. in seiner Seele.
Der äußere Mensch, einst zerfahren und verwirrt, ist jetzt der Selbstbeherrschung des Gläubigen
unterworfen und gemäß der Gesinnung des Heiligen Geistes ihr völlig ergeben. Was der Christ
durch seinen Willen beherrschen muß, sind: a) Sein eigener Geist, indem er ihn in rechtem Zustand bewahrt. Der Geist braucht die Herrschaft des Willens genauso wie die anderen Bereiche
des menschlichen Seins. Nur wenn jemandes Wille erneuert und mit dem Heiligen Geist erfüllt
ist, kann der Betreffende seinen eigenen Geist lenken und ihn in der rechten Stellung bewahren.
Erfahrene Christen stimmen überein, daß sie ihren Willen anstrengen müssen, um den Geist
gelegentlich zurückzuhalten, oder ihn willentlich erheben müssen, wenn er zu tief sinkt. Nur so
kann der Gläubige täglich durch seinen Geist wandeln. Das steht nicht im Widerspruch dazu,
9 Kapitel 9 275
daß der Geist des Menschen die ganze Person beherrschen muß. Denn wenn wir sagen, daß der
Geist über den ganzen Menschen herrscht, meinen wir damit, daß der Geist, indem er intuitiv
Gottes Gesinnung erkennt, das ganze Wesen regiert (den Willen eingeschlossen). Das entspricht
dem Willen Gottes. Die Aussage, der Wille beherrsche den Menschen, bedeutet, daß der Wille den ganzen Menschen direkt nach Gottes Willen beherrscht (den Geist eingeschlossen). In
der Erfahrung stimmen diese beiden Sachverhalte völlig überein. »Eine zerbrochene Stadt ohne
Mauer, so ist ein Mann, dessen Geist an Beherrschung mangelt« (Spr. 25, 28). b) Sein eigener
Verstand und alle übrigen Fähigkeiten seiner Seele. Alle Gedanken müssen völlig der Herrschaft
des Willens unterworfen werden; wandernde Gedanken müssen einer nach dem anderen geprüft
werden - »indem wir . . . alle Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi« (2. Kor.
10, 5), und »sinnet auf das, was oben ist« (Kol. 3, 2). c) Sein eigener Körper. Er sollte Werkzeug
des Menschen sein und nicht durch ungezügelte Gewohnheiten und Lüste dessen Meister. Der
Christ sollte seinen Willen gebrauchen, um seinen Körper zu züchtigen, zu beherrschen und zu
unterwerfen, damit er in der Lage ist, Gottes Willen zu tun, anstatt ihm im Wege zu stehen.
»Ich betäube meinen Leib und zähme ihn« (1. Kor. 9, 27). Wenn der Wille des Gläubigen den
Zustand vollkommener Selbstbeherrschung erreicht hat, wird er durch keinen Teil seines Seins
mehr behindert werden, weil er den erkannten Willen Gottes sogleich ausführen wird. Sowohl der
Heilige Geist als auch der Geist des Menschen brauchen einen Willen, der Selbstbeherrschung
übt, um Gottes Offenbarung auszuführen. Darum müssen wir einerseits mit Gott vereint sein,
anderseits aber uns unser ganzes Wesen untenan machen. Dies ist für das geistliche Leben von
großer Wichtigkeit...https://www.sermon-online.com/de/search?author=213&category=19...Gruss,Ralf😘
Etwas zu begehren oder nicht, etwas zu wählen oder nicht - das sind typische Willensentschlüsse.
Der Wille ist das »Ruder«, mit dem der Mensch auf den Wogen seines Lebens dahinsteuert. Der
Wille des Menschen kann als sein eigentliches Ich betrachtet werden, weil er ihn kennzeichnet.
Sein Handeln ist das Handeln des Menschen. Wenn wir sagen: »Ich will«, ist es unser Wille, der
zum Ausdruck kommt. Sagen wir: »Ich möchte, ich entscheide«, ist es wiederum unser Wille,
der sich meldet. Unser Wille handelt für den ganzen Menschen. Unsere Gefühle äußern nur,
was wir empfinden. Unser Verstand sagt uns, was wir denken. Aber der Wille äußert, was wir
wollen. Darum ist er der einflußreichste Bestandteil unserer Persönlichkeit. Der Wille reicht tiefer
als das Gefühl oder der Verstand. Wenn wir nach geistlichem Wachstum streben, dürfen wir
nicht unsere Willenskraft außer acht lassen. Viele machen den Fehler und betrachten »Religion«
als Gefühlssache. Sie meinen, Religion beruhige oder beglücke nur die menschlichen Gefühle.
Andere behaupten, »Religion« müsse mit der Vernunft zu vereinbaren und dürfe nicht zu stark
gefühlsbetont sein. Sie akzeptieren nur eine Art Vernunftsreligion. Beide Gruppen erkennen aber
nicht, daß wahre »Religion« nicht an sich auf das Gefühl oder den Verstand zielt, sondern dem
menschlichen Geist Leben geben soll und seinen Willen völlig unter den Willen Gottes zu stellen
sucht. Unser »religiöses« Erleben ist sehr oberflächlich, wenn es in uns keine Bereitschaft erzeugt,
den ganzen Ratschluß Gottes willentlich anzunehmen. Was hülfe es einem Menschen, wenn sein
Wille auf dem geistlichen Lebensweg nie ein echtes Zeichen wahrer Gnade bekundete, oder wenn
der Wille nicht einmal berührt würde? Wahres und vollkommenes Heil errettet den Willen des
Menschen. Alles andere, was nicht zu einer völligen Errettung des menschlichen Willens ausreicht,
ist umsonst. Alle schönen Gefühle und lichten Gedanken gehören ausschließlich dem äußeren
Bereich an. Der Mensch mag Freude, Trost und Frieden in seinem Glauben an Gott finden;
er kann die Majestät Gottes begreifen und wunderbares Wissen sammeln - aber kann er echte
Gemeinschaft mit ihm haben, wenn sein Wille nicht eins geworden ist mit dem Willen Gottes? Die
Vereinigung des menschlichen mit dem göttlichen Willen schafft die einzig wahre Einheit. Darum
muß der Gläubige, nachdem er das neue Leben empfangen hat, nicht nur auf seine Intuition
achten, sondern auch auf seinen Willen.
Der freie Wille
Wenn wir uns mit dem Menschen und seinem Willen auseinandersetzen, sollten wir besonders
beachten, daß der Mensch einen freien Willen hat. Das bedeutet: der Mensch ist souverän, er hat
einen souveränen Willen. Es sollte ihm nichts aufgezwungen werden, was er nicht annehmen kann.
Was er ablehnt, dazu sollte er nicht genötigt werden. Der freie Wille gestattet dem Menschen,
frei zu entscheiden. Er ist kein Spielzeug, das von anderen gelenkt wird. Er ist für sein Handeln
verantwortlich. Der Wille in ihm bestimmt alle seine inneren und äußeren Geschäfte. Er wird
nicht automatisch durch eine äußere Macht gesteuert; in ihm wohnt vielmehr ein Prinzip, das
seine Handlungen bestimmt. Das war der Zustand des Menschen, als Gott ihn schuf. Der Mensch,
den der Schöpfer geschaffen hat, war nicht etwas Mechanisches. Wir erinnern uns sicher, daß Gott
zu ihm sagte: »Von allen Bäumen des Gartens darfst du nach Beliehen essen, aber vom Baum
9 Kapitel 9 245
der Erkenntnis des Guten und Bösen - von dem darfst du nicht essen; denn sobald du von diesem
ißt, mußt du des Todes sterben« (1. Mose 2, 26 u. 17). Wie gab Gott dem Menschen diesen
Befehl? Gott beschwor, verbot - aber er übte keinen Zwang aus. Wenn es Adam gefallen hätte,
zu gehorchen und die verbotene Frucht nicht zu essen, so wäre dies sein Wille gewesen. Wollte er
nicht auf den Befehl hören, würde sogar Gott ihn nicht daran hindern. Das ist freier Wille. Gott
auferlegte dem Menschen die Verantwortung, nach seinem uneingeschränkten Willen zu wählen.
Gott schuf keinen Menschen, der nicht sündigen, rebellieren oder stehlen konnte. Hätte er das
getan, dann hätte er den Menschen zu einer Maschine gemacht. Gott konnte raten, verbieten und
gebieten - aber die Verantwortung, darauf zu hören oder nicht, lag beim Menschen. Aus Liebe
gab Gott sein Gebot im voraus; aus Gerechtigkeit zwingt er den Menschen nicht, das zu tun, was
er nicht wünscht. Gott muß die Einwilligung des Menschen, ihm zu gehorchen, abwarten, weil
Gott den Menschen nie zwingt. Gott könnte bestimmt eine Vielzahl von Maßnahmen anwenden,
ihn gefügig zu machen; jedoch nur wenn der Mensch zustimmt, wird Gott seine Absichten in
ihm verwirklichen. Das ist ein äußerst wichtiger Grundsatz. Wir werden noch feststellen, daß der
Schöpfer nie gegen sein Prinzip handelt, aber die bösen Geister tun das ständig. Daran können
wir unterscheiden, was von Gott ist und was nicht.
Der Sündenfall und die Errettung
Leider ist der Mensch gefallen. Durch den Sündenfall hat der freie Wille des Menschen ungeheuren
Schaden genommen. Wir können sagen, daß es im Universum zwei gewaltige, sich widersprechende Willenskräfte gibt. Auf der einen Seite steht der heilige und vollkommene Wille Gottes, auf der
anderen Seite erhebt sich der verderbte und Verderben bewirkende, widerstrebende Wille Satans.
Dazwischen steht der souveräne, unabhängige, freie Wille des Menschen. Wenn der Mensch auf
den Teufel hört und gegen Gott rebelliert, gibt er dem Willen Gottes ein ewiges »Nein« und dem
Willen Satans ein bleibendes »Ja«. Weil der Mensch seinen Willen gebraucht, um sich für Satans
Willen zu entscheiden, gerät sein Wille in die Gefangenschaft des Teufels. Darum werden seine
Handlungen von Satans Willen beherrscht. Wenn er nicht seine frühere Unterordnung rückgängig
macht, bleibt sein Wille unter der Herrschaft des Feindes. In diesem gefallenen Zustand ist der
Mensch fleischlich gesinnt. Diese fleischliche Gesinnung, durch die sein Wille und die anderen
Lebensbereiche beherrscht werden, ist durch und durch verderbt. Wie kann aus einem solch verfinsterten Willen etwas Gott Wohlgefälliges hervorgehen? Sogar das Fragen des Menschen nach
Gott entspringt dem Fleisch und hat keinen geistlichen Wert. In diesem Zustand mag er viele
Arten der Anbetung erfinden, aber es sind alles seine eigenen Vorstellungen, »eigenwilliger Gottesdienst« (Kol. 2, 23). Gott kann das nicht annehmen. Wir wollen uns dessen bewußt sein, daß
jeglicher Gottesdienst- es sei denn, daß der Mensch neues Leben aus Gott empfangen hat und
ihm darin dient - nichts als Werk des Fleisches ist. Sogar die Absicht, Gott zu dienen und selbst
für ihn zu leiden, ist wertlos. Unser Wille ist nichtig, bevor wir wiedergeboren sind, selbst wenn
er dem Guten und Gott zugewandt ist. Nicht, was der gefallene Mensch für Gott tun möchte,
sondern wie Gott wünscht, daß es der Mensch für ihn tue, das allein zählt in Gottes Augen. Der
Mensch mag viele bemerkenswerte Taten für Gott planen und vollbringen; wenn sie aber nicht
von Gott ausgehen, sind sie bloß eigenwilliger Gottesdienst. Das trifft auch für die Errettung zu.
Wenn der Mensch nach dem Fleisch lebt, ist Gott nicht einmal sein Wunsch, gerettet zu werden,
angenehm. Wir lesen im Johannesevangelium: »Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das
Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem
Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott
geboren sind« (Joh. 1, 12 u. 13). Der Mensch wird nicht wiedergeboren, weil es sein Wille ist.
Er muß von Gott geboren sein. Heutzutage haben viele Christen die verkehrte Vorstellung, daß
man bestimmt ein guter Jünger Jesu sein wird, wenn man gerettet werden will und den Weg
9 Kapitel 9 246
des Lebens sucht. Es gibt doch nichts Besseres als diesen Wunsch! Trotzdem sagt Gott, daß
der Wille des Menschen nichts auszurichten vermag, was die Wiedergeburt oder andere Gott
zugeordnete Dinge betrifft. Viele Gläubige können nicht begreifen, warum im ersten Kapitel des
Johannesevangeliums steht, daß der Wille des Menschen nichts nützt, wo doch die Offenbarung
folgendermaßen schließt: »Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst« (22, 17). Das
sieht doch so aus, als sei der Mensch allein für seine Errettung verantwortlich. Erklärt Jesus
nicht selber, warum die Juden nicht gerettet werden: »Und ihr wollt nicht zu mir kommen, auf
daß ihr Leben habet« (Joh. 5, 40). Auch hier scheint die Verantwortung, ob man verloren geht
oder nicht, beim Willen des Menschen zu liegen. Haben diese scheinbaren Widersprüche eine bestimmte Bedeutung? Eine Erläuterung dieses Punktes wird uns zu einem besseren Verständnis
verhelfen, was Gott von uns als Christen fordert. Wir wissen, Gott will, daß »keiner verloren
gehe, sondern daß alle zur Buße gelangen«, und daß er »will, daß alle Menschen errettet werden
und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen« (2. Petr. 3, 9; 1. Tim. 2, 4). Wen Gott retten will
oder verloren gehen läßt, ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, welche Haltung der Sünder
gegenüber Gottes Willen einnimmt. Wenn er nur deshalb beschließt, Christ zu werden, weil er
von Natur aus zur Religiosität neigt und die Welt verachtet oder durch seine Vererbung, Umwelt
oder Angehörigen beeinflußt wurde, ist er so weit von Gott und seinem Leben entfernt, wie andere Sünder auch. Wird jemand nur aus momentaner Begeisterung Christ, wird er nicht besser
fahren als alle übrigen Sünder. Alles entscheidet sich an dieser Frage: Wie verhält sich der Sünder
zum Willen Gottes? Gott liebt ihn. Wird er seine Liebe annehmen? Christus ruft ihn, aber wird
er kommen? Der Heilige Geist möchte ihm Leben geben, aber ist er willens, geboren zu werden?
Sein Wille ist nur dazu nütze, Gottes Willen zu erwählen. Die Frage ist einzig und allein: Wie
reagiert der Wille des Menschen auf den Willen Gottes? Haben wir den Unterschied bemerkt?
Wenn der Mensch selbst beginnt, das Heil zu suchen, geht er doch verloren. Viele Religionsstifter gehören zu dieser Kategorie. Aber wenn der Mensch, der das Evangelium hört, willens
ist, anzunehmen, was Gott anbietet, wird er gerettet. Der eine produziert selbst - der andere
empfängt. Der eine will selber - der andere akzeptiert, was Gott für ihn will. Johannes (Kap. 1)
spricht vom Menschen, der selber will. Johannes (Kap. 5) und Offenbarung (Kap. 22) reden vom
Menschen, der Gottes Willen annimmt. Also sind diese beiden Aussagen nicht widersprüchlich,
sondern hier gibt es für uns eine entscheidende Lektion zu lernen. Gott will uns zeigen, daß er
in einer so wichtigen und großartigen Sache wie der Errettung nichts, was aus dem eigenen Ich
hervorgeht, annehmen kann, sondern alles verwerfen muß. Wenn wir geistlich wachsen wollen,
müssen wir die entscheidenden Prinzipien Gottes kennen und uns vor Augen halten, welche Gott
bei unserer Wiedergeburt anwendet. Diese Grundregeln zeigen, wie wir in unserem geistlichen
Leben weitergehen sollen. Wir haben einen der wichtigsten Grundsätze behandelt: Alles was aus
uns hervorgeht, d. h. aus dem Fleisch, ist Gott nicht angenehm. Selbst wenn wir eine so erhabene
und notwendige Sache wie das Heil suchen, wird doch unser eigenes Tun abgelehnt. Wir müssen
uns stets vergegenwärtigen, daß Gott nicht auf die äußere Erscheinung schaut - sei sie gut oder
böse, groß oder klein - Gott prüft, woher sie kommt, ob von Ihm oder nicht. Was das Heil betrifft,
werden wir nicht gerettet, weil wir es wollen, sondern weil Gott uns erretten will. Das gilt für
unser ganzes Leben. Wir müssen erkennen, daß, abgesehen von dem, was Gott durch uns tut,
alle Aktivitäten, wie lobenswert sie auch sein mögen, völlig bedeutungslos sind. Wenn wir dieses
wichtige Lebensprinzip nicht am Anfang unseres Glaubenslebens begreifen, werden wir unendlich
viele Niederlagen erleben. Vor der Wiedergeburt rebelliert der Wille des Menschen gegen Gott.
Darum muß Gott den Menschen zu sich ziehen und ihm neues Leben geben. Wie der Wille des
Menschen den Menschen kennzeichnet (denn er ist ja der wichtigste Bestandteil seines Wesens),
so personifiziert der göttliche Wille Gott, da dieser sein Leben selbst ist. Wenn wir sagen, daß
Gott einen Menschen zu sich führt, heißt das, daß er den Menschen seinem Willen zuführt. Es
dauert natürlich ein ganzes Leben, bis das völlig zur Erfüllung kommt, aber Gott wirkt bereits
9 Kapitel 9 247
am Anfang der Errettung auf dieses Ziel hin. Wenn der Heilige Geist einen Menschen von Sünde
überführt, ist diese Überführung derart, daß der Mensch kein Wort sagen könnte, selbst wenn
Gott ihn in die Hölle verdammen würde. Wenn Gott dann diesem Menschen seinen Heilsplan
im Kreuz Christi offenbart, wird er Gottes Vergebung gerne annehmen. Wir erkennen also, daß
der erste Schritt der Errettung im Grunde die Erretung des Willens ist. Der Glaube des Sünders
und die Annahme des Heils besteht in seinem Verlangen, das Wasser des Lebens zu nehmen und
gerettet zu werden. Genauso ist das Widerstehen sein Unwille, zum Herrn zu kommen, um Leben
zu empfangen, und darum geht er verloren. Der Kampf zwischen Gerettetwerden oder Verlorengehen wird im Willen des Menschen ausgefochten. Der Sündenfall geschah, weil der Mensch mit
seinem Willen gegen Gottes Willen rebellierte. Seine Errettung wird bewirkt, indem sein Wille
unter Gottes Gehorsam gebracht wird. Der Wille des Menschen ist bei der Wiedergeburt nicht
völlig mit dem Willen Gottes eins geworden. Weil er aber Jesus aufgenommen und dem Satan,
seinem Ich und der Welt abgesagt hat, wird der gefallene Wille trotzdem emporgehoben. Durch
den Glauben an das Wort Gottes und den Empfang des Heiligen Geistes wird auch der Wille
erneuert. Indem ein Mensch von neuem geboren wird, empfängt er einen neuen Geist, ein neues
Herz und ein neues Leben; sein Wille empfängt einen neuen Herrn und steht von nun an unter
einer anderen Herrschaft. Wenn sein Wille gehorsam ist, wird er zu einem Teil des neuen Lebens;
wenn er widersteht, wird er sich als größter Feind des neuen Lebens entpuppen. Dieser erneuerte
Wille ist viel wichtiger als die anderen Bereiche der Seele. Der Verstand kann verführt werden
und das Gefühl rebellieren, aber der Wille kann es sich nicht leisten, falsch zu handeln. Wenn der
Wille nicht richtig handelt, hat das ernste Folgen, denn er ist das eigentliche Ich des Menschen
und regiert alle anderen menschlichen Bereiche. Wenn er nicht in Ordnung ist, kann Gottes Wille
nicht verwirklicht werden.
Ein gehorsamer Wille
Was ist Heil? Nichts anderes, als von sich selbst weg und zu Gott hin gerettet zu werden. Erlösung hat zwei Seiten: ein »Trennen von« und ein »Vereinen mit«. Getrennt wird vom Ich;
vereint wird mit Gott. Alles, was nicht die Befreiung vom Ich und das Einswerden mit Gott zum
Ziel hat, ist keine echte Errettung. Was nicht den Menschen vom Selbst befreit und mit Gott
verbindet, ist nur Eitelkeit. Ein wahrhaft geistgewirkter Anfang umfaßt die Loslösung von einem
natürlich-seelischen Leben und den Eintritt in ein göttliches Leben. Alles, was dem Geschöpf
eigen ist, muß abgelegt werden, damit das Geschöpf sich der Dinge erfreuen kann, die einzig
und allein im Schöpfer sind. Der Erschaffene muß schwinden, damit sich wahres Heil auswirken
kann. Wahre Größe liegt nicht darin, daß wir viel besitzen, sondern daß wir viel aufgegeben
haben. Echtes Leben kann sich nur im Ablegen des Ichs zeigen. Wenn das Geschöpf sein Wesen,
sein Leben und sein Treiben nicht verleugnet, hat das Leben aus Gott keine Möglichkeit, sich
auszuwirken. Unser Ich ist oft der Feind des göttlichen Lebens. Unser geistliches Leben wird
ernstlich gehemmt, wenn wir unser Selbst nicht aufgeben wollen. Was ist das Ich? Es ist sehr
schwer zu erklären; wir können es nicht genau beschreiben. Sagen wir aber, das »Ich« ist der
»eigene Wille«, treffen wir die Sache ziemlich genau. Das Wesen des Menschen liegt in seinem
Willen, weil er das ausdrückt, was der Mensch eigentlich ist, was er will und wozu er bereit ist.
Bevor nicht die Gnade Gottes ihr Werk im Menschen getan hat, ist alles im Menschen - er sei
ein verlorener Sünder oder ein geretteter Sünder- grundsätzlich gegen Gott gerichtet, weil der
Mensch dem Natürlichen verhaftet ist, das im krassen Widerspruch zum Leben aus Gott steht.
Das Heil soll also den Menschen von seinem geschaffenen, natürlichen, seelischen und fleischlichen
Willen befreien. Wir wollen das noch vertiefen: Neben der Tatsache, daß Gott uns neues Leben
gibt, ist die Umkehr unseres Willens zu ihm das größte Werk der Errettung. Wir können sogar
sagen, daß Gott uns das neue Leben schenkt, damit wir unseren Willen ihm unterstellen. Das
9 Kapitel 9 248
Evangelium will es möglich machen, daß menschlicher und göttlicher Wille sich vereinen. Was
nicht dazu führt, verfehlt das Ziel. Gott richtet seinen Pfeil des Heils nicht so sehr auf unser
Gefühl oder unseren Verstand, sondern auf unseren Willen. Wenn nämlich der Wille gerettet ist,
wird alles andere miteinbezogen. Manch einer ist vielleicht bis zu einem gewissen Grad mit Gott
der Gesinnung nach eins; in vielen Dingen mag er auch Gott gefühlsmäßig zustimmen. Aber die
folgenschwerste und engste Verbindung ist das Einswerden seines Willens mit dem göttlichen
Willen. Diese Übereinstimmung umschließt alle anderen Vereinigungen zwischen Gott und dem
Menschen. Was nicht die Willensvereinigung erreicht, ist unzulänglich. Weil unser ganzes Wesen sich nach unserem Willen richtet, ist der Wille der Bereich des Menschen, der den größten
Einfluß ausübt. Selbst ein so edles Organ wie der Geist muß sich dem Willen unterordnen (wir
werden noch ausführlicher darauf eingehen). Der Geist kennzeichnet nicht den ganzen Menschen,
denn er ist bloß das Organ, das den Kontakt mit Gott herstellt. Auch der Leib kann nicht den
ganzen Menschen repräsentieren. Er ist ja nur der Teil des Mensehen, der die Verbindung zur
Welt knüpft. Aber der Wille umschließt die wahre Haltung, die Absicht und den Zustand des
Menschen. Er ist der Mechanismus in ihm, der ihm selbst am ehesten entspricht. Wenn also der
Wille nicht mit Gott eins ist, sind alle anderen Verbindungen bedeutungslos. Wenn aber der
herrschende Wille des Menschen völlig mit Gott vereint wird, ist der Mensch freiwillig und völlig
Gott unterstellt. Unsere Vereinigung mit dem Herrn erfolgt in zwei Schritten: Es sind dies eine
Vereinigung des Lebens und ein Einswerden des Willens. Wenn wir wiedergeboren werden und
sein Leben empfangen, werden wir mit ihm vereinigt im Leben. Wie Gott durch seinen Geist
lebt, werden wir von nun an auch durch den Heiligen Geist leben. Das ist das Band des Lebens.
Das heißt: Wir haben Leben aus Gott. Es ist dies eine innere Vereinigung. Aber was dieses Leben zum Ausdruck bringt, ist der Wille. Also muß es zu einer äußeren Vereinigung kommen,
einer Vereinigung des Willens. Mit dem Herrn im Willen vereint zu sein, bedeutet: Wir sind
eines Willens mit ihm. Diese zwei Vereinigungen stehen in Beziehung zueinander, keine ist von
der anderen unabhängig. Die Einheit des neuen Lebens ist spontan, denn dieses neue Leben ist
das Leben Gottes. Aber die Einheit des Willens ist nicht spontan und daher nicht so einfach,
weil der Wille unser Ich ist. Wir wir bereits erwähnt haben, will Gott das Leben unserer Seele
töten, aber nicht, um deren Funktion aufzuheben. Nachdem wir mit dem Herrn im Leben eins
geworden sind, ist es sein Ziel, unsere Seele und ihre verschiedenen Bereiche zu erneuern, damit
unsere Seele im Einklang mit dem neuen Leben steht und infolgedessen eins mit seinem Willen
ist. Da unser Wille eine solch wichtige Funktion hat, sucht Gott täglich dessen Vereinigung mit
seinem Willen. Das Heil ist nicht vollständig, wenn der menschliche Wille nicht völlig mit dem
göttlichen Willen vereint ist. Ohne diese totale Vereinigung steht das Ich des Menschen noch
immer auf Kriegsfuß mit Gott. Er will uns sein Leben geben, aber er will auch unsere völlige
Vereinigung mit ihm. Wenn wir aufmerksam die Schrift lesen, zeigt sie uns, daß unseren Sünden
ein gemeinsamer Nenner zugrundeliegt: das Prinzip des Ungehorsams. Durch Adams Ungehorsam gehen wir alle verloren; durch Christi Gehorsam werden wir gerettet. Einst waren wir Söhne
des Ungehorsams, jetzt ist es Gottes Wunsch, daß wir Söhne des Gehorsams seien. Ungehorsam heißt, dem eigenen Willen zu folgen. Gehorsam heißt: Gottes Willen befolgen. Die Absicht
des göttlichen Heils ist, uns dahin zu bringen, daß wir unseren Willen verleugnen und mit ihm
eins werden. Gerade hier besteht unter den modernen Christen ein großes Mißverständnis. Sie
meinen, geistliches Leben bedeute freudige Gefühle oder großes Wissen. Sie verbringen viel Zeit
damit, verschiedenen gefühlsmäßigen Erfahrungen nachzujagen oder sich verstandesmäßiges Bibelwissen anzueignen, weil sie denken, diese beiden Dinge seien anderen Dingen weit überlegen.
Während sie dabei nach ihren Gedanken und Gefühlen handeln, gehen sie umher und erfüllen
viele gute, großartige und bemerkenswerte Aufgaben und meinen, Gott damit zu gefallen. Sie
begreifen nicht, daß Gott nicht danach fragt, was sie empfinden oder denken. Ihm geht es nur
darum, daß ihr Wille mit seinem Willen eins wird. Gott gefällt es, wenn seine Kinder wollen, was
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er will, und tun, was er sagt. Nur das hat Wert: wenn sich ein gläubiger Mensch vorbehaltlos
Gott ausliefert und bereit ist, seinen Willen anzunehmen. Alles andere, was den Anschein von
geistlichem Leben trägt - seien es fromme und selige Gefühle oder kluge Ideen -, ist nur äußerer
Schein. Dazu gehören Visionen, Träume, Stimmen, Seufzer, Eifer, Werke und Betriebsamkeit.
Wenn der Gläubige nicht in seinem Willen entschlossen ist, den Lauf zu vollenden, den ihm Gott
vorgelegt hat, ist nichts von Wert. Wenn wir wirklich eines Willens mit Gott sind, werden wir
augenblicklich von allen Aktivitäten, die aus uns selbst entspringen, ablassen. Von nun an hat
kein unabhängiges Handeln mehr Platz. Wir sind dem Ich gestorben und leben für Gott. Wir
arbeiten nicht mehr für ihn nach eigenem Antrieb und nach unseren Ansichten. Wir handeln
erst, wenn wir von Gott dazu bewegt werden. Wir sind von allem eigenen Tun befreit. Solch eine
Vereinigung ist mit anderen Worten eine Veränderung des Zentrums - ein neuer Anfang. Früher
konzentrierten sich alle Aktivitäten auf das Ich, jetzt ist alles von Gott. Er fragt nicht danach,
was wir begonnen haben. Er fragt nur wer es begonnen hat.
Die Hand Gottes
Weil viele Gläubige gerettet, aber nicht völlig Gott Untertan sind, verwendet er viele Mittel
und Wege, um sie zum Gehorsam zu führen. Er bewegt die Seinen durch seinen Geist und läßt
sie seine Liebe spüren, damit sie ihm allein gehorchen und nur noch seinen Willen tun wollen.
Aber oft erwirken diese Maßnahmen nicht die von Gott gewollte Haltung in seinen Kindern.
Darum muß Gott seine Hand gebrauchen, um sie dahin zu führen, wo er sie haben möchte.
Seine Hand wirkt hauptsächlich durch Umstände. Gott legt seine Hand schwer auf seine Kinder,
um sie zu zerbrechen, zu zerschlagen oder zu binden, damit sich ihr Wille nicht länger gegen
seinen Willen verhärtet. Der Herr ist erst dann zufrieden, wenn wir ganz mit seinem Willen
vereint sind. Damit er dieses Ziel erreicht, läßt er es zu, daß uns viele unangenehme Dinge
widerfahren. Er läßt uns seufzen, uns sorgen und leiden. Er sorgt dafür, daß sich uns viele
praktische Kreuze in den Weg stellen, damit wir unser Haupt beugen und kapitulieren. Von
Natur aus ist unser Wille sehr eigensinnig. Er widersetzt sich dem Gehorsam Gottes, bis er
schwer gezüchtigt worden ist. Indem wir uns unter die mächtige Hand Gottes demütigen und
willig seine Zucht annehmen, erhält unser Wille einen weiteren Schlag und wird wiederum in den
Tod gegeben. Widerstehen wir ihm immer noch, warten härtere Schläge auf uns, die uns unter
seine Herrschaft bringen sollen. Gott beabsichtigt, uns alles Eigene zu nehmen. Alle Gläubigen,
die wirklich wiedergeboren sind, wollen nach Gottes Willen leben. Manche legen ein öffentliches
Versprechen ab, andere fassen diesen Entschluß in der Stille. Gott führt seine Kinder durch viele
schwere Situationen, um zu prüfen, ob ihr Versprechen oder ihr Entschluß echt war. Er läßt sie
materielle Güter verlieren, Gesundheit, Ruf, Stellung, Brauchbarkeit. Mehr noch, er nimmt ihnen
Glücksgefühle, das Bewußtsein seiner Gegenwart und seine Tröstungen. Er muß ihnen zeigen, daß
alles - außer seinem Willen - verleugnet werden muß. Wenn es Gottes Wille ist, sollten wir bereit
sein, körperliche Leiden und Schmerzen auf uns zu nehmen. Wir müssen bereit sein, Dürre,
Finsternis und Kälte anzunehmen, wenn es ihm gefällt, uns solches zuteil werden zu lassen. Und
wenn er alles von uns nimmt -sogar unseren Dienst für ihn -, müssen wir auch das akzeptieren. Er
will, daß sich seine Kinder bewußt sind: Er hat sie nicht zu ihrem Vergnügen gerettet, sondern für
seinen Willen. In Gewinn oder Verlust, in Freud oder Leid, in Bewußtsein seiner Gegenwart oder
des Verworfenseins dürfen Christen allein nach Gottes Willen trachten. Wenn es sein Wille wäre,
uns zu verwerfen (was nie der Fall ist!), könnten wir dann freudig die Verwerfung annehmen?
Wenn sich ein Sünder dem Herrn anvertraut, ist am Anfang des Glaubenslebens die Seligkeit
sein Ziel. Das ist ihm in dieser besonderen Zeit erlaubt. Wenn er eine Weile unterwiesen und in
Gott gegründet wurde, erkennt er bald, daß er allein um Gottes Willen zu erfüllen zum Glauben
gekommen ist. Er kümmert sich nicht mehr um seinen eigenen Gewinn oder Verlust. Wenn es
9 Kapitel 9 250
Gott verherrlichte, wenn er in die Hölle führe, wäre er dazu bereit. Dies ist natürlich nur ein
angenommener Fall. Aber die Christen müssen erkennen, daß sie nicht um ihretwillen auf der
Erde leben, sondern um Gottes Willen zu tun. Ihr größter Segen, ihr höchstes Vorrecht, ihre
erhabenste Ehre ist es, ihrem verderbten Willen absagen zu dürfen, um sich mit Gottes Willen
zu vereinen, damit Gott dadurch seines Herzens Wunsch erfüllen kann. Der Gewinn oder der
Verlust, die Freude oder der Schmerz, die Ehre oder die Schande des Geschöpfes fällt überhaupt
nicht ins Gewicht. Wenn nur der Höchste befriedigt werden kann, kommt es nicht darauf an, wie
tief der Demütige erniedrigt wird. Dies ist der einzige Weg für den Gläubigen, sich selbst völlig
an Gott zu verlieren.
Zweierlei Maß
Zwei Dinge müssen geschehen, die uns mit Gottes Willen vereinen: Gott muß erstens die Aktivität
unseres Willens sich selbst unterordnen, und zweitens muß er das Leben unseres Willens besiegen.
Häufig ist unser Wille dem Herrn nur in bestimmten Dingen Untertan, und trotzdem wiegen wir
uns in dem Glauben, wir seien Ihm in allen Dingen gehorsam. Aber tief in unserem Herzen
verbirgt sich eine geheime Neigung, die an die Oberfläche tritt, wenn sich dazu die Gelegenheit
bietet. Gott will nicht nur die Bewegungen unseres Willens begrenzen, sondern er will auch
dessen innerste Neigungen töten, damit er völlig umgewandelt wird. Streng genommen sind ein
gehorsamer Wille und ein harmonischer Wille zweierlei. Gehorsam bezieht sich auf die Aktivität,
Harmonie auf Leben, Eigenart und Neigung. Der Gehorsam eines Dieners zeigt sich im Ausführen
aller Befehle seines Meisters. Aber ein Sohn, der das Vaterherz kennt und mit dem Willen des
Vaters eins ist, tut nicht nur seine Pflicht, sondern tut sie auch mit Freuden. Ein gehorsamer Wille
setzt dem eigenen Tun eine Schranke, aber der harmonische Wille ist außerdem ein Herz und eine
Seele mit Gott. Nur wer im Einklang mit Gott lebt, vermag Gottes Herz richtig zu verstehen.
Dem Menschen, der noch nicht den völligen Einklang seines Willens mit Gottes Willen erreicht
hat, steht das Höchste im geistlichen Leben noch bevor. Es ist gut, dem Herrn zu gehorchen,
aber erst der Sieg der Gnade über das natürliche Leben des Christen stellt die völlige Harmonie
mit Gott her. Erst wenn sich menschlicher und göttlicher Wille vereinen, erlebt der Christ die
höchste Ebene seines geistlichen Lebens. Viele Gläubige meinen, daß sie bereits ihren Willen
völlig aufgegeben hätten. Aber nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Wenn die
Versuchung oder Prüfung naht, entdecken sie, daß ein gehorsamer Wille nicht dasselbe ist, wie
ein harmonischer Wille; daß es nicht unbedingt dasselbe ist, ob wir Gott nicht widerstehen oder
keinen Eigenwillen mehr haben. Wer möchte schon nicht etwas für sich gewinnen, ein wenig
für sich behalten? Wer verlangt wirklich nicht nach Gold oder Silber, Ehre, Freiheit, Freude,
Vorteilen, Positionen oder anderen Dingen? Mancher Christ denkt vielleicht, daß er sich nichts
aus solchen Dingen macht; solange er sie hat, ist ihm nicht bewußt, daß er an ihnen hängt.
Aber wenn er nahe daran ist, sie zu verlieren, merkt er bald, wie fest er sich an sie klammert.
Ein gehorsamer Wille kann in vielen Fällen mit Gottes Willen übereinstimmen, aber früher
oder später muß es zu einem gewaltigen Kampf zwischen dem Leben des Willens des Gläubigen
und Gottes Willen kommen. Wenn Gottes Gnade nicht völlig zum Zuge kommt, ist es dem
Gläubigen kaum möglich zu überwinden. Hieraus wird uns klar, daß ein gehorsamer Wille nicht
als der Zustand der Perfektion angesehen werden kann. Der Wille, obwohl gebrochen und der
Widerstandskraft gegen Gott beraubt, muß noch zur Einmütigkeit mit ihm gelangen. Wir geben
natürlich zu, daß es an sich schon eine Frucht seiner großen Gnade ist, wenn wir an den Punkt
gelangen, wo wir keine Kraft mehr haben, Gott zu widerstehen. Auch sagen wir gewöhnlich,
daß ein gehorsamer Wille schon in sich selbst tot ist. Aber genau gesagt besitzt er immer noch
einen ungebrochenen Lebensfaden. Da lebt noch eine verborgene Neigung, eine heimliche Freude
am alten Leben. Das ist der Grund dafür, daß diese Christen zeitweise mit geringerer Freude,
9 Kapitel 9 251
geringerem Eifer und weniger Fleiß dem Herrn gehorchen. Obwohl der Wille Gottes tatsächlich
befolgt wird, deckt er sich nicht immer mit dem, was sie persönlich wollen. Wäre das Eigenleben
gründlich in den Tod gegeben worden, würde der Gläubige stets allem gegenüber genau die gleiche
Haltung einnehmen, wie Gott es von ihm will. Alle Unterschiede sind ein Beweis für die mangelnde
Harmonie zwischen dem menschlichen und göttlichen Willen. Diese zwei Verhaltensweisen des
Willens werden an den Beispielen von Lots Frau, den Israeliten und dem Propheten Bileam
deutlich. Wie Lots Frau Sodom verließ, die Israeliten von Ägypten auszogen und Bileam Israel
segnete- dies kann alles als Gehorsam gegenüber Gottes Willen bezeichnet werden. Sie waren
Männer und Frauen, die dem Herrn untenan waren, die nicht ihrer eigenen Meinung folgten.
Trotzdem waren ihre inneren Neigungen nicht eins mit Gott. Darum strauchelten sie alle. Wie
oft ist die Richtung unserer Tritte korrekt, aber im Geheimen weicht unser Herz von Gott ab.
Darum kommen wir schließlich zu Fall.
Der Weg zum Überwinden
Gott gehorcht niemals uns. Nichts kann ihm mehr gefallen, als wenn wir ihm, das heißt seinem
Willen, gehorchen. Wie vornehm, großartig und unerläßlich eine Sache scheinen mag, sie ist kein
Ersatz für Gottes Willen. Er will, daß wir seinen Willen tun. Er tut ihn selbst und fordert von uns
das gleiche. Von seiner Warte aus erkennt er nichts als Verderbtheit, wo vom menschlichen Ich
noch etwas zu sehen ist. Wenn Werke unter der Leitung des Heiligen Geistes Zustandekommen,
sind sie gut und nützlich. Wenn dieselben Werke aber aus dem Menschen hervorgehen, schwindet
ihr Wert dahin. Infolgedessen ist weder die Absicht des Ausführenden, noch das Wesen der
betreffenden Sache entscheidend, sondern allein der Wille Gottes. Dies ist der erste Punkt, den
wir uns merken müssen. Wir wollen uns als nächstes fragen, wie der menschliche Wille mit Gottes
Willen in Einklang kommt. Wie kann der Mensch seinen Eigenwillen aus seinem Zentrum rücken
und Gottes Willen an seinen Platz stellen? Es hängt alles vom natürlichen Leben ab. In dem
Maß, in dem wir von der Herrschaft des Seelenlebens befreit werden, können wir Vereinigung
mit Gott erleben, denn nichts hindert dieses Einssein mehr als die Energie der Seele. Je mehr
die Lebenskraft der Seele gebrochen wird, um so gründlicher wird sich unser Wille auf Gott
ausrichten. Das neue Leben in uns ist Gott übereignet, aber es wird durch das alte Leben der
Seele unterdrückt. Unser seelisches Leben in den Tod zu geben ist daher der Weg, der zum
eigentlichen geistlichen Leben führt. Außerhalb von Gott ist der Mensch verloren, und Dinge
außerhalb von Gott sind wertlos. Alles, was außerhalb von Gott gewirkt ist, kommt aus dem
Fleisch. Jede Kraft, jeder Gedanke, der nicht von ihm kommt, ist verflucht. Der Gläubige muß
seine eigene Kraft verleugnen. Er sollte von sich selbst in jeder Beziehung völlig absehen. Er
sollte nichts für sich selbst tun, sondern in allem auf Gott vertrauen. Der Gläubige muß Schritt
für Schritt vorwärts gehen, nach Gottes Plan - indem er Gottes Zeit abwartet und sich an seine
Bedingungen hält. Er muß gerne bereit sein, von Gott Kraft, Weisheit, Gerechtigkeit und seine
Aufgaben zu empfangen, und er muß Gott als den Urheber aller Dinge anerkennen. Auf diese
Weise wird sich echte Harmonie verwirklichen. Dies ist in der Tat die »enge Pforte« - ein schwerer
Weg. Er ist deshalb schmal und steil, weil Gottes Wille der Maßstab für jeden Schritt sein muß.
Er kennt nur eine Regel: keine Vorteile für sich selbst zu suchen. Die geringste Abweichung von
dieser Regel führt vom Weg ab. Aber der Weg ist gangbar, denn wenn man das Seelenleben
verliert, wird dem Herrn kein Widerstand mehr im Wege stehen. Es ist traurig, daß so wenige
Christen diese Pforte passieren und diesen Weg beschreiten. Einige haben wohl den Weg betreten,
aber gehen nicht mit Ausdauer voran. Wie lang oder kurz diese schwere Zeit auch sein mag -
es gibt keinen anderen Weg des Lebens. Dies ist Gottes Tor und Gottes Weg. Er ist wahrhaftig
und zuverlässig. Jeder, der ein Leben aus der Fülle ersehnt, muß ein Wanderer auf diesem Weg
werden.
9 Kapitel 9 252
Die Passivität und ihre Gefahren
»Mein Volk geht aus Mangel an Erkenntnis zugrunde« (Hos. 4, 6-Schlachter), das läßt sich auch
auf unsere Generation anwenden. Allgemein mangelt es den Christen an zwei Arten von Erkenntnis: 1. Die Erkenntnis der Bedingungen, unter welchen böse Geister wirken. 2. Die Erkenntnis der
Prinzipien eines Lebens im Geist. Unwissenheit in diesen Punkten gibt Satan und seinen bösen
Geistern einen unglaublichen Vorteil und fügt der Gemeinde Jesu großen Schaden zu. Es betrübt
uns so sehr, daß Christen mit ihrer Bibelkenntnis und Erfahrung prahlen, obwohl Unverstand ihr
Leben beherrscht. Sie erkennen nicht, daß ihre sogenannte Erkenntnis nur menschliche Vernunft
und daher zu nichts nütze ist. Demut vor dem Herrn und Eifer im Trachten nach Offenbarungen
göttlicher Wahrheiten kennen sie kaum. Während sie sich ihrer reichen Erkenntnis rühmen, versinken sie im Treibsand, aus dem sie weder sich noch andere befreien können. Das sind wirklich
schlimme Zustände.
Das Gesetz von Ursache und Wirkung
Für alles, was Gott geschaffen hat, gibt es ein Gesetz. Alles Handeln wird von Gesetzen bestimmt. Folglich handeln auch böse Geister nach festgelegten Gesetzen. Eines davon ist, daß
bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen haben. Wenn nun jemand die Voraussetzungen für
das Wirken böser Geister erfüllt (bewußt, wie der Zauberer, das Medium oder der Wahrsager,
oder unwissend, wie z. B. mancher Christ), dann hat er ihrem Wirken Raum gegeben. Wir sehen,
daß hier das Gesetz von Ursache und Wirkung zutrifft. Feuer brennt, Wasser ertränkt. Das sind
Gesetze. Wer ins Feuer fällt, verbrennt. Wer ins Wasser springt und nicht schwimmen kann, wird
ertrinken. So wird jedem, der die Voraussetzungen zum Wirken böser Geister erfüllt, von ihnen
zugesetzt werden. Hier gilt also das gleiche Gesetz von Ursache und Wirkung. Das Gesetz kümmert sich nicht darum, ob jemand ein Christ ist oder nicht; wenn die Voraussetzungen stimmen,
werden die bösen Geister handeln. Wie ein Christ verbrennt oder ertrinkt, wenn er ins Feuer oder
Wasser fällt, genauso kann er nicht der Gefahr entrinnen, wenn er unwissend die Bedingungen
für das Wirken böser Geister erfüllt. Dem entgeht man nicht, nur weil man ein Kind Gottes ist.
Wenn man dem Feind Gelegenheit gibt, wird dieser nicht zögern, zum Angriff überzugehen. Was
sind denn nun die Voraussetzungen für das Wirken des Feindes? Was begünstigt sein böses Tun?
Das ist die entscheidende Frage. Die Bibel bezeichnet diese Voraussetzung als »Raum« (Eph.
4, 27) oder als »Gelegenheit«. Sie kann auch als »Spielraum« bezeichnet werden. Dies bezeichnet allen leeren Raum im Menschen, der bösen Geistern ausgeliefert wurde. Dieser Bereich oder
Raum bildet die Grundlage für ihr Handeln. Sobald die bösen Geister eine Basis erworben haben, beginnen sie in den Menschen einzudringen - ob er nun ein Gläubiger oder ein »Heide« ist.
Alles, was bösen Geistern eine Gelegenheit oder eine Handhabe für ihre Angriffe bietet, kann als
»Raum« bezeichnet werden. Wenn ihnen Raum gegeben wurde, ist eine Invasion unvermeidlich.
Die bestimmte Ursache hat ihre bestimmte Wirkung zur Folge. Ein Christ, der bösen Geistern
Spielraum überläßt und sich trotzdem über alle Angriffe erhaben wähnt, ist bereits vom Feind
ernsthaft betrogen worden. Um es anders zu sagen: der Raum oder das Gebiet, das der Gläubige
dem Teufel einräumt, ist Sünde. Und Sünde schließt alle erdenklichen Bereiche ein. Wenn er Sünde behält, behält er auch die bösen Geister, die sich dahinter verbergen. Alle Sünde gibt ihnen
Spielraum. Es gibt aber zweierlei Sünde: Begehungssünde und Unterlassungssünde. Begehungssünden sind jene, die ein Mensch aktiv begeht: Seine Hände vollbringen schlechte Handlungen,
seine Augen verfolgen böse Vorgänge, seine Ohren hören üble Stimmen, sein Mund spricht unreine Worte. Diese Dinge geben bösen Geistern die Gelegenheit, in unterschiedlichem Ausmaß
von den Händen, Augen, Ohren und Lippen eines Gläubigen Besitz zu ergreifen. Das Glied, mit
dem er sündigt, lädt den Feind ein und liefert sich dadurch seiner Herrschaft aus. Wenn sündigen die Ursache für den feindlichen Einfall ist, dann muß der Gläubige unverzüglich davon
9 Kapitel 9 253
ablassen, um den verlorenen Raum wieder zurückzugewinnen. Sonst werden die bösen Geister
ihre Basis allmählich ausweiten, bis schließlich der ganze Mensch völlig unter ihrer Herrschaft
steht. Viele Christen haben zwar die Tatsache im Glauben angenommen, daß sie mit Christus
gestorben sind, und doch finden sie es so schwer, die hartnäckig anhaftenden Sünden abzulegen.
Neben dem Problem des »Fleisches«, besteht ihr Problem darin, daß sie von übernatürlichen,
bösen Mächten angegriffen worden sind. Diese Art bewußt begangener Sünde, die bösen Geistern
Handlungsfreiheit bietet, wird größtenteils von Christen als solche erkannt. Darum wollen wir
uns nicht weiter darüber auslassen, sondern uns nun auf die andere Art- die Unterlassungssündekonzentrieren. Sie wird häufig mißverstanden. Weil dies zum Bereich des Willens gehört, wollen
wir ausführlich darauf eingehen. Eine gern vertretene Auffassung bezeichnet nur Tatsünden als
Sünden, Unterlassungssünden hingegen nicht. Aber die Bibel sagt, daß nicht nur das Sünde ist,
was ein Mensch an Ungerechtigkeit bewußt begeht, sondern auch: »Wer nun weiß, Gutes zu tun,
und tut es nicht, dem ist es Sünde« (Jak. 4,17). Gottes Wort bezeichnet beides gleichermaßen als
Sünde: was der Mensch tut und was er unterläßt. Sünde gibt dem Wirken böser Geister Handhabe oder Raum. Und neben der begangenen Sünde gibt auch die Sünde der Unterlassung dem
Feind einen Wirkungsraum. Die eigentliche Unterlassungssünde, die den bösen Geistern Raum
gewährt, ist die Passivität des Gläubigen. Einen Bereich unseres Seins nicht zu gebrauchen, ist
in Gottes Augen genau so Sünde, wie denselben zu mißbrauchen. Der Herr hat uns mit verschiedenen Fähigkeiten ausgestattet; sie dürfen weder mißbraucht werden noch brachliegen. Wenn ein
Mensch aufhört, eine natürliche Gabe zu gebrauchen und sie in Untätigkeit absinken läßt, gibt
er damit dem Teufel und seinen Helfern eine Gelegenheit, sie an seiner Stelle zu nutzen. Dies
bildet dann die Basis für ihre finsteren Machenschaften. Allen Christen ist klar, daß Sünde die
Grundlage für Satans Angriffe bildet, aber zahllose Gläubige sind sich dessen nicht bewußt, daß
auch Passivität Sünde ist und somit eine Voraussetzung für solche Angriffe bildet. Wenn erst
Raum gegeben wurde, sind Angriffe unvermeidlich, denen dann Leiden folgen.
Passivität
Was den Angriff des Feindes bei den »Heiden« und auch bei fleischlichen Christen in erster Linie
auslöst, ist mutwillige Sünde. Aber »die hauptsächliche Ursache des Betruges . . . bei gottgeweihten Gläubigen kann in einem Wort zusammengefaßt werden: Passivität, das heißt, ein Einstellen
der aktiven Betätigung des Willens bei der Beherrschung von Geist, Seele und Leib, oder einem
von den dreien.« Der Wille hört auf, Dinge zu entscheiden, die ihm vorgelegt werden. »Das Wort
Passivität drückt genau das Gegenteil von Aktivität aus; im Erleben des Gläubigen bedeutet das
kurz gesagt: 1. Verlust der Selbstbeherrschung, d. h. der Fähigkeit, selbst alle Bereiche seines
Wesens zu beherrschen. 2. Verlust des freien Willens, d. h. der Fähigkeit, selbst den Willen als
das führende Prinzip zur Beherrschung seiner Persönlichkeit im Einklang mit dem Willen Gottes
zu betätigen*.« Aus dem Brachliegenlassen seiner verschiedenen Anlagen entsteht die Passivität
eines Gläubigen. Er hat einen Mund, aber er weigert sich zu reden, weil erhofft, der Heilige Geist
werde durch ihn sprechen. Er hat Hände, aber ist nicht bereit, sie zu gebrauchen, da er von Gott
erwartet, daß er es für ihn tut. Er betrachtet sich selbst als Gott völlig hingegeben, darum will er
keinen Bereich seiner Persönlichkeit mehr gebrauchen. Dadurch verfällt er in einen Zustand der
völligen Trägheit, der dem Betrug und der darauffolgenden Besetzung durch böse Geister Tür
und Tor öffnet. Viele Christen entwickeln eine verkehrte Auffassung von Einssein, nachdem sie
die Lehre vom Einswerden mit Gottes Willen angenommen haben. Sie legen diesen Begriff falsch
aus, indem sie meinen, man müsse Gott in passiver Weise gehorchen. Sie meinen, ihr Wille sei
auszuschalten und sie müßten Marionetten werden und dürften nicht mehr ihren eigenen Willen
verwenden, noch habe er über irgendeinen anderen Bereich ihres Leibes zu herrschen. Sie wählen,
entscheiden und handeln nicht mehr mit ihrem Willen. Das sieht zunächst wie ein großer Triumph
9 Kapitel 9 254
aus, denn erstaunlicherweise »wird die willensstarke Persönlichkeit plötzlich passiv hingegeben«
(Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, S. 73). Sie hat in keiner Auseinandersetzung eine eigene Meinung, sondern befolgt strikt jeden Befehl. Dieser Christ gebraucht weder den Verstand noch den
Willen, ja nicht einmal das Gewissen, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, weil er ein
Mensch totalen Gehorsams ist. Nur wenn er angetrieben wird, bewegt er sich - das ist die beste
Voraussetzung für das Wirken des Feindes. Wenn der Christ in diesen Zustand der Untätigkeit
verfällt, zieht er sich von aller Aktivität zurück. Ja, er wartet beständig darauf, von einer äußeren
Kraft bewegt zu werden. Es sei denn, diese Kraft zwingt ihn, etwas zu tun, so bleibt er untätig.
Wenn er diesen Zustand andauern läßt, wird der Betreffende feststellen, daß er manchmal, wenn
er handeln sollte, nicht handeln kann, weil diese äußere Kraft nicht über ihn gekommen ist. Er
ist sogar dann unfähig, etwas zu tun, wenn er es möchte. Ohne diese Kraft von außen kann er
keinen Schritt tun. Sein Wille ist unterdrückt, und er ist gebunden. Er kann nur tätig werden,
wenn diese fremde Macht kommt und ihn bewegt.
Der Unverstand des Gläubigen
Die bösen Geister machen sich diesen Zustand der Passivität zunutze, um mit ihren listigen Anläufen ans Ziel zu kommen, während der Betreffende beharrlich daran festhält, diese Untätigkeit
sei wahrer Gehorsam gegenüber Gott und vollkommenes Einssein mit seinem Willen. Er erkennt
nicht, daß Gott nie Passivität fordert. Es sind Mächte der Finsternis, die ihn in diesen Zustand
getrieben haben. Gott möchte vielmehr, daß seine Kinder aktiv ihren Willen betätigen, um mit
ihm zusammenzuarbeiten. Gerade das sagen Schriftstellen wie: »Wenn jemand dessen Willen tun
will, wird er inne werden . . .« (Joh. 7, 17); »bittet, um was ihr wollt: es wird euch zuteil werden«
(Joh. 15, 7). Gott ignoriert unseren Willen nicht. Wir Menschen erfreuen uns eines freien Willens.
Gott beschneidet uns nie in unserer Willensfreiheit. Obwohl er von uns erwartet, daß wir ihm
gehorchen, respektiert er unsere Persönlichkeit (beachte: das Wort »Persönlichkeit« bezieht sich
hier immer auf die Person des Menschen, nicht auf seinen Charakter). Sein Wunsch ist es, daß wir
wollen, was er will. Er übt aber keinen Zwang auf unser Begehren aus und engt unseren Willen
nicht bis zur totalen Untätigkeit ein. Er braucht unsere bewußte Mitarbeit. Sein Wohlgefallen ist
es, daß das Geschöpf den höchstmöglichen Stand erreicht, das heißt, die vollkommene Freiheit
des Willens. Bei der Erschaffung ordnete Gott dem Menschen einen freien Willen zu; bei der
Erlösung stellt er diesen Willen wieder her. Da Gott den Menschen nicht dazu schuf, ihm mechanisch zu gehorchen, erwartet er vom erlösten Menschen nicht, wie ein Roboter zu funktionieren,
der von ihm ferngesteuert wird. Gewiß bekundet sich Gottes Größe darin, daß er von uns nicht
erwartet, daß wir uns in Holz oder Stein verwandeln, um ihm gehorchen zu können. Gottes Weg
ist es, uns durch das Wirken seines Geistes in unserem Geist dahin zu bringen, daß wir ihm
bereitwillig gehorchen. Gott weigert sich, für uns zu wollen. Mit einem Wort: Das Gesetz, das
göttliches und satanisches Wirken im Menschen regiert, ist ein und dasselbe. Gott hat den Menschen mit einem freien Willen ausgestattet. Das bedeutet: Es steht in des Menschen Macht, in
allen Dingen selbst zu entscheiden und zu wählen. Obwohl Gott der Herr des Universums ist, ist
er bereit, sich einschränken zu lassen, indem er keinen Zwang auf den freien Willen des Menschen
ausübt. Er zwingt den Menschen nie, sich ihm unterzuordnen. Genauso kann sich auch Satan
keinen Bereich des Menschen ohne dessen unbewußte oder bewußte Einwilligung widerrechtlich
aneignen. Sowohl Gott als auch der Teufel brauchen die Zustimmung des Menschen, ehe sie in
ihm wirken können. Wenn der Mensch das Gute »begehrt«, wird Gott es vollbringen; aber wenn
er Böses »begehrt«, wird der böse Geist es erfüllen. Genau das geschah im Garten Eden. Vor der
Wiedergeburt war der Wille des Menschen von Satan versklavt und darum nicht frei. Aber bei
einem wiedergeborenen und sieghaften Christen ist der Wille frei - er kann deshalb das Göttliche erwählen. Natürlich läßt Satan nicht ab, und so erfindet er verschiedene Mittel und Wege,
9 Kapitel 9 255
um ihn zurückzugewinnen. Er ist sich darüber völlig klar, daß der Christ dazu nie freiwillig die
Erlaubnis geben wird. Darum wendet er seine Listen an, um die notwendige Zustimmung zu erhalten. Merken wir uns gut: Satan muß die Erlaubnis des Gläubigen erhalten, aber der Gläubige
wird sie ihm nicht geben. Darum ist Satan gezwungen, zum Betrug zu greifen, um sich so die
Einwilligung des Gläubigen zu sichern. Ohne das Einverständnis des Menschen können die bösen
Geister nicht eindringen, und sie können nur soweit vordringen, wie sein Wille es zuläßt. Wenn
der Gläubige sowohl die Prinzipien des geistlichen Lebens als auch die Voraussetzungen für das
Wirken böser Geister kennt, gerät er nicht in diese Gefahr. Weil er nicht erkennt, wie wichtig
im geistlichen Leben ein aktiver, im Einklang mit Gott tätiger Wille ist, und nicht Bescheid
weiß über die Vorteile, die sich der Feind durch Untätigkeit sichert, gestattet er seinem Willen,
passiv zu sein. Wir müssen immer bedenken, daß Gott nie den menschlichen Willen durch seinen
Willen ersetzt. Der Mensch trägt die Verantwortung für sein Tun. Gott entscheidet nicht für ihn.
Wenn Menschen ohne das Wirken böser Geister passiv sind, so ist diese Passivität ganz einfach
auf Faulheit oder Trägheit zurückzuführen. Gewöhnlich können solche Christen (deren Passivität
nichts mit dem Wirken böser Geister zu tun hat) jederzeit aktiv werden. Wenn sie aber in Passivität gefallen sind, die zu dämonischer Besitzergreifung führt, können sie nicht aktiv werden,
selbst wenn sie es wollten. Folgendes ist also die Antithese zwischen dem Wirken Gottes und
dem Wirken Satans. Obwohl Gott will, daß der Mensch sich ihm ganz ausliefert, will er auch,
daß der Mensch jede natürliche Anlage, die er besitzt, in Zusammenarbeit mit dem Heiligen
Geist gebraucht. Satan dagegen verlangt vom Menschen die totale Aufgabe seines Willens und
Handelns, damit seine bösen Geister an ihrer Stelle wirken können. Dieser Gegensatz ist wirklich
ernüchternd: Gott beauftragt den Menschen, bewußt und freiwillig zu wählen, seinen Willen zu
tun, damit sein Geist, seine Seele und sein Leib frei seien. Satan zwingt den Menschen, sein
passiver Sklave und Gefangener zu werden. Gott erwählt den Menschen, selbstständig, frei und
sein eigner Herr zu sein. Satan zwingt den Menschen, eine Marionette zu sein, die vollständig
von ihm manipuliert wird. Gott verlangt nie vom Menschen, zuerst untätig zu werden, bevor
er wirken kann. Satan fordert vom Menschen, völlig passiv und untätig zu sein. Gott bittet den
Menschen, mit ihm bewußt zusammenzuarbeiten. Satan verlangt vom Menschen, ihm passiv zu
gehorchen. Wohl fordert Gott den Menschen auf, alles sündhafte Handeln zu meiden, weil sonst
eine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist unmöglich wäre. Aber Satan nötigt den Menschen,
all sein Handeln zu lassen, samt dem Wirken unserer Seele, damit Satans Gesandte anstelle
des Menschen handeln können. So wird der Mensch zu einem Rädchen im Getriebe reduziert,
ohne bewußte Verantwortung. Es ist eine erschreckende Tatsache, daß viele Christen sich nicht
der Innewohnung Gottes bewußt sind und nicht das Prinzip seines Wirkens an ihnen kennen.
Sie meinen, sie sollten wie eine Schachbrettfigur sein, die er beliebig herumschieben kann. Sie
meinen, sie müßten absolut passiv sein, dürften weder entscheiden noch wählen, sondern müßten
sich unbewußt von Gott dirigieren lassen. Sie vergessen, daß Gott den Menschen mit einem freien
Willen schuf. Natürlich gefällt es Gott nicht, wenn der Mensch etwas anderes will als er, aber er
hat auch keine Freude daran, wenn der Mensch ihm nur mechanisch und unbewußt gehorcht. Er
ist zufrieden, wenn ein Mensch will, was er will. Viele Dinge muß der Gläubige selbst ausführen;
Gott wird sie nicht für ihn erledigen. Es wird gelehrt, daß wir Gott alles aushändigen müssen und
ihn alles an unserer Stelle tun lassen sollen - daß wir keine Handbewegung und keinen Schritt
tun dürfen, uns völlig dem innewohnenden Heiligen Geist ausliefern müssen, damit er an unserer
Statt handeln kann, und daß wir uns von Gott bewegen lassen müssen. Wir geben zu, daß in
dieser Lehre ein Körnchen Wahrheit enthalten ist, aber der Irrtum, der sich damit vermischt,
ist größer als die Wahrheit. (Diesen Punkt werden wir noch ausführlicher im nächsten Kapitel
behandeln.)
9 Kapitel 9 256
Die Gefahren
Ein Christ kann in seiner Unwissenheit von den Mächten der Finsternis verführt werden und
unwissend in die Falle Satans stolpern und Voraussetzungen für sein Wirken erfüllen. Wir wollen
die Reihenfolge dieses Prozesses betrachten, denn sie ist sehr wichtig:
1. Unwissenheit 2. Verführung 3. Passivität 4. Einkesselung
Unwissenheit ist die Hauptursache dieses Prozesses. Satan kann den Gläubigen wegen seiner
Unwissenheit verführen, weil er weder die Forderungen des Heiligen Geistes noch die Prinzipien teuflischen Wirkens kennt. Wüßten alle Christen, wie man mit Gott zusammenarbeitet und
nach welchen Grundsätzen er vorgeht, würden sie nie auf den Betrug Satans hereinfallen. Aber
wenn sie erst einmal verführt sind, meinen sie, Gott könne nur dann durch sie leben und wirken,
wenn sie passiv bleiben. So nehmen sie viele übernatürliche Kundgebungen der bösen Geister
als Weisungen Gottes an. Die Verführung wird größer und mündet schließlich in eine Einkesselung alarmierenden Ausmaßes. Es ist ein wahrer Teufelskreis: Wer Raum gibt, lädt damit die
bösen Geister ein. Wenn sie eingefallen sind, machen sie sich durch verschiedene Aktivitäten
bemerkbar. Wenn der Gläubige diese Aktivitäten falsch beurteilt und nicht erkennt, daß sie
vom Teufel sind, überläßt er den bösen Geistern noch mehr Raum, da er ihren Lügen bereits
Glauben geschenkt hat. Dieses Rad dreht sich unaufhörlich; von Tag zu Tag vermehrt sich das
Ausmaß der Inbesitznahme. Wenn man erst einmal in die Passivität abgestiegen ist, können sich
die Gefahren sehr leicht vervielfachen. Nachdem ein Mensch in den Zustand völliger Trägheit
abgesunken ist und nicht mehr selbst für sich entscheidet, wird er allem passiv nachgeben, was
ihm begegnet. Er nimmt an, daß jetzt Gott für ihn entscheidet und daher von ihm nur noch
verlangt wird, sich passiv zu unterwerfen. Was ihm auch zustößt, widerfährt ihm von Gott und
ist von ihm in die Wege geleitet worden. Es ist Gottes Wille, darum muß er alles stillschweigend
annehmen. Bald verliert der Gläubige alle Entschlußkraft im täglichen Leben. Er kann weder
etwas entscheiden noch seine Pflicht erfüllen. Außerdem fürchtet er sich, seine Meinung zu äußern und sträubt sich sogar dagegen, seine Gaben und Fähigkeiten einzusetzen. Darum müssen
andere für ihn entscheiden und die Wahl treffen. Ein solches Opfer des Feindes ist wie Seegras
in den Wogen des Meeres. Er läßt sich lieber von Umständen nötigen, als frei zu wählen, weil
ihm ein Entschluß so schwer fällt. In diesem Zustand der Untätigkeit ist selbst die kleinste Entscheidung eine Riesenaufgabe! Der Betreffende hält überall nach Hilfe Ausschau. Er fühlt sich
ganz durcheinander, weil er nicht in der Lage ist, mit alltäglichen Geschäften fertig zu werden.
Er scheint kaum zu begreifen, was ihm die Leute sagen. Es fällt ihm schwer, sich an irgend etwas zu erinnern; es ist ihm eine schreckliche Qual, sich zu entscheiden, und beängstigend, eine
Aufgabe zu durchdenken. Sein passiver Wille ist unfähig, große Verantwortung zu tragen. Durch
seine große Schwäche ist er auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen. Wenn ihm ein Mensch
hilft, freut er sich darüber und ärgert sich gleichzeitig, daß sein Wille versklavt ist. Wer kann
die Stunden zählen, die durch das Warten auf äußere Hilfe vertan wurden? Können wir sagen,
solch ein passiver Christ sei arbeitsscheu? Keineswegs, denn er kann arbeiten, wenn er dazu von
einer äußeren Kraft gezwungen wird. Hört aber der Zwang auf, legt er sofort seine Arbeit nieder
und meint, keine Kraft mehr zum Weiterarbeiten zu haben. Unzählige halberledigte Arbeiten
sind traurige Zeugnisse eines passiven Willens. Wie lästig muß dieser Zustand der Untätigkeit
sein! Der Gläubige braucht unzählbare Notizen als Gedächtnisstütze. Er muß laut reden, um
sich zu konzentrieren. Tausende von »Krücken« muß er erfinden, die ihm durchs Leben helfen.
Seine Sinne werden allmählich stumpf, bis er schließlich unbewußt viele Eigenarten und seltsame
Gewohnheiten annimmt. So kann er z.B. beim Reden nicht geradeaus schauen, beugt sich beim
Gehen vor, gebraucht bei der Ausführung einer Aufgabe wenig oder keinen Verstand. Entweder
schenkt er den körperlichen Bedürfnissen zu große Beachtung oder er unterdrückt sie übermäßig.
In seinem Unverstand erkennt der Christ nicht, daß alle diese Symptome aus der Passivität und
9 Kapitel 9 257
der daraus resultierenden Inbesitznahme des Feindes hervorgehen, sondern er meint, es seien natürliche Schwächen und tröstet sich mit dem Gedanken, dies alles sei nicht so verwunderlich, weil
er nicht so begabt oder talentiert sei wie andere. Er kann die Lügen Satans nicht durchschauen
und läßt sich weiterhin täuschen. Er wagt sich an keine Aufgabe, weil er Angst hat, nervös ist,
sich so schlecht ausdrücken kann, so dumm und körperlich schwach ist. Er hat nie geprüft, warum
es anderen Christen anders ergeht. Weniger Begabte können mehr leisten als er. Auch ihm ging
es früher viel besser. Wie kann er dann diese Eigenschaften als Vererbung, natürliche Veranlagung usw. bezeichnen? Sie sind von bösen Geistern verursacht, ob man es erkennt oder nicht.
Da Finsternismächte bestens mit dem Zustand des Gläubigen vertraut sind, verursachen sie in
seiner Umgebung viele Unannehmlichkeiten, um ihn zu stören. Weil sein Wille bereits passiv und
zu kraftlos ist, um tätig zu sein, manövrieren ihn die bösen Geister gewöhnlich in eine Situation,
in der es erforderlich ist, den Willen zu gebrauchen. Sie wollen ihn dadurch bloßstellen und zum
Gespött machen. In dieser Zeit wird das Opfer von bösen Geistern nach Belieben belästigt. Sie
verursachen viele Schwierigkeiten, um damit den Gläubigen aufzureiben. Wie traurig, daß er
sich nicht zu wehren vermag und widerstehen kann. Sein Zustand verschlimmert sich. Er hätte
die Autorität, den bösen Geistern entgegenzutreten, aber er kann kein Wort sagen. Die Finsternismächte haben die Oberhand gewonnen, weil ihr Opfer aus der Unwissenheit in den Betrug
absank, vom Betrug in die Passivität und von der Passivität in die Pein völliger Einkesselung.
Trotzdem hat er noch nicht erkannt, daß ihm dieser Zustand nicht von Gott gegeben wurde, und
er läßt somit dieses passive Akzeptieren fortdauern. Wenn ein Christ auf einen solchen Stand
abgesunken ist, kann er sich unbewußt sogar auf die Hilfe böser Geister verlassen. Er kann nichts
aus eigenem Antrieb wollen und trachtet nach Hilfe von außenstehenden Mächten. Er wird oft
von bösen Geistern gequält, und doch erwartet er, daß ihm dieselben Geister zu Hilfe kommen.
Aus diesem Grunde wollen sie, daß der Mensch passiv wird. Mit Freude betätigen sie den Willen
des Menschen an seiner Stelle. Und wo sie willkommen geheißen werden, halten sie sich nicht
zurück. Mit Vorliebe verführen sie den Menschen dazu, blindlings äußeren Offenbarungen zu folgen, ohne den Verstand oder Willen zu gebrauchen. Darum bescheren sie dem Menschen oft viele
eigenartige und übernatürliche Phänomene. Der Christ, der Gottes Handlungsweise nicht kennt,
nimmt an, er sei Gott gehorsam, obwohl er eigentlich ein Opfer des Betrugs geworden ist. Wir
wollen uns von diesem Vers in Römer 6 belehren lassen: »Ihr wißt ja doch, daß, wenn ihr euch
jemand als Knechte zum Gehorsam hingebt, ihr dann auch dessen Knechte seid . . .« (V. 16).
Wenn wir uns mit den Lippen Gott hingeben, uns aber in der Praxis bösen Geistern ausliefern,
werden wir ihre Sklaven werden. Es stimmt: Wir wurden betrogen. Trotzdem haben wir uns freiwillig dem Falschen ausgeliefert und sind deshalb auch dafür verantwortlich. Der Christ sollte es
erkennen, wenn er seinen Umgang mit Gott nicht nach den Bedingungen der Gemeinschaft mit
ihm ausrichtet, sondern statt dessen die Erfordernisse zum Wirken böser Geister erfüllt. Wenn
er dies nicht begreift, wird er versklavt. Gott aber will seine Freiheit. Er erwartet von jedem
Christen die aktive Bejahung seines göttlichen Willens.
Das Fehlverhalten des Gläubigen
Wir dürfen nicht dem Irrtum verfallen, die Gläubigen, die von bösen Geistern betrogen worden
sind, seien die am meisten befleckten, zurückgefallenen und sündigsten Christen. Im Gegenteil,
oft sind sie ganz hingegebene Christen und geistlich weiter fortgeschritten als durchschnittliche Christen. Sie bemühen sich, Gott zu gehorchen, und sind bereit, jeden Preis zu bezahlen.
Unwissentlich fallen sie in Passivität, denn sie haben sich zwar Gott ganz ausgeliefert, wissen
aber nicht, wie man mit Gott zusammenarbeitet. Diejenigen, die geistliche Dinge weniger ernst
nehmen, sind nicht gefährdet, passiv zu werden. Wie könnte jemand in Passivität versinken und
schließlich in die Klauen des Feindes geraten, wenn er noch an eigenen Vorstellungen festhält,
9 Kapitel 9 258
obwohl er vorgibt, sich Gott ganz geweiht zu haben? Ein solcher Christ mag auf andere Weise
bösen Geistern Raum geben, aber nicht in dem Punkt, mit dem wir es hier zu tun haben. Nur
hingegebene Christen, die nicht ihre eigenen Interessen verfolgen, sind offen für Passivität. Ihr
Wille kann leicht in diesen Zustand geraten, weil sie danach trachten, alle Befehle zu befolgen.
Viele Christen wundern sich, daß Gott sie nicht beschirmt. Haben sie keine reinen Motive? Wie
kann Gott zulassen, daß treu suchende Menschen von bösen Geistern verführt werden? Viele
Menschen werden behaupten, Gott müsse doch seine Kinder unter allen Umständen bewahren.
Sie erkennen nicht, daß man auch Gottes Bedingungen erfüllen muß, wenn man mit seinem Schutz
rechnen will. Wenn jemand die Bedingungen böser Geister erfüllt, kann Gott ihnen den Zugang
nicht verwehren, weil er ein gesetzestreuer Gott ist. Weil sich der Christ bewußt oder unbewußt
bösen Geistern ausgeliefert hat, wird Gott ihnen ihr Recht zur Herrschaft über diesen Menschen
nicht verweigern. Wieviele Menschen sind überzeugt, daß reine Motive uns vor Täuschung und
Betrug bewahren! Sie übersehen, daß die meistbetrogenen Leute in der Welt solche sind, die gute
Absichten hegen. Ehrlichkeit ist keine Garantie, nicht verführt zu werden; wohl aber Erkenntnis.
Wenn der Gläubige die biblische Lehre mißachtet und es versäumt, zu beten und zu wachen
-auch wenn er darauf vertraut, daß reine Motive ihn vor Verführung bewahren werden -, wird er
dem Betrug verfallen. Wie kann er von Gott erwarten, daß er ihn beschirmt, wenn er die Voraussetzungen für das Wirken böser Geister erfüllt? Zahllose Gläubige halten es für ausgeschlossen,
daß gerade sie verführt werden könnten, wo sie so viele geistliche Erfahrungen gemacht haben.
Gerade dieses Selbstvertrauen verrät die Täuschung, der sie bereits erlegen sind. Wenn sie nicht
demütig genug sind, zuzugeben, daß auch sie getäuscht werden können, werden sie immer mehr
verführt werden. Betrogensein ist nicht eine Sache des Lebens noch der Absicht, sondern der
Erkenntnis. Es ist für den Heiligen Geist schwer, einem Menschen die Wahrheit aufzuzeigen, der
am Anfang seines Glaubenslebens zu viele idealistische Lehrmeinungen angenommen hat. Auch
ist es für andere schwer, ihm die notwendige Erklärung zu geben, wenn bereits Vorurteile seine
Auslegung der Schrift bestimmen. Die Gefahr dieser falschen Sicherheit liegt darin, daß man
bösen Geistern Gelegenheit gibt, ihr Werk zu treiben oder fortzusetzen. Wir sahen bereits, daß
Unwissenheit die Ursache der Passivität ist und Passivität wiederum die Ursache für Einkesselung. Es würde nie zur Einkesselung kommen, wenn der Gläubige die richtige Erkenntnis hätte.
Passivität ist eigentlich falsch verstandener Gehorsam, man könnte auch sagen, ein übertriebener
Gehorsam oder eine übertriebene Hingabe. Hätte der Christ erkannt, wie die bösen Mächte für
ihr Wirken Trägheit vom Menschen fordern, dann hätte er sich nicht in diese Passivität fallen
lassen. Wäre ihm klar, daß Gott den Menschen nicht zur Marionette macht, dann würde er nicht
passiv auf einen äußeren Anstoß warten. Der tragische Zustand vieler Christen in unserer Zeit ist
durch Unwissenheit selbst verschuldet. Ein Christ braucht Erkenntnis, um zwischen göttlichem
und satanischem Wirken unterscheiden zu können. Er sollte die jeweiligen Prinzipien kennen,
nach denen einerseits Gott und anderseits Satan handelt. Wer solche Erkenntnis hat, bewahrt
sich vor den Finsternismächten. Weil Satan den Gläubigen mit Lügen überfällt, muß ihm die
Wahrheit entgegengehalten werden. Weil er den Gläubigen in der Finsternis gefangenhalten will,
muß ihm mit Licht begegnet werden. Merken wir uns gut: Die Grundsätze, die das Wirken des
Heiligen Geistes und der bösen Geister beherrschen, sind einander gerade entgegengesetzt. Beide
arbeiten nach ihrem besonderen Grundsatz. Obwohl die bösen Geister meisterhaft unter den
verschiedensten Tarnungen auftreten, bleibt doch ihr Arbeitsprinzip dasselbe. Wenn die inneren
Prinzipien geprüft werden, können wir unterscheiden, was vom Heiligen Geist und was vom bösen
Geist ist, weil beide unfehlbar nach ihrem Prinzip handeln. Wir wollen nun einige der falschen
Auffassungen betrachten, die viele Christen nur zu häufig vertreten.
9 Kapitel 9 259
Ein falsches Verständnis vom »Gestorbensein mit Christus«
Der Zustand der Passivität eines Gläubigen kann sich durch ein falsches Verständnis »vom Gestorbensein mit Christus« ableiten. Paulus sagt: »Ich bin mit Christus gekreuzigt. So lebe also
nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir; was ich jetzt aber noch im Fleisch lebe, das
lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben
hat« (Gal. 2, 20). Manche Christen meinen irrtümlich, dieser Vers spreche von Selbstauslöschung. Sie halten den Verlust der Persönlichkeit, eine Abwesenheit des Willensvermögens und
der Selbstbeherrschung und ein passives Abgleitenlassen des Ichs in einen Zustand mechanischen,
automatischen Gehorsams für den Gipfel des geistlichen Lebens. Sie dürfen nach dieser Vorstellung keine Gefühle mehr hegen; sie sollten alle persönlichen Wünsche und Interessen verleugnen.
Sie müssen Selbstvernichtung anstreben, um sich so zu einem Leichnam zu reduzieren. Ihre Persönlichkeit muß total verdrängt werden. Sie mißverstehen Gottes Gebot und meinen, es bedeute
Selbstauslöschung, Selbstvernichtung und Selbstverneinung. Ihr falsches Verständnis von »sich
selbst gestorben sein« geht dahin, kein Bewußtsein des Selbst mehr zu haben. Unaufhörlich arbeiten sie daran, ihr Selbstbewußtsein zu vernichten, bis sie nichts als die Gegenwart Gottes
spüren. Aufgrund dieser falschen Auffassung meinen sie, das Totsein praktizieren zu müssen.
Wenn sie sich ihres Ichs oder ihrer persönlichen Wünsche und Interessen bewußt werden, geben
sie diese in den Tod. Weil »ich mit Christus gekreuzigt bin«, sagen sie, existiere ich nicht mehr,
und da ja »Christus in mir lebt«, lebe nicht mehr ich. Da ich gestorben bin, muß ich dieses
Totsein praktizieren - das heißt, ich darf keine Gedanken oder Gefühle hegen. Weil Christus in
mir lebt, denkt und fühlt er für mich. Meine Persönlichkeit ist vernichtet worden, darum werde ich ihm passiv gehorchen und lasse ihn für mich denken und fühlen. Leider übersehen sie,
was Paulus weiter sagt über »das, was ich jetzt noch im Fleisch lebe«. Paulus starb und ist
trotzdem nicht gestorben! Das »Ich« ist gekreuzigt, trotzdem lebt das »Ich« noch im Fleisch.
Paulus, der den Weg über das Kreuz gegangen ist, erklärt: »Aber jetzt lebe ich«! Dies bestätigt,
daß das Kreuz mein Ich nicht auslöscht; es existiert ewig. Schließlich geht das Ich eines Tages
in das ewige Leben ein. Was würde mir die Erlösung nützen, ginge jemand anders für mich in
den Himmel? Wenn wir uns für »mit Christus gestorben« halten, heißt das in Wirklichkeit, daß
wir der Sünde gestorben sind, und unser Seelenleben in den Tod gegeben ist. Sogar das beste,
gerechteste und tugendhafteste Seelenleben wird dem Tod übergeben. Gott erwartet von uns,
daß wir den Wunsch, aus unserer natürlichen Kraft zu leben, verleugnen, und stattdessen aus
ihm leben, indem wir uns auf seine Kraft stützen. Das will keineswegs besagen, daß wir unsere
verschiedenen Funktionen einstellen und passiv werden sollen. Es verhält sich genau umgekehrt:
Ein solcher Wandel mit Gott verlangt, daß wir täglich unseren Willen aktiv im Einklang mit
Gott und im Glauben an ihn gebrauchen, um unsere eigenen, natürlichen Kräfte zu verleugnen
und stattdessen Gottes Kraft einzusetzen. Wie leiblicher Tod nicht Vernichtung und der Tod im
Feuersee nicht Austilgung bedeutet, so ist »mit Christus gestorben sein« nicht Selbstauslöschung.
Der Mensch muß als Persönlichkeit existieren; sein Wille muß weiter funktionieren; nur sein natürliches Leben muß sterben. So lehrt es die Heilige Schrift. Die Folgen der erwähnten irrigen
Auffassung sind: 1. Der Gläubige wird passiv. 2. Gott kann ihn nicht mehr gebrauchen, weil der
Mensch Gottes Grundsätze, nach denen er handelt, verletzt hat. 3. Die bösen Geister nutzen die
Gelegenheit, sich seiner zu bemächtigen, weil er unbewußt die Bedingungen ihres Wirkens erfüllt
hat. Aufgrund seines falschen Verständnisses der Wahrheit wird er ein Werkzeug des Feindes, der
sich selbst als Gott ausgegeben hat. Es ist beklagenswert, daß dieses Mißverständnis der Lehre von Galter zwei in vielen Fällen Täuschung und Betrug eingeleitet hat. Nach einem solchen
»Sterben« ist der Mensch aller Gefühle beraubt. Er kann nicht mehr selbst empfinden und auch
keine Gefühle für andere hegen. Bei seinen Mitmenschen hinterläßt er den Eindruck, gefühllos
wie ein Stück Eisen oder ein Stein zu sein. Er weiß nichts von der Not im Leben anderer und
9 Kapitel 9 260
merkt nicht, wieviel Schmerz er selber seinen Mitmenschen schon bereitet hat. Dieser Mensch ist
sich seiner eigenen Art, Haltung und Handlungen völlig unbewußt. Er spricht und handelt ohne
seinen Willen zu gebrauchen und weiß nicht, woher seine Worte, Gedanken und Gefühle kommen.
Obwohl er dazu keine Entscheidung in seinem Willen gefällt hat, fließen seine Worte und Gefühle
wie ein Strom. Seine Handlungen vollziehen sich mechanisch. Er erkennt ihren Ursprung nicht;
er wird von einer fremden Macht angetrieben. Es ist aber eigenartig: Obwohl er sich seiner selbst
nicht bewußt wird, empfindet er doch sehr deutlich, wie andere ihn behandeln. Er neigt dazu,
Dinge falsch zu verstehen, und leidet dementsprechend darunter. Dieses »Unbewußtsein« bildet
die Voraussetzung für das feindliche Eindringen. Die bösen Geister können dadurch arbeiten,
angreifen, einflößen, denken, drängen und unterdrücken, ohne den geringsten Widerstand des
Gläubigen, der von allem überhaupt nichts wahrnimmt. Wir wollen uns deshalb merken: Was
allgemein als »Sich-selbst-Absterben« bezeichnet wird, bedeutet im wesentlichen den Tod des
Lebens, der Kraft, des Willens und der Aktivität alles Eigenen; es bedeutet auf keinen Fall die
Tötung unserer Persönlichkeit. Wir müssen uns nicht selbst auslöschen und unsere Persönlichkeit
zerstören. Diese Unterscheidung müssen wir begreifen. Wenn wir sagen: ohne das Selbst, dann
meinen wir: ohne Selbstaktivität, aber nicht ohne Selbstexistenz! Wenn ein Christ die Auslegung
akzeptiert, die den Verlust der Persönlichkeit anstrebt und sich folglich weigert, zu denken, zu
fühlen oder die geringste Initiative zu ergreifen, wird er wie in einem Traum dahinleben. Obwohl er denkt, sich selbst wirklich gestorben zu sein, und sich als vollkommen, selbstlos und tief
geistlich betrachtet, gilt seine Hingabe nicht Gott, sondern den bösen Geistern.
Gottes Wirken
Die Bibelstelle Philipper 2, 13 wird ebenfalls oft falsch ausgelegt: »Denn Gott ist es, der in euch
wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken.« Manche Christen meinen, dieser Vers lehre, daß
Gott sowohl das Wollen als auch das Wirken ausführe, das heißt: Er legt in das Gotteskind hinein,
was er gewollt und gewirkt hat. Da Gott für ihn will und wirkt, braucht er selbst es nicht mehr
zu tun. Der Gläubige ist zu einer Art überlegenem Wesen geworden, das nicht mehr wollen und
handeln muß, weil Gott das nun für ihn tut. Er gleicht einem mechanischen Spielzeug, das nicht
verantwortungsbewußt will oder handelt. Diese Gläubigen erkennen nicht den eigentlichen Inhalt
dieses Verses. Gott wirkt in uns nur bis an den Punkt, an dem wir zum Wollen und Tun bereit
werden. Er geht nur bis dahin und nicht weiter. Das Wollen und Vollbringen wirkt er nie an
unserer Statt. Gott bemüht sich nur, uns soweit zu bringen, daß wir seinen guten Willen wollen
und zu tun bereit sind. Das Wollen und Wirken muß aber der Mensch selbst ausführen. Der
Apostel sagt deutlich: »Beides, das Wollen und Vollbringen in euch« - nicht in Gott, sondern
in euch. Unsere Persönlichkeit lebt noch. Darum sind wir für das Wollen und Handeln selbst
verantwortlich und müssen es auch tun. Ja, Gott ist am Werk, aber er tritt nicht an unsere
Stelle. Wählen und Handeln ist Sache des Menschen. Gott möchte uns anleiten, willig machen
und uns ermutigen, daß wir uns von Herzen seinem Willen zuwenden. Aber seinen Willen tun
zu wollen, das nimmt er uns nicht ab. Er richtet uns auf sein Wohlgefallen aus, dann überläßt
er es uns zu entscheiden. Dieser Vers lehrt also, daß unser Wille die Unterstützung durch Gottes
Kraft braucht. Wie unwirksam und fruchtlos sind doch eigenwillige Taten ohne ihn. Obwohl Gott
nicht anstelle des Menschen will, möchte er auch nicht, daß wir ohne ihn wollen. Er fordert uns
zum Wollen in seiner Kraft auf, das heißt, zum Wollen gemäß seines Wirkens im Menschen.
Weil er diesen Vers falsch versteht, glaubt mancher Christ, er brauche nicht zu wollen. Damit
überläßt er einer anderen Willenskraft die Herrschaft über sich selbst. Er wagt nicht, etwas zu
wählen, zu entscheiden oder irgendeiner Macht zu widerstehen, sondern wartet passiv darauf, bis
der Wille Gottes zu ihm kommt. Entscheidet eine außenstehende Willenskraft für ihn, nimmt er
das passiv an. Er unterdrückt alles eigene Wollen. Das Resultat ist: Weder er selbst gebraucht
9 Kapitel 9 261
seine Willenskraft, um Entscheidungen zu fällen oder Entschlüsse zu fassen, noch tut es Gott,
da er aktive Zusammenarbeit verlangt. Aber die bösen Geister bemächtigen sich seines passiven
Willens und handeln an seiner Statt. Wir müssen klar auseinanderhalten können, ob Gott für uns
will oder ob wir mit unserer Willensfähigkeit mit ihm zusammenarbeiten. Würde Gott an unserer
Stelle wählen und entscheiden, hätten wir keine echte Beziehung und Verbindung zur Sache, weil
unser Herz nicht daran beteiligt ist. Kämen wir dann wieder zu uns selbst, würde uns bewußt, daß
nicht wir gehandelt haben. Gebrauchen wir aber unseren Willen zur aktiven Mitarbeit mit Gott,
sind wir die Handelnden, wenn auch in der Kraft Gottes. Ein Mensch, der dem Betrug verfallen
ist, meint vielleicht, er selber sei der Denkende, Handelnde und Redende. Wird er aber von Gott
erleuchtet, erkennt er, daß er eigentlich nicht so denken, handeln und reden will. Er erkennt, daß
er mit diesen Handlungen nichts zu tun hat, weil sie vom Feind ausgeführt wurden. Gott hat
nicht die Absicht, unser Wollen zu töten. Wenn wir sagen: Von jetzt an habe ich keinen eigenen
Willen mehr, nur noch sein Wille soll sich durch mich bekunden, dann haben wir uns nicht Gott
geweiht. Wir haben uns vielmehr mit dem Bösen verbündet, da Gott unseren Willen nie durch
seinen Willen ersetzt. Folgendermaßen verhalten wir uns richtig: Ich habe einen eigenen Willen,
aber ich will Gottes Willen tun. Wir sollten unsere Willensfähigkeit ihm zur Seite stellen - aber
auch das nicht durch unsere eigene Kraft, sondern durch das Leben aus Gott. Das Ganze verhält
sich so: Das Leben, das früher unsere Willenskraft nährte, ist in den Tod gegeben worden; nun
gebrauchen wir unsere Willensfähigkeit durch das kraftspendende Leben Gottes. Wir schalten
nicht unsere Willenskraft aus; sie ist immer noch da. Nur das Leben ist ein anderes. Gestürben
ist lediglich das Eigenleben; der Wille bleibt noch tätig -aber von Gott erneuert. Künftig wird
die Willenskraft durch das neue Leben aktiviert.
Das Werk des Heiligen Geistes
Die Christen, die in Passivität und Versklavung geraten sind, sind nicht mehr zu zählen. Sie haben
das Wirken des Heiligen Geistes nicht verstanden. Im folgenden werden einige der häufigsten
Mißverständnisse aufgeführt: 1. Dem Heiligen Geist gehorchen Viele Gläubige meinen, daß wir
nach Apostelgeschichte 5, 32 dem Heiligen Geist gehorchen müßten: »Der Heilige Geist, den Gott
denen verliehen hat, die ihm gehorsam sind.« Sie prüfen aber nicht anhand der Schrift, ob die
Geister aus der Wahrheit oder aus der Lüge sind. Sie halten jeden Geist, der auf sie kommt, für den
Heiligen Geist. Sie meinen, solcher Gehorsam sei Gott sehr wohlgefällig. Sie erkennen nicht, daß
die Schrift hier nicht lehrt, wir müßten dem Heiligen Geist gehorchen, sondern daß wir Gott, dem
Vater, durch den Heiligen Geist gehorchen sollen. Die Apostel antworteten in Apostelgeschichte
5, 29, als sie vor dem hohen Rat verhört wurden, sie müßten »Gott . . . gehorchen«. Wenn
jemand aber den Heiligen Geist zum Objekt seines Gehorsams macht und Gott den Vater vergißt,
neigt er dazu, dem Geist, der in ihm oder um ihn ist, zu gehorchen, anstatt durch den Heiligen
Geist dem Vater, der im Himmel ist. Das führt ihn auf den Weg der Passivität und gibt bösen
Geistern außerdem eine Chance, ihn mit einer Fälschung zu betrügen. Wenn wir die Grenzen
des Wortes Gottes überschreiten, setzen wir uns unzähligen Gefahren aus. 2. Die Herrschaft des
Heiligen Geistes Sicher erinnern wir uns aus unserer vorherigen Auseinandersetzung, wie Gott
unseren Geist durch den Heiligen Geist regiert und wie unser Geist den Leib oder die ganze
Persönlichkeit durch die Seele (oder den Willen) beherrscht. Das hört sich vielleicht einfach
an, doch die geistlichen Zusammenhänge sind gewaltig. Der Heilige Geist wirkt nur auf unsere
Intuition, damit wir seinen Willen erkennen. Er erfüllt nur unseren Geist und nichts anderes.
Niemals beherrscht oder erfüllt er unmittelbar unsere Seele oder unseren Leib. Dieser Punkt
muß gründlich behandelt und hervorgehoben werden. Deshalb sollten wir nicht von Gottes Geist
erwarten, daß er durch unseren Verstand denke, durch unser Gefühl empfinde oder durch unseren
Willen entscheide. Der Intuition in unserem Geist tut er seinen Willen kund, damit wir selbst nach
9 Kapitel 9 262
seinem Willen denken, empfinden und handeln. Wir irren sehr, wenn wir meinen, wir müßten
unseren Verstand dem Heiligen Geist ausliefern, damit er durch ihn denke. Er verlangt keine
passive Übergabe. Gott möchte unsere Mitarbeit. Er wird nicht für den Menschen tätig. Er zwingt
keinen Menschen zu irgend etwas. Auch beherrscht der Geist Gottes nicht direkt unseren Leib.
Wenn wir reden wollen, müssen wir unseren eigenen Mund auftun. Wollen wir gehen, müssen wir
die eigenen Füße gebrauchen. Bei der Arbeit müssen die eigenen Hände handeln. Der Geist Gottes
mischt sich nie in den freien Willen des Menschen ein. Neben seinem Wirken im menschlichen
Geist (der Gottes neue Schöpfung ist) gebraucht er keinen anderen Bereich des menschlichen Seins
ohne die Zustimmung des Menschen selbst; und nicht einmal dann, denn selbst wenn der Mensch
willens wäre, betätigte er keines seiner Glieder für ihn. Der Mensch sollte sein eigener Herr sein.
Er muß den Leib selbst betätigen. Das ist Gottes Gesetz, das er nicht brechen will. Oft sagen wir:
»Der Heilige Geist beherrscht den Menschen.« Damit meinen wir: Er wirkt in uns, damit wir Gott
gehorsam werden. Sollten wir aber meinen, er beherrsche unser ganzes Wesen direkt, irren wir
uns gewaltig. Gerade hier können wir zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes und dem böser
Geister unterscheiden. Der Heilige Geist wohnt in uns, um zu bezeugen, daß wir Gott gehören.
Die bösen Geister aber manipulieren den Menschen und reduzieren ihn zum Roboter. Gottes
Geist bittet um unsere Mitarbeit; böse Geister trachten nach direkter Kontrolle. Infolgedessen
ist klar: Unsere Verbindung zu Gott ist im Geist und nicht im Leib oder in der Seele. Sollten wir
diese Wahrheit nicht erkennen und von Gott erwarten, daß er unseren Verstand, unsere Gefühle,
unsere Willenskraft und unseren Leib unmittelbar regiert, öffnen wir die Tür dem Betrug böser
Geister. Wohl sollte ein Christ nicht seinen eigenen Gedanken, Gefühlen und Wünschen folgen.
Nachdem er aber im Geist eine Offenbarung empfangen hat, sollte er diese im Geist empfangene
Weisung mit seinem Verstand, seinem Gefühl und seinem Willen vollziehen.
Leben im Geist
Zu den falschen Auffassungen bezüglich des geistlichen Lebens gehören auch folgende:
1. Reden Hier wird die Stelle im Matthäus 10, 20 verwendet: »Nicht ihr seid es ja, die dann
reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet.« Oft meinen die Christen, Gott
werde für sie reden. Manche haben die Vorstellung, wenn sie in einer Versammlung predigen,
müßten sie nicht ihren Verstand und Willen gebrauchen, sondern nur ihren Mund passiv Gott
ausliefern, damit er durch sie rede. Es erübrigt sich zu sagen, daß die Worte Jesu in diesem
Abschnitt nur auf Zeiten der Prüfung und Verfolgung angewandt werden dürfen. Sie sagen nicht
aus, daß der Heilige Geist anstelle des Gläubigen redet. Die Erfahrung von Petrus und Johannes
vor dem Hohen Rat unterstreicht diese Bedeutung.
2. Führung »Deine Ohren werden hinter dir den Zuruf vernehmen: >Dies ist der Weg, wandelt
auf ihm!<« (Jes. 30, 21). Viele Gläubige erkennen nicht, daß sich dieser Vers spezifisch auf
Gottes Volk auf Erden, die Juden im Tausendjährigen Reich, bezieht, wo es keinen satanischen
Betrug geben wird. Da sie diese Tatsache übersehen, meinen sie, übernatürliche Führung durch
eine Stimme sei die höchste Art von Führung. Sie denken, sie seien geistlicher als andere, und
nehmen deshalb solche übernatürlichen Weisungen an. Sie hören weder auf ihr Gewissen noch
folgen sie der Intuition; sie warten einfach passiv auf die übernatürliche Stimme. Diese Gläubigen
sind der Meinung, sie brauchten nicht zu denken, zu überlegen, zu wählen oder zu entscheiden. Sie
müßten einfach gehorchen. Sie gestatten der Stimme, die Stelle ihres Gewissens und ihrer Intuition
einzunehmen. Die Folge ist: a) Sie gebrauchen nicht ihr Gewissen; b) böse Geister nutzen die
Gelegenheit, und übernatürliche Stimmen treten an die Stelle der Gewissensentscheidung. Das
Ergebnis ist, daß der Feind mehr Raum in diesen Gläubigen gewinnt. »Von der Zeit an läßt sich
der Betrogene nicht mehr beeinflussen durch das, was er fühlt oder sieht, oder was andere ihm
sagen. Er verschließt sich gegen alle Fragen und weigert sich, zu diskutieren. Dieses Ersetzen
9 Kapitel 9 263
der eigenen Gewissensentscheidung durch übernatürliche Führung erklärt den Zerfall der Moral
von Personen mit übernatürlichen Erfahrungen, weil sie ihr Gewissen durch die Weisungen böser
Geister ersetzt haben. Sie selber haben keine Ahnung davon, daß sich ihr sittliches Niveau gesenkt
hat; denn ihr Gewissen ist durch fortgesetztes, mutwilliges Überhören der Mahnung des Heiligen
Geistes und durch das Befolgen der Weisungen verführerischer Geister in Angelegenheiten, wo
nur das Gewissen entscheiden sollte, ob sie recht oder unrecht, gut oder böse seien, verhärtet
worden« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 121, 122).
3. Gedächtnis »Der Helfer aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden
wird, der wird euch über alles belehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe«
(Joh. 14, 26). Viele Christen begreifen nicht, daß dieser Vers bedeutet: Der Helfer wird ihren
Verstand erleuchten, daß sie sich daran erinnern, was der Herr geredet hat. Statt dessen denken
sie, ihnen würde gesagt, ihr Gedächtnis nicht zu gebrauchen, da Gott sie an alles erinnern werde.
So lassen sie zu, daß ihr Erinnerungsvermögen bis zur Passivität verkümmert. Sie betätigen ihren
Willen nicht, um sich auf etwas zu besinnen. Und was ist das Resultat? a) Der Mensch selbst
gebraucht sein Gedächtnis nicht, und b) Gott gebraucht es nicht, weil er das ohne die Mitarbeit
des Gläubigen nicht tut; c) böse Geister gebrauchen es, um durch ihr Wirken den willentlichen
Gebrauch des Gedächtnisses des Gläubigen zu ersetzen« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 121).
4. Liebe »Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist,
welcher uns gegeben worden ist« (Rom. 5, 5). Viele Gläubige mißverstehen die Bedeutung dieses
Verses, indem sie meinen, nicht sie selbst sollten lieben, sondern es sei dem Heiligen Geist zu
überlassen, ihnen die Liebe Gottes auszuteilen. Sie bitten Gott, durch sie zu lieben, daß seine
Liebe reichlich ausgegossen werde, damit sie mit Gottes Liebe erfüllt werden mögen. Sie lieben
nicht mehr, weil Gott sie ja nun zum Lieben befähigen soll. Sie machen keinen Gebrauch von
ihrer Liebesfähigkeit und lassen diese Funktion völlig erlahmen. Mit folgendem Ergebnis: a) Der
Gläubige selbst übt keine Liebe; b) Gott verleiht ihm nicht - indem er von ihm und seiner
natürlichen Liebesfähigkeit absieht - eine übernatürliche Liebe; c) darum treten böse Geister an
die Stelle des Menschen und bringen ihre Liebe oder ihren Haß durch ihn zum Ausdruck. Wenn der
Mensch erst einmal den Gebrauch seines Willens, mit dem er seine Liebesfähigkeit kontrolliert,
losgelassen hat, legen die bösen Geister ihre Fälschung der Liebe in ihn hinein. Danach reagiert
dieser Christ wie Holz und Stein, kalt und tot gegenüber jeglicher Liebesäußerung. Das erklärt,
warum viele Gläubige, obwohl fromm, kaum auf Liebe ansprechbar sind. »Du sollst den Herrn,
deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen
Denken und mit aller deiner Kraft!« (Mark. 12, 30), spricht der Herr. Um wessen Liebe geht es
hier? Von wessen Herz, Seele, Denken und Kraft ist denn hier die Rede? Wir sind gemeint. Unser
natürliches Leben muß sterben, aber diese natürlichen Gaben und Funktionen bleiben bestehen.
5. Demut »Denn wir wagen nicht, uns selbst etlichen derer beizuzählen oder zu vergleichen, die
sich selbst empfehlen« (2. Kor. 10, 12 ff.). Die Verse 12 bis 18 werden von Gläubigen oft falsch
verstanden, als wären sie eine Aufforderung, ihre Persönlichkeit soweit zu unterdrük-ken, bis sie
keine Selbstachtung mehr haben, die uns Gott gewiß zugesteht. Viele Fälle von Selbsterniedrigung
sind eigentlich versteckte Passivität. Folglich a) löscht der Gläubige sich selbst aus, b) erfüllt Gott
ihn nicht, c) machen sich böse Geister seine Passivität zunutze und machen ihn unbrauchbar.
Wenn sich der Christ durch den Einfluß des Feindes selbst erniedrigt, erscheint ihm seine Umwelt
finster, ohne Hoffnung und trostlos. Er erweckt in allen, mit denen er in Berührung kommt, den
Eindruck, als sei er eiskalt und zutiefst betrübt. Er gibt schnell auf und ist leicht entmutigt.
In kritischen Augenblicken gibt er den Kampf auf, zieht sich zurück und bringt damit andere
in Schwierigkeiten. Die Arbeit des Herrn interessiert ihn kaum. Er versucht sich hinter seinen
Worten und Taten zu verstecken, was sein Ich noch mehr zur Schau stellt. In übertriebener
Selbstverachtung steht er da und schaut bloß zu, obwohl noch so viele Aufgaben im Reiche
Gottes zu erfüllen sind. Ständig bringt er Unfähigkeit, Hoffnunglosig-keit und verletzte Gefühle
9 Kapitel 9 264
zum Ausdruck. Während er dies als echte Demut betrachtet, erkennt er nicht, daß es das Werk
böser Geister ist. Echte Demut kann zu Gott aufblicken und sich vorwärtsbewegen.
Gottes Befehle
Wir wissen, daß es neben dem menschlichen Willen zwei andere, sich widerstreitende Willensmächte in der Welt gibt. Gott fordert uns auf, Ihm zu gehorchen und Satan zu widerstehen.
Diese beiden Aspekte werden in der Bibel zweimal miteinander erwähnt: 1. »Unterwerfet euch
nun Gott«, mahnt uns Jakobus und fährt sogleich fort: »Widersteht dem Teufel« (4, 7). 2. »So
demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes«, betont Petrus, und er fordert anschließend seine Leser auf: »Dem (Teufel) widersteht standhaft im Glauben« (1. Petr. 5, 6 u. 9). Dies
ist das Gleichgewicht der Wahrheit. Der Gläubige muß es lernen, sich in allen Dingen Gott zu
unterwerfen und seine Anordnungen als das für ihn Beste anzuerkennen. Obwohl er leidet, ist er
doch von Herzen dem Willen Gottes Untertan. Dies ist aber erst die halbe Wahrheit. Die Apostel
sahen die Gefahr, einseitig zu werden. Darum ermahnen sie die Christen sogleich, dem Teufel zu
widerstehen, wenn sie sich Gott unterworfen haben, weil es neben Gottes Willen auch den Willen
des Teufels gibt. Der Teufel gibt oft seinen Willen für den Willen Gottes aus, besonders in den
Dingen, die uns widerfahren. Wenn uns nicht bewußt ist, daß es neben dem göttlichen Willen
auch den Willen eines anderen gibt, halten wir leicht Satans Willen für Gottes Willen und gehen
dem Teufel so in die Falle. Darum will Gott, daß wir dem Teufel widerstehen. Wir widerstehen
mit unserem Willen. Widerstand bedeutet: unser Wille widersteht und äußert sein Mißfallen.
Gott will, daß wir unseren Willen gebrauchen, darum fordert er uns auf, »dem Teufel zu widerstehen«. Er widersteht nicht an unserer Statt; wir müssen es selbst tun. Wir haben einen Willen,
den sollten wir gebrauchen, um Gottes Wort zu befolgen. Das lehrt die Bibel. Weil der Christ
ja denkt, Gottes Wille werde in seinen Befehlen offenbart, kann es geschehen, daß er alles, was
ihm widerfährt, als Gottes Willen erachtet. In diesem Fall gebraucht er nicht seine Willenskraft,
um zu wählen, zu entscheiden und zu widerstehen. Stillschweigend nimmt er alles an. Dies hört
sich gut und richtig an und ist doch ein gefährlicher Trugschluß. Wir geben zu, daß Gott hinter
allem steht, und wir bekennen, daß wir uns völlig seiner Hand unterordnen müssen. Aber worum
es uns hier eigentlich geht, ist mehr eine Sache der Haltung als des Verhaltens. Wenn etwas
Gottes Wille ist, würden wir uns dagegen wehren? Dies ist eine Sache der inneren Einstellung.
Wenn wir aber befestigt sind, was unseren Gehorsam Gott gegenüber betrifft, sollten wir uns
weiter fragen: »Kommt dies vom bösen Geist oder ist es Gottes Wille, der das zuläßt?« Wenn
es sein ausdrücklicher Wille ist, haben wir nichts dagegen einzuwenden; andernfalls werden wir
mit Gottes Hilfe widerstehen. Das heißt also, daß wir uns nie unseren Umständen unterwerfen
sollten, ohne dabei täglich zu untersuchen und zu prüfen. Unsere Haltung bleibt immer gleich,
aber zum Handeln schreiten wir erst, wenn wir vom Willen Gottes überzeugt sind, denn wie
könnten wir uns auch Satans Willen unterwerfen? Ein Christ sollte nicht wie ein gedankenloser
Mensch, der durch die Umstände getrieben wird, handeln. Er sollte den Ursprung aller Dinge
bewußt und aktiv prüfen, die Natur einer Sache ergründen, deren Bedeutung verstehen und dann
sein Handeln bestimmen. Es ist wichtig, Gott zu gehorchen - aber nicht blind. Aktives Prüfen
ist kein Zeichen von Rebellion gegen Gottes Gebote, weil wir uns ja innerlich noch immer Gott
unterordnen. Wir wollen nur sichergehen, daß wir in unserer Unterordnung wirklich Gott gehorchen. Gewiß mangelt es heutzutage an Gehorsam unter den Gläubigen. Obwohl sie Gottes
Willen erkennen, beugen sie sich nicht darunter. Aber im Gegensatz dazu fallen viele, die von
Gott zerbrochen wurden, in das andere Extrem und akzeptieren alles, was ihnen begegnet, ohne
zu fragen und zu prüfen als Gottes Willen. Die Wahrheit liegt in der Mitte: Mit dem Herzen
gehorsam sein, und erst dann etwas akzeptieren, nachdem der Sache auf den Grund gegangen
wurde. Es ist traurig, daß viele Gott völlig geweihte Gläubige nicht diesen Unterschied sehen.
9 Kapitel 9 265
Darum unterwirft sich der Christ passiv den Gegebenheiten und nimmt an, daß alles auf Gottes
Befehl hin geschieht. Den bösen Geistern gibt er Raum, ihn zu verletzen und zu quälen. Diese
Geister führen Umstände herbei (ihre Fallstricke), um den Gläubigen zu überlisten, ihren Willen
zu tun, oder beschwören Situationen herauf, die ihm Not bereiten. Viele Christen mißverstehen
das und meinen, hier sei der Tatbestand von Matthäus 5, 39 gegeben: »Widerstehet nicht dem
Bösen«, und denken nicht daran, daß Gott uns befiehlt, gegen die Sünde anzukämpfen (Hebr.
12, 4). Wer die Umstände überwindet, der überwindet den Geist dieser Welt. Die Faktoren eines
falschen Verständnisses der Gebote Gottes sind: a) Der Gläubige gebraucht nicht seinen Willen,
um zu wählen und zu entscheiden. b) Gott unterdrückt den Menschen bestimmt nicht durch die
natürlichen Gegebenheiten. c) Die bösen Geister gebrauchen die Umstände seiner Umwelt als
Ersatz für seinen passiven Willen. Anstatt Gott zu gehorchen, gehorchen solche Gläubige den
bösen Geistern.
Schwachheit und Leiden
Wenn sich der Christ Gott ganz ausgeliefert hat, folgert er natürlich, daß er den Weg des Kreuzes
gehen und um Christi willen leiden muß. Er anerkennt zudem die Nichtigkeit seines natürlichen
Lebens. Darum ist er bereit, schwach zu sein, damit er durch Gottes Kraft stark werde. Diese
Haltung ist gut. Aber der Feind kann daraus Nutzen ziehen, wenn man sie nicht richtig versteht.
Wenn ein Christ erkannt hat, daß im Leiden auch Gewinn liegt, so kann es geschehen, daß er
alles, was ihm widerfährt, passiv hinnimmt. Er meint, daß er nun für den Herrn leide und daß
dies gut und nützlich sei. Er denkt nicht daran, daß er damit bösen Geistern eine ausgezeichnete
Gelegenheit bietet, ihn zu quälen, wenn er sich passiv in jegliches Leiden schickt und nicht
bewußt seinen Willen gebraucht, um einerseits anzunehmen, was Gott ihm zuweist, anderseits
aber abzuweisen, was der Feind ihm aufdrängen will. Wenn er in den Händen böser Geister
leidet, dabei aber der satanischen Lüge glaubt, dieses Leiden komme von Gott, dann verstärkt
er dadurch noch ihr Anrecht, den Angriff fortzusetzen. Dieser Mensch erkennt nicht, daß das
Leiden nicht von Gott herrührt, sondern dadurch zu erklären ist, daß er die Voraussetzungen
für das Wirken böser Geister erfüllt hat. Er meint noch immer, er leide für die Gemeinde. Er
betrachtet sich selbst als Märtyrer, dabei ist er ein Opfer feindlicher Mächte. Er rühmt sich dieser
Leiden, doch sind diese nur Symptome der Einkesselung des Feindes. Wir sollten uns merken,
daß alle Nöte, die auf das Wirken böser Geister zurückgehen, keinen Sinn haben, vollkommen
frucht- und zwecklos sind. Außer Leid bringen sie nichts ein. Der Heilige Geist bezeugt nicht
unserem Geist (durch die Intuition), daß diese von Gott sind. Wenn der Gläubige der Sache
etwas nachginge, würde ihm aufgehen, daß er keine solchen Erfahrungen machte, bevor er sich
Gott auslieferte und er sich erwählt hatte zu leiden. Nachdem er sich aber dazu entschlossen
hatte, akzeptierte er automatisch jedes Leid als von Gott gegeben, obwohl das meiste von der
Macht der Finsternis ausgelöst worden war. Er hat bösen Geistern Raum gelassen; er hat ihren
Lügen geglaubt; sein Leben ist folglich von sinnlosem und wirkungslosem Leiden gekennzeichnet.
Wenn sich der Gläubige bewußt ist, wie tiefgehend der Feind arbeitet, so hilft ihm das nicht nur,
Sünden zu überwinden, sondern es erspart ihm auch unnötige Qualen. Viele Gläubige haben
vielleicht auch in bezug auf Schwachheit eine falsche Auffassung. Sie meinen, sie müßten, um
die Kraft Gottes zu besitzen, in einem Zustand der Schwachheit bleiben. Hat denn nicht Paulus
behauptet: »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« (2. Kor. 12, 10)? Sie wollen also schwach
sein, um geistliche Kraft zu besitzen. Dabei beachten sie nicht, daß der Apsotel nicht schwach
sein wollte, sondern uns nur aus seiner Erfahrung mitteilt, wie die Gnade Gottes ihn in seiner
Schwachheit dazu stärkte, die Absichten Gottes zu erfüllen. Paulus hat sich diese Schwachheit
nicht gewünscht; doch in seiner Schwachheit machte Gott ihn stark. Paulus versucht also nicht,
den starken Christen zu bewegen, absichtlich die Schwachheit zu wählen, damit Gott ihn dann
9 Kapitel 9 266
stärken kann. Er zeigt nur dem Schwachen den Weg zur Kraft. Schwachheit und Leid selbst zu
wählen, erfüllt die Bedingung für das Wirken böser Geister, weil durch solches Verhalten der
menschliche Wille sich auf die Seite des Feindes stellt. Das erklärt, warum so viele Christen,
die sich anfangs guter Gesundheit erfreuten, täglich schwächer werden, weil sie schwach sein
wollen. Die erhoffte Kraft findet sich nicht ein; sie fallen andern Menschen zu Last und sind für
die Arbeit des Herrn unbrauchbar. Eine solche Entscheidung zieht nicht die Kraft Gottes an,
sondern räumt bösen Geistern eine Angriffsfläche ein. Wenn solche Gläubige nicht entschieden
dieser Kraftlosigkeit widerstehen, werden sie anhaltende Schwachheit erleben.
Der entscheidende Punkt
Was wir geschildert haben, trifft in erster Linie auf schwierige Fälle zu; viele Christen sind
nicht ganz so weit gegangen. Das Grundprinzip bleibt aber bei allen gleich. Ohne Ausnahme
handelt der Feind, wenn irgendwo der ’Willepassiv ist oder die Voraussetzungen für sein Wirken
erfüllt wurden. Obwohl manche Christen nicht absichtlich Leiden oder Schwachheit wählen, lassen
sie sich trotzdem unwissend in Passivität absinken. Dadurch überlassen sie dem Feind Raum
und geraten in eine gefährliche Lage. Jeder, der eine solche Erfahrung gemacht hat, sollte sich
fragen, ob er nicht die Bedingungen für das Wirken böser Geister erfüllt hat. Das wird ihn vor
vielen Fälschungen des Feindes und unnötigen Leiden bewahren. Wir wissen, daß der Feind die
Wahrheit verwenden kann, doch überspannt er sie und geht über ihre Grenze hinaus. Entstammen
etwa folgende Begriffe nicht biblischen Wahrheiten: Selbstverleugnung, Unterordnung, auf Gottes
Befehle warten, Leiden, usw.? Die bösen Geister machen sich die Unkenntnis der Gläubigen über
geistliche Grundsätze zunutze und führen ihn soweit ab, bis er die Voraussetzungen zu ihren
Angriffen erfüllt. Wenn wir es versäumen, bei irgendeiner Lehre das Prinzip zu beurteilen, das
ihr zugrunde liegt, werden wir betrogen und verführt werden. Das Überspannen einer Wahrheit
ist höchst gefährlich. Wir wollen in diesem Punkt sehr vorsichtig sein. Mittlerweile sollten wir mit
dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Gottes Handeln und dem Wirken Satans vertraut sein:
a) Gott will, daß der Gläubige mit ihm zusammenarbeitet, indem er seinen Willen und alle seine
Fähigkeiten gebraucht, damit er vom Heiligen Geist erfüllt werden kann. b) Damit der böse Geist
sein Werk treiben kann, verlangt er vom Gläubigen, daß er im Willen passiv ist und den Gebrauch
einiger oder aller seiner Fähigkeiten einstellt. Im Falle a) wird der Geist des Menschen von Gottes
Geist erfüllt, der ihm Leben, Vollmacht, Befreiung, Wachstum, Erneuerung und Kraft schenkt,
damit er ihm in Freiheit dienen kann. Im Fall b) beschlagnahmt Satan die passiven Funktionen
des Menschen, und falls er unbemerkt bleibt, fährt er fort und zerstört seine Persönlichkeit
und seinen Willen und macht ihn zu einer Marionette, indem er seinen Leib und seine Seele
knechtet und den Menschen gebunden, niedergedrückt, zerstört und gefangen zurückläßt. Der
Heilige Geist befähigt den Gläubigen, in seiner Intuition Gottes Willen zu erkennen, damit er
ihn dann mit dem Verstand begreifen und später unter Gebrauch des Willens ausführen kann.
Der satanische Geist aber stellt die Person unter den Zwang einer äußeren Macht, die sich ihm als
Wille Gottes vorstellt, und er erniedrigt ihn zu einer Maschine, die nicht denken und entscheiden
kann. Viele Gläubige in unserer Zeit sind unbewußt in Passivität abgesunken. Ihr Wille und
Verstand haben aufgehört zu arbeiten. Darum machen sie unsagbares Leid durch. Dies geschieht
alles nach geistlichen Gesetzen. Wie es im natürlichen Bereich für alles Gesetze gibt, so gibt es
auch im geistlichen Bereich für alles ein Gesetz. Bestimmte Ursachen haben bestimmte Folgen.
Gott, der diese Gesetze aufstellt, hält sich auch daran. Wer gegen diese Gesetze verstößt, bewußt
oder unbewußt, muß die entsprechenden Folgen tragen. Wenn aber der Mensch seinen Willen,
seinen Verstand und seine Kraft gebraucht, um mit Gott zusammenzuarbeiten, dann wird Gottes
Geist wirken; denn auch das ist ein Gesetz.
9 Kapitel 9 267
Der Weg zur Freiheit
Es ist möglich, daß ein Gott ergebener Christ jahrelang zur Passivität verführt wird, ohne seine
gefährliche Notlage zu erkennen. Die Untätigkeit nimmt solche Ausmaße an, daß er schließlich
an seinem Verstand, seinen Gefühlen, am Leib und durch seine Umwelt unsagbare Schmerzen
erduldet. Es ist unbedingt notwendig, solchen Menschen die wahre Bedeutung der Hingabe zu erklären. Auch müssen sie die Wahrheit erkennen, um von der Passivität frei zu werden - ohne diese
Erkenntnis ist Befreiung unmöglich. Wir wissen, daß der Gläubige durch Betrug in Passivität
fällt. Dies wiederum wird durch Unkenntnis verursacht.
Die Wahrheit erkennen
Der erste Schritt zur Freiheit besteht darin, den wahren Sachverhalt fol gender Dinge zu erkennen: Was ist wahres Zusammenwirken mit Gott? Wie wirken böse Geister? Was ist Hingabe,
und wie zeigen sich übernatürliche Kundgebungen? Wenn das Kind Gottes frei werden will, muß
es die Wahrheit über Wesen und Ursprung seiner gemachten Erfahrungen erkennen. Das Gefälle verlief folgendermaßen: 1. Betrug, 2. Passivität, 3. Einkesselung und 4. anhaltender Betrug
und Passivität. Deshalb beginnt der Weg der Befreiung damit, daß der Betrug aufgedeckt wird.
Wenn das geschieht, werden weitere Passivität, Einkesselung und Betrug zunichtegemacht. Betrug öffnet bösen Geistern die Tür. Passivität bietet ihnen einen Aktionsraum; die Folge davon
ist Einkesselung. Um den Feind zu entmachten, muß die Passivität aufhören. Das erfordert die
Aufdeckung des Betruges, was wiederum Erkennen der Wahrheit voraussetzt. Diese Erkenntnis
ist die erste Etappe zur Freiheit. Nur die Wahrheit kann den Menschen befreien.
Wir haben unsere Leser wiederholt vor der Gefahr übernatürlicher Erfahrungen gewarnt. Wir
behaupten aber nicht, daß jede Offenbarung kategorisch abzulehnen ist. Das stünde im Widerspruch zur biblischen Lehre, weil die Schrift von vielen übernatürlichen Taten Gottes berichtet.
Unsere Absicht war es, den Christen daran zu erinnern, daß hinter übernatürlichen Phänomenen
mehr als nur eine Quelle stehen kann. Gott kann Wunder tun; aber das können böse Geister
auch! Wie wichtig ist es doch für uns, zu unterscheiden, was von Gott ist und was nicht. Wer
seelische Erfahrungen sucht und noch nicht dem gefühlsbetonten Leben gestorben ist, der kann
leicht betrogen werden. Wir drängen niemanden, allen übernatürlichen Kundgebungen zu widerstehen, aber wir wollen ermahnen, alle übernatürlichen Kundgebungen, die von Satan kommen,
abzuweisen. Wir haben also in diesem Teil des Buches versucht, den grundsätzlichen Unterschied
zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes und dem Wirken des Bösen zu betonen. Es soll Gläubigen eine Hilfe bieten, damit sie unterscheiden können, was jeweils zutrifft. Heute sind viele
Christen sehr empfänglich für die Verführungen durch das Übernatürliche. Wir hoffen sehr, daß
sie es sich zur Aufgabe machen, wenn sie mit einem übernatürlichen Phänomen in Berührung
kommen, dieses zu prüfen, damit sie nicht betrogen werden. Sie dürfen nicht vergessen, daß sie
bei einem vom Heiligen Geist gewirkten übernatürlichen Erlebnis ihren Verstand gebrauchen
können. Sie müssen nicht ganz oder teilweise passiv werden, um ein solches Erlebnis zu haben.
Auch hinterher können sie noch ungehindert Gut und Böse mit ihrem Gewissen unterscheiden.
Ist das Erlebnis aber vom bösen Geist inspiriert, muß der Leidtragende passiv und der Verstand
abgeblockt werden, und jede Betätigung vollzieht sich durch einen äußeren Zwang. Das ist der
wesentliche Unterschied. In 1. Korinther 14 erwähnt der Apostel Paulus verschiedene geistliche
Gaben. Dazu gehören Prophetie, Sprachen und andere übernatürliche Offenbarungen. Er bestätigt, daß es Gaben des Heiligen Geistes sind, aber er erklärt den Ursprung dieser göttlichen Gaben
mit folgenden Worten: »Die prophetischen Geister sind ja auch den Propheten gehorsam« (V.
32). Wenn es vom Heiligen Geist gegeben ist, was die Propheten (Gläubigen) empfangen haben,
dann sind ihnen die Geister, die sie empfangen, auch Untertan D. h., daß der Heilige Geist, indem er übernatürliche Segnungen schenkt, nie das menschliche Recht verletzt und einen Teil ihres
9 Kapitel 9 268
Seins manipuliert. Die Selbstbeherrschung bleibt in der Macht der betreffenden Christen. Nur der
Geist ist von Gott, der dem Propheten bzw. dem Gläubigen Untertan ist. Jeder Geist, der vom
Propheten verlangt, Untertan zu sein, ist nicht von Gott. Obwohl wir nicht alle übernatürlichen
Elemente ablehnen können, sollten wir doch prüfen, ob die Geister die passive Unterordnung des
Menschen verlangen oder nicht. Das Wirken des Heiligen Geistes und das der bösen Geister ist
grundverschieden. Der Heilige Geist gewährt dem Menschen absolute Freiheit; Satan verlangt
seine völlige Passivität. Der Gläubige muß seine Erfahrungen an diesem Prüfstein messen. Die
Erkenntnis, ob er sich passiv verhalten hat, kann die Lösung aller seiner Probleme sein. Wenn
das Gotteskind freiwerden möchte, muß zunächst mit seiner Unwissenheit aufgeräumt werden.
Mit anderen Worten, es muß die Wahrheit erkennen. Es geht darum, die eigentlichen Ursachen
der Ereignisse zu verstehen. Satans Lügen binden, die göttliche Wahrheit befreit. Die Wahrheit
fordert natürlich einen hohen Preis, denn sie erschüttert alle Selbstherrlichkeit, die man sich
aufgrund der vergangenen Erfahrungen angeeignet hat. Der Gläubige betrachtet sich anderen
gegenüber als überlegen, als geistlich und unfehlbar. Welch ein harter Schlag wird es für ihn
sein, wenn er eine mögliche oder tatsächliche Einflußnahme von bösen Mächten zugeben muß.
Wenn der Gläubige nicht aufrichtig an Gottes Wahrheit hängt, wird es für ihn sehr schwer sein,
diese schmerzliche und demütigende Wahrheit anzuerkennen. Es fällt uns nicht schwer, eine angenehme Erkenntnis anzunehmen; aber es ist nicht leicht, sich einer Erkenntnis zu beugen, die
unser Ich vom Sockel stößt. Es ist verhältnismäßig einfach, zuzugeben, daß man sich täuschen
könnte; hingegen sehr schwierig, zu bekennen, daß man vom Feind eingekesselt worden ist. Möge
Gott Gnade geben, wenn ein Mensch die Wahrheit erkannt hat und ihr dennoch widerstrebt.
Annehmen der Wahrheit ist der erste Schritt zur Befreiung. Das Gotteskind muß gewillt sein,
seinen wahren Zustand zu erkennen. Das erfordert Demut und Aufrichtigkeit. Wer der Wahrheit
widersteht, der lasse sich warnen, sonst wird er unbewußt tatsächlich ein Sklave. Es gibt viele
verschiedene Wege zur Erkenntnis. Manchen Christen werden die Augen über ihren tatsächlichen Zustand geöffnet, indem sie erkennen, daß sie ihre Freiheit durch ihre langanhaltende und
schwere satanische Versklavung in jeder Beziehung verloren haben. Andere, deren Erlebnisse zu
neunzig Prozent göttlich und nur zu zehn Prozent unrein sind, erkennen die Wahrheit, wenn sie
ihre Erfahrungen in Frage stellen. Andere wiederum erkennen ihren Zustand durch die Hilfe, die
sie von anderen Gläubigen erfahren. Auf jeden Fall sollte der Christ den ersten Lichtstrahl, der
ihm aufleuchtet, annehmen. Etwas in Frage zu stellen, öffnet den Weg zur Wahrheit. Damit ist
aber nicht gemeint, daß man am Heiligen Geist, Gott oder dem Wort Gottes zweifelt, sondern an
den bisherigen eigenen Erfahrungen. Solches Prüfen ist sowohl notwendig als auch biblisch, weil
Gottes Wort uns auffordert, »die Geister zu prüfen« (1. Joh. 4, 1). Hier haben die Gläubigen oft
eine verkehrte Einstellung. Sie fürchten sich, die Geister zu prüfen, weil sie Angst haben, damit
wider den Heiligen Geist zu sündigen. Aber es ist sein Wille, daß wir selbst prüfen. Wenn sich
eine Sache als vom Heiligen Geist erweist, wird er es bestätigen. Ist aber Satan der Urheber, wird
es das Licht offenbaren. Sind wir etwa durch Gott in unseren gegenwärtigen Zustand geraten?
Wirkt der Heilige Geist jemals im Widerspruch zu seinem Gesetz? Sind wir in jeder Hinsicht
unfehlbar? Hat er einmal Licht über die Wahrheit empfangen, kann der Gläubige leichter zugeben, daß er betrogen werden kann. Das eröffnet der Wahrheit die Möglichkeit, weiter zu wirken.
Sich als unfehlbar zu betrachten, ist der schlimmste Trugschluß. Wenn jemand behauptet, daß
andere sich irren, nur er selbst nicht, ist er der größte Narr. Nur nach einer Demütigung kann
er erkennen, daß er von Grund auf betrogen wurde. Vergleicht er den Grundsatz göttlichen Wirkens mit den Bedingungen des Wirkens Satans, erkennt er, daß die früheren Erfahrungen durch
Passivität empfangen wurden. Er hatte die erforderlichen Bedingungen des Wirkens böser Geister erfüllt und machte dadurch Erfahrungen, die ihn zunächst beglückten, ihm aber schließlich
schmerzlich wurden. Er arbeitete nicht aktiv im Einklang mit Gott, sondern folgte passiv dem
Willen, den er als selbstverständlich für den Willen Gottes hielt. Seine beglückenden wie auch
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seine schmerzlichen Erfahrungen müssen daher von bösen Geistern herrühren. Folglich wird er
zugeben, daß er betrogen wurde. Der Gläubige muß nicht nur die Wahrheit annehmen, sondern
auch gemäß der Erkenntnis dieser Wahrheit seinen Zustand zugeben. Auf diese Weise wird die
Lüge des Feindes für nichtig erklärt. Das sieht dann praktisch so aus: 1. zugeben, daß sich der
Gläubige täuschen kann, 2. bekennen, daß er einer Fälschung verfallen kann, 3. bekennen, daß er
selbst betrogen wurde und 4. fragen, warum er betrogen wurde.
Was ist mit »Raum« gemeint?
Jetzt können wir folgern, daß dem Feind Raum gelassen wurde. Doch welches ist der Raum, den
der Gläubige überlassen kann? Bevor er untersucht, welchen Raum er abgegeben hat, soll festgehalten werden, was Raum überhaupt bedeutet. Der Gläubige muß wissen, daß außer Sünde auch
andere Dinge den bösen Geistern Anrechte einräumen, z. B. eine Fälschung anzunehmen, Passivität des Willens und die Bejahung eines feindlichen Gedankens. Nun wollen wir die Passivität
betrachten. Passivität heißt: Wir lassen zu, daß unser Verstand oder Leib in einen komaähnlichen Zustand gerät, üben keine bewußte Kontrolle über den Verstand aus und nutzen nicht
die eigentliche Funktion des Willens, Gewissens und Gedächtnisses. Obwohl es da verschiedene
Abstufungen gibt, ist es hauptsächlich die Passivität, die Raum abtritt. Das Ausmaß der Passivität bestimmt, inwieweit der Feind eindringen kann. Sobald man den passiven Zustand erkenntganz gleich welchen Ausmaßes -, muß man umgehend den Boden zurückgewinnen. Beständig,
entschieden und bewußt sollte man dem feindlichen Versuch, Anrechte zu behalten, widerstehen,
besonders in dem Bereich, worin man getäuscht wurde. Wenn der Gläubige erkannt hat, daß er
betrogen wurde, sollte er danach trachten, das verlorene Territorium zurückzugewinnen. Da böse
Geister ihre Position auf den ihnen ausgelieferten Gebieten festhalten, verlassen sie diese Gebiete
erst dann, wenn die Ursache ausgeräumt ist. Weil der Christ nicht bewußt Selbstbeherrschung
übte, geriet er in Passivität und Betrug. Er muß jetzt seinen Willen aktiv ausüben, in der Kraft
Gottes allen Versuchungen und Angriffen der Finsternismächte widerstehen und seine früheren
Zugeständnisse widerrufen. Weil die Passivität allmählich eintrat, wird sie auch allmählich abgebaut. Die Befreiung tritt in dem Maße ein, in dem die Passivität aufgedeckt wird. Wenn man
lange Zeit passiv war, wird es lange dauern, frei zu werden. Es ist immer leichter, einen Berg
hinunterzugehen, als hinaufzusteigen. Ebenso ist es leichter, passiv zu werden, aber die Freiheit
wiederzugewinnen ist mühsam. Das überlassene Gebiet zurückzuerobern erfordert die Mitarbeit
des ganzen Menschen. Das Kind Gottes sollte auf jeden Fall Gott bitten, ihm zu zeigen, wo es
getäuscht wurde. Es muß aufrichtig wollen, daß die ganze Wahrheit über sich selbst offenbar
wird. Allgemein kann man sagen, daß das, was der Gläubige nicht hören will, gerade mit dem
verlorenen Boden zu tun hat. Wovor er sich fürchtet, ist genau der Punkt, mit dem er aufräumen
sollte, denn in neun von zehn Fällen besitzt der Feind gerade hier ein Anrecht. Darum ist es so
wichtig, daß der Christ Gott anfleht, Licht auf diese Symptome und ihre Ursachen zu werfen,
damit verlorenes Territorium zurückgewonnen wird. Aufklärung ist ein Muß; ohne sie ist der
Gläubige in der Gefahr, übernatürliche Dinge als natürlich anzusehen und geistliche (von bösen
Geistern) für etwas Physisches zu halten. Dadurch überläßt er dem Feind Raum.
Raum zurückgewinnen
Ein Prinzip liegt immer zugrunde, wenn bösen Geistern Raum überlassen wird: Die Passivität,
die Untätigkeit des Willens. Wenn verlorener Boden zurückgewonnen werden soll, ist es unerläßlich, den Willen zu reaktivieren. Darum muß der Christ lernen, a) Gottes Willen zu gehorchen,
b) dem Willen Satans zu widerstehen, c) den eigenen Willen in Zusammenarbeit mit dem Willen anderer Gläubiger zu gebrauchen. Die Aufgabe, verlorenes Gebiet zurückzugewinnen, obliegt
9 Kapitel 9 270
hauptsächlich dem Willen. Es ist der Wille, der passiv wurde, darum muß auch der Wille die Passivität vertreiben. Als erstes muß der Wille Entschlossenheit zeigen, d. h. selbst ein bestimmtes
Ziel ansteuern. Das Gotteskind, das in der Hand des Feindes viel zu leiden hatte, jetzt Kenntnis
von der Wahrheit empfangen hat und durch den Heiligen Geist ermutigt wurde, wird nun ganz
natürlich zu einer neuen Stellung geführt, nämlich die bösen Geister zu verabscheuen. Es wird
sich entsprechend gegen ihr Wirken stellen. Es ist entschlossen, frei zu werden, sein eigener Herr
zu sein und den Feind zu verjagen. Der Geist Gottes wirkt so in ihm, daß sein Zorn gegen die
bösen Geister wächst. Je größer das Leiden, umso größer der Haß; je mehr es über seine Zwangslage nachdenkt, umso zorniger wird es. Es ist entschlossen, völlig von den Finsternismächten
befreit zu werden. Diese Entschlossenheit ist der erste Schritt zur Wiedergewinnung verlorenen
Bodens. Wenn sein Entschluß echt war, wird es diesem Ziel nachjagen, ohne Rücksicht darauf,
welch grimmigen Gegenangriff der Feind startet. Der ganze Mensch stellt sich hinter diesen Entschluß, um dem Feind zu widerstehen. Der Christ sollte auch seinen Willen gebrauchen, um zu
entscheiden, was er in Zukunft will. In Zeiten geistlichen Kampfes kann dieser Entschluß sehr
wichtig sein. Er sollte nachdrücklich erklären: Ich wähle die Freiheit; ich will Unabhängigkeit;
ich weigere mich, passiv zu sein; ich will meine Gaben selber einsetzen; ich bestehe darauf, die
List der bösen Geister zu erkennen; ich will ihre Niederlage; ich sage mich los von jeder Bindung
an die Finsternismächte; ich widerstehe allen ihren Lügen und Vorwänden. Diese bewußte Willenserklärung ist sehr wertvoll im Kampf. Die Finsternismächte beachten aber diesen Entschluß
kaum. Nur wenn der Christ mit seinem Willen entscheidet, in der Kraft Gottes zu widerstehen,
werden sie fliehen. Dies unterstreicht den Grundsatz, daß der Mensch einen freien Willen hat.
Wie der Gläubige am Anfang den bösen Geistern das Eindringen erlaubt hat, so wählt er jetzt
das Gegenteil - die Ausrottung ihrer Anrechte. In dieser Konfliktperiode muß sich der Wille
des Christen auf verschiedene Weise aktiv einsetzen. Er muß nicht nur wählen und entscheiden,
sondern auch widerstehen. Er muß die Kraft seines Willens im Kampf gegen die bösen Geister
gehrauchen. Ja, mehr noch, er muß dem Feind den Zutritt verweigern, ihm die Türe verschließen. Durch Widerstehen verbietet er den bösen Geistern ihr weiteres Wirken. Durch Verweigern
kündigt er ihnen alle Rechte, die er ihnen zuvor gegeben hatte. Widerstand und Verweigerung
verhindern praktisch jedes Eindringen des Feindes. Widerstehen ist unsere Haltung dem gegenüber, was auf uns zukommt; Verweigern ist unsere Stellung gegenüber dem Vergangenen. Wenn
wir sagen: »Ich will meine Freiheit haben«, weisen wir damit die bösen Geister ab. Aber wir
müssen auch widerstehen und alle Widerstandskraft dem Feind gegenüber aufbieten, um in der
Freiheit zu bleiben, die wir durch die Verweigerung erlangt haben. Widerstand und Verweigerung
müssen andauern, bis die völlige Freiheit erlangt wird. Widerstehen ist wahrlich ein Kampf. Dazu
braucht der Gläubige die ganze Kraft von Geist, Seele und Leib. Aber die Hauptkraft ist der
Wille. Zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern ist in erster Linie eine Frage der Haltung,
aber Widerstand erfordert unser Handeln. Durch Widerstand wird unsere innere Haltung in die
Tat umgesetzt. Es ist ein Ringen im Geist. Durch die Kraft des Geistes treibt der Wille die bösen
Geister aus dem von ihnen besetzten Gebiet. Es ist ein Angriff auf die Feindeslinie. Beim Widerstehen wird die Willenskraft eingeschaltet. Sie treibt aus und verjagt. Auch wenn die feindlichen
Mächte die feindselige Haltung des Gläubigen gegen sie wahrnehmen, weichen sie doch keinen
Zentimeter von dem Raum, den sie besitzen. Sie müssen mit wahrer Kraft ausgetrieben werden.
Das Gotteskind muß geistliche Kräfte mobilisieren, um den Feind lahmzulegen und ihn zu beseitigen. Eine Willenserklärung allein genügt nicht. Es müssen außerdem praktische Maßnahmen
ergriffen werden. Widerstand ohne Verweigerung ist genauso zwecklos, weil der Raum, der dem
Feind ursprünglich zugestanden wurde, wiedergewonnen werden muß. Wenn verlorene Gebiete
zurückerobert werden sollen, muß der Gläubige seinen Willen gebrauchen, einerseits um zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern und anderseits zu widerstehen. Er sollte sich zum Kampf
entschließen und die Freiheit erwählen, Einflußbereiche verweigern und dem Feind widerstehen.
9 Kapitel 9 271
Er muß um seine Oberherrschaft kämpfen. Wir sollten unseren freien Willen nie aus den Augen
verlieren. Gott hat uns einen uneingeschränkten Willen gegeben, damit wir unser eigener Herr
sind, aber böse Geister haben unsere Glieder und Fähigkeiten widerrechtlich beschlagnahmt. Sie
beherrschen den Menschen, und der Mensch hat seine souveränen Rechte verloren. Um hier Einhalt zu gebieten, begibt sich der Christ in den Kampf. Immer wieder erklärt er: »Ich bin nicht
bereit, meine souveränen Rechte von bösen Geistern beschneiden zu lassen; ich gestatte ihnen
nicht, in meine Persönlichkeit einzudringen; ich erlaube ihnen nicht, daß sie von mir Besitz ergreifen; ich folge ihnen nicht blindlings; ich bin nicht einverstanden, daß sie mich manipulieren; ich
will es tatsächlich nicht; ich will mein eigener Herr sein; ich weiß, was ich tue; ich bin entschlossen, mich selbst zu beherrschen; ich ziehe es vor, daß mein ganzes Wesen mir selbst unterworfen
ist; ich widerstehe allem Wirken böser Geister und ihrem Recht, in mir zu handeln.« Durch das
Entscheiden, Wählen und Verweigern unseres Willens schieben wir der Aktivität des Feindes
einen Riegel vor. Danach müssen wir mit unserem Willen widerstehen. Nach der Eroberung des
verlorenen Gebietes beginnt der Gläubige ein neues Leben. Das Alte ist vergangen, und ein neuer
Anfang kann gemacht werden. Alles, was dem Feind ausgeliefert war, wurde zurückverlangt. Der
ganze Mensch-Leib, Seele und Geist-ist aus der Hand des Feindes befreit und wurde erneut Gott
geweiht. Jeder Millimeter durch Unwissenheit verlorenen Territoriums ist jetzt zurückgewonnen.
Dem Menschen ist eine Souveränität wiedergegeben. Wie kam es dazu? Was einst akzeptiert
wurde, wird nun abgelehnt; was geglaubt wurde, nicht mehr für wahr gehalten; was ihn anzog,
dem entzieht er sich; was einst aufgebaut wurde, wird niedergerissen; alte Zugeständnisse werden gekündigt; Zusammenge-fü gtes wird getrennt; Uberlassenes wird zurückgewonnen; worin
er gehorchte, in dem widersteht er; was unausgesprochen war, wird ausgesprochen; was früher
ausgeliefert wurde, dem sagt er ab. Alle früheren Ratschläge, Zugeständisse und Gedanken werden zurückgewiesen. Sogar frühere Gebete und Gebetserhörungen muß er widerrufen. Jede dieser
Handlungen steht in direktem Widerspruch zu den bösen Geistern. Weil sie mit dem Heiligen
Geist verwechselt wurden, ist man in eine enge Verbindung zu ihnen getreten. Alles, was ihnen
durch Unwissenheit ausgeliefert wurde, muß durch die neu gewonnene Erkenntnis zurückerobert
werden. So wie jedes Gebiet eines nach dem anderen übereignet wurde, so müssen alle Gebiete
auch einzeln wieder zurückgewonnen werden. Das größte Hindernis zur völligen Befreiung des
Gläubigen ist seine Weigerung, alle Bereiche ohne Ausnahme zurückzugewinnen. Er ist geneigt,
seinen Willen in einer pauschalen, vagen und allgemeinen Weise anzuwenden, um den Raum
wieder zu erobern. Dieser allumfassende Widerstand zeigt aber nur die korrekte innere Haltung
des Gläubigen. Um aber frei zu werden, muß alles im einzelnen wiederhergestellt werden. Das
erscheint uns mühsam. Aber wenn ein Gläubiger wirklich frei werden will und um göttliche
Erleuchtung bittet, wird der Heilige Geist nach und nach die Vergangenheit offenbaren. Wenn
er geduldig vorwärts schreitet, wird er schließlich in allen Bereichen frei. Dann ist er auf dem
Weg zur Freiheit. Wen wir pauschal widerstehen, zeigen wir, daß wir wohl den bösen Geistern
widerstehen; aber nur gezielter Widerstand zwingt sie dazu, das besetzte Gebiet zu verlassen.
Der Raum, der zuletzt an böse Geister verloren ging, muß als erstes wiedergewonnen werden,
wie beim Wiederbesteigen einer Treppe die letzte Stufe abwärts wieder die erste Stufe aufwärts
sein muß. Das Gotteskind muß allen Anrechten des Feindes absagen, bis es sich wieder der vollen
Freiheit erfreut. Es muß erkennen, wovon es gefallen ist, denn es muß ja wiederhergestellt werden.
Es muß erkennen, was früher normal war - wie aktiv der Wille und wie klar sein Verstand waren
- und wie sein gegenwärtiger Zustand ist. Wenn es diese beiden Zustände vergleicht, kann es
ermessen, wie weit es in die Passivität abgesunken ist. Sein normaler Zustand muß als Ziel seines
Aufstieges angesehen werden. Es sollte sich nicht eher zufriedengeben, als bis der Wille in seinen
ursprünglichen Zustand gebracht wurde und bis es aktiv jeden Teil seines Seins beherrscht. Es
sollte sich nicht als befreit betrachten, ehe nicht der Normalzustand wiedergewonnen ist. Auf
diese Weise muß der Christ wieder Herr über alle Funktionen seiner Persönlichkeit werden, die
9 Kapitel 9 272
aus dem Normalzustand in Passivität gerieten- sei es die Denktätigkeit, das Erinnerungsvermögen, die Vorstellungskraft, das Unterscheidungsvermögen, die Entschlußkraft oder die Fähigkeit
zu wählen, zu verweigern, zu widerstehen, zu lieben usw. Alles, worüber er die Oberherrschaft
aufgegeben hat, muß wieder unter seine persönliche Herrschaft gebracht werden. Er sollte seinen
Willen betätigen, um der Untätigkeit zu widerstehen und alle menschlichen Funktionen wieder
zu benutzen. Als er in Passivität absank, ergriffen die bösen Geister von seinen passiven Organen Besitz und haben sie für ihn gebraucht. Es mag für den Gläubigen außerordentlich schwierig
sein, verlorene Gebiete zurückgewinnen und über seine Organe selbst bestimmen zu wollen. Das
erklärt sich so: a) Sein Wille ist noch schwach und daher nicht in der Lage, jeden Teil seines
Wesens zu lenken. b) Die bösen Geister streiten mit aller Macht gegen ihn. Wenn er sich z. B.
bei Entscheidungen passiv verhielt, wird er jetzt dieses Anrecht kündigen und den bösen Geistern verbieten, sich einzumischen. Er ist entschlossen, selbst zu entscheiden, ohne sich von ihnen
daran hindern zu lassen. Aber er merkt, 1. daß er selbst nicht entscheiden kann und 2. daß die
bösen Geister ihn nicht entscheiden und handeln lassen. Auch wenn der Gläubige ihre Herrschaft
zurückweist, lassen sie nicht zu, daß ihr Gefangener ohne ihre Erlaubnis handelt. Gerade hier
muß der Gläubige wählen: Bleibt er passiv, läßt er es zu, daß die bösen Geister weiter an seiner
Statt handeln? Er wird natürlich nicht erlauben, daß sie ihn weiterhin manipulieren. Wenn er
auch vorübergehend nichts entscheiden kann, wird er doch den bösen Geistern nicht gestatten,
seine Entscheidungsfähigkeit zu beherrschen. Der Befreiungskampf hat nun begonnen. Jetzt ist es
eine Willenssache, denn aufgrund der Passivität sind Bereiche des Menschen in die Hände böser
Geister gefallen. Jetzt muß sich der Wille erheben, um a) der Herrschaft böser Geister zu widerstehen, b) verlorene Bereiche wiederzugewinnen, c) aktiv mit Gott zusammenzuarbeiten, damit
er jeden Bereich der Person gebrauchen kann. Vom Willen hängt alles ab. Die bösen Geister werden sich zurückziehen, wenn ihnen der Wille des Gläubigen widersteht und ihnen verbietet, seine
Lebensbereiche zu besetzen. Jeder Zoll der ihnen ausgelieferten Bereiche muß zurückgewonnen,
und jeder Betrug muß aufgedeckt werden. Um jedes Detail muß der Gläubige geduldig mit dem
Feind kämpfen. Es gilt »durchzukämpfen«. Wenn der Widerstand beginnt, sind nicht unbedingt
gleich alle Anrechte beseitigt. Die bösen Geister werden jetzt zum Endkampf übergehen; die
Gläubigen müssen durch viele Kämpfe stark werden. »Die Periode des >Sich-Durchkämpfens<
ist eine äußerst schmerzvolle Zeit. Es gibt dabei böse Augenblicke akuten Leidens und intensiven
Kampfes. Diese entstehen aus dem Bewußtsein des Widerstandes der Finsternismächte, die dem
Gläubigen das streitig machen, was er wiedereinzunehmen sucht« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 194). Der Christ wird hartnäckigen Widerstand des Feindes erfahren, wenn er seinen Willen
betätigt, um der Herrschaft böser Geister zu widerstehen und seine Funktionen wiederherzustellen. Er wird sich zunächst der Tiefe nicht bewußt sein, in die er gesunken ist. Aber wenn
er Punkt für Punkt beginnt, den Weg zu seinem Normalzustand zurückzukämpfen, merkt er,
wie tief er gefallen ist. Wegen des Widerstandes des Feindes ist es möglich, daß sich am Anfang
des Kampfes die Symptome verschlimmern. Es scheint dann oft so, als hätte er immer weniger
Willenskraft und als würden die Verstrickungen immer stärker. Dieses Phänomen kennzeichnet
trotzdem den Sieg! Obwohl der Gläubige sich schlechter fühlt, geht es ihm tatsächlich besser.
Es beweist, daß der Widerstand seine Auswirkung hat: Der Feind hat den Druck gespürt und
unternimmt einen letzten Gegenangriff. Wenn der Druck anhält, weichen die bösen Geister. Es
ist außerordentlich wichtig, daß sich der Gläubige im Kampf auf Römer 6, 11 verläßt und anerkennt, daß er eins mit dem Herrn ist. Der Tod Christi ist sein Tod. Dieser Glaube befreit ihn
von der Macht des Feindes, weil dieser keine Gewalt über Tote haben kann. Diese Haltung muß
ganz bewußt eingenommen werden. Und in Verbindung mit dieser Haltung muß Gottes Wort
gegen alle Lügen Satans angewandt werden, weil Satan jetzt versuchen wird, dem Gläubigen
vorzugaukeln, er sei so tief gefallen, daß es für ihn keine Hoffnung auf Wiederherstellung gebe.
Wenn er auf diese Lüge hört, wird er sich in die größte aller Gefahren begeben. Er rufe sich ins
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Gedächtnis, daß Satan und seine üblen Horden auf Golgatha bereits besiegt wurden (Hebr. 2, 14;
Kol. 2, 14-15). Das Erlösungswerk ist vollbracht, »auf daß alle versetzt werden aus der Gewalt
der Finsternis in das Reich des Sohnes seiner Liebe« (Kol. 1, 13). Wenn der Gläubige leiden
muß, um Raum zurückzugewinnen, so ist ihm das ein sicherer Hinweis auf das, wovor der Feind
Angst hat, und es zeigt, wie wichtig es ist, gerade diesen Raum zu erobern. Wenn dann die bösen
Mächte dem Gläubigen neue und ärgere Qualen zufügen, so soll er wissen, daß diese vom Feind
gewirkt sind, und er soll sie abweisen, ihnen keine Beachtung schenken und sich auch nicht darum
sorgen oder darüber sprechen. Wenn der Christ geduldig die vorübergehenden Schwierigkeiten
trägt und entschlossen seinen Willen ausübt, um verlorene Gebiete zurückzugewinnen, wird er
zunehmende Befreiung erfahren. Wenn er Schritt für Schritt dem Feind Raum verweigert und
ihn selber wieder einnimmt, wird sich der Einfluß Satans entsprechend verringern. Wenn er dem
Feind keinen neuen Raum ausliefert, wird dessen Macht schwinden. Wenn es auch eine gewisse
Zeit dauert, bis er völlig frei ist, so befindet er sich doch jetzt auf dem Weg zur Befreiung. Er
wird sich seiner selbst wieder bewußt, der Notwendigkeit zu essen, sein Äußeres wird nicht mehr
vernachlässigt- alles Dinge, die er durch den Angriff des Feindes aufgegeben hatte. Er soll dies
aber nicht fälschlicherweise für eine rückläufige Entwicklung in seinem geistlichen Leben halten.
Im Gegenteil, die Wiederherstellung des Bewußtseins ist ein Beweis, daß der frühere Eindringling
aus seinen Sinnen gewichen ist. An diesem Punkt sollte er also zuversichtlich weiterkämpfen, bis
die völlige Freiheit wiederhergestellt ist. Der Gläubige darf sich nicht damit zufriedengeben, einen
Teilbereich zurückgewonnen zu haben; er sollte nicht nachlassen, bis sein Normalzustand wieder
völlig hergestellt ist.
Echte Führung
Wir müssen begreifen lernen, wie Gott uns Menschen wirklich füh rt und welches die Beziehung
zwischen dem menschlichen Willen und dem Willen Gottes ist. Ein Christ sollte Gott gegenüber
vorbehaltlos gehorsam sein. Wenn sein geistliches Leben die höchste Ebene erreicht hat, wird
sein Wille völlig eins sein mit dem Willen Gottes. Das heißt aber nicht, daß er keinen eigenen
Willen mehr hat. Der ist immer noch vorhanden, aber er wird nicht mehr vom Fleisch beherrscht.
Gott verlangt stets, daß der Wille des Menschen mit ihm zusammenarbeitet, um seinen Willen
zu tun. Am Beispiel Jesu erkennen wir, daß man noch immer seinen eigenen Willen hat, auch
wenn er völlig eins ist mit Gott. »Weil ich nicht meinen Willen suche, sondern den Willen dessen,
der mich gesandt hat« - »nicht um meinen Willen auszuführen, sondern den Willen dessen, der
mich gesandt hat.« - »Doch nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe« (Joh. 5, 30; 6, 38;
Luk. 22, 42). Hier wird uns gezeigt, daß Jesus neben dem Willen des Vaters seinen eigenen,
persönlichen Willen besitzt, obwohl er mit dem Vater eins ist. Der Hinweis sagt deutlich, daß
alle, die wirklich mit Gott vereint sind, ihren Willen an die Seite des Willens Gottes stellen. Sie
sollen aber nicht ihren Willen ausschalten. Wahre Führung verpflichtet den Christen nicht, Gott
mechanisch zu gehorchen; er soll Gottes Willenaktiv ausführen. Es macht Gott keine Freude, von
seinen Kindern blinden Gehorsam zu verlangen. Er will, daß sie seinen Willen durch die bewußte
Hingabe ihrer gesamten Persönlichkeit ausleben. Ein bequemer Mensch wünscht sich, daß Gott
für ihn handelt, damit er einfach passiv folgen kann. Aber Gott will nicht, daß sein Kind untätig
ist. Er will, daß es seine Glieder aktiv in seinen Dienst stellt und aktiv gehorcht, nachdem es
Gottes Willen erforscht hat. Die Gehorsamsschritte sehen in der Praxis so aus: a) Bereitschaft,
Gottes Willen zu tun (Joh. 7, 17), b) Offenbarung dieses Willens an die Intuition des Christen
durch den Heiligen Geist (Eph. 5, 17), c) Stärkung durch Gott, seinen Willen tun zu wollen
(Phil. 2, 13), d) Stärkung durch Gott, seinen Willen zu tun (Phil. 2, 13). Gott tritt nicht an
unsere Stelle, um Seinen Willen auszuführen. Wenn wir Gottes Willen erkannt haben, müssen
wir ihn tun wollen, um dann aus dem Heiligen Geist die Kraft zur Ausführung zu schöpfen.
9 Kapitel 9 274
Warum muß der Christ aus der Kraft des Heiligen Geistes schöpfen? Weil auf sich gestellt sein
Wille sehr schwach ist. Wie wahr sind die Worte des Paulus: »Das Wollen ist bei mir vorhanden,
aber das Vollbringen finde ich nicht« (Rom. 7,18). Bevor man Gott praktisch gehorchen kann,
muß man durch den Heiligen Geist am inneren Menschen gestärkt werden. Daher wirkt Gott
zuerst das Wollen in uns, dann wirkt er das Vollbringen seines Wohlgefallens (Phil. 2, 13). Gott
offenbart seinen Willen in der Intuition unseres Geistes und stärkt uns in der Intuition, seinen
Willen zu wollen und auch zu tun. Er verlangt, daß wir mit ihm eins sind, doch manipuliert er
nicht einfach unseren Willen. Der Sinn der Schöpfung und Erlösung Gottes ist es, dem Menschen
einen völlig freien Willen zu geben. Durch das Heil, das Jesus am Kreuz vollbrachte, können
wir Christen jetzt frei wählen, Gottes Willen zu tun. Alle Ermahnungen im Neuen Testament,
die das Leben und die Gottseligkeit betreffen, müssen entweder angenommen oder abgewiesen
werden, je nachdem wir uns entscheiden. Solche Ermahnungen hätten keine Bedeutung, wenn
Gott die Betätigung unseres Willens ausschalten würde. Ein geistlicher Christ ist jemand, der
volle Gewalt über seinen eigenen Willen ausübt. Er sollte immer Gottes Willen wählen und Satans
Willen abweisen. Wenn er manchmal unsicher ist, ob etwas von Gott oder vom Teufel ist, kann
er trotzdem in der Lage sein, anzunehmen und abzuweisen. Er kann erklären: Obwohl ich nicht
weiß, ob dies von Gott oder von Satan ist, wähle ich doch, was von Gott ist, und weise ab, was
von Satan ist. Er mag weiterhin im Ungewissen bleiben, doch kann er die Haltung einnehmen,
zu wollen, was von Gott ist, und zurückweisen, was vom Teufel kommt. Ein Kind Gottes sollte
von diesem Recht der Entscheidung immer Gebrauch machen. Es ist nicht entscheidend, daß es
im Unklaren ist, solange es den Willen Gottes tun will. Diese Haltung öffnet dem Geist Gottes
die Möglichkeit, in ihm zu wirken, bis sein Wille gegen den Teufel immer stärker wird, und Satan
täglich an Einfluß einbüßt. Auf diese Weise gewinnt Gott einen weiteren treuen Diener inmitten
einer rebellischen Welt. Indem der Gläubige beständig in dieser Haltung bleibt, wird er bald den
großen Segen einer solchen Willenshaltung erkennen.
Selbstbeherrschung
Die höchste Stufe des geistlichen Wandels eines Christen ist die Selbstbeherrschung. Was man
gewöhnlich als die Herrschaft des Heiligen Geistes in uns bezeichnet, bedeutet nicht, daß er unmittelbar alle Bereiche des Menschen beherrscht. Alle Mißverständnisse an diesem Punkt werden
entweder zu Täuschungen oder Verzweiflung führen. Wenn wir wissen, daß es das Ziel des Heiligen
Geistes ist, uns zur Selbstbeherrschung zu erziehen, werden wir nicht in Passivität versinken, sondern im geistlichen Leben gut vorankommen. »Die Frucht des Geistes ist ...Selbstbeherrschung«
(Gal. 5, 22-23). Das Werk des Heiligen Geistes ist es, den äußeren Menschen im Gläubigen zum
völligen Gehorsam unter seine Selbstbeherrschung zu bringen. Der Heilige Geist herrscht über
den Gläubigen durch seinen erneuerten Willen. Wenn ein Kind Gottes nach dem Fleisch wandelt,
befindet sich sein äußerer Mensch in Auflehnung gegen den Geist, und er wird so zu einer gespaltenen Person. Wenn ein Christ aber im Geist wandelt und geistliche Frucht bringt, manifestiert er
sowohl die Kraft der Selbstbeherrschung als auch Liebe, Freude, Gütigkeit, usw. in seiner Seele.
Der äußere Mensch, einst zerfahren und verwirrt, ist jetzt der Selbstbeherrschung des Gläubigen
unterworfen und gemäß der Gesinnung des Heiligen Geistes ihr völlig ergeben. Was der Christ
durch seinen Willen beherrschen muß, sind: a) Sein eigener Geist, indem er ihn in rechtem Zustand bewahrt. Der Geist braucht die Herrschaft des Willens genauso wie die anderen Bereiche
des menschlichen Seins. Nur wenn jemandes Wille erneuert und mit dem Heiligen Geist erfüllt
ist, kann der Betreffende seinen eigenen Geist lenken und ihn in der rechten Stellung bewahren.
Erfahrene Christen stimmen überein, daß sie ihren Willen anstrengen müssen, um den Geist
gelegentlich zurückzuhalten, oder ihn willentlich erheben müssen, wenn er zu tief sinkt. Nur so
kann der Gläubige täglich durch seinen Geist wandeln. Das steht nicht im Widerspruch dazu,
9 Kapitel 9 275
daß der Geist des Menschen die ganze Person beherrschen muß. Denn wenn wir sagen, daß der
Geist über den ganzen Menschen herrscht, meinen wir damit, daß der Geist, indem er intuitiv
Gottes Gesinnung erkennt, das ganze Wesen regiert (den Willen eingeschlossen). Das entspricht
dem Willen Gottes. Die Aussage, der Wille beherrsche den Menschen, bedeutet, daß der Wille den ganzen Menschen direkt nach Gottes Willen beherrscht (den Geist eingeschlossen). In
der Erfahrung stimmen diese beiden Sachverhalte völlig überein. »Eine zerbrochene Stadt ohne
Mauer, so ist ein Mann, dessen Geist an Beherrschung mangelt« (Spr. 25, 28). b) Sein eigener
Verstand und alle übrigen Fähigkeiten seiner Seele. Alle Gedanken müssen völlig der Herrschaft
des Willens unterworfen werden; wandernde Gedanken müssen einer nach dem anderen geprüft
werden - »indem wir . . . alle Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi« (2. Kor.
10, 5), und »sinnet auf das, was oben ist« (Kol. 3, 2). c) Sein eigener Körper. Er sollte Werkzeug
des Menschen sein und nicht durch ungezügelte Gewohnheiten und Lüste dessen Meister. Der
Christ sollte seinen Willen gebrauchen, um seinen Körper zu züchtigen, zu beherrschen und zu
unterwerfen, damit er in der Lage ist, Gottes Willen zu tun, anstatt ihm im Wege zu stehen.
»Ich betäube meinen Leib und zähme ihn« (1. Kor. 9, 27). Wenn der Wille des Gläubigen den
Zustand vollkommener Selbstbeherrschung erreicht hat, wird er durch keinen Teil seines Seins
mehr behindert werden, weil er den erkannten Willen Gottes sogleich ausführen wird. Sowohl der
Heilige Geist als auch der Geist des Menschen brauchen einen Willen, der Selbstbeherrschung
übt, um Gottes Offenbarung auszuführen. Darum müssen wir einerseits mit Gott vereint sein,
anderseits aber uns unser ganzes Wesen untenan machen. Dies ist für das geistliche Leben von
großer Wichtigkeit...https://www.sermon-online.com/de/search?author=213&category=19...Gruss,Ralf😘
Kommentare
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MKS 26.03.2022 18:05
Wieder mal sehr erhellend.👍
(Nutzer gelöscht) 26.03.2022 18:22
Jesu Jünger waren sehr souverän, obwohl sie nicht, das an Schule hatten, so wie sie sprachen, wie die Menschen dachten, sie hätten haben müssen.
LG
LG
(Nutzer gelöscht) 26.03.2022 18:28
sie diese hätten haben müssen. Sry.
(Nutzer gelöscht) 26.03.2022 18:35
ich weiß garnicht mehr...was oben steht.....🤔
(Nutzer gelöscht) 26.03.2022 19:16
Dann gebe einen/deinen Beitrag dazu. 😀
@Andreas13
@Andreas13
Sulzbacher 26.03.2022 19:44
Allgemein kann man sagen, daß das, was der Gläubige nicht hören will, gerade mit dem
verlorenen Boden zu tun hat. Wovor er sich fürchtet, ist genau der Punkt, mit dem er aufräumen
sollte, denn in neun von zehn Fällen besitzt der Feind gerade hier ein Anrecht. Darum ist es so
wichtig, daß der Christ Gott anfleht, Licht auf diese Symptome und ihre Ursachen zu werfen,
damit verlorenes Territorium zurückgewonnen wird. Aufklärung ist ein Muß; ohne sie ist der
Gläubige in der Gefahr, übernatürliche Dinge als natürlich anzusehen und geistliche (von bösen
Geistern) für etwas Physisches zu halten. Dadurch überläßt er dem Feind Raum.
Raum zurückgewinnen
Ein Prinzip liegt immer zugrunde, wenn bösen Geistern Raum überlassen wird: Die Passivität,
die Untätigkeit des Willens. Wenn verlorener Boden zurückgewonnen werden soll, ist es unerläßlich, den Willen zu reaktivieren. Darum muß der Christ lernen, a) Gottes Willen zu gehorchen,
b) dem Willen Satans zu widerstehen, c) den eigenen Willen in Zusammenarbeit mit dem Willen anderer Gläubiger zu gebrauchen. Die Aufgabe, verlorenes Gebiet zurückzugewinnen, obliegt
9 Kapitel 9 270
hauptsächlich dem Willen. Es ist der Wille, der passiv wurde, darum muß auch der Wille die Passivität vertreiben. Als erstes muß der Wille Entschlossenheit zeigen, d. h. selbst ein bestimmtes
Ziel ansteuern. Das Gotteskind, das in der Hand des Feindes viel zu leiden hatte, jetzt Kenntnis
von der Wahrheit empfangen hat und durch den Heiligen Geist ermutigt wurde, wird nun ganz
natürlich zu einer neuen Stellung geführt, nämlich die bösen Geister zu verabscheuen. Es wird
sich entsprechend gegen ihr Wirken stellen. Es ist entschlossen, frei zu werden, sein eigener Herr
zu sein und den Feind zu verjagen. Der Geist Gottes wirkt so in ihm, daß sein Zorn gegen die
bösen Geister wächst. Je größer das Leiden, umso größer der Haß; je mehr es über seine Zwangslage nachdenkt, umso zorniger wird es. Es ist entschlossen, völlig von den Finsternismächten
befreit zu werden. Diese Entschlossenheit ist der erste Schritt zur Wiedergewinnung verlorenen
Bodens. Wenn sein Entschluß echt war, wird es diesem Ziel nachjagen, ohne Rücksicht darauf,
welch grimmigen Gegenangriff der Feind startet. Der ganze Mensch stellt sich hinter diesen Entschluß, um dem Feind zu widerstehen. Der Christ sollte auch seinen Willen gebrauchen, um zu
entscheiden, was er in Zukunft will. In Zeiten geistlichen Kampfes kann dieser Entschluß sehr
wichtig sein. Er sollte nachdrücklich erklären: Ich wähle die Freiheit; ich will Unabhängigkeit;
ich weigere mich, passiv zu sein; ich will meine Gaben selber einsetzen; ich bestehe darauf, die
List der bösen Geister zu erkennen; ich will ihre Niederlage; ich sage mich los von jeder Bindung
an die Finsternismächte; ich widerstehe allen ihren Lügen und Vorwänden. Diese bewußte Willenserklärung ist sehr wertvoll im Kampf. Die Finsternismächte beachten aber diesen Entschluß
kaum. Nur wenn der Christ mit seinem Willen entscheidet, in der Kraft Gottes zu widerstehen,
werden sie fliehen. Dies unterstreicht den Grundsatz, daß der Mensch einen freien Willen hat.
Wie der Gläubige am Anfang den bösen Geistern das Eindringen erlaubt hat, so wählt er jetzt
das Gegenteil - die Ausrottung ihrer Anrechte. In dieser Konfliktperiode muß sich der Wille
des Christen auf verschiedene Weise aktiv einsetzen. Er muß nicht nur wählen und entscheiden,
sondern auch widerstehen. Er muß die Kraft seines Willens im Kampf gegen die bösen Geister
gehrauchen. Ja, mehr noch, er muß dem Feind den Zutritt verweigern, ihm die Türe verschließen. Durch Widerstehen verbietet er den bösen Geistern ihr weiteres Wirken. Durch Verweigern
kündigt er ihnen alle Rechte, die er ihnen zuvor gegeben hatte. Widerstand und Verweigerung
verhindern praktisch jedes Eindringen des Feindes. Widerstehen ist unsere Haltung dem gegenüber, was auf uns zukommt; Verweigern ist unsere Stellung gegenüber dem Vergangenen. Wenn
wir sagen: »Ich will meine Freiheit haben«, weisen wir damit die bösen Geister ab. Aber wir
müssen auch widerstehen und alle Widerstandskraft dem Feind gegenüber aufbieten, um in der
Freiheit zu bleiben, die wir durch die Verweigerung erlangt haben. Widerstand und Verweigerung
müssen andauern, bis die völlige Freiheit erlangt wird. Widerstehen ist wahrlich ein Kampf. Dazu
braucht der Gläubige die ganze Kraft von Geist, Seele und Leib. Aber die Hauptkraft ist der
Wille. Zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern ist in erster Linie eine Frage der Haltung,
aber Widerstand erfordert unser Handeln. Durch Widerstand wird unsere innere Haltung in die
Tat umgesetzt. Es ist ein Ringen im Geist. Durch die Kraft des Geistes treibt der Wille die bösen
Geister aus dem von ihnen besetzten Gebiet. Es ist ein Angriff auf die Feindeslinie. Beim Widerstehen wird die Willenskraft eingeschaltet. Sie treibt aus und verjagt. Auch wenn die feindlichen
Mächte die feindselige Haltung des Gläubigen gegen sie wahrnehmen, weichen sie doch keinen
Zentimeter von dem Raum, den sie besitzen. Sie müssen mit wahrer Kraft ausgetrieben werden.
Das Gotteskind muß geistliche Kräfte mobilisieren, um den Feind lahmzulegen und ihn zu beseitigen. Eine Willenserklärung allein genügt nicht. Es müssen außerdem praktische Maßnahmen
ergriffen werden. Widerstand ohne Verweigerung ist genauso zwecklos, weil der Raum, der dem
Feind ursprünglich zugestanden wurde, wiedergewonnen werden muß. Wenn verlorene Gebiete
zurückerobert werden sollen, muß der Gläubige seinen Willen gebrauchen, einerseits um zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern und anderseits zu widerstehen. Er sollte sich zum Kampf
entschließen und die Freiheit erwählen, Einflußbereiche verweigern und dem Feind widerstehen.
9 Kapitel 9 271
Er muß um seine Oberherrschaft kämpfen. Wir sollten unseren freien Willen nie aus den Augen
verlieren. Gott hat uns einen uneingeschränkten Willen gegeben, damit wir unser eigener Herr
sind, aber böse Geister haben unsere Glieder und Fähigkeiten widerrechtlich beschlagnahmt. Sie
beherrschen den Menschen, und der Mensch hat seine souveränen Rechte verloren. Um hier Einhalt zu gebieten, begibt sich der Christ in den Kampf. Immer wieder erklärt er: »Ich bin nicht
bereit, meine souveränen Rechte von bösen Geistern beschneiden zu lassen; ich gestatte ihnen
nicht, in meine Persönlichkeit einzudringen; ich erlaube ihnen nicht, daß sie von mir Besitz ergreifen; ich folge ihnen nicht blindlings; ich bin nicht einverstanden, daß sie mich manipulieren; ich
will es tatsächlich nicht; ich will mein eigener Herr sein; ich weiß, was ich tue; ich bin entschlossen, mich selbst zu beherrschen; ich ziehe es vor, daß mein ganzes Wesen mir selbst unterworfen
ist; ich widerstehe allem Wirken böser Geister und ihrem Recht, in mir zu handeln.« Durch das
Entscheiden, Wählen und Verweigern unseres Willens schieben wir der Aktivität des Feindes
einen Riegel vor. Danach müssen wir mit unserem Willen widerstehen. Nach der Eroberung des
verlorenen Gebietes beginnt der Gläubige ein neues Leben. Das Alte ist vergangen, und ein neuer
Anfang kann gemacht werden. Alles, was dem Feind ausgeliefert war, wurde zurückverlangt. Der
ganze Mensch-Leib, Seele und Geist-ist aus der Hand des Feindes befreit und wurde erneut Gott
geweiht. Jeder Millimeter durch Unwissenheit verlorenen Territoriums ist jetzt zurückgewonnen.
Dem Menschen ist eine Souveränität wiedergegeben. Wie kam es dazu? Was einst akzeptiert
wurde, wird nun abgelehnt; was geglaubt wurde, nicht mehr für wahr gehalten; was ihn anzog,
dem entzieht er sich; was einst aufgebaut wurde, wird niedergerissen; alte Zugeständnisse werden gekündigt; Zusammenge-fü gtes wird getrennt; Uberlassenes wird zurückgewonnen; worin
er gehorchte, in dem widersteht er; was unausgesprochen war, wird ausgesprochen; was früher
ausgeliefert wurde, dem sagt er ab. Alle früheren Ratschläge, Zugeständisse und Gedanken werden zurückgewiesen. Sogar frühere Gebete und Gebetserhörungen muß er widerrufen. Jede dieser
Handlungen steht in direktem Widerspruch zu den bösen Geistern. Weil sie mit dem Heiligen
Geist verwechselt wurden, ist man in eine enge Verbindung zu ihnen getreten. Alles, was ihnen
durch Unwissenheit ausgeliefert wurde, muß durch die neu gewonnene Erkenntnis zurückerobert
werden. So wie jedes Gebiet eines nach dem anderen übereignet wurde, so müssen alle Gebiete
auch einzeln wieder zurückgewonnen werden. Das größte Hindernis zur völligen Befreiung des
Gläubigen ist seine Weigerung, alle Bereiche ohne Ausnahme zurückzugewinnen. Er ist geneigt,
seinen Willen in einer pauschalen, vagen und allgemeinen Weise anzuwenden, um den Raum
wieder zu erobern. Dieser allumfassende Widerstand zeigt aber nur die korrekte innere Haltung
des Gläubigen. Um aber frei zu werden, muß alles im einzelnen wiederhergestellt werden. Das
erscheint uns mühsam. Aber wenn ein Gläubiger wirklich frei werden will und um göttliche
Erleuchtung bittet, wird der Heilige Geist nach und nach die Vergangenheit offenbaren. Wenn
er geduldig vorwärts schreitet, wird er schließlich in allen Bereichen frei. Dann ist er auf dem
Weg zur Freiheit. Wen wir pauschal widerstehen, zeigen wir, daß wir wohl den bösen Geistern
widerstehen; aber nur gezielter Widerstand zwingt sie dazu, das besetzte Gebiet zu verlassen.
Der Raum, der zuletzt an böse Geister verloren ging, muß als erstes wiedergewonnen werden,
wie beim Wiederbesteigen einer Treppe die letzte Stufe abwärts wieder die erste Stufe aufwärts
sein muß. Das Gotteskind muß allen Anrechten des Feindes absagen, bis es sich wieder der vollen
Freiheit erfreut. Es muß erkennen, wovon es gefallen ist, denn es muß ja wiederhergestellt werden.
Es muß erkennen, was früher normal war - wie aktiv der Wille und wie klar sein Verstand waren
- und wie sein gegenwärtiger Zustand ist. Wenn es diese beiden Zustände vergleicht, kann es
ermessen, wie weit es in die Passivität abgesunken ist. Sein normaler Zustand muß als Ziel seines
Aufstieges angesehen werden. Es sollte sich nicht eher zufriedengeben, als bis der Wille in seinen
ursprünglichen Zustand gebracht wurde und bis es aktiv jeden Teil seines Seins beherrscht. Es
sollte sich nicht als befreit betrachten, ehe nicht der Normalzustand wiedergewonnen ist. Auf
diese Weise muß der Christ wieder Herr über alle Funktionen seiner Persönlichkeit werden, die
9 Kapitel 9 272
aus dem Normalzustand in Passivität gerieten- sei es die Denktätigkeit, das Erinnerungsvermögen, die Vorstellungskraft, das Unterscheidungsvermögen, die Entschlußkraft oder die Fähigkeit
zu wählen, zu verweigern, zu widerstehen, zu lieben usw. Alles, worüber er die Oberherrschaft
aufgegeben hat, muß wieder unter seine persönliche Herrschaft gebracht werden. Er sollte seinen
Willen betätigen, um der Untätigkeit zu widerstehen und alle menschlichen Funktionen wieder
zu benutzen. Als er in Passivität absank, ergriffen die bösen Geister von seinen passiven Organen Besitz und haben sie für ihn gebraucht. Es mag für den Gläubigen außerordentlich schwierig
sein, verlorene Gebiete zurückgewinnen und über seine Organe selbst bestimmen zu wollen. Das
erklärt sich so: a) Sein Wille ist noch schwach und daher nicht in der Lage, jeden Teil seines
Wesens zu lenken. b) Die bösen Geister streiten mit aller Macht gegen ihn. Wenn er sich z. B.
bei Entscheidungen passiv verhielt, wird er jetzt dieses Anrecht kündigen und den bösen Geistern verbieten, sich einzumischen. Er ist entschlossen, selbst zu entscheiden, ohne sich von ihnen
daran hindern zu lassen. Aber er merkt, 1. daß er selbst nicht entscheiden kann und 2. daß die
bösen Geister ihn nicht entscheiden und handeln lassen. Auch wenn der Gläubige ihre Herrschaft
zurückweist, lassen sie nicht zu, daß ihr Gefangener ohne ihre Erlaubnis handelt. Gerade hier
muß der Gläubige wählen: Bleibt er passiv, läßt er es zu, daß die bösen Geister weiter an seiner
Statt handeln? Er wird natürlich nicht erlauben, daß sie ihn weiterhin manipulieren. Wenn er
auch vorübergehend nichts entscheiden kann, wird er doch den bösen Geistern nicht gestatten,
seine Entscheidungsfähigkeit zu beherrschen. Der Befreiungskampf hat nun begonnen. Jetzt ist es
eine Willenssache, denn aufgrund der Passivität sind Bereiche des Menschen in die Hände böser
Geister gefallen. Jetzt muß sich der Wille erheben, um a) der Herrschaft böser Geister zu widerstehen, b) verlorene Bereiche wiederzugewinnen, c) aktiv mit Gott zusammenzuarbeiten, damit
er jeden Bereich der Person gebrauchen kann. Vom Willen hängt alles ab. Die bösen Geister werden sich zurückziehen, wenn ihnen der Wille des Gläubigen widersteht und ihnen verbietet, seine
Lebensbereiche zu besetzen. Jeder Zoll der ihnen ausgelieferten Bereiche muß zurückgewonnen,
und jeder Betrug muß aufgedeckt werden. Um jedes Detail muß der Gläubige geduldig mit dem
Feind kämpfen. Es gilt »durchzukämpfen«. Wenn der Widerstand beginnt, sind nicht unbedingt
gleich alle Anrechte beseitigt. Die bösen Geister werden jetzt zum Endkampf übergehen; die
Gläubigen müssen durch viele Kämpfe stark werden. »Die Periode des >Sich-Durchkämpfens<
ist eine äußerst schmerzvolle Zeit. Es gibt dabei böse Augenblicke akuten Leidens und intensiven
Kampfes. Diese entstehen aus dem Bewußtsein des Widerstandes der Finsternismächte, die dem
Gläubigen das streitig machen, was er wiedereinzunehmen sucht« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 194). Der Christ wird hartnäckigen Widerstand des Feindes erfahren, wenn er seinen Willen
betätigt, um der Herrschaft böser Geister zu widerstehen und seine Funktionen wiederherzustellen. Er wird sich zunächst der Tiefe nicht bewußt sein, in die er gesunken ist. Aber wenn
er Punkt für Punkt beginnt, den Weg zu seinem Normalzustand zurückzukämpfen, merkt er,
wie tief er gefallen ist. Wegen des Widerstandes des Feindes ist es möglich, daß sich am Anfang
des Kampfes die Symptome verschlimmern. Es scheint dann oft so, als hätte er immer weniger
Willenskraft und als würden die Verstrickungen immer stärker. Dieses Phänomen kennzeichnet
trotzdem den Sieg! Obwohl der Gläubige sich schlechter fühlt, geht es ihm tatsächlich besser.
Es beweist, daß der Widerstand seine Auswirkung hat: Der Feind hat den Druck gespürt und
unternimmt einen letzten Gegenangriff. Wenn der Druck anhält, weichen die bösen Geister. Es
ist außerordentlich wichtig, daß sich der Gläubige im Kampf auf Römer 6, 11 verläßt und anerkennt, daß er eins mit dem Herrn ist. Der Tod Christi ist sein Tod. Dieser Glaube befreit ihn
von der Macht des Feindes, weil dieser keine Gewalt über Tote haben kann. Diese Haltung muß
ganz bewußt eingenommen werden. Und in Verbindung mit dieser Haltung muß Gottes Wort
gegen alle Lügen Satans angewandt werden, weil Satan jetzt versuchen wird, dem Gläubigen
vorzugaukeln, er sei so tief gefallen, daß es für ihn keine Hoffnung auf Wiederherstellung gebe.
Wenn er auf diese Lüge hört, wird er sich in die größte aller Gefahren begeben. Er rufe sich ins
9 Kapitel 9 273
Gedächtnis, daß Satan und seine üblen Horden auf Golgatha bereits besiegt wurden (Hebr. 2, 14;
Kol. 2, 14-15). Das Erlösungswerk ist vollbracht, »auf daß alle versetzt werden aus der Gewalt
der Finsternis in das Reich des Sohnes seiner Liebe« (Kol. 1, 13). Wenn der Gläubige leiden
muß, um Raum zurückzugewinnen, so ist ihm das ein sicherer Hinweis auf das, wovor der Feind
Angst hat, und es zeigt, wie wichtig es ist, gerade diesen Raum zu erobern. Wenn dann die bösen
Mächte dem Gläubigen neue und ärgere Qualen zufügen, so soll er wissen, daß diese vom Feind
gewirkt sind, und er soll sie abweisen, ihnen keine Beachtung schenken und sich auch nicht darum
sorgen oder darüber sprechen. Wenn der Christ geduldig die vorübergehenden Schwierigkeiten
trägt und entschlossen seinen Willen ausübt, um verlorene Gebiete zurückzugewinnen, wird er
zunehmende Befreiung erfahren. Wenn er Schritt für Schritt dem Feind Raum verweigert und
ihn selber wieder einnimmt, wird sich der Einfluß Satans entsprechend verringern. Wenn er dem
Feind keinen neuen Raum ausliefert, wird dessen Macht schwinden. Wenn es auch eine gewisse
Zeit dauert, bis er völlig frei ist, so befindet er sich doch jetzt auf dem Weg zur Befreiung. Er
wird sich seiner selbst wieder bewußt, der Notwendigkeit zu essen, sein Äußeres wird nicht mehr
vernachlässigt- alles Dinge, die er durch den Angriff des Feindes aufgegeben hatte. Er soll dies
aber nicht fälschlicherweise für eine rückläufige Entwicklung in seinem geistlichen Leben halten.
Im Gegenteil, die Wiederherstellung des Bewußtseins ist ein Beweis, daß der frühere Eindringling
aus seinen Sinnen gewichen ist. An diesem Punkt sollte er also zuversichtlich weiterkämpfen, bis
die völlige Freiheit wiederhergestellt ist. Der Gläubige darf sich nicht damit zufriedengeben, einen
Teilbereich zurückgewonnen zu haben; er sollte nicht nachlassen, bis sein Normalzustand wieder
völlig hergestellt ist.
verlorenen Boden zu tun hat. Wovor er sich fürchtet, ist genau der Punkt, mit dem er aufräumen
sollte, denn in neun von zehn Fällen besitzt der Feind gerade hier ein Anrecht. Darum ist es so
wichtig, daß der Christ Gott anfleht, Licht auf diese Symptome und ihre Ursachen zu werfen,
damit verlorenes Territorium zurückgewonnen wird. Aufklärung ist ein Muß; ohne sie ist der
Gläubige in der Gefahr, übernatürliche Dinge als natürlich anzusehen und geistliche (von bösen
Geistern) für etwas Physisches zu halten. Dadurch überläßt er dem Feind Raum.
Raum zurückgewinnen
Ein Prinzip liegt immer zugrunde, wenn bösen Geistern Raum überlassen wird: Die Passivität,
die Untätigkeit des Willens. Wenn verlorener Boden zurückgewonnen werden soll, ist es unerläßlich, den Willen zu reaktivieren. Darum muß der Christ lernen, a) Gottes Willen zu gehorchen,
b) dem Willen Satans zu widerstehen, c) den eigenen Willen in Zusammenarbeit mit dem Willen anderer Gläubiger zu gebrauchen. Die Aufgabe, verlorenes Gebiet zurückzugewinnen, obliegt
9 Kapitel 9 270
hauptsächlich dem Willen. Es ist der Wille, der passiv wurde, darum muß auch der Wille die Passivität vertreiben. Als erstes muß der Wille Entschlossenheit zeigen, d. h. selbst ein bestimmtes
Ziel ansteuern. Das Gotteskind, das in der Hand des Feindes viel zu leiden hatte, jetzt Kenntnis
von der Wahrheit empfangen hat und durch den Heiligen Geist ermutigt wurde, wird nun ganz
natürlich zu einer neuen Stellung geführt, nämlich die bösen Geister zu verabscheuen. Es wird
sich entsprechend gegen ihr Wirken stellen. Es ist entschlossen, frei zu werden, sein eigener Herr
zu sein und den Feind zu verjagen. Der Geist Gottes wirkt so in ihm, daß sein Zorn gegen die
bösen Geister wächst. Je größer das Leiden, umso größer der Haß; je mehr es über seine Zwangslage nachdenkt, umso zorniger wird es. Es ist entschlossen, völlig von den Finsternismächten
befreit zu werden. Diese Entschlossenheit ist der erste Schritt zur Wiedergewinnung verlorenen
Bodens. Wenn sein Entschluß echt war, wird es diesem Ziel nachjagen, ohne Rücksicht darauf,
welch grimmigen Gegenangriff der Feind startet. Der ganze Mensch stellt sich hinter diesen Entschluß, um dem Feind zu widerstehen. Der Christ sollte auch seinen Willen gebrauchen, um zu
entscheiden, was er in Zukunft will. In Zeiten geistlichen Kampfes kann dieser Entschluß sehr
wichtig sein. Er sollte nachdrücklich erklären: Ich wähle die Freiheit; ich will Unabhängigkeit;
ich weigere mich, passiv zu sein; ich will meine Gaben selber einsetzen; ich bestehe darauf, die
List der bösen Geister zu erkennen; ich will ihre Niederlage; ich sage mich los von jeder Bindung
an die Finsternismächte; ich widerstehe allen ihren Lügen und Vorwänden. Diese bewußte Willenserklärung ist sehr wertvoll im Kampf. Die Finsternismächte beachten aber diesen Entschluß
kaum. Nur wenn der Christ mit seinem Willen entscheidet, in der Kraft Gottes zu widerstehen,
werden sie fliehen. Dies unterstreicht den Grundsatz, daß der Mensch einen freien Willen hat.
Wie der Gläubige am Anfang den bösen Geistern das Eindringen erlaubt hat, so wählt er jetzt
das Gegenteil - die Ausrottung ihrer Anrechte. In dieser Konfliktperiode muß sich der Wille
des Christen auf verschiedene Weise aktiv einsetzen. Er muß nicht nur wählen und entscheiden,
sondern auch widerstehen. Er muß die Kraft seines Willens im Kampf gegen die bösen Geister
gehrauchen. Ja, mehr noch, er muß dem Feind den Zutritt verweigern, ihm die Türe verschließen. Durch Widerstehen verbietet er den bösen Geistern ihr weiteres Wirken. Durch Verweigern
kündigt er ihnen alle Rechte, die er ihnen zuvor gegeben hatte. Widerstand und Verweigerung
verhindern praktisch jedes Eindringen des Feindes. Widerstehen ist unsere Haltung dem gegenüber, was auf uns zukommt; Verweigern ist unsere Stellung gegenüber dem Vergangenen. Wenn
wir sagen: »Ich will meine Freiheit haben«, weisen wir damit die bösen Geister ab. Aber wir
müssen auch widerstehen und alle Widerstandskraft dem Feind gegenüber aufbieten, um in der
Freiheit zu bleiben, die wir durch die Verweigerung erlangt haben. Widerstand und Verweigerung
müssen andauern, bis die völlige Freiheit erlangt wird. Widerstehen ist wahrlich ein Kampf. Dazu
braucht der Gläubige die ganze Kraft von Geist, Seele und Leib. Aber die Hauptkraft ist der
Wille. Zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern ist in erster Linie eine Frage der Haltung,
aber Widerstand erfordert unser Handeln. Durch Widerstand wird unsere innere Haltung in die
Tat umgesetzt. Es ist ein Ringen im Geist. Durch die Kraft des Geistes treibt der Wille die bösen
Geister aus dem von ihnen besetzten Gebiet. Es ist ein Angriff auf die Feindeslinie. Beim Widerstehen wird die Willenskraft eingeschaltet. Sie treibt aus und verjagt. Auch wenn die feindlichen
Mächte die feindselige Haltung des Gläubigen gegen sie wahrnehmen, weichen sie doch keinen
Zentimeter von dem Raum, den sie besitzen. Sie müssen mit wahrer Kraft ausgetrieben werden.
Das Gotteskind muß geistliche Kräfte mobilisieren, um den Feind lahmzulegen und ihn zu beseitigen. Eine Willenserklärung allein genügt nicht. Es müssen außerdem praktische Maßnahmen
ergriffen werden. Widerstand ohne Verweigerung ist genauso zwecklos, weil der Raum, der dem
Feind ursprünglich zugestanden wurde, wiedergewonnen werden muß. Wenn verlorene Gebiete
zurückerobert werden sollen, muß der Gläubige seinen Willen gebrauchen, einerseits um zu entscheiden, zu wählen und zu verweigern und anderseits zu widerstehen. Er sollte sich zum Kampf
entschließen und die Freiheit erwählen, Einflußbereiche verweigern und dem Feind widerstehen.
9 Kapitel 9 271
Er muß um seine Oberherrschaft kämpfen. Wir sollten unseren freien Willen nie aus den Augen
verlieren. Gott hat uns einen uneingeschränkten Willen gegeben, damit wir unser eigener Herr
sind, aber böse Geister haben unsere Glieder und Fähigkeiten widerrechtlich beschlagnahmt. Sie
beherrschen den Menschen, und der Mensch hat seine souveränen Rechte verloren. Um hier Einhalt zu gebieten, begibt sich der Christ in den Kampf. Immer wieder erklärt er: »Ich bin nicht
bereit, meine souveränen Rechte von bösen Geistern beschneiden zu lassen; ich gestatte ihnen
nicht, in meine Persönlichkeit einzudringen; ich erlaube ihnen nicht, daß sie von mir Besitz ergreifen; ich folge ihnen nicht blindlings; ich bin nicht einverstanden, daß sie mich manipulieren; ich
will es tatsächlich nicht; ich will mein eigener Herr sein; ich weiß, was ich tue; ich bin entschlossen, mich selbst zu beherrschen; ich ziehe es vor, daß mein ganzes Wesen mir selbst unterworfen
ist; ich widerstehe allem Wirken böser Geister und ihrem Recht, in mir zu handeln.« Durch das
Entscheiden, Wählen und Verweigern unseres Willens schieben wir der Aktivität des Feindes
einen Riegel vor. Danach müssen wir mit unserem Willen widerstehen. Nach der Eroberung des
verlorenen Gebietes beginnt der Gläubige ein neues Leben. Das Alte ist vergangen, und ein neuer
Anfang kann gemacht werden. Alles, was dem Feind ausgeliefert war, wurde zurückverlangt. Der
ganze Mensch-Leib, Seele und Geist-ist aus der Hand des Feindes befreit und wurde erneut Gott
geweiht. Jeder Millimeter durch Unwissenheit verlorenen Territoriums ist jetzt zurückgewonnen.
Dem Menschen ist eine Souveränität wiedergegeben. Wie kam es dazu? Was einst akzeptiert
wurde, wird nun abgelehnt; was geglaubt wurde, nicht mehr für wahr gehalten; was ihn anzog,
dem entzieht er sich; was einst aufgebaut wurde, wird niedergerissen; alte Zugeständnisse werden gekündigt; Zusammenge-fü gtes wird getrennt; Uberlassenes wird zurückgewonnen; worin
er gehorchte, in dem widersteht er; was unausgesprochen war, wird ausgesprochen; was früher
ausgeliefert wurde, dem sagt er ab. Alle früheren Ratschläge, Zugeständisse und Gedanken werden zurückgewiesen. Sogar frühere Gebete und Gebetserhörungen muß er widerrufen. Jede dieser
Handlungen steht in direktem Widerspruch zu den bösen Geistern. Weil sie mit dem Heiligen
Geist verwechselt wurden, ist man in eine enge Verbindung zu ihnen getreten. Alles, was ihnen
durch Unwissenheit ausgeliefert wurde, muß durch die neu gewonnene Erkenntnis zurückerobert
werden. So wie jedes Gebiet eines nach dem anderen übereignet wurde, so müssen alle Gebiete
auch einzeln wieder zurückgewonnen werden. Das größte Hindernis zur völligen Befreiung des
Gläubigen ist seine Weigerung, alle Bereiche ohne Ausnahme zurückzugewinnen. Er ist geneigt,
seinen Willen in einer pauschalen, vagen und allgemeinen Weise anzuwenden, um den Raum
wieder zu erobern. Dieser allumfassende Widerstand zeigt aber nur die korrekte innere Haltung
des Gläubigen. Um aber frei zu werden, muß alles im einzelnen wiederhergestellt werden. Das
erscheint uns mühsam. Aber wenn ein Gläubiger wirklich frei werden will und um göttliche
Erleuchtung bittet, wird der Heilige Geist nach und nach die Vergangenheit offenbaren. Wenn
er geduldig vorwärts schreitet, wird er schließlich in allen Bereichen frei. Dann ist er auf dem
Weg zur Freiheit. Wen wir pauschal widerstehen, zeigen wir, daß wir wohl den bösen Geistern
widerstehen; aber nur gezielter Widerstand zwingt sie dazu, das besetzte Gebiet zu verlassen.
Der Raum, der zuletzt an böse Geister verloren ging, muß als erstes wiedergewonnen werden,
wie beim Wiederbesteigen einer Treppe die letzte Stufe abwärts wieder die erste Stufe aufwärts
sein muß. Das Gotteskind muß allen Anrechten des Feindes absagen, bis es sich wieder der vollen
Freiheit erfreut. Es muß erkennen, wovon es gefallen ist, denn es muß ja wiederhergestellt werden.
Es muß erkennen, was früher normal war - wie aktiv der Wille und wie klar sein Verstand waren
- und wie sein gegenwärtiger Zustand ist. Wenn es diese beiden Zustände vergleicht, kann es
ermessen, wie weit es in die Passivität abgesunken ist. Sein normaler Zustand muß als Ziel seines
Aufstieges angesehen werden. Es sollte sich nicht eher zufriedengeben, als bis der Wille in seinen
ursprünglichen Zustand gebracht wurde und bis es aktiv jeden Teil seines Seins beherrscht. Es
sollte sich nicht als befreit betrachten, ehe nicht der Normalzustand wiedergewonnen ist. Auf
diese Weise muß der Christ wieder Herr über alle Funktionen seiner Persönlichkeit werden, die
9 Kapitel 9 272
aus dem Normalzustand in Passivität gerieten- sei es die Denktätigkeit, das Erinnerungsvermögen, die Vorstellungskraft, das Unterscheidungsvermögen, die Entschlußkraft oder die Fähigkeit
zu wählen, zu verweigern, zu widerstehen, zu lieben usw. Alles, worüber er die Oberherrschaft
aufgegeben hat, muß wieder unter seine persönliche Herrschaft gebracht werden. Er sollte seinen
Willen betätigen, um der Untätigkeit zu widerstehen und alle menschlichen Funktionen wieder
zu benutzen. Als er in Passivität absank, ergriffen die bösen Geister von seinen passiven Organen Besitz und haben sie für ihn gebraucht. Es mag für den Gläubigen außerordentlich schwierig
sein, verlorene Gebiete zurückgewinnen und über seine Organe selbst bestimmen zu wollen. Das
erklärt sich so: a) Sein Wille ist noch schwach und daher nicht in der Lage, jeden Teil seines
Wesens zu lenken. b) Die bösen Geister streiten mit aller Macht gegen ihn. Wenn er sich z. B.
bei Entscheidungen passiv verhielt, wird er jetzt dieses Anrecht kündigen und den bösen Geistern verbieten, sich einzumischen. Er ist entschlossen, selbst zu entscheiden, ohne sich von ihnen
daran hindern zu lassen. Aber er merkt, 1. daß er selbst nicht entscheiden kann und 2. daß die
bösen Geister ihn nicht entscheiden und handeln lassen. Auch wenn der Gläubige ihre Herrschaft
zurückweist, lassen sie nicht zu, daß ihr Gefangener ohne ihre Erlaubnis handelt. Gerade hier
muß der Gläubige wählen: Bleibt er passiv, läßt er es zu, daß die bösen Geister weiter an seiner
Statt handeln? Er wird natürlich nicht erlauben, daß sie ihn weiterhin manipulieren. Wenn er
auch vorübergehend nichts entscheiden kann, wird er doch den bösen Geistern nicht gestatten,
seine Entscheidungsfähigkeit zu beherrschen. Der Befreiungskampf hat nun begonnen. Jetzt ist es
eine Willenssache, denn aufgrund der Passivität sind Bereiche des Menschen in die Hände böser
Geister gefallen. Jetzt muß sich der Wille erheben, um a) der Herrschaft böser Geister zu widerstehen, b) verlorene Bereiche wiederzugewinnen, c) aktiv mit Gott zusammenzuarbeiten, damit
er jeden Bereich der Person gebrauchen kann. Vom Willen hängt alles ab. Die bösen Geister werden sich zurückziehen, wenn ihnen der Wille des Gläubigen widersteht und ihnen verbietet, seine
Lebensbereiche zu besetzen. Jeder Zoll der ihnen ausgelieferten Bereiche muß zurückgewonnen,
und jeder Betrug muß aufgedeckt werden. Um jedes Detail muß der Gläubige geduldig mit dem
Feind kämpfen. Es gilt »durchzukämpfen«. Wenn der Widerstand beginnt, sind nicht unbedingt
gleich alle Anrechte beseitigt. Die bösen Geister werden jetzt zum Endkampf übergehen; die
Gläubigen müssen durch viele Kämpfe stark werden. »Die Periode des >Sich-Durchkämpfens<
ist eine äußerst schmerzvolle Zeit. Es gibt dabei böse Augenblicke akuten Leidens und intensiven
Kampfes. Diese entstehen aus dem Bewußtsein des Widerstandes der Finsternismächte, die dem
Gläubigen das streitig machen, was er wiedereinzunehmen sucht« (Penn-Lewis, Krieg den Heiligen, 194). Der Christ wird hartnäckigen Widerstand des Feindes erfahren, wenn er seinen Willen
betätigt, um der Herrschaft böser Geister zu widerstehen und seine Funktionen wiederherzustellen. Er wird sich zunächst der Tiefe nicht bewußt sein, in die er gesunken ist. Aber wenn
er Punkt für Punkt beginnt, den Weg zu seinem Normalzustand zurückzukämpfen, merkt er,
wie tief er gefallen ist. Wegen des Widerstandes des Feindes ist es möglich, daß sich am Anfang
des Kampfes die Symptome verschlimmern. Es scheint dann oft so, als hätte er immer weniger
Willenskraft und als würden die Verstrickungen immer stärker. Dieses Phänomen kennzeichnet
trotzdem den Sieg! Obwohl der Gläubige sich schlechter fühlt, geht es ihm tatsächlich besser.
Es beweist, daß der Widerstand seine Auswirkung hat: Der Feind hat den Druck gespürt und
unternimmt einen letzten Gegenangriff. Wenn der Druck anhält, weichen die bösen Geister. Es
ist außerordentlich wichtig, daß sich der Gläubige im Kampf auf Römer 6, 11 verläßt und anerkennt, daß er eins mit dem Herrn ist. Der Tod Christi ist sein Tod. Dieser Glaube befreit ihn
von der Macht des Feindes, weil dieser keine Gewalt über Tote haben kann. Diese Haltung muß
ganz bewußt eingenommen werden. Und in Verbindung mit dieser Haltung muß Gottes Wort
gegen alle Lügen Satans angewandt werden, weil Satan jetzt versuchen wird, dem Gläubigen
vorzugaukeln, er sei so tief gefallen, daß es für ihn keine Hoffnung auf Wiederherstellung gebe.
Wenn er auf diese Lüge hört, wird er sich in die größte aller Gefahren begeben. Er rufe sich ins
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Gedächtnis, daß Satan und seine üblen Horden auf Golgatha bereits besiegt wurden (Hebr. 2, 14;
Kol. 2, 14-15). Das Erlösungswerk ist vollbracht, »auf daß alle versetzt werden aus der Gewalt
der Finsternis in das Reich des Sohnes seiner Liebe« (Kol. 1, 13). Wenn der Gläubige leiden
muß, um Raum zurückzugewinnen, so ist ihm das ein sicherer Hinweis auf das, wovor der Feind
Angst hat, und es zeigt, wie wichtig es ist, gerade diesen Raum zu erobern. Wenn dann die bösen
Mächte dem Gläubigen neue und ärgere Qualen zufügen, so soll er wissen, daß diese vom Feind
gewirkt sind, und er soll sie abweisen, ihnen keine Beachtung schenken und sich auch nicht darum
sorgen oder darüber sprechen. Wenn der Christ geduldig die vorübergehenden Schwierigkeiten
trägt und entschlossen seinen Willen ausübt, um verlorene Gebiete zurückzugewinnen, wird er
zunehmende Befreiung erfahren. Wenn er Schritt für Schritt dem Feind Raum verweigert und
ihn selber wieder einnimmt, wird sich der Einfluß Satans entsprechend verringern. Wenn er dem
Feind keinen neuen Raum ausliefert, wird dessen Macht schwinden. Wenn es auch eine gewisse
Zeit dauert, bis er völlig frei ist, so befindet er sich doch jetzt auf dem Weg zur Befreiung. Er
wird sich seiner selbst wieder bewußt, der Notwendigkeit zu essen, sein Äußeres wird nicht mehr
vernachlässigt- alles Dinge, die er durch den Angriff des Feindes aufgegeben hatte. Er soll dies
aber nicht fälschlicherweise für eine rückläufige Entwicklung in seinem geistlichen Leben halten.
Im Gegenteil, die Wiederherstellung des Bewußtseins ist ein Beweis, daß der frühere Eindringling
aus seinen Sinnen gewichen ist. An diesem Punkt sollte er also zuversichtlich weiterkämpfen, bis
die völlige Freiheit wiederhergestellt ist. Der Gläubige darf sich nicht damit zufriedengeben, einen
Teilbereich zurückgewonnen zu haben; er sollte nicht nachlassen, bis sein Normalzustand wieder
völlig hergestellt ist.