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Große Theologinnen und Theologen der Kirchengeschichte

Große Theologinnen und Theologen der Kirchengeschichte
Vom heiligen Augustinus über Hildegard von Bingen und Thomas von Aquin bis zum Reformator Martin Luther: Mehr als 2.000 Jahre Kirchengeschichte haben zahlreiche große Theologinnen und Theologen hervorgebracht. Was sie gelehrt haben, wird in einer Serie erklärt.



Große Theologen der Kirchengeschichte – Teil 1
Heiliger Augustinus: Die unausweichliche Autorität im theologischen Diskurs 

Gedenktag 28. August

Der Name Augustinus ist aus der langen Theologiegeschichte kaum mehr wegzudenken. Nicht nur, dass er selbst wohl einer der bedeutendsten Kirchenväter war, die Lektüre seiner Schriften hat viele wichtige Denker beeinflusst und dadurch zuletzt auch die Reformation nachdrücklich befördert.

Über das Leben des Augustinus sind wir relativ gut unterrichtet, da er dem Leser selbst in seinen "Confessiones" einen detaillierten Einblick in seinen Lebenslauf gewährt. Seine "Bekenntnisse" können gewissermaßen als Autobiographie des Augustinus gelesen werden, in denen er auch seinen Weg zum christlichen Glauben nachzeichnet.

Augustinus wurde wohl am 13.11.354 im nordafrikanischen Thagaste geboren. Seine Mutter Monnica war Christin und so wurde Augustinus von Kindesbeinen an im christlichen Glauben erzogen. Er selbst beschreibt diese Phase als Zeit vor seiner wirklichen Bekehrung. Augustinus ging zum Studium der Rhetorik nach Karthago, dort lebte er schon bald mit einer Geliebten zusammen, die ihm 372 den Sohn Adeodatus gebar. Die Zeit in Karthago kann als eine Zeit des Suchens nach Weisheit verstanden werden.

Augustinus war ein Suchender, der sich in vielerlei Möglichkeiten ausprobierte und so mit unterschiedlichen Strömungen in Berührung kam. Auch die Bibel zog er zu Rate, fand aber darin keine wirkliche Antwort auf seine drängenden Fragen. Vielmehr fühlte er sich in die Zeit vom Manichäismus angezogen, einer Religion, die auf den Perser Mani zurückging und die Weisheiten der anderen antiken Religionen vereinte. Als er noch selbst Schüler der manichäischen Religion war, begann Augustinus selbst Rhetorik und Grammatik zu unterrichten; zunächst in seiner Heimatstadt Thagaste, später in Karthago. Aufgrund des enttäuschenden Besuchs eines berühmten Manichäerbischofs verließ Augustinus Karthago ziemlich rasch und siedelte nach Rom über, wo er sich erneut der Philosophie zuwandte.


Tatsächlich war auch Rom für Augustinus nur eine Zwischenstation und nach einer schweren Krankheit ging er nach Mailand, wo er auf den berühmten Bischof Ambrosius traf. Ambrosius war in Mailand vor allem wegen seiner Redekunst hoch geehrt, er selbst hatte eine juristische Ausbildung durchlaufen und sich aufgrund seiner geschickten Vertretung in Rechtsfällen ein hohes Ansehen erworben.

Augustinus scheint von Ambrosius und seinen Fähigkeiten sehr begeistert zu sein, letztlich kann die Begegnung zwischen den beiden wohl als Grund für die endgültige Bekehrung des Augustinus zum christlichen Glauben angesehen werden. Die Bekehrungsszene selbst, die er in seinen Confessiones sehr ausführlich schildert, ist kunstvoll literarisch ausgestaltet. Augustinus habe eine Stimme gehört, die immer wieder die Worte "Nimm und lies" gerufen habe, bis er zu den Paulusbriefen griff und den Satz "ziehet den Herrn Jesum Christum an und pfleget nicht des Fleisches in seinen Lüsten" gelesen habe. Wahrscheinlich ist der Bekehrung zum christlichen Glauben ein längerer Prozess vorausgegangen, in dem auch der Mailänder Bischof eine wichtige Rolle spielte.

An Ostern wurden Augustinus und sein Sohn getauft

Augustinus beendete seine weltliche Laufbahn und siedelte mit seiner Mutter und einigen Freunden auf ein Landgut in der Nähe von Mailand über, wo viele seiner Schriften entstanden. Am Osterfest 387 wurden Augustinus und sein Sohn in Mailand von Ambrosius getauft; Monnica starb noch im selben Jahr. Augustinus kehrte nach Nordafrika zurück, wo er sich zum Presbyter von Hippo weihen ließ, drei Jahre darauf wurde er Bischof. Als Bischof trat Augustinus für die Verteidigung der nordafrikanischen Christen gegen unterschiedliche religiöse Strömungen ein. Besonders den Manichäismus bekämpfte er mit großem Eifer. Zahlreiche Schriften entstanden in dieser Zeit, prominent ragen seine Abhandlungen "De civitate Dei" und "De trinitate" heraus. Im Alter von 76 Jahren starb Augustinus schließlich am 28. August 430.


Die Biographie von Augustinus ist besonders im Blick auf die Entwicklung seiner Theologie sehr interessant: Von Anfang an ist sein Leben mit dem Ringen und mit der Auseinandersetzung verbunden. Das beginnt im Kindesalter, als er zwar eine christliche Erziehung genießt, aber doch nicht wirklich dem Christentum zugetan ist. Es gipfelt in seiner Suche nach Weisheit und Erkenntnis, die ihn dann doch über verschlungene Wege zum christlichen Glauben führt. Und es endet in der andauernden Beschäftigung mit Lehren, die diesem Glauben entgegenstehen oder bestimmte Glaubensinhalte unter Abschwächung anderer verabsolutieren. Dahingehend ist es auch zu verstehen, dass das Werk des Augustinus sehr vielschichtig ist, viele unterschiedliche Problemstellungen werden bei ihm reflektiert.

In das Zentrum seines Denkens stellt Augustinus das Subjekt. Diese subjektorientierte Theologie war seinerzeit noch relativ unbekannt, sie war aber aufgrund der detaillierten Pauluslektüre Augustins unausweichlich. Vor allem die Frage nach dem Bösen und dem Übel wurde dahingehend prägend für seine theologische Auseinandersetzung. Besonders im Blick auf die Erbsündenlehre strahlen Augustins Gedanken bis in heutige theologische Diskurse. In der Auseinandersetzung mit Pelagius, der für einen freien menschlichen Willen eintrat, drängte sich die Lektüre von Röm 5,12, die Augustinus dahingehend interpretierte, dass in Adam alle Menschen gleichsam mit ihm gesündigt haben. Alle Menschen sind daher mit der Ursünde befleckt, die mit Adam in die Welt gekommen ist. Im Unterschied zu seinem Kontrahenten Pelagius war Augustinus der Meinung, die Erbsünde würde physisch von Generation zu Generation weitervererbt werden. Daher sind auch alle Menschen mit der Erbsünde belastet. In der Frage nach dem freien Willen des Menschen positionierte sich Augustinus ziemlich eindeutig gegen Pelagius: Augustinus hielt fest, dass es keine absolute Willensfreiheit gebe, da diese durch den Sündenfall eingebüßt wurde.

Interessant ist, dass Augustinus eine sehr strikte Prädestinationslehre vertreten hat. Er kannte einerseits jene, die von Anbeginn für das ewige Leben und den Himmel auserwählt waren, aber ebenso jene, die auf ewig von Gott getrennt sind und in der Gottferne leben müssen. Der göttliche Ratschluss allein ist die Grundlage dieser doppelten Prädestination, die auf der Grundlage von Augustinus bis zu den Reformatoren stetig weiterentwickelt und konkretisiert wurde.

Über viele Jahrhunderte war Augustinus die unausweichliche Autorität im theologischen Diskurs. Seine Gedankengänge wurden vielfach rezipiert und bildeten die Grundlage für so manche Auseinandersetzung in der Theologiegeschichte. Erst mit dem Erscheinen einer kritischen Ausgabe seiner Werke wurde die Augustinus-Forschung differenzierter. Dass Augustinus nicht nur Theologe, sondern auch Hirte seines gläubigen Volkes war, zeigt sich daran, dass er Regeln für das christliche Zusammenleben erließ, die später als Kompilation die Augustinusregel bildete. Weitgehend unbekannt ist auch die Schrift "De musica", in welcher sich Augustinus unter anderem mit dem Rhythmus und den Metren der Musik eingehend auseinandersetzt. Daran zeigt sich noch einmal sehr eindeutig die Vielschichtigkeit, mit der man konfrontiert wird, wenn man sich der Person des Augustinus annähert.

Von F. Brand




Augustinus: Der große Konvertit

Als einer der wichtigsten Kirchenväter entwickelte er die Kirchenlehre und die Traditionen des Christentums entscheidend weiter: Am 28. August gedenkt die Kirche des heiligen Augustinus.


Papst Benedikt XVI. nannte ihn "einen der größten Konvertiten der Kirchengeschichte" und erwies ihm in seiner Sozialenzyklika "Caritas in veritate" seine Reverenz: Aurelius Augustinus ist einer der berühmtesten Kirchenlehrer, der die abendländische Geistesgeschichte maßgeblich prägte. Als einer der Kirchenväter entwickelte er die Kirchenlehre und die Traditionen des Christentums entscheidend weiter.

Am 13. November 354 n. Chr. im nordafrikanischen Thagaste geboren, wollte der junge und begabte Augustinus ein Rhetorik-Studium absolvieren. Der ehrgeizige Student entdeckte bald die von Platon beeinflusste philosophische Schrift Ciceros, den "Hortensius". Als Kind christlich erzogen, reichte nun die bisherige Bibellektüre nicht mehr. Er entfernte sich vom christlichen Glauben. Auf der Suche nach einer tieferen Wahrheit schloss er sich den Manichäern an, einer in Afrika weitverbreiteten Erlöserreligion mit christlichen Anklängen. 

Vierzig Lebensjahre als ein langes Gebet
Nach seinem Studium kletterte er die Karriereleiter hinauf: Er etablierte sich zunächst als Rhetoriklehrer, wechselte von Karthago nach Rom, bis er schließlich ein verlockendes Stellenangebot aus Mailand erhielt. Seine Beziehungen halfen ihm, die Anstellung als städtischer Rhetoriklehrer in der Kaiserresidenz zu bekommen – den höchsten Posten, den man zu dieser Zeit im Bildungsbereich erringen konnte.

In Mailand lernte Augustinus Bischof Ambrosius kennen. Fasziniert von dessen sprachlichen Fähigkeiten und Bibelauslegung, verkehrte Augustinus fortan in christlichen Kreisen. Die Bibel entdeckte er für sich neu, besonders der Apostel Paulus hatte es ihm angetan, sodass es zu seiner Bekehrung zum Christentum kam.

Zehn Jahre später hat er diesen Wandel in den "Confessiones" ("Bekenntnisse"zwinkerndes Smiley aufgeschrieben. Das Werk liest sich wie ein einziges langes Gebet und gibt detailliert seine ersten vierzig Lebensjahre wieder. Eine besondere Rolle im Leben des bedeutenden Theologen spielt das folgende Schlüsselerlebnis: Im Garten sitzend hört er eine Kinderstimme, die ihn auffordert, die Bibel zu lesen. Daraufhin schlägt er die Paulus-Schriften auf, und was Augustinus dort liest, fasziniert ihn so sehr, dass er sich mit gleichgesinnten Freunden auf ein Landgut nördlich von Mailand zurückzieht. Allen weltlichen Dingen kehrte er den Rücken zu, übte einen klösterlichen Lebensstil in Enthaltsamkeit und konzentrierte sich gänzlich auf seine Studien.

Erfüllung im Jenseits
Ostern 387 ließ er sich von Bischof Ambrosius taufen. Augustinus zog zurück in seine Heimatstadt Thagaste, wo er in klösterlicher Gemeinschaft ein christlich-philosophisches Leben führte. 391 wurde er während eines Kirchganges in Hippo Regius auf die Bitte der Stadtbevölkerung hin zum Priester geweiht und wenig später zum Bischof. Den Rest seines Lebens verbrachte er in dem Küstenstädtchen, dem heutigen Annaba in Algerien. Dort arbeitete er als Seelsorger und half den in Not geratenen Bewohnern und Kranken.

Augustinus' Schaffenskraft war enorm: Wie es für einen Kirchenvater typisch ist, interpretierte er mit dem Wissen aus verschiedenen philosophischen Strömungen die Schriften der Bibel und entwickelte eine Theologie, die weit über das bis dato herrschende Verständnis hinausging.

Bahnbrechend war seine christliche Geschichtstheologie, die er in der Schrift "De civitate Dei" ("Vom Gottesstaat"zwinkerndes Smiley festhielt. Die Eroberung und Plünderung Roms durch die Westgoten veranlasste ihn dazu. In der Schrift beschreibt Augustinus seine Grundgedanken über Glauben und Historie. Seiner Auffassung nach liegt die Erfüllung des Menschen und der ist Geschichte im Jenseits. Das Leben im Diesseits sei eine Pilgerschaft, die im ewigen Frieden Vollendung finde.

Zum Ende seiner "Pilgerschaft" verfasste Augustinus die "Retractiones", ein kritisches Verzeichnis seiner Werke, das er aber nicht vollenden konnte. Während der Belagerung Hippos durch die Vandalen starb er am 28. August 430 im Alter von 76 Jahren.

Von S. Gamrath




Demnächst:
Serie: Große Theologen der Kirchengeschichte – Teil 2
Thomas von Aquin: Universalgelehrter mit teils umstrittenem Ruf

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 21.01.2022 22:05
wie immer sehr viel zum lesen.....🙂
 
hansfeuerstein 21.01.2022 22:20
Daran erinnere ich mich immer wieder. Denn heute ist es, von wenigen löblichen Ausnahmen abgesehen, ein Trauerspiel.
 
Klavierspielerin2 03.02.2022 14:26
Serie: Große Theologen der Kirchengeschichte – Teil 2
Thomas von Aquin: Universalgelehrter mit teils umstrittenem Ruf 

In der Theologiegeschichte kommt man an einem nicht vorbei: Thomas von Aquin. Er gehört zu den größten Gelehrten des Mittelalters und prägte die Theologie nachhaltig – dabei hat er nicht nur eine positive Rezeption erfahren. Doch schon zu Lebzeiten war er es gewohnt anzuecken. 


Man kann nicht in die Theologiegeschichte blicken, ohne einen Namen zu erwähnen, der für sie bis heute von besonderer Bedeutung war: Thomas von Aquin. Von manchen als "Doctor Angelicus", als engelsgleicher Doktor verehrt, stellt er doch eine streitbare Persönlichkeit dar. Denn kein anderer hat die Theologie so nachhaltig geprägt wie er und dabei nicht nur eine positive Rezeption erfahren.

Thomas wurde vermutlich im Jahr 1225 auf Schloss Roccasecca in der Nähe des italienischen Aquino geboren. Sein Vater war Graf Landulf von Aquino, seine Mutter entstammte einer neapolitanischen Adelsfamilie; Thomas wurde in eine Familie geboren, die vor allem durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zum kaiserlichen Hof durchaus Einfluss in der damaligen politischen Situation besaß. Wie üblich, sollte ein Nachkomme einer adligen Familie ein geistliches Amt übernehmen. Daher wurde Thomas bereits mit fünf Jahren zum Oblaten der Benediktinerabtei Montecassino, deren Ursprung auf den heiligen Benedictus von Nursia zurückgeht. Dort war ein Onkel von Thomas seinerzeit als Abt tätig. Bis zum vierzehnten Lebensjahr genoss Thomas in der Abtei eine Erziehung, die ganz auf der Regel des heiligen Benedictus fußte. Gerne hätte die Familie ihren Sohn als Nachfolger des Abtes gesehen, doch schon 1239 verließ Thomas das Kloster und wurde nach Neapel geschickt, um an der dortigen Universität das Studium generale zu absolvieren. Die Zeit in Neapel war für Thomas wegweisend: Einerseits kam er über seine Lehrer, besonders über Petrus von Hibernia, in einen ersten Kontakt mit den philosophischen Schriften des Aristoteles. Und andererseits lernte er den Predigerorden kennen, der von Dominikus 1215 als Bettelorden gegründet worden war. 1243 trat Thomas in den Orden ein, freilich gegen den Willen seiner Familie, die seinen Platz im Orden des Benedictus gesehen hatte. Die Grundzüge des Predigerordens, die Verkündigung des Evangeliums und die Lehre der Theologie wurden fortan zu den beiden Grundpfeilern von Thomas‘ Leben. Zunächst sandten ihn die Ordensoberen nach Rom, doch schon auf dem Weg dorthin wurde Thomas überfallen und zurück auf die Burg Roccasecca gebracht, wo er gegen seinen Willen von der Familie gefangen gehalten wurde. Erst als Thomas mehrfach beteuerte, im Predigerorden bleiben zu wollen, ließ ihn die Familie wieder frei.


1245 ging Thomas nach Paris, wo er unter anderem bei Albertus Magnus studierte. Mit diesem zog er schließlich auch nach Köln, wo Thomas 1248 die Priesterweihe empfing. Nach einer Assistentenzeit bei Albertus Magnus kehrte Thomas 1252 nach Paris zurück, wo seine Aufgabe darin bestand, die Sentenzen des Petrus Lombardus zu kommentieren. Fünf Jahre später wurde er zum Professor in Paris bestellt, ehe er bereits 1259 nach Rom ging und unterschiedliche Aufgaben in der Lehre und an der Kurie wahrnahm. Gut zehn Jahre später, 1269, kehrte Thomas nach Paris zurück; dieser Aufenthalt dauerte nur drei überschaubare Jahre. Ein Konflikt mit dem Predigerorden zwang Thomas, 1272 wieder nach Neapel zurückzukehren. Hier sollte er in den folgenden Jahren eine theologische Akademie des Dominikanerordens gründen, wozu es allerdings nicht mehr kam. Denn schon 1274, als Thomas von Papst Gregor X. zum Unionskonzil nach Lyon entsandt wurde, starb er auf dem Weg im Kloster Fossanova. Die Umstände seines Todes am 7. März 1274 scheinen mysteriös gewesen zu sein: Unterschiedlichen Berichten zufolge habe Karl I. von Anjou die Finger im Spiel gehabt, angeblich wurde Thomas mit vergiftetem Konfekt ermordet. All das gehört freilich ins Reich der Spekulationen.

Schnelle Heiligsprechung

Schon 1323 wurde Thomas von Papst Johannes XXII. heiliggesprochen, 1567 erhob man ihn zum Kirchenlehrer. Seine Gebeine ruhen heute in Toulouse in der Kirche des Dominikanerklosters Les Jacobins.

Von Anfang an war Thomas in die großen Konflikte seiner Zeit hineingestellt: Einerseits war durch die Geburt in eine politisch einflussreiche Familie mit einem gewissen Anspruch versehen, in den Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser klar Stellung zu beziehen. Andererseits war es genau jener Konflikt, der ihn weg von einem Leben in benediktinischem Geist und hin zu seiner neuen Heimat, dem Predigerorden, führte. Doch dieser Bettelorden war vor allem eines: Gegenpol zur Prunk- und Prachtentfaltung einer Kirche, was vor allem durch den Papst gefördert wurde. Die Aufgabe, die Thomas im Orden fortan wahrnahm, bestand nicht aus Politik oder der Ausübung von Herrschaft; Thomas sollte das Evangelium in Predigt und Lehre verkündigen.


Die Theologie des Thomas ist vor allem durch seine Wiederentdeckung der Schriften des Aristoteles bestimmt. War zuvor theologisch vor allem Augustinus die Autorität in den unterschiedlichen Diskursen, griff Thomas auf den griechischen Philosophen zurück und formulierte von ihm ausgehend seine theologischen Traktate aus. Der Einfluss von Albertus Magnus, dem Lehrer aus Paris, war hier maßgeblich gewesen: Er selbst war Wegbereiter des christlichen Aristotelismus, der vor allem in der mittelalterlichen Theologie eine große Rezeption erfuhr. Zuvor war Aristoteles wegen seines heidnischen Ursprungs in theologischen Diskursen umstritten gewesen. Das Ziel von Thomas war es nun, das philosophische Weltwissen, das er bei Aristoteles begründet sah, mit dem christlichen Glauben in Beziehung zu bringen und die Inhalte des Glaubens durch die philosophische Begründung vernunftgemäß darzulegen.

Neuer Aufschwung im 19. Jahrhundert

Die vielen theologischen Schriften, die Thomas hinterlassen hat, sind sehr vielfältig: Nicht nur die Bücher der Heiligen Schrift, sondern auch die Werke des Aristoteles hat Thomas sehr umfangreich kommentiert. Daneben liegen seine Hauptwerke vor: Die "Summa contra gentiles", die "Summa Theologiae", sowie sein Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus. Außerdem hat Thomas eine Vielzahl an Quaestiones hinterlassen: In ihnen beschäftigt er sich mit jeweils einer bestimmten Frage, die er in mehreren Artikeln systematisch diskutiert. Argumente und Gegenargumente werden so von Thomas vorgelegt, gegeneinander abgewogen und auf ihre Plausibilität hin überprüft. Die Summen spiegeln jene Disputationspraxis wider, in den Akademien zur Zeit des Thomas vorherrschend war; mitunter entstammt auch ein Teil seiner Disputationen der akademischen Lehrpraxis.

Die Rezeptionsgeschichte der Theologie des Thomas von Aquin ist durchaus nicht unumstritten. Nach seinem Tod wurde seine Theologie zunächst mehrfach verurteilt, erst 1309 wurde der Thomismus im Predigerorden verbindlich. Vor allem Figuren wie Johannes Capreolus und Thomas de Vio Cajetan waren prägend in der Verbreitung des Thomismus in der Barockzeit. Neuen Aufschwung erlangte die Theologie des Thomas mit dem 19. Jahrhundert; besonders Papst Leo XIII. war ein Förderer des Neuthomismus und machte ihn für die katholische Theologie dieser Zeit wieder salonfähig. Freilich besaß dieser Neuthomismus seine offene Flanke darin, dass er sich selbst als katholische Philosophie verstanden hatte und sich damit zunehmend von der Einheit aus Theologie und Philosophie isolierte. Prominente Theologen wie Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar oder Gottlieb Söhngen versuchten dahingehend, diese Abgrenzungstendenzen aufzubrechen und aus einer kritischen Perspektive mit der Theologie des Thomas zu arbeiten. Bis heute hat Thomas jedenfalls einen festen, wenn auch teils umstrittenen Platz in der Theologie.


Von Fabian Brand


Demnächst:
Serie: Große Theologen der Kirchengeschichte – Teil 3
Anselm von Canterbury: Das Verhältnis von Glaube und Vernunft
 
Klavierspielerin2 06.04.2022 13:52
SERIE: GROSSE THEOLOGEN DER KIRCHENGESCHICHTE – TEIL 3

Anselm von Canterbury: Das Verhältnis von Glaube und Vernunft 

Anselm von Canterbury hatte eine sehr vielseitige Karriere: Er schrieb zum Gottesbeweis und löste eine Diskussion zum Sühnetod Christi aus, war als Erzbischof von Canterbury aber auch ein politischer Akteur. Sein Werk wirkt bis heute.

Anselm von Canterbury wurde vermutlich um das Jahr 1033 in Aosta geboren, das heute zu Italien gehört. Die Eltern waren beide adeliger Abstammung: Der Vater kam aus dem Stamm der Langobarden, die Mutter aus Burgund. Warum Anselm das elterliche Haus schon im Alter von fünfzehn Jahren verließ und in ein nahegelegenes Benediktinerkloster eintreten wollte, ist ungewiss. Vielleicht hatte sein Vater im Hintergrund die Fäden gesponnen und sah seinen Sohn eher im Gewand eines mächtigen Politikers, als in der ärmlichen Mönchskutte. Anselm brach wohl endgültig mit der Heimat und zog weiter nach Frankreich, wo er eine Zeit lang als Student umherwanderte, ehe er 1059 ins Kloster Bec kam. Dort wurde er Schüler des berühmten Theologen Lanfranc von Bec. Lanfranc selbst hatte – wie es sich zu dieser Zeit für einen Gelehrten gebührte – die artes liberales studiert, also die nötigen Grundlagen in den sieben freien Künsten erworben, die ein redlicher Mann besitzen sollte. 1042 kam Lanfranc nach seiner Bekehrung zum christlichen Glauben in die Abtei Bec, wo er zunächst die Aufgabe des Priors übernahm und später eine Gelehrtenschule eröffnete. Die Schule Lanfrancs erlangte sehr bald große Berühmtheit und zahlreiche Schüler aus allen Teilen Europas strömten nach Bec, um von ihm in der Kunst der Theologie unterrichtet zu werden. Großen Ruhm erlangte Lanfranc übrigens im Abendmahlsstreit mit Berengar von Tours; Lanfranc schuf hierbei die Basis der späteren Transsubstantiationslehre.

Anselm jedenfalls trat in den Schülerkreis Lanfrancs ein und band sich schnell auch an das Kloster Bec. Die Wanderjahre Anselms waren damit an ein Ende gekommen. Lanfranc hatte schnell das besondere Talent verspürt, das in Anselm ruhte, der sich sehr zügig in den Lernstoff einarbeiten konnte. Wohl auch deshalb machte ihn der Lehrer schon bald zu seinem Assistenten; zu dieser Zeit verfasste Anselm auch sein erstes Werk, den Dialog "Über den Grammatiker". Im Jahr 1063 endete die Mitarbeit Anselms bei Lanfranc, als letzterer zum Abt des neu errichteten Klosters in Caën berufen wurde. Lanfranc war ein enger Vertrauter des Königs von England, der in ihm wohl den geeigneten Mann sah, die machtpolitische Aufgabe als Abt zu erfüllen. Als Lanfranc die besten Mönche aus Bec mitnahm, musste Anselm in der Abtei verbleiben – zunächst als Prior, später wurde er selbst Abt.

Die Hoffnungen, Anselm würde weiter daran arbeiten, den Ruf Becs als prominente Kaderschmiede für Gelehrte weiter zu verbessern, zerbrach der neue Abt aber jäh. Anselm selbst hatte andere Pläne. Er versuchte, die Abtei wieder mehr an der Ordensregel des heiligen Benedictus zu orientieren und konzentrierte sich in den folgenden Jahren sehr stark auf das Studium und die Betrachtung der Heiligen Schrift. In dieser Zeit verfasste Anselm auch seine großen Werke, das Monologion (1076) und das Proslogion (1077/78). Beides Werke, deren Argumentationslinie er in einigen weiteren Schriften differenzierte und weiterführte. Besonders der vertiefte Kontakt zu muslimischen Wissenschaftlern und jüdischen Gelehrten befruchteten das Denken Anselms und boten viele Denkanstöße, die letztlich in sein groß angelegtes Werk "Cur deus homo" eingeflossen sind. In ihm setzt sich Anselm vor allem mit dem Gedanken auseinander, die Erlösung der Menschen sei auch möglich gewesen, ohne dass sich Gott selbst in den Tod gegeben hätte.

Weniger Studium, mehr Politik

Ein großer Einschnitt im Leben Anselms erfolgte 1093, als der Abt zum Erzbischof von Canterbury berufen wurde und damit ein Amt übernahm, in dem er sich weniger dem Studium und mehr politischen Aufgaben zuwenden musste. Unter anderem war Anselm in den Laieninvestiturstreit verwickelt, der sich zwischen Rom und dem deutschen Reich entsponnen hatte. Das Verhältnis zwischen dem König von England und der Kirche war höchst angespannt und sorgte dafür, dass Anselm England mehrmals verlassen musste. Nach einem zähen Ringen um Macht und Ansehen, aber auch um die rechtschaffene Ausübung seines Amtes als Metropolit starb Anselm im Jahr 1109.

Die Theologie Anselms in Gänze zu betrachten, ist nahezu unmöglich. Zu vielschichtig und zu komplex ist das Werk, das er im Laufe seines Lebens vorgelegt hat. Immer wieder zeigt sich, wie sehr Anselm um Begriffe und Beschreibungen gerungen hat; die Bemühungen, den korrekten Terminus für eine Angelegenheit zu finden, nötigen ihn zu manchem Exkurs, was seine Darlegungen oft schwer verständlich macht. Ein grundsätzliches Thema, das seine Schriften wohl wie ein roter Faden durchzieht, ist die Verhältnisbestimmung von Glaube und Vernunft. Die Frage, mit der sich Anselm beständig auseinandersetzt, lautet: Wie kann der Glaube vernünftig verantwortet werden? Auch bei Anselm zeigt sich, dass Glaube und Vernunft keine Gegensätze sind, sondern dass der Glaube immer der Rechtfertigung durch Vernunftgründe bedarf und dadurch einsichtig wird. Gerade seine vertiefte Beschäftigung mit der Philosophie und deren Synthese mit dem christlichen Glauben führten dazu, dass Anselm häufig als "Vater der Scholastik" bezeichnet wird. Anselm fasste dieses sein Denken mit zwei sehr markanten Sätzen zusammen: "Fides quaerens intellectum" (Glaube, der nach Einsicht sucht) und "Credo, ut intelligam" (Ich glaube, um zu verstehen). Damit positioniert er sich sehr eindeutig in der Verhältnisbestimmung von Glaube und Vernunft.

Gottesbeweis und Satisfaktionslehre

Untrennbar mit dem Namen Anselm ist sein Gottesargument verbunden, der sogenannte "ontologische Gottesbeweis". Dieser findet sich in seinem Proslogion und hat seinen Platz mitten in einem Gebet. In der einfachen Grundform lautet das Gottesargument Anselms: Gott sei dasjenige, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (id quo nihil maius cogitari potest). Was meint Anselm damit? Das Gottesargument Anselms ist komplex und nur unter der Annahme einiger Vorbedingungen nachzuvollziehen. Zunächst geht es Anselm darum, aufzuzeigen, dass Gott nicht nur im Verstand existiert, weil etwas real existierendes damit größer wäre als Gott. Daraus folgert Anselm, dass Gott auch in Wirklichkeit existieren müsse, sonst könne er nicht das Größte sein, über das nichts Größeres hinaus gedacht werden könne. Da es das, was im Verstand existiert, auch in Wirklichkeit gibt, sei eine Gottleugnung gemäß Anselm nicht möglich. Der Gottleugner habe ja schon den Begriff Gottes im Verstand, demgemäß existiere Gott auch in Wirklichkeit, wodurch Gottes Existenz nicht mehr geleugnet werden könne. Schließlich identifiziert Anselm am Ende seines Gedankengangs das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden könne, mit Gott.

Noch einen zweiten theologischen Gedanken hat Anselm sehr prominent vertreten: die sogenannte Satisfaktionslehre. Darin geht Anselm davon aus, dass der sündige Mensch Gott die ihm schuldige Ehre geraubt habe. Für den Menschen gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Genugtuung oder Strafe. Da der Mensch aus eigenem Vermögen die Genugtuung nicht erreichen könne, bräuchte es einen Menschen, der vollkommen ohne Schuld ist und Gott etwas bietet, was er ihm nicht sowieso schon schuldig wäre – den eigenen Tod.

Gerade die Satisfaktionslehre Anselms hat im Nachklang eine wechselvolle Diskussion um das Verständnis des Sterbens Jesu als Sühnetod ausgelöst. Auch der ontologische Gottesbeweis erfuhr im Nachgang eine reiche Rezeption, die schon sehr früh von den Grundannahmen Anselms abgewichen ist. Interessant bleibt nach wie vor der Gedanke Anselms, dass auf Gottes Existenz bereits aus seinem bloßen Begriff geschlossen werden könne. Diese These wurde vielfach diskutiert, wenngleich festzustellen bleibt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk Anselms noch in seinen Anfängen begriffen ist.

Von Fabian Brand



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Tertullian: Der lateinische Kirchenlehrer
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