🙂Das Erbe
In Lukas 15,31 sagt uns unser Herr, wie er sich die
Beziehung zwischen uns und ihm vorstellt: „Mein
Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein
ist, das ist dein." Dies ist die Idealvorstellung Gottes für jeden einzelnen von uns. Er will uns als seine Kinder haben. Nicht als Adoptivkinder, sondern als von ihm geborene, die Teilhaber seiner
göttlichen Natur sind, die seinen Geist haben und
in diesem Geist ihn als ihren Vater anerkennen.
Außerdem sehnt er sich nach einer festen und
engen Gemeinschaft mit uns. Genauso wie der
Vater in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn sich
nach Gemeinschaft mit beiden Kindern sehnt, so
will Gott mit allen Menschen Zusammensein. Und
er macht uns zu Mitbesitzern und Erben: „... alles,
was mein ist, das ist dein". Jetzt sind wir noch minderjährig, und der volle Besitz ist noch nicht in unserer Hand. Aber wenn wir auch Diener Gottes
sind, sind wir doch nicht Sklaven, und Gott wird
uns zur festgelegten Zeit unser Erbteil geben.
Dann sind alle Dinge unser durch die Gnade unseres Gottes.🙂
O himmlischer Vater!
15.01.2022 11:29
O himmlischer Vater!
15.01.2022 11:29
O himmlischer Vater!
Du Ruhmreicher und Liebender! Ich danke dir, daß ich durch den Glauben
und die erneuernde Gnade des Heiligen Geistes
von neuem geboren wurde. Gib mir mehr von dem
Geist eines Kindes und der Einfachheit eines Kinderherzens! Möge dein Geist meinem Geist bezeugen, daß ich dein bin für immer - durch deine
überwindende Liebe,Amen
und die erneuernde Gnade des Heiligen Geistes
von neuem geboren wurde. Gib mir mehr von dem
Geist eines Kindes und der Einfachheit eines Kinderherzens! Möge dein Geist meinem Geist bezeugen, daß ich dein bin für immer - durch deine
überwindende Liebe,Amen
Kommentare
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Sulzbacher 15.01.2022 15:51
Herr Jesus! Ich bitte dich demütig, daß der Heilige
Geist mich leiten möge, die wahre Bedeutung von
Golgatha zu verstehen und zu erkennen. Ich will
der Sünde sterben und der Gerechtigkeit leben.
Eins mit dir in deinem Tod, werde ich mit dir auch
eins sein in deinem Sieg über Welt, Fleisch und
Teufel!,Amen
Geist mich leiten möge, die wahre Bedeutung von
Golgatha zu verstehen und zu erkennen. Ich will
der Sünde sterben und der Gerechtigkeit leben.
Eins mit dir in deinem Tod, werde ich mit dir auch
eins sein in deinem Sieg über Welt, Fleisch und
Teufel!,Amen
Sulzbacher 15.01.2022 15:52
Wenn unsere Sünden durch die Annahme des Opfers unseres Herrn vergeben sind, dann entsteht
das Problem, wie wir ein heiliges Leben erlangen
können. Oft schon haben Menschen versucht, dieses Problem zu lösen, aber keiner kann behaupten, von sich aus den Weg zu einem besseren, heiligen Leben gefunden zu haben.
Die Lösung der Heiden
Die großen Philosophen des antiken Griechenland haben es versucht: Plato, Sokrates, Aristoteles und andere meinten, die menschliche Seele
sollte sich durch eigene Anstrengung zu einem
besseren Selbst erheben. Der höchste Ansporn
23
war für sie dabei das Ideal der Schönheit. Paulus
aber, der auch im Sinne dieser Philosophie erzogen worden war, bekannte später traurig: „Das
Gute, das ich tun will, tue ich nicht; das Böse, das
ich nicht tun will, tue ich!"
Noch heute zeugen Gebäude, Statuen und die
Literatur von den Idealen der Griechen. Aber die
Schüler der Philosophen waren nicht in der Lage,
diese Ideale in ein besseres Leben umzusetzen.
Vielmehr zeigt sich deutlich, daß diese Philosophie immer in Verzweiflung endete: Odysseus,
der über das Meer irrte, Sysiphus, dessen grausamer Auftrag nie erledigt werden konnte, Prometheus, dessen Körper von einem Geier gefressen
wurde, Herkules, der immer neue, schwerere Arbeiten aufgebürdet bekam - sie alle zeugen von
der Unfähigkeit, die eigenen Ideale zu verwirklichen.
Unbewußt bezeugen sie mit Paulus, daß Gott
von der Welt mit ihrer ganzen Weisheit nicht erkannt werden kann. Es ist den Narren - oder denen, die Philosophen für Narren hielten - vorbehalten, diese Erkenntnis zu erlangen.
Die Lösung des Täufers
Johannes, der den Beinamen „der Täufer" erhielt,
wurde vom Geist Gottes in die wilden, unwirtlichen Berge geführt, die sich zum Jordan hin erstrecken. Dort lebte er auf einfachste Weise, aber
in der unmittelbaren Nähe des unsichtbaren und
heiligen Gottes. Eines Tages kam eine Karawane
24
mit Pilgern vorbei, die auf dem Weg nach Jerusalem waren. Johannes trat ihnen in den Weg und
begrüßte sie mit der Aufforderung: „Tut Buße,
denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Bereitet dem Herrn einen Weg! Macht seine Pfade
gerade!"
Die verblüfften Pilger konnten eine seltsame
Geschichte erzählen, als sie schließlich in Jerusalem ankamen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich
die Neuigkeit von Mund zu Mund: „Elia ist wieder
da! Gott ist zu seinem Volk gekommen!" Ganz Jerusalem und Judäa zog hinaus, um diesen Mann zu
hören. Und tatsächlich ließen sich viele Menschen
durch den Rufer in der Wüste zur Buße führen.
Obwohl Johannes von Gott geführt und beauftragt war, zur Buße zu rufen, so erkannte er doch
seinen Mangel: Er konnte zwar den äußeren Ritus
der Taufe vollziehen, aber er konnte nicht die Vergebung der Sünden gewähren! Er wußte, daß er
nur den Weg bereiten sollte für einen Größeren,
der nach ihm kommen würde. Wie der Morgenstern bei Anbruch des Tages, so würde auch er bei
der Ankuft dieses Größeren verblassen.
Johannes wartete sehnsüchtig und geduldig auf
einen Mann, der eine größere geistliche Bewegung auslösen würde, als es jemals zuvor geschehen war. Und die Menge der ernsthaft Suchenden
zog deswegen auch von ihm weg, hin zu Jesus
Christus, als dieser auftrat. Nur wenige Jünger
blieben bei dem Täufer, um weiter auf die Stimme
des Herolds zu hören. Johannes war damit zufrieden, daß seine Beliebtheit abnahm, die des Chri25
stus aber zunahm. Er wußte genau, wer der wahre
und einzige Bräutigam war.
Die Lehre, die Johannes predigte, konnte die
Probleme der Menschen nicht lösen. Denn er war
nicht in der Lage, ihnen zu sagen, wie sie mit sich
selbst - oder wie es der Apostel Paulus sagte: mit
ihrem Fleisch - fertig werden könnten. Unser
Drang nach Selbstverherrlichung nimmt immer
wieder unser Tun und Denken gefangen. Wie ein
dunkler Schatten legt er sich auf unser Leben und
macht uns krank und müde. Es ist so, als seien wir,
ähnlich wie bei den furchtbaren römischen Foltermethoden, an den verwesenden Leib eines Toten
gefesselt: „Wer wird mich von dem Körper des
Todes befreien?"
Es war für Johannes offensichtlich, daß Gott
einen neuen Weg der Heiligung zeigen mußte,
den weder die Philosophie der Griechen noch das
mosaische Gesetz, das Johannes vertrat, ebnen
konnten.
Die Lösung des Neuen Testamentes
Wir haben bereits gesehen, daß unser eigenes Ich
unser größtes Hindernis ist. Es ist immer da, dürstet jeden Tag neu nach Lob und Anerkennung!
Gewiß, wir haben natürliche Gaben, die ein geheiligtes Geschenk unseres Gottes sind, für das wir
nicht genug danken können. Aber immer wieder
versuchen wir, diese Gaben einzusetzen, um Bewunderung durch unsere Mitmenschen herauszufordern. Es ist unser Drang nach Selbstverherrli26
chung, der alles zerstört und die Harmonie unseres Lebens untergräbt. Wir stehen sogar in der
Versuchung, stolz auf unsere Demut zu sein!
Wenn wir zu Gottes Lob singen, bringen wir es fertig, auf unsere Stimmen stolz zu sein! Und mancher Prediger empfindet Stolz darüber, daß ihm
seine Predigt über Demut so gut gelungen ist!
Wir müssen lernen, unsrem allgegenwärtigen
Ich keinen Raum zu geben. Aber der Kampf, den
wir dabei auszustehen haben, wird, wie Paulus in
Römer 7 sagt, lang und schwer sein. Wenn die
Sonne aufgeht, so leuchten ihre Strahlen immer
tiefer in die Grube hinein. Ebenso finden wir in
uns immer weitere Tiefen der Ich-Sucht, wenn wir
uns mehr und mehr der Sonne des Wortes Gottes
aussetzen. Noch oft werden wir den Ruf des Apostels nach Befreiung wiederholen. Aber es gibt
diese Befreiung: wenn wir täglich unser Eigenleben durch die Verbindung mit dem Kreuz Christi
absterben lassen.
Der alte Mensch, unser selbstsüchtiges Ich also,
ist mit an das Kreuz des Heilands genagelt worden. Durch unsere Verbindung mit Jesus Christus
in seinem Tod sind wir, wie Gott es beabsichtigt
hat, der Sünde gestorben. Wir waren mit ihm eins
im Tod und sind mit ihm verbunden in der Auferstehung. Dieses Wissen müssen wir für uns persönlich wahr machen. Wir müssen erkennen, daß
unser altes Ich mit Christus gekreuzigt ist und wir
nun die herrliche Freiheit seiner Auferstehung
haben. Der Tod Jesu bedeutet gleichzeitig den
Tod der Sünde. Das Leben, das Jesus jetzt lebt,
27
lebt er Gott. Wir sind mit ihm der Sünde und dem
Ich gestorben, aber wir leben für Gott durch die
Verbindung mit unserem Heiland. Das eigene Ich
mag nicht gestorben sein, aber wir sind für das Ich
gestorben!
An einem Sommerabend kam ich in der Universität von Northfield an. Vor achthundert bis eintausend Zuhörern stand Dwight L. Moody gemeinsam mit seinem Bruder auf der Bühne. Als
ich auch auf die Bühne ging, hörte ich folgenden
Dialog:
„Was hast du denn da?" fragte Moody seinen
Bruder.
„Einen Apfelbaum!"
„War es schon immer ein Apfelbaum?"
„Nein, es war ein wilder Schößling, dem wir
aber einen Apfelstamm aufgepfropft haben."
D.L. Moody wandte sich nun an mich: „An was
erinnert Sie das?"
„Wir waren wie alle Menschen wilde Schößlinge
ohne Hoffnung auf Frucht. Aber dann hat uns der
Heilige Geist Jesu Natur eingepflanzt."
„Gibt es Schwierigkeiten mit dem wilden
Schößling?" wurde wieder der Bruder gefragt.
„Ja. Der Baum schlägt immer wieder unterhalb
des Pfropfes aus. Diese Triebe verbrauchen die
ganze Kraft, so daß für den veredelten Teil nicht
genug Saft übrigbleibt."
„Was macht ihr dann damit?"
„Wir kneifen die Triebe, die unterhalb des
Pfropfes herauskommen, ab. Aber sie treten weiter unten immer wieder heraus."
28
Nach dieser Auskunft fragte mich Moody, ob es
im Leben der Christen etwas Ähnliches zu beobachten gäbe. Ich sagte dazu:
„Dieser veredelte Apfelschößling ist ein gutes
Gleichnis für unser eigenes Leben. Unser altes Ich
bricht auch immer wieder hervor. Anfangs haben
wir es mit meist oberflächlichen Versuchungen zu
tun, um unsere Eitelkeit zu befriedigen. Aber je
älter wir werden, desto tiefer reichen auch die
Ausbrüche unseres alten Ichs!"
Um noch näher zu erläutern, was gemeint ist,
will ich das Beispiel eines Dr. Tauler aus Straßburg erzählen. Dieser Mann hatte zu späterer Zeit
maßgeblichen Anteil an Luthers Reformation.
Schon immer war er ein hervorragender Redner
gewesen. Aber eines Tages kam ein junger
Schweizer namens Nikolaus von Basel in die Kirche von Dr. Tauler und sagte zu dem Prediger:
„Du mußt sterben, Dr. Tauler! Bevor du dein großes Werk für Gott, für die Welt und diese Stadt
tun kannst, mußt du sterben: Dir selbst, deinen
Gaben, deiner Beliebtheit, sogar deiner Tugend
mußt du sterben! Erst wenn du die volle Bedeutung des Kreuzes begriffen hast, wirst du neue
Macht von Gott bekommen."
Dr. Tauler lehnte diese Einmischung zuerst empört ab, blieb dann aber seiner Kanzel für einige
Zeit fern, um sich zu Gebet, Meditation und
Selbsterforschung zurückzuziehen. Als die innere
Sicht immer klarer wurde, erkannte er, wieviel
Anstrengungen seines Dienstes aus dem Wunsch
heraus entstanden waren, Eindruck zu schinden. '
29
Aber nicht um Christi willen, sondern um sein eigenes Ansehen zu erhalten und zu vergrößern! So
ließ er die Anerkennung durch die Menschen am
Kreuz zurück und beschloß, nur noch dem gekreuzigten Herrn zu dienen. Von dieser Zeit an halfen
seine Predigten den Menschen wie nie zuvor, und
Dr. Tauler konnte den Weg für Luther und die Reformation bereiten helfen.
Dieses Geschehen wiederholt sich immer wieder. Der Pariser Pastor Monod hat es in einem
Liedvers aufgeschrieben, als er zum ersten Mal eine Schau von einem erfüllten Leben mit Gott und
Christus hatte:
Alles für mich und nichts für dich!
Einiges für mich und einiges für dich!
Weniger für mich und mehr für dich!
Nichts für mich und alles für dich!
In dem schon erwähnten Kapitel des Römerbriefes schreibt der Apostel Paulus von seinen inneren
Kämpfen. Er fühlt sich wohl wie ein Vogel, der immer wieder gegen die Gitterstäbe seines Käfigs
fliegt und dessen Hoffnung auf Freiheit doch vergeblich ist. Sein eigenes Ich hält ihn gefangen.
Aber Petrus weiß auch - und beschreibt diese Erkenntnis im nächsten Kapitel -, daß diejenigen,
die im Geist wandeln, aus ihrer eigenen Begrenzung befreit werden. Denn der Geist Gottes hat
sie von der Belastung der Sünde und des Todes befreit.
Stellen wir uns vor, wir stünden auf dem Deck
eines Dampfers und betrachteten den Flug einer
Seemöwe. Natürlich wird sie durch die Erdanzie30
hungskraft nach unten gezogen, aber diese Kraft
wird durch die Kraft der Flügelschläge ausgeglichen. Jeder Flügelschlag wird dabei von dem Lebensgeist, der in der Brust des Tieres wohnt, bestimmt. Genauso wird jedem von uns, in dem der
Geist Gottes wohnt, das Leben unseres Heilands
gegeben. Die besondere Art dieses Lebens trägt
mehr als ausreichend dazu bei, daß wir nicht von
der Anziehungskraft der Sünde nach unten gezogen werden. Schon bei der kleinsten Andeutung
von Sünde sorgt der Heilige Geist dafür, daß wir
die Dinge, die unser Ich gern tun möchte, nicht tun
können. Wir fallen nicht in die Sünden zurück, die
früher zu unserer Natur gehörten. Die Voraussetzung dafür beschreibt der Apostel in Galater 5,
16-26. Dort heißt es unter anderem: „Wandelt im
Geist, dann werdet ihr die Begierden des Fleisches
nicht befriedigen."
Der Geist wird sich gegen unser Fleisch erheben
und den absoluten Sieg erringen. So kann tatsächlich eine Versuchung zur Stärkung des Charakters
beitragen, wenn wir ihr mit der Hilfe unseres
Herrn widerstehen.
Vor einigen Jahren verbrachte ich mit anderen
Christen zusammen einige Herbstabende bei Canon Wilberforce. Wir saßen in seinem Arbeitszimmer um das Feuer herum und sprachen über die
Probleme des geistlichen Lebens. Nachdem einige
Männer die negativen Auswirkungen der Sünde
betont hatten, erhob sich ein älterer Geistlicher
und sagte:
„Ich bin von Natur aus jähzornig. Als ich vor
31
kurzem zu den Kindern meiner Sonntagsschule
sprach, waren sie unruhiger als gewöhnlich. Ich
stand kurz davor, die Geduld zu verlieren, als ich
aufblickte und unseren Heiland ruhig und stark
vor mir sah. Ich betete: ,Herr, gib mir deine Geduld, denn meine ist am Ende!' Sofort hatte ich
den Eindruck, als lege er ein Stück seiner Geduld
in mein Herz. Ich hätte doppelt soviel Kinder und
doppelt soviel Unaufmerksamkeit ertragen können, ohne mich aufzuregen. Seitdem habe ich diese Methode immer wieder angewandt. Wenn ich
stolz werde, dann bete ich: ,Devne Demut, Herr!'
Wenn ich ungeduldig werde, bete ich: ,Deine Geduld, Herr/' So sind die Versuchungen für mich
etwas Positives geworden, weil ich durch sie Gnade empfange."
An diesem Punkt endete unsere Unterhaltung,
weil keiner etwas Besseres zu sagen in der Lage
war. Als wir uns am nächsten Morgen wieder trafen, beschlossen Wilberforce und ich, daß wir die
Erfahrung des alten Geistlichen selber ausprobieren wollten. Gerade die Versuchungen wollten wir
nutzen, um die Kraft des auferstandenen Herrn
für uns zu beanspruchen. Der Geist Gottes läßt
uns zu Überwindern werden, indem er uns gerade
an den Punkten unserer Schwächen besonders
stärkt.
Oft wird das Leben mit Gott mit dem Leben in
der Ehe verglichen. Ich will diesen Gedanken etwas fortführen. Wenn eine Frau wegen der Grausamkeiten oder wegen der Untreue ihres Ehemannes geschieden wurde und dann einen Mann mit
32
reinem und edlem Charakter heiratet, so wird sie
keine Lust mehr haben, zu ihrem früheren Mann
zurückzukehren. Aber sie wird ihn auch nicht
mehr fürchten. Ihr Herz und ihr Leben sind so ausgeglichen, daß es sie vielleicht schaudert, sollte sie
ihn auf der Straße treffen, jedoch wird sie gleichzeitig wissen, daß sie in Sicherheit ist, und sich
noch fester an den Mann ihrer Wahl hängen.
Genauso geht es auch uns als Christen. Wir sind
nicht nur mit dem Heiland der Menschen verbunden, der von den Toten auferstanden ist, nein, wir
hängen uns um so mehr an ihn, desto mehr unser
altes Ich wieder auftaucht.
Als die Frau des Tigarnes von Alexander dem
Großen zurückkehrte, wurde sie gefragt, wie ihr
all die Möbel und kostbaren Verzierungen im
Haus des Herrschers gefallen hatten. Sie antwortete, sie habe nichts davon gesehen, sondern immer nur auf den Mann - ihren Ehemann - geschaut, der bereitwillig angeboten habe, getötet zu
werden, damit sie verschont bliebe.
Hätten wir doch mehr von dieser Liebe! So viel,
daß die leiseste Andeutung von Selbstsucht,
Selbstlob oder Selbstmitleid von unserer Liebe zu
Jesus weggewischt würde.
Als Odysseus auf seiner Irrfahrt die Inseln der
Sirenen, deren betörenden Lieder die Seeleute auf
die grausamen Felsen lockten, passierte, mußte er
seine Seeleute und Ruderer an ihre Sitze fesseln.
Als Orpheus später an den Inseln der Sirenen vorüberkam, brauchte er keine Stricke oder Seile.
Seine Musik war noch schöner als die der Sirenen.
33
Genauso ist Jesu Geist in uns stärker als der Geist
der Sünde.
Die Liebe kann uns völlig verändern. Ich kenne
die Geschichte eines jungen Mädchens, das an der
Universität von Edinburgh studierte und keinen
Hehl aus ihrer Abneigung gegen Mathematik
machte. Ihre Einstellung änderte sich völlig, als sie
sich in den besten Mathematiker der Universität
verliebte und er diese Liebe erwiderte. So möge
die Liebe Jesu uns alle verändern und die Fesseln
unseres eigenen Ichs zerreißen.
Es ist gut, sich als der Sünde gestorben zu betrachten.
Es ist gut, sich immer wieder auf die übergroße
Machtfülle des Heilands zu verlassen.
Es ist aber am besten, wenn wir uns in der überwindenden Liebe Jesu Christi verlieren.
Graf Zinzendorf sagte einmal von sich, er habe
nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe Christi!
das Problem, wie wir ein heiliges Leben erlangen
können. Oft schon haben Menschen versucht, dieses Problem zu lösen, aber keiner kann behaupten, von sich aus den Weg zu einem besseren, heiligen Leben gefunden zu haben.
Die Lösung der Heiden
Die großen Philosophen des antiken Griechenland haben es versucht: Plato, Sokrates, Aristoteles und andere meinten, die menschliche Seele
sollte sich durch eigene Anstrengung zu einem
besseren Selbst erheben. Der höchste Ansporn
23
war für sie dabei das Ideal der Schönheit. Paulus
aber, der auch im Sinne dieser Philosophie erzogen worden war, bekannte später traurig: „Das
Gute, das ich tun will, tue ich nicht; das Böse, das
ich nicht tun will, tue ich!"
Noch heute zeugen Gebäude, Statuen und die
Literatur von den Idealen der Griechen. Aber die
Schüler der Philosophen waren nicht in der Lage,
diese Ideale in ein besseres Leben umzusetzen.
Vielmehr zeigt sich deutlich, daß diese Philosophie immer in Verzweiflung endete: Odysseus,
der über das Meer irrte, Sysiphus, dessen grausamer Auftrag nie erledigt werden konnte, Prometheus, dessen Körper von einem Geier gefressen
wurde, Herkules, der immer neue, schwerere Arbeiten aufgebürdet bekam - sie alle zeugen von
der Unfähigkeit, die eigenen Ideale zu verwirklichen.
Unbewußt bezeugen sie mit Paulus, daß Gott
von der Welt mit ihrer ganzen Weisheit nicht erkannt werden kann. Es ist den Narren - oder denen, die Philosophen für Narren hielten - vorbehalten, diese Erkenntnis zu erlangen.
Die Lösung des Täufers
Johannes, der den Beinamen „der Täufer" erhielt,
wurde vom Geist Gottes in die wilden, unwirtlichen Berge geführt, die sich zum Jordan hin erstrecken. Dort lebte er auf einfachste Weise, aber
in der unmittelbaren Nähe des unsichtbaren und
heiligen Gottes. Eines Tages kam eine Karawane
24
mit Pilgern vorbei, die auf dem Weg nach Jerusalem waren. Johannes trat ihnen in den Weg und
begrüßte sie mit der Aufforderung: „Tut Buße,
denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Bereitet dem Herrn einen Weg! Macht seine Pfade
gerade!"
Die verblüfften Pilger konnten eine seltsame
Geschichte erzählen, als sie schließlich in Jerusalem ankamen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich
die Neuigkeit von Mund zu Mund: „Elia ist wieder
da! Gott ist zu seinem Volk gekommen!" Ganz Jerusalem und Judäa zog hinaus, um diesen Mann zu
hören. Und tatsächlich ließen sich viele Menschen
durch den Rufer in der Wüste zur Buße führen.
Obwohl Johannes von Gott geführt und beauftragt war, zur Buße zu rufen, so erkannte er doch
seinen Mangel: Er konnte zwar den äußeren Ritus
der Taufe vollziehen, aber er konnte nicht die Vergebung der Sünden gewähren! Er wußte, daß er
nur den Weg bereiten sollte für einen Größeren,
der nach ihm kommen würde. Wie der Morgenstern bei Anbruch des Tages, so würde auch er bei
der Ankuft dieses Größeren verblassen.
Johannes wartete sehnsüchtig und geduldig auf
einen Mann, der eine größere geistliche Bewegung auslösen würde, als es jemals zuvor geschehen war. Und die Menge der ernsthaft Suchenden
zog deswegen auch von ihm weg, hin zu Jesus
Christus, als dieser auftrat. Nur wenige Jünger
blieben bei dem Täufer, um weiter auf die Stimme
des Herolds zu hören. Johannes war damit zufrieden, daß seine Beliebtheit abnahm, die des Chri25
stus aber zunahm. Er wußte genau, wer der wahre
und einzige Bräutigam war.
Die Lehre, die Johannes predigte, konnte die
Probleme der Menschen nicht lösen. Denn er war
nicht in der Lage, ihnen zu sagen, wie sie mit sich
selbst - oder wie es der Apostel Paulus sagte: mit
ihrem Fleisch - fertig werden könnten. Unser
Drang nach Selbstverherrlichung nimmt immer
wieder unser Tun und Denken gefangen. Wie ein
dunkler Schatten legt er sich auf unser Leben und
macht uns krank und müde. Es ist so, als seien wir,
ähnlich wie bei den furchtbaren römischen Foltermethoden, an den verwesenden Leib eines Toten
gefesselt: „Wer wird mich von dem Körper des
Todes befreien?"
Es war für Johannes offensichtlich, daß Gott
einen neuen Weg der Heiligung zeigen mußte,
den weder die Philosophie der Griechen noch das
mosaische Gesetz, das Johannes vertrat, ebnen
konnten.
Die Lösung des Neuen Testamentes
Wir haben bereits gesehen, daß unser eigenes Ich
unser größtes Hindernis ist. Es ist immer da, dürstet jeden Tag neu nach Lob und Anerkennung!
Gewiß, wir haben natürliche Gaben, die ein geheiligtes Geschenk unseres Gottes sind, für das wir
nicht genug danken können. Aber immer wieder
versuchen wir, diese Gaben einzusetzen, um Bewunderung durch unsere Mitmenschen herauszufordern. Es ist unser Drang nach Selbstverherrli26
chung, der alles zerstört und die Harmonie unseres Lebens untergräbt. Wir stehen sogar in der
Versuchung, stolz auf unsere Demut zu sein!
Wenn wir zu Gottes Lob singen, bringen wir es fertig, auf unsere Stimmen stolz zu sein! Und mancher Prediger empfindet Stolz darüber, daß ihm
seine Predigt über Demut so gut gelungen ist!
Wir müssen lernen, unsrem allgegenwärtigen
Ich keinen Raum zu geben. Aber der Kampf, den
wir dabei auszustehen haben, wird, wie Paulus in
Römer 7 sagt, lang und schwer sein. Wenn die
Sonne aufgeht, so leuchten ihre Strahlen immer
tiefer in die Grube hinein. Ebenso finden wir in
uns immer weitere Tiefen der Ich-Sucht, wenn wir
uns mehr und mehr der Sonne des Wortes Gottes
aussetzen. Noch oft werden wir den Ruf des Apostels nach Befreiung wiederholen. Aber es gibt
diese Befreiung: wenn wir täglich unser Eigenleben durch die Verbindung mit dem Kreuz Christi
absterben lassen.
Der alte Mensch, unser selbstsüchtiges Ich also,
ist mit an das Kreuz des Heilands genagelt worden. Durch unsere Verbindung mit Jesus Christus
in seinem Tod sind wir, wie Gott es beabsichtigt
hat, der Sünde gestorben. Wir waren mit ihm eins
im Tod und sind mit ihm verbunden in der Auferstehung. Dieses Wissen müssen wir für uns persönlich wahr machen. Wir müssen erkennen, daß
unser altes Ich mit Christus gekreuzigt ist und wir
nun die herrliche Freiheit seiner Auferstehung
haben. Der Tod Jesu bedeutet gleichzeitig den
Tod der Sünde. Das Leben, das Jesus jetzt lebt,
27
lebt er Gott. Wir sind mit ihm der Sünde und dem
Ich gestorben, aber wir leben für Gott durch die
Verbindung mit unserem Heiland. Das eigene Ich
mag nicht gestorben sein, aber wir sind für das Ich
gestorben!
An einem Sommerabend kam ich in der Universität von Northfield an. Vor achthundert bis eintausend Zuhörern stand Dwight L. Moody gemeinsam mit seinem Bruder auf der Bühne. Als
ich auch auf die Bühne ging, hörte ich folgenden
Dialog:
„Was hast du denn da?" fragte Moody seinen
Bruder.
„Einen Apfelbaum!"
„War es schon immer ein Apfelbaum?"
„Nein, es war ein wilder Schößling, dem wir
aber einen Apfelstamm aufgepfropft haben."
D.L. Moody wandte sich nun an mich: „An was
erinnert Sie das?"
„Wir waren wie alle Menschen wilde Schößlinge
ohne Hoffnung auf Frucht. Aber dann hat uns der
Heilige Geist Jesu Natur eingepflanzt."
„Gibt es Schwierigkeiten mit dem wilden
Schößling?" wurde wieder der Bruder gefragt.
„Ja. Der Baum schlägt immer wieder unterhalb
des Pfropfes aus. Diese Triebe verbrauchen die
ganze Kraft, so daß für den veredelten Teil nicht
genug Saft übrigbleibt."
„Was macht ihr dann damit?"
„Wir kneifen die Triebe, die unterhalb des
Pfropfes herauskommen, ab. Aber sie treten weiter unten immer wieder heraus."
28
Nach dieser Auskunft fragte mich Moody, ob es
im Leben der Christen etwas Ähnliches zu beobachten gäbe. Ich sagte dazu:
„Dieser veredelte Apfelschößling ist ein gutes
Gleichnis für unser eigenes Leben. Unser altes Ich
bricht auch immer wieder hervor. Anfangs haben
wir es mit meist oberflächlichen Versuchungen zu
tun, um unsere Eitelkeit zu befriedigen. Aber je
älter wir werden, desto tiefer reichen auch die
Ausbrüche unseres alten Ichs!"
Um noch näher zu erläutern, was gemeint ist,
will ich das Beispiel eines Dr. Tauler aus Straßburg erzählen. Dieser Mann hatte zu späterer Zeit
maßgeblichen Anteil an Luthers Reformation.
Schon immer war er ein hervorragender Redner
gewesen. Aber eines Tages kam ein junger
Schweizer namens Nikolaus von Basel in die Kirche von Dr. Tauler und sagte zu dem Prediger:
„Du mußt sterben, Dr. Tauler! Bevor du dein großes Werk für Gott, für die Welt und diese Stadt
tun kannst, mußt du sterben: Dir selbst, deinen
Gaben, deiner Beliebtheit, sogar deiner Tugend
mußt du sterben! Erst wenn du die volle Bedeutung des Kreuzes begriffen hast, wirst du neue
Macht von Gott bekommen."
Dr. Tauler lehnte diese Einmischung zuerst empört ab, blieb dann aber seiner Kanzel für einige
Zeit fern, um sich zu Gebet, Meditation und
Selbsterforschung zurückzuziehen. Als die innere
Sicht immer klarer wurde, erkannte er, wieviel
Anstrengungen seines Dienstes aus dem Wunsch
heraus entstanden waren, Eindruck zu schinden. '
29
Aber nicht um Christi willen, sondern um sein eigenes Ansehen zu erhalten und zu vergrößern! So
ließ er die Anerkennung durch die Menschen am
Kreuz zurück und beschloß, nur noch dem gekreuzigten Herrn zu dienen. Von dieser Zeit an halfen
seine Predigten den Menschen wie nie zuvor, und
Dr. Tauler konnte den Weg für Luther und die Reformation bereiten helfen.
Dieses Geschehen wiederholt sich immer wieder. Der Pariser Pastor Monod hat es in einem
Liedvers aufgeschrieben, als er zum ersten Mal eine Schau von einem erfüllten Leben mit Gott und
Christus hatte:
Alles für mich und nichts für dich!
Einiges für mich und einiges für dich!
Weniger für mich und mehr für dich!
Nichts für mich und alles für dich!
In dem schon erwähnten Kapitel des Römerbriefes schreibt der Apostel Paulus von seinen inneren
Kämpfen. Er fühlt sich wohl wie ein Vogel, der immer wieder gegen die Gitterstäbe seines Käfigs
fliegt und dessen Hoffnung auf Freiheit doch vergeblich ist. Sein eigenes Ich hält ihn gefangen.
Aber Petrus weiß auch - und beschreibt diese Erkenntnis im nächsten Kapitel -, daß diejenigen,
die im Geist wandeln, aus ihrer eigenen Begrenzung befreit werden. Denn der Geist Gottes hat
sie von der Belastung der Sünde und des Todes befreit.
Stellen wir uns vor, wir stünden auf dem Deck
eines Dampfers und betrachteten den Flug einer
Seemöwe. Natürlich wird sie durch die Erdanzie30
hungskraft nach unten gezogen, aber diese Kraft
wird durch die Kraft der Flügelschläge ausgeglichen. Jeder Flügelschlag wird dabei von dem Lebensgeist, der in der Brust des Tieres wohnt, bestimmt. Genauso wird jedem von uns, in dem der
Geist Gottes wohnt, das Leben unseres Heilands
gegeben. Die besondere Art dieses Lebens trägt
mehr als ausreichend dazu bei, daß wir nicht von
der Anziehungskraft der Sünde nach unten gezogen werden. Schon bei der kleinsten Andeutung
von Sünde sorgt der Heilige Geist dafür, daß wir
die Dinge, die unser Ich gern tun möchte, nicht tun
können. Wir fallen nicht in die Sünden zurück, die
früher zu unserer Natur gehörten. Die Voraussetzung dafür beschreibt der Apostel in Galater 5,
16-26. Dort heißt es unter anderem: „Wandelt im
Geist, dann werdet ihr die Begierden des Fleisches
nicht befriedigen."
Der Geist wird sich gegen unser Fleisch erheben
und den absoluten Sieg erringen. So kann tatsächlich eine Versuchung zur Stärkung des Charakters
beitragen, wenn wir ihr mit der Hilfe unseres
Herrn widerstehen.
Vor einigen Jahren verbrachte ich mit anderen
Christen zusammen einige Herbstabende bei Canon Wilberforce. Wir saßen in seinem Arbeitszimmer um das Feuer herum und sprachen über die
Probleme des geistlichen Lebens. Nachdem einige
Männer die negativen Auswirkungen der Sünde
betont hatten, erhob sich ein älterer Geistlicher
und sagte:
„Ich bin von Natur aus jähzornig. Als ich vor
31
kurzem zu den Kindern meiner Sonntagsschule
sprach, waren sie unruhiger als gewöhnlich. Ich
stand kurz davor, die Geduld zu verlieren, als ich
aufblickte und unseren Heiland ruhig und stark
vor mir sah. Ich betete: ,Herr, gib mir deine Geduld, denn meine ist am Ende!' Sofort hatte ich
den Eindruck, als lege er ein Stück seiner Geduld
in mein Herz. Ich hätte doppelt soviel Kinder und
doppelt soviel Unaufmerksamkeit ertragen können, ohne mich aufzuregen. Seitdem habe ich diese Methode immer wieder angewandt. Wenn ich
stolz werde, dann bete ich: ,Devne Demut, Herr!'
Wenn ich ungeduldig werde, bete ich: ,Deine Geduld, Herr/' So sind die Versuchungen für mich
etwas Positives geworden, weil ich durch sie Gnade empfange."
An diesem Punkt endete unsere Unterhaltung,
weil keiner etwas Besseres zu sagen in der Lage
war. Als wir uns am nächsten Morgen wieder trafen, beschlossen Wilberforce und ich, daß wir die
Erfahrung des alten Geistlichen selber ausprobieren wollten. Gerade die Versuchungen wollten wir
nutzen, um die Kraft des auferstandenen Herrn
für uns zu beanspruchen. Der Geist Gottes läßt
uns zu Überwindern werden, indem er uns gerade
an den Punkten unserer Schwächen besonders
stärkt.
Oft wird das Leben mit Gott mit dem Leben in
der Ehe verglichen. Ich will diesen Gedanken etwas fortführen. Wenn eine Frau wegen der Grausamkeiten oder wegen der Untreue ihres Ehemannes geschieden wurde und dann einen Mann mit
32
reinem und edlem Charakter heiratet, so wird sie
keine Lust mehr haben, zu ihrem früheren Mann
zurückzukehren. Aber sie wird ihn auch nicht
mehr fürchten. Ihr Herz und ihr Leben sind so ausgeglichen, daß es sie vielleicht schaudert, sollte sie
ihn auf der Straße treffen, jedoch wird sie gleichzeitig wissen, daß sie in Sicherheit ist, und sich
noch fester an den Mann ihrer Wahl hängen.
Genauso geht es auch uns als Christen. Wir sind
nicht nur mit dem Heiland der Menschen verbunden, der von den Toten auferstanden ist, nein, wir
hängen uns um so mehr an ihn, desto mehr unser
altes Ich wieder auftaucht.
Als die Frau des Tigarnes von Alexander dem
Großen zurückkehrte, wurde sie gefragt, wie ihr
all die Möbel und kostbaren Verzierungen im
Haus des Herrschers gefallen hatten. Sie antwortete, sie habe nichts davon gesehen, sondern immer nur auf den Mann - ihren Ehemann - geschaut, der bereitwillig angeboten habe, getötet zu
werden, damit sie verschont bliebe.
Hätten wir doch mehr von dieser Liebe! So viel,
daß die leiseste Andeutung von Selbstsucht,
Selbstlob oder Selbstmitleid von unserer Liebe zu
Jesus weggewischt würde.
Als Odysseus auf seiner Irrfahrt die Inseln der
Sirenen, deren betörenden Lieder die Seeleute auf
die grausamen Felsen lockten, passierte, mußte er
seine Seeleute und Ruderer an ihre Sitze fesseln.
Als Orpheus später an den Inseln der Sirenen vorüberkam, brauchte er keine Stricke oder Seile.
Seine Musik war noch schöner als die der Sirenen.
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Genauso ist Jesu Geist in uns stärker als der Geist
der Sünde.
Die Liebe kann uns völlig verändern. Ich kenne
die Geschichte eines jungen Mädchens, das an der
Universität von Edinburgh studierte und keinen
Hehl aus ihrer Abneigung gegen Mathematik
machte. Ihre Einstellung änderte sich völlig, als sie
sich in den besten Mathematiker der Universität
verliebte und er diese Liebe erwiderte. So möge
die Liebe Jesu uns alle verändern und die Fesseln
unseres eigenen Ichs zerreißen.
Es ist gut, sich als der Sünde gestorben zu betrachten.
Es ist gut, sich immer wieder auf die übergroße
Machtfülle des Heilands zu verlassen.
Es ist aber am besten, wenn wir uns in der überwindenden Liebe Jesu Christi verlieren.
Graf Zinzendorf sagte einmal von sich, er habe
nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe Christi!
(Johannes 3,7)
Dies war der erste Satz, den Jesus zu dem Pharisäer Nikodemus sagte, als dieser ihn im Schutz der
Nacht aufsuchte. „Wenn jemand nicht von oben
geboren ist", so lautet die genaue Wiedergabe des
griechischen Textes, „kann er nicht in das Reich
Gottes kommen ... Wundere dich nicht, daß ich
dir sagte ..."
Jesus verbietet es uns hier, uns über die Art und
Weise zu wundern, mit der wir in das Reich Gottes
kommen können. Sicherlich dürfen wir uns aber
über die einmalige Chance, Söhne und Töchter
des ewigen Gottes zu werden, wundern. Und noch
viel verwunderlicher ist die Tatsache, daß es Menschen gibt, die diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.
Das Angebot Gottes an uns ist sicherlich das
Wunderbarste, was einem Menschen widerfahren
kann. Denn wenn wir Kinder des Höchsten werden, so werden wir seine Erben und Miterben Jesu
Christi. Das ist ein so großes Wunder, daß es unmöglich ist, es in Worte zu fassen oder gar zu erklären.
Nicht an die Engel, die doch nie gefallen sind,
die nie die Verbindung zu Gott verloren haben, ergeht dieses Angebot, sondern an uns Menschen,
die wir zu der gefallenen Schöpfung gehören, die
wir uns in unseren bösen Herzen von Gott abgewandt haben. Ohne die Hilfe Gottes wären wir für
immer verloren und würden keinen Ausweg aus
den schrecklichen Situationen unseres Lebens finden. Aber mit seiner Hilfe haben unzählige Menschen den Weg aus den Tiefen ihrer Verlorenheit
zu dem Thron des Lammes gefunden. Sie waren
Götzendiener, Lügner, Ehebrecher, Säufer, Diebe, Erpresser - aber sie wurden gewaschen, geheiligt, gerechtgesprochen im Namen Jesu und durch
die Kraft des Heiligen Geistes. „Wie viele ihn aber
aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder
zu werden, die an ihn glauben, welche nicht von
dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches
noch von dem Willen eines Mannes, sondern von
Gott geboren sind" (Johannes 1,12+13).
Die menschliche Natur
Die Natur des Menschen ist dreigeteilt, d.h. wir leben und empfinden auf drei verschiedenen Ebenen:
1. Mit dem GEIST berühren wir die Welt über
uns
2. Mit der SEELE berühren wir die Welt um uns
3. Mit dem KÖRPER berühren wir die Welt unter uns.
Die Seele ist der Bereich des Ich-Bewußtseins.
In ihr wird unser ganz individueller Charakter gebildet und gesteuert. Sie ist der Sitz unserer Persönlichkeit. Gott beansprucht die Seelen aller
Menschen für sich. Unser Gewissen, unser Wille,
das Denken, Gefühle der Zuneigung - alle diese
Dinge, die uns zu unverwechelbaren Individuen
machen, spielen sich auf der Ebene der Seele ab.
Von hier aus führt eine Treppe hinauf zu dem
Geist, durch den wir Kontakt zu Gott und der geistigen Welt aufnehmen können. Und es führt eine
Treppe hinab zu dem Körper, durch den wir mit
Hilfe der fünf Sinnesorgane Kontakt zur materiellen Welt, d.h. der Welt unter uns haben. Leider ist
der Teppich auf der Treppe zum Geist meist fast
unbenutzt, während der auf der Treppe zum Körper oft schon sehr fadenscheinig ist!
Gott ist eine Dreieinigkeit, so wie es in Matthäus 28,19 der Herr selbst sagt, und er hat uns zu
seinem Bilde geschaffen. Deswegen ist auch jeder
von uns Drei in Einem: Geist, Seele und Leib (vergleiche 1. Thessalonicher 5,23).
Bei einem kleinen Kind ist zuerst nur der Körper erkennbar. Später erwacht dann die Seele und
versetzt das Kind in die Lage, ganz spezifisch zu
handeln: es weint, lacht, nimmt Kontakt auf. Erst
viel später, wenn man das Kind behutsam auf den
Weg zu Gott geführt hat, kann es auf die Ebene
des Geistes aufsteigen und so das Unsichtbare, das
Ewige und Göttliche, erkennen.
Im Geist findet die Geburt von oben statt. „Der
Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, daß wir
Gottes Kinder sind" (Römer 8,16). Durch den
Geist bekommen wir Zugang zu dem Heiland. Mit
dem Geist begrüßen wir den Herrn, der steht und
anklopft. Durch den Geist beten und meditieren
wir und wachsen in der Gnade.
Das Geschehen der Wiedergeburt
Eines Tages spazierte ich mit meinem Freund in
seinem sehr schönen Garten, auf den er mit Recht
stolz sein konnte. Als wir bei den Gemüsebeeten
anlangten, sagte er: „Dieses Jahr sind alle meine
Feuerbohnen nichts geworden."
„Wie kommt das?" fragte ich.
„Weil es nur so wenig Bienen gab. Ich glaube,
sie sind durch den harten Winter umgekommen."
Ich verstand. Wenn Bienen sich auf der Suche
nach Honig auf einer Blüte niedersetzen, dann
bringen sie an ihrem Körper den wertvollen Pollen
oder Samen mit, auf den die Blume wartet. Damit
eine Frucht überhaupt erst entstehen kann, ist es
notwendig, daß dieser Vorgang stattfindet. Ohne
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Bienen gibt es, wie in dem Fall der Feuerbohnen
meines Freundes, keine Bestäubung der Blüte und
damit auch keine Frucht.
Ähnlich verhält es sich in unserem geistlichen
Leben. Wir sind darauf angewiesen, daß das Leben von Gott in uns hineinströmt, damit wir von
oben geboren werden. Diese Wiedergeburt geschieht nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch die Botschaft von
dem ewigen Gott. Diese Botschaft finden wir in
dem Wort des Herrn - in der Bibel. Nur hier finden wir den Samen, der nicht wie Gras vergeht,
wenn der Wind darüberweht, sondern der ewig ist.
Deswegen ist es so ungeheuer wichtig, im Wort
Gottes zu lesen. Es ist Gottes Samenkorb, aus
dem der Same reichlich ausgestreut wird. Darum:
haltet eure Kinder an, in der Bibel zu lesen, laßt
die Pastoren über das Wort predigen, laßt die
Bibelgesellschaften dieses Wort in Umlauf bringen. „Des Menschen Sohn ist's, der den guten
Samen sät. Der Acker ist die Welt. Der gute
Same sind die Kinder des Reiches" (Matthäus
13,37+38).
Die Stunde der Wiedergeburt
In vielen Fällen, vielleicht sogar in den meisten,
wissen die Christen nicht genau, zu welchem Zeitpunkt sie vom Tod zum Leben gekommen sind.
Sie können die große Erneuerung ihres Lebens
zeitlich nicht einordnen. So ist es auch bei mir. Ich
habe keinerlei Erinnerung, weder an Ort noch an
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Zeit, wann und wo ich den unvergänglichen Samen in mein Herz aufgenommen habe. Vielleicht
als ich mich neben meine Mutter kniete, um das
Abendgebet zu sprechen. Später kam ich dann in
schwere innere Konflikte, als ein Pastor von mir
verlangte, einen Zeitpunkt und einen Ort zu nennen, an dem ich zur Familie Gottes gestoßen bin.
Mir war es dann eine große Erleichterung, als ich
Spurgeon in einer Predigt sagen hörte: „Der
Mensch kann sicher sein, daß er lebt, auch wenn
er seinen Geburtstag nicht kennt."
Es mag sein, daß einmal ein Engel im Himmel
uns in dem Buch des Lebens zeigt, wann wir durch
den Glauben zur Familie Gottes gestoßen sind.
Für die Zwischenzeit gibt uns Johannes in seinem
ersten Brief wenigstens fünf Zeichen, anhand derer wir überprüfen können, ob wir schon Söhne
und Töchter des Herrn geworden sind:
1. Wir werden von der Welt nicht erkannt
(1. Johannes 3,1)
2. Wir werden keine Sünde mehr fortsetzen
können, wenn sie uns bewußt wird (1. Johannes 3,9+10)
3. Wir werden eine heilige Liebe zu unseren
Brüdern und Schwestern bewahren (1. Johannes 3,14)
4. Wir werden Gott lieben und nach seinen
Richtlinien leben (1. Johannes 5,1+2)
5. Wir werden vom Heiland treu und wahrhaftig bewahrt werden für sein Werk (1. Johannes 5,18-20).
Das überzeugendste und hilfreichste Zeichen
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finden wir aber in dem Evangelium des Johannes,
im ersten Kapitel in den Versen 12+13: „Wie viele
ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes
Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben,
welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind."
Von oben herab
Das Mineral kann sich keinen Weg in das Pflanzenreich erzwingen, aber die Pflanze ist in der Lage, sich nach unten zu strecken und die lebenswichtigen Stoffe des Bodens in sich aufzunehmen.
Die Pflanzen können sich keinen Weg in das
Tierreich erzwingen, aber Tiere nehmen beim
Fressen diese Pflanzen auf und verwerten sie in
ihrem Organismus.
Das Tier kann dem Menschen nicht gleich werden. Und doch mag in der engen Beziehung eines
Menschen zu seinem Hund eine Art Erhöhung auf
die menschliche Ebene stattfinden.
Ebenso kann der Mensch sich den Weg zu Gott
nicht erzwingen, aber Gott kommt auf seine Ebene hinab, um ihn zu erheben und aufzunehmen in
sein Reich. Dadurch wird der Mensch Teilhaber
der göttlichen Natur, weil er der Zerstörung der
Welt entgangen ist. Gott ist es, der uns dazu seinen
Geist gegeben hat...https://info2.sermon-online.com/german/FrederickBrothertonMeyer/Schatztruhe_Des_Glaubens_1983.pdf