Paulus

Paulus
Zum ersten Mal in der Schrift wird Paulus – damals noch Saulus genannt – bei der Steinigung des Stephanus erwähnt. „Und die Zeugen legten ihre Kleider ab zu den Füßen eines Jünglings, genannt Saulus“. Später (Apg 22,20), spricht Paulus noch einmal davon: „Und als das Blut deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, stand auch ich dabei und willigte mit ein und verwahrte die Kleider derer, welche ihn umbrachten“. Die Bedeutung, die er diesem beimißt, zeigt die Größe der Veränderung, die durch Gnade in ihm stattgefunden hatte. Je wahrhaftiger jemand im Leben und im Geiste Christi wandelt, desto deutlicher tritt der Gegensatz zu seinem früheren, fleischlichen Gottesdienst hervor, als er dem Leben Gottes entfremdet war wegen der in ihm wohnenden Unwissenheit. Das religiöse Ziel verrät auf so besondere Weise die Art der Feindschaft eines fleischlichen Sinnes gegen Gott, und hier kommt der Gegensatz des Sinnes Christi dazu ganz besonders zum Ausdruck. Ich glaube, daß die Feindschaft des natürlichen Menschen gegen Gott nirgends so deutlich hervortritt wie in der Religion. In seinem Bestreben, eine eigene Gerechtigkeit herzustellen, hat der Mensch sich nicht der Gerechtigkeit Gottes unterworfen. Daher war der angesehene Pharisäer weiter von Gott entfernt als der Zöllner, der aus der Gesellschaft Ausgestoßene.

Der Herr sagt zu Seinen Jüngern: „Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen; es kommt aber die Stunde, daß jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst darzubringen“ (Joh 16,2). Je mehr der Mensch sich mit dem Gedanken vertraut macht, daß er wie Kain die Entfernung zwischen sich und Gott überbrücken kann, desto mehr haßt er Gottes Weg, diese Entfernung zu überbrücken. Daher erschlug Kain seinen Bruder, „weil seine Werke böse waren, die seines Bruders aber gerecht“. Darum werden wir auch gewarnt vor denen, die den Weg Kains gegangen sind. Niemand würde auch nur einen Augenblick annehmen, daß ein gottloser Mensch von Gott irgendwelche Hilfe fordert; aber der religiöse Mensch, wie der Jüngling im Evangelium, wird lieber betrübt Christum aufgeben als sein Kreuz aufnehmen und Ihm folgen.

Es ist wichtig, den Zustand einer Seele vor ihrer Bekehrung im Auge zu behalten. Paulus sagte, daß er bis auf diesen Tag mit allem guten Gewissen gewandelt habe. Er hatte nicht das Gefühl, ein Sünder zu sein, weil er das Gesetz nicht öffentlich gebrochen hatte, und je mehr er sich seiner sittlichen Vortrefflichkeit rühmte, desto mehr Widerstand und Geringschätzung brachte er der Lehre entgegen, welche besagte, daß die Erlösung nur durch Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi zu empfangen sei. Sicher hat Paulus die Rede des Stephanus gehört, aber je mehr er vom Licht des Christentums sah, desto stärker wurde seine Selbstgerechtigkeit angegriffen und desto mehr wurde er in Wut gebracht und um so entschlossener war sein Widerstand.

So war es bei Saulus, denn in der nächsten Mitteilung über ihn hat sein Widerstand den Höhepunkt erreicht. „Saulus aber, noch Drohung und Mord wider die Jünger des Herrn schnaubend, ging zu dem Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er etliche, die des Weges wären, fände, sowohl Männer als Weiber, er sie gebunden nach Jerusalem führe“ (Apg 9,1–2). In seiner Wut verläßt er das Land und reist nach Damaskus, einer fremden Stadt. Es ist sehr ergreifend, den Weg des „Größten aller Sünder“ in diesem Augenblick zu betrachten. Er befindet sich auf dem Wege nach Damaskus, Grausamkeit schnaubend, unbeugsam in seinem Entschluß, die Kirche Gottes zu verwüsten. Wer könnte sich eine auch nur annähernde Vorstellung von der Wut des Saulus gegen Christum in diesem Augenblick machen? Der Wille des menschlichen Herzens in Selbstgerechtigkeit hat seinen Höhepunkt erreicht, – und jetzt, wo der religiöse Mensch sich im Widerstand gegen Gottes Hauptinteresse von seiner schlimmsten Seite zeigt, jetzt strahlt die Gnade Gottes in ihrem hellsten Glanz hervor. Ein Licht aus dem Himmel, das den Glanz der Sonne übertrifft, umstrahlt Saulus; nicht der Glanz der Herrlichkeit, um Gerechtigkeit zu fordern, sondern das Licht des Evangeliums der Herrlichkeit Christi, um dem „Größten aller Sünder“ auf dem Gipfel seines Eigenwillens zu eröffnen, daß er einen Erlöser in der Herrlichkeit Gottes hat. Der selbstgerechte Mensch findet vor der Herrlichkeit Gottes keinen Platz; er fällt zu Boden, und dann hört er die Stimme des Sohnes Gottes mit den ewig denkwürdigen Worten: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“. Niemand könnte die sittliche Umwälzung beschreiben, die jetzt in der Seele Saulus' am Werke ist; seine Religiosität, deren er sich so gerühmt hat, wird zuschanden. Er fällt vor dem Strahl der göttlichen Herrlichkeit zu Boden. Und dennoch werden in eben diesem Licht seine Ohren geöffnet, damit sie hören, daß derselbe Jesus, Der das Leben und die Ruhe des Stephanus war (in dessen Tod er eingewilligt hatte, weil jener an Christum glaubte) auch sein Erlöser ist, und daß, wie religiös und sittlich aufrichtig er auch war, sein großes Ziel gewesen war, Ihn in Seinen Gliedern hier auf Erden zu verfolgen. Hier wird das Geheimnis geoffenbart, daß der Leib Christi auf Erden ist.

So entdeckt Saulus, dessen Wandel beispielhaft war, so weit der natürliche Mensch sehen konnte (obwohl er nichts sittlich Böses getan hatte, wodurch er die Verderbnis seines Herzens hätte entdecken können), daß er selbst der Größte der Sünder ist, weil er dem Willen Gottes genau entgegengesetzt und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Hauptinteressen und dem Willen Gottes zu dieser Zeit entgegengewirkt hat. Welch eine Erniedrigung für den selbstgerechten Pharisäer! Wenn der ohne Tadel wandelnde Mensch der Größte der Sünder ist, ist es leicht zu sagen, daß „in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt“. Ein solcher braucht das Böse seiner Natur nicht durch Übertretung zu erfahren, wenn er durch seinen Willen, und nicht durch Gesetzesübertretung als Größter von allen Sündern verurteilt wird.

Möchten unsere Herzen imstande sein, ihm in die Region des Lichts, in die er nun eintritt, zu folgen. Er ist bewußt blind gegenüber allem in dieser Welt, er lebt in ihr, aber er kann nichts in ihr erkennen oder genießen, er ist durch die „Herrlichkeit jenes Lichtes“ von allem hier abgeschnitten und verbringt 3 Tage nicht sehend, und (er) aß nicht und trank nicht“. Wie anziehend ist es, den Weg der Erziehung zu verfolgen, durch den dieser große Knecht gehen mußte, und wir dürfen festhalten, daß die Gnade, die ihm zuteil wurde, auch für uns ist. Wir können uns eine gewisse Vorstellung von den Seelenübungen machen, durch die er in jenen 3 Tagen ging. Wir alle gehen, wenn auch in verschiedenem Maße, durch eine ähnliche Erfahrung, wenn das Herz ausschließlich mit unserem Passahlamm beschäftigt ist, wenn wir, geschützt hinter dem Schutze Seines Blutes, zu unserer großen Erleichterung auf uns anwenden, was Er in Seinem Tode getragen hat, so wie Israel das Lamm aß, gebraten am Feuer und mit bitteren Kräutern. Für Paulus waren in jenen Tagen die Übungen zusammengedrängt, die bei uns oft über Jahre verteilt sind; sein Herz wurde davon so ergriffen, daß selbst leibliche Bedürfnisse vergessen werden – er aß nicht und trank nicht. Schließlich geht die Übung vorüber; er ersteigt die Höhe, zu der das Werk Christi ihn berechtigt, er wird angenommen, er betet, er ist am Tage des Heils angelangt, jetzt ist die wohlangenehme Zeit. Der Beweis, daß für jemand die wohlangenehme Zeit gekommen ist, ist, daß er betet. „Deshalb wird jeder Fromme zu dir beten, zurzeit, wo du zu finden bist“. Ananias wird nun zu ihm gesandt, um ihn auf seinen neuen Lebensbereich vorzubereiten. Er kommt und sagt zu ihm: „... damit du wieder sehend und mit Heiligem Geiste erfüllt werdest“. Saulus steht nun in der göttlichen Macht, er kann sich an seinem Erlöser in der Herrlichkeit Gottes erfreuen, und alsbald geht er in die Synagoge und predigt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, – ich glaube, daß diese große Wahrheit jetzt zum ersten Mal so vollkommen dargestellt wurde. Damit endet das erste Kapitel dieser ereignisreichen Lebensgeschichte.

Nachdem er so in der Synagoge öffentlich bezeugt hat, daß Jesus der Sohn Gottes ist – zugleich Quelle und Mittelpunkt des gegenwärtigen Dienstes – scheint es, daß Saulus für zwei Jahre nach Arabien ging (Gal 1,17). Er, hatte Gott gefallen, Seinen Sohn in ihm zu offenbaren, und alles was er hat und ist, verdankt er ausschließlich dieser herrlichen Person. Im allgemeinen sind wir uns nicht genügend bewußt, daß Er der Sohn Gottes ist; wir glauben es, aber wir verwirklichen es nicht, und doch erkennen wir die göttliche Natur sowohl unserer Stellung als auch unseres Zustandes nur, wenn wir Ihn in der Würde Seiner Person erkennen. Im Glauben an den Sohn Gottes bin ich mit Bewußtsein ein lebendiger Stein. „Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist“? – „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst“ (1. Joh 5,5+10); und aller Dienst geht dahin, „bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne usw.“ (Eph 4,13). Ich habe länger hierbei verweilt, weil, je größer die einem Knecht anvertraute Kenntnis ist, es desto nötiger und wichtiger ist, daß er ihretwegen viel mit Gott allein ist, damit er ihre Art und Wirkung zunächst auf sich selbst anwendet, ehe er es unternimmt, sie anderen bekanntzugeben. Dies „Wiederkäuen“ ist von großer Bedeutung. Wir finden nichts darüber, wie Saulus diese zwei Jahre in der einsamen Gegend Arabiens verbracht hat, aber wir können daran Art und Wirkung einer solchen Erziehung erkennen und lernen. Sie tadelt die Eilfertigkeit und Bereitschaft, mit der heute viele in den Dienst eintreten, indem sie versuchen, andere mit einem Maß an Wahrheit zu beeindrucken, das sie selbst noch nicht völlig ergriffen haben. Sicherlich sollte ein Knecht immer sagen können: Ich habe geglaubt und darum habe ich geredet“. Josua – der Geist Christi – ist auch jetzt immer der Leiter. Es wird manchmal geglaubt es sei ein Zeitverlust, daß ein Knecht, bevor er den öffentlichen Dienst antritt, zwei Jahre in der Einsamkeit verbringen sollte. Offenbar dachte der Herr im Hinblick auf Saulus nicht so, obwohl die Bedürfnisse damals, und die Notwendigkeit seines Dienstes sehr groß waren. Es ist besser, Zeit für das Werk zu verlieren durch die Vorbereitung auf den Dienst, als dadurch, dass man seine Fehler wiedergutmachen muß, weil man ein Werk unternommen hat, dem man nicht gewachsen war.

Später kehrt Saulus nach Damaskus zurück, und so völlig und treu war er dem Herrn ergeben, daß die Juden die Stadttore Tag und Nacht bewachten, um ihn zu töten. Der Landpfleger Aretas schloß sich den Juden in ihrem bösen Vorhaben an. Alle, die in Christo Jesu gottesfürchtig leben wollen, werden Verfolgung erleiden. je mehr wir für den Herrn sind, desto gewaffneter wird die Feindschaft der Menschen gegen uns sein. Die selbstgerechten Juden, dem Namen nach das Volk Gottes, und die Macht der Welt in heidnischer Finsternis vereinen sich, um das Licht Gottes, sowie den Menschen, in dem es scheint, zu zerstören. Saulus entkommt unter äußerst demütigenden Umständen aus Damaskus, im großen Gegensatz zu der Art, wie er einige Jahre vorher dorthin gereist war. Er begibt sich jetzt nach Jerusalem. In seiner Einsamkeit in Arabien wurde er bestärkt in dem Ziel“, – dort wo (Christus ist, – aber er hat auch am eigenen Leibe den bitteren Haß des Menschen auf den erhöhten Christus verspürt.

Derart seelisch und praktisch zubereitet geht er nach Jerusalem, um Petrus zu sehen (Gal 1,18). Dort wird er einer besonderen Prüfung unterworfen. Zweifellos war er, wie wir leicht ermessen können, mit dem Verlangen gekommen, Petrus zu sehen und in der Versammlung zu Jerusalem zu sein; aber die Jünger fürchteten sich alle vor ihm (Apg 9,26). Welch einen Schmerz bereitet ihm dieses Hindernis! Er, der als Baumeister in den Tempel Gottes berufen war, mußte selbst den Argwohn der Gläubigen erfahren, die zögerten, ihn aufzunehmen. Jemand mußte ihn empfehlen, und Barnabas war es, der diesen schönen Dienst für ihn tat. Er kam nach Jerusalem als das Gegenteil von dem mit allen Vollmachten versehenen Verfolger der Kirche, der er einst gewesen war – ein wunderbarer Gegensatz – jetzt predigte er den Glauben, den er einst ausrotten wollte, er sprach freimütig im Namen des Herrn Jesus und stritt mit den Hellenisten, die danach trachteten, ihn umzubringen.

Aber das ist noch nicht alles; wir wissen, daß es während dieser Zeit geschah, daß er, Während er im Tempel betete, in Verzückung geriet und der Herr ihm erschien und zu ihm sprach: „Eile, und gehe schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen“ (Apg 22,17–21). Sein eigenes Volk will ihn nicht annehmen. Das Wort „Gehe hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden“, muß eine große Prüfung für ihn gewesen sein. Als Verfolger hatte er mehr Erfolg gehabt, denn als Prediger des Evangeliums Gottes. Wie verschiedenartig und besonders sind die Übungen, durch die der Knecht zubereitet wird, damit er seinen Herrn erfreuen kann! Er entflieht aus Jerusalem und gelangt nach Tarsus, seiner Geburtsstadt. Der Knecht Gottes soll seinem eigenen Hause, seinen Nachbarn und Freunden die großen Dinge verkünden, die der Herr an ihm getan hat. Man nimmt an, daß Saulus dort mehrere Jahre blieb (vgl. Gal 1,21.). Als aber das Evangelium zu den Griechen gelangte (Apg 11,20), zog Barnabas nach Tarsus, um Saulus zu sehen, nachdem er von Jerusalem nach Antiochien gesandt worden war, und „als er die Gnade Gottes sah, freute (er) sich“. – „Und als er ihn gefunden hatte, brachte er ihn nach Antiochien. Es geschah ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in der Versammlung zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten, und daß die Jünger zuerst in Antiochien Christen genannt wurden“ (11,26). So sehen wir Saulus mit der ersten Versammlung verbunden, wo der Unterschied zwischen Juden und Griechen in dem einen gemeinsamen Namen „Christen“ aufgehoben wird. Nach einem Jahr, einem bedeutsamen Zeitraum, gehen Barnabas und Saulus nach Jerusalem (vgl. Apg 11,29–30).Wie schön ist der Weg, auf dem der Knecht des Herrn geführt wird! Saulus kehrt nach Jerusalem zurück, um zusammen mit Barnabas der Träger einer zeitlichen Erleichterung für die Brüder in Judäa zu sein, – fürwahr ein liebliches Zeugnis für die Gnade. Die Juden hatten die himmlischen Segnungen zurückgewiesen, und jetzt dienen ihnen die Nationen, die die himmlischen Segnungen empfangen haben, mit irdischen Dingen. „Barnabas aber und Saulus kehrten, nachdem sie den Dienst erfüllt hatten' von Jerusalem zurück und nahmen auch Johannes mit, der Markus zubenannt war“ (Apg 12,25).

In Apg 13 kommen wir zu einem sehr wichtigen Abschnitt der Geschichte dieses Knechtes Christi. Man nimmt an, daß jetzt, in der Folge seiner Sendung durch den Heiligen Geist in der Versammlung, seine Entrückung in das Paradies stattfand. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit versichern, aber der in 2. Kor 12 gegebenen Zeitangabe zufolge, stimmt es; es scheint also sehr wahrscheinlich, daß sie zu dieser Zeit stattfand. Wir sehen in diesem Kapitel (13,1–3), dass die Versammlung große Kraft besaß. Es gab Propheten und Lehrer, und „während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werke aus, zu welchem ich sie berufen habe“. Es ist sehr interessant, daß diese Knechte, und vor allem Saulus, ihren Auftrag in der Versammlung erhielten. Er war für ein besonderes Werk berufen, aber nun erhält er vom Heiligen Geiste in der Versammlung, nicht von den Aposteln in Jerusalem, Weisung, in das Werk einzutreten. Der Anfang ist immer bezeichnend. Er übt eine große Wirkung auf unseren Lauf aus. Wie gesegnet ist es, auf solche Art den Dienst für die Versammlung zu beginnen! Saulus wurde im Hause Gottes öffentlich durch den Heiligen Geist aufgerufen, sein Werk zu unternehmen, und diesen Augenblick konnte er während seines ganzen Dienstes unmöglich vergessen. Man übersieht in der heutigen Zeit zu oft, daß der Knecht in der Versammlung und durch den Heiligen Geist zu irgendeiner bestimmten Art des Dienstes berufen werden sollte. Ich weiß, wie schwach wir sind, aber dennoch glaube ich, daß die Knechte des Herrn, wenn sie mit dem Herzen mehr bei der Versammlung als dem Mittelpunkt der Interessen Christi auf Erden wären, genaue Anleitung vom Geist Gottes empfangen würden (wenn auch weniger offenbar als Barnabas und Saulus), und sich wie jene aufmachen würden, von der Versammlung anerkannt wenn auch nicht in der gleichen sichtbaren Weise. Ich sage dies, weil, während wir mit Recht davor zurückschrecken sollten, da aufzufallen, wo wir gefehlt haben, die innere Kraft doch verbleibt, weil der Heilige Geist hier ist und Christus in der Mitte der Seinen ist, die sich in Seinem Namen versammeln.

Die beiden kommen nun nach Salamis auf Cypern, und nachdem sie die ganze Insel durchzogen haben (immer wird im Dienst auch die Geduld geübt), begegnen sie einem bemerkenswerten Beispiel von Widerstand in dem Feind. Ein Jude, ein Zauberer, ist bei dem Höchsten des Ortes, – einem aus den Nationen, aber verständig. Letzterer rief Barnabas und Saulus zu sich und begehrte, das Wort Gottes zu hören, aber Elymas widerstand ihnen, indem er versuchte, den Prokonsul vom Glauben abwendig zu machen. Aber Saulus (“der auch Paulus heißt&ldquozwinkerndes Smiley ist der Lage durch die Macht des Herrn gewachsen. So erhält er schon am Anfang Seines Dienstes eine schöne Belehrung: er wird der stärksten Art des Widerstandes, der ihm auf seinem Wege begegnen sollte, gegenübergestellt. Anstatt dem Heiden zu helfen, den geraden Weg des Herrn zu finden, bemüht sich jener Jude, ihn gerade vom Glauben abzuwenden. Paulus, mit Heiligem Geiste erfüllt, legt seine schreckliche Botschaft bloß, und indem er ihn für eine Zeit blind werden läßt, deutet er dadurch die sittliche Blindheit der Juden an. Diese Begebenheit trug ohne Zweifel dazu bei, den Apostel in dem Dienst, zu dem er ernannt war, zu befestigen.

Wie wenig erkennen wir den Weg, auf dem der Knecht geleitet werden muß, um für den Dienst des Herrn passend zu sein! Während Hindernisse auftauchen, was in einer Welt der Sünde unvermeidlich ist, erfährt der geübte Knecht in jeder Notlage die Allgenugsamkeit des Herrn. Dann kann er sagen: „Mit meinem Gott werde ich eine Mauer überspringen“ (2. Sam 22,30). Ein leistungsfähiger Knecht lernt in der Regel erst selbst den Weg und die Kraft kennen, worin er die Gläubigen, führen soll. Der Glaube wird immer erprobt, und daraus folgt die Erfahrung. Mose lebt 40 Jahre in der Wüste, ehe er berufen wurde, das Volk hindurchzuführen. – Der Apostel wird jedoch durch die Belehrung des Prokonsuls erfreut.

Sodann kommt er nach Perge, wo Markus, der sie von Jerusalern begleitet hat, sie verläßt. Obwohl wir den Grund nicht erfahren, können wir aus anderen Schriftstellen entnehmen, daß es aus irgendeiner jüdischen Voreingenommenheit geschah, denn später, als Barnabas darauf bestand, Markus (seinen Verwandten) mitzunehmen, weigerte Paulus sich; „es entstand nun eine Erbitterung, so daß sie sich voneinander trennten“. Ich bemerke dies besonders, weil es zeigt, daß die Hilfe und Unterstützung, die wir zu einer besonderen Zeit empfangen und wofür wir dankbar sein dürfen, ganz und gar fehlen kann, wenn wir es am wenigsten erwarten. Wir sehen, welch ein Gewinn alle diese Übungen für den Knecht sind, wie auch gesagt ist: „Gott will Leben und nicht Gewohnheit“. Daher werden wir kaum daß wir die Gnade in gewissen Umständen erfahren haben, schon in eine völlig neue Lage versetzt. Aber so ist der Knecht in gewissem Maße, wie unser Apostel, in der Lage, andere zu trösten, wie er selbst von Gott getröstet wurde. Jede Begebenheit macht ihn passender für den Dienst, während er mit dem Herrn wandelt, Nach dieser ausgedehnten Missionsreise finden wir unseren Apostel in Antiochien in Pisidien (Apg 13,14) auf einer äußerst wichtigen Stufe seiner Sendung. Dort in der Synagoge redet er seine Zuhörer an: „Männer von Israel und die ihr Gott fürchtet“! Den Inhalt seiner Worte bildet die bemerkenswerte Art, in der Gott Israel begünstigt hat, und er endet mit den Worten Habakuks: „Sehet nun zu, daß nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist. „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt“ (Apg 13,40+41).

Der Augenblick ist wichtig; die Juden weisen das Zeugnis ab, die Nationen nehmen es an. Paulus und Barnabas schütteln den Staub von ihren Füßen wider sie ab und wenden sich freimütig zu den Nationen. Es ist sehr anziehend, den Weg, auf dem der treue Knecht geführt wird, zu betrachten. Wie gnädig und eindeutig wird Paulus, den so viele natürliche Zuneigungen mit den Juden verbanden, zu dem geführt, was Stephanus gesagt hatte: Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geiste“.

Ich übergehe Kap. 14 und wende mich kurz Paulus Rückkehr nach Antiochien zu, von wo er ausgegangen war, von der Gnade Gottes gesandt. jetzt erlebt der Knecht Gottes eine Zeit besonderer Befriedigung. Als sie aber angekommen waren und die Versammlung zusammengebracht hatten, erzählten sie alles, was Gott mit ihnen getan, und daß er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Sie verweilten aber eine nicht geringe Zeit bei den Jüngern“ (Apg 14,27–28).

In Apg 15,1–2 taucht nun eine große Krise in der Geschichte des Apostels auf. „Und etliche kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten worden seid nach der Weise Moses', so könnt ihr nicht errettet werden. Als nun ein Zwiespalt entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und dem Paulus und Barnabas, ordneten sie an, daß Paulus und Barnabas und etliche andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage“.

Diesmal kommt der Widerstand von innen. Der Knecht muß immer als erster an dem Orte der Verwerfung Christi leiden. Er muß lernen, alle verschiedenen Formen der Feindseligkeit zu überwinden, ehe er andere die Gnade Gottes lehren kann, die allein uns in einer solchen Lage zu erhalten vermag. Paulus stellt sich diesem neuen Widerstand entgegen. Durch eine Offenbarung geleitet, geht er nach Jerusalem und hatte eine persönliche Unterredung mit Petrus, Jakobus und Johannes. Sie erkannten an, daß, wie Petrus das Evangelium der Beschneidung, so Paulus das Evangelium der Vorhaut anvertraut sei und gaben ihm die Rechte der Gemeinschaft. Im Mittelpunkt aller jüdischen Interessen wird die Frage von den Aposteln und Ältesten besprochen, und die ganze Versammlung stimmte ihrem endgültigen Urteil bei: Enthaltet euch „von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahret, so werdet ihr wohltun. Lebet wohl“ (15,29). Die Entscheidung ist von großer Bedeutung: es ist die Dämmerung eines neuen Tages für die Christen. Sie sind befreit vom Gesetz Moses und werden nur durch göttliche Richtlinien geleitet.

Aber dieses schöne Gedeihen (als solches wurde es zweifellos von dem Apostel angesehen) bot, wie immer, Gelegenheit für neue, unerwartete Leiden und Widerstände. Wie es scheint, hatte Petrus den neuen Weg so völlig eingeschlagen, daß er völlige Gemeinschaft mit denen aus den Nationen pflegte, -er aß und trank mit ihnen, bis etliche von Jakobus kamen, – dann zog er sich zurück, weit er sich vor denen aus der Beschneidung fürchtete. Paulus mußte ihm ins Angesicht widerstehen, weil er tadelnswürdig gehandelt hatte. Welch eine schmerzliche Pflicht mußte der Apostel an dem erfüllen, den er für eine Säule gehalten hatte! Aber so traurig dies in jener strahlenden Zeit auch für die Kirche war, es war ein noch größerer Kummer damit verbunden. Barnabas, sein geliebter Gefährte, wurde durch die Heuchelei des Petrus mit fortgerissen, und wo die Gesetzlichkeit wirksam ist, wird immer der eigenen Vorliebe mehr nachgegeben als den Interessen Christi; daher bestand Barnabas darauf, seinen Verwandten (Markus) mitzunehmen und segelte nach Cypern ab. Mit einem neuen Gefährten (Silas) ging Paulus fort, nachdem die Brüder ihn der Gnade Gottes anbefohlen hatten.

Gemäß dem Beschluß, der zu Jerusalem gefaßt wurde, brauchten sich die Gläubigen aus den Nationen nicht den mosaischen Gebräuchen zu unterwerfen. Ein schweres Joch wurde damit abgeschafft. Von den Häuptern der Apostel war Paulus als derjenige anerkannt worden, dem das Evangelium der Vorhaut anvertraut war (Gal 2). Er hatte selbst auch erfahren, welch ein Element der Unsicherheit besteht, solange man noch am Gesetz hängt, und zwar am Beispiel der Gleichgültigkeit des Barnabas. Solange das Gesetz noch anerkannt wird, muß das Fleisch in Kauf genommen werden. Es ist gut, wenn wir uns fragen, ob wir ganz von uns selbst entleert sind und die verschiedenen Übungen, durch die uns der Herr geführt hat, zu Herzen genommen haben, während wir die Geschichte des Apostels lesen und die verschiedenen rührenden Wege sehen, auf denen er zu einem seinem Herrn nützlichen Diener gemacht wurde. Da wir nun durch das Werk Christi in die Gegenwart des Vaters versetzt sind – wie Christus Selbst –, und nicht ein Schatten der einstigen Entfernung oder ihre Ursache zurückgeblieben ist, ist es etwas Wichtiges für den Gläubigen, und mehr noch für den nützlichen Knecht, praktisch vom eigenen Willen befreit zu sein, damit er zu jeder Zeit bereit ist, den Willen seines Gebieters zu tun. So mußte Paulus auch jetzt sagen: Der Wille des Herrn geschehe.

So geprüft, und wir könnten fast sagen enttäuscht, tritt er seine Reise an. Aber ein großes Zeichen der göttlichen Gnade wird ihm zuteil. In Lystra begegnet er Timotheus. In der Person dieses Jünglings schenkt der Herr ihm gerade die Hilfe, deren er bedarf, und macht so in vollem Maße den durch das Fehlen des Barnabas entstandenen Verlust wieder gut. Wie berühren uns diese besonderen Beispiele der Hilfe und Sorge des Herrn für Seinen Diener! Jahre später kann Paulus von Timotheus schreiben: „Ich habe niemanden gleichgesinnt, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird ... Er [hat], wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient ... an dem Evangelium“ (Phil 2,20+22). So vom Herrn gesegnet, kann er seine Arbeit fortsetzen. Der Geist hindert ihn, das Wort in Kleinasien zu predigen, aber in einem Gesicht bei Nacht wird er gerufen, nach Mazedonien zu kommen. Der Knecht muß auf jeden Befehl bereit sein, auch wenn ein Umweg oder eine andere Unbequemlichkeit damit verbunden ist.

Jetzt betritt Paulus Europa; diese Tatsache ist von großer Bedeutung. In dem Gesicht hatte ein Mann aus Macedonien ihn gedrängt, zu kommen, aber nun erscheint niemand, um ihn zu empfangen. Er hatte sicherlich begriffen, daß der Herr ihn gerufen hatte, dort zu predigen, aber lange Zeit gab es nichts oder nur wenig, das bewies, daß er das Wohlgefallen des Herrn tat. „Und am Tage des Sabbaths gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluß, wo es gebräuchlich war, das Gebet zu verrichten; und wir setzten uns nieder und redeten zu den Weibern, die zusammengekommen waren“ (Apg 16,13). Dort öffnete der Herr das Herz Lydias (aus Thyatira in Kleinasien, dem Land, wo Paulus verhindert worden war zu predigen), und sie bat sie: „Wenn ihr urteilt, daß ich dem Herrn treu sei, so kehret in mein Haus ein und bleibet. Und sie nötigte uns“ (V. 15). So fand der Apostel an jenem Ort ein Haus. Es schien aber nicht, daß die Mazedonier dem Evangelium Aufnahme gewähren würden. Aber da geschah es, „daß uns eine gewisse Magd begegnete, die einen Wahrsagergeist hatte, welche ihren Herren vielen Gewinn einbrachte durch Wahrsagen. Diese folgte dem Paulus und uns nach und schrie und sprach: Diese Menschen sind Knechte Gottes, des Höchsten, die euch den Weg des Heils verkündigen“. Als Folge davon, daß Paulus die Mitwirkung Satans zurückwies, entstand eine heftige Verwirrung. Es ist bemerkenswert, daß es in Europa ist, wo die Kirche öffentlich von der Welt Unterstützung empfängt. Aber Paulus weist diese angebotene Hilfe nicht nur zurück, sondern treibt im Namen Jesu Christi den bösen Geist aus. Daraufhin erhob sich die ganze Macht an jenem Orte, die Volksmenge, wider sie, die Hauptleute rissen ihnen die Kleider ab und befahlen, sie zu schlagen. Schließlich wurden sie ins Gefängnis geworfen, und der Kerkermeister brachte sie in das innerste Verließ und legte ihre Füße in den Stock. Der Feind scheint die Oberhand gewonnen zu haben. Der Kerkermeister geht zur Ruhe. Doch Paulus und Silas beteten und lobsangen Gott, so daß die Gefangenen sie hörten. Um des Herrn willen hatte Paulus alle Unterstützung seitens der Welt abgeschlagen, und daher war die Welt entschlossen, ihn zu vernichten; aber der Herr beweist jetzt, daß Er diejenigen ehrt, die Ihn ehren. Um Mitternacht „geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert wurden; und alsbald öffneten sich alle Türen, und aller Bande wurden gelöst“. Nicht nur wird der treue Knecht von Gott in Schutz genommen, sondern vor ihm steht der „mazedonische Mann“, in Gestalt des Kerkermeisters und sucht Errettung. Paulus richtet seinen Blick auf den Heiland. Das Wort wird an ihm gesegnet, er glaubt und frohlockt in Gott mit seinem ganzen Hause.

Welch eine segensreiche Erfahrung für den Knecht Gottes! Möchte sie mehr gekannt werden. Wer die Mitarbeit der Welt ganz und gar ablehnt, zieht sich schwere Verfolgung seitens eben dieser Welt zu. Aber die Nacht des Kummers und der Leiden wurde erleuchtet durch eine wunderbare Offenbarung der mächtigen Hand Gottes – ein Tisch wurde bereitet angesichts der Feinde – das Herz des Paulus wurde wieder gestärkt. „Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns“?

Apg 17. Nachdem Paulus Philippi verlassen hat, gelangt er nach Thessalonich, der Hauptstadt Mazedoniens. Dort ging er in die Synagoge „und unterredete sich an drei Sabbathen mit ihnen aus den Schriften,“ so daß „etliche von ihnen glaubten und gesellten sich zu Paulus und Silas, und von den anbetenden Griechen eine große Menge, und der vornehmsten Frauen nicht wenige“ (V. 4). Wie wir sehen werden, erkennt Paulus in diesem und den folgenden Kapiteln die vollkommene Verderbtheit der Juden als Nation. „Die Juden aber wurden voll Neides“ und brachten einen Aufruhr zustande. Sie verwirrten das Volk und die Obersten der Stadt, so daß. der Apostel in 1. Thes 2,14–16 sagen muß: ... weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesum als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben, und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, auf daß sie errettet werden, damit sie ihre Sünden allezeit vollmachen; aber der Zorn ist völlig über sie gekommen“. In diesen Versen bringt Paulus das Urteil, zu dem er im Laufe seines Dienstes gelangt war, zum Ausdruck. Es muß bemerkt werden, daß, wenn das Herz vorn Heiligen Geist auf den richtigen Gegenstand gelenkt wird, dieser nicht nur deutlicher vor die Seele gestellt wilrd, sondern daß von Gott bestimmte Umstände dazu angetan sind, die Seele zu überzeugen, daß sie auf dem rechten Pfade ist, so daß jede Versuchung, die sie ins Wanken bringen könnte, beseitigt wird.

Bei Nacht sandten die Brüder Paulus nach Beröa. Dort glaubten viele, „als aber die Juden von Thessalonich erfuhren, daß auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin und erregten die Volksmenge“ (Kap 17,13). Wieder stellen sich die Juden dem Werk des Herrn in den Weg. Nur wenig können wir davon verstehen, wie die unablässige Feindschaft des Volkes Gottes nach dem Fleisch wider Christum das Herz des Apostels Tag für Tag schmerzlicher berührte. Kraft des Heiligen Geistes war sein Herz auf Christus gerichtet, aber zweifellos ließ Gott es zu, daß der boshafte Haß der Juden ihn von der natürlichen Liebe, die er für sein Volk hegte, entwöhnte, damit er sich ungestört dem Wirkungskreis des Herzens Christi hingeben könne.

Sodann geht Paulus nach Athen, wo er ganz neue Erfahrungen macht. Es ist interessant, welch einer Reihe von verschiedenen Umständen der Apostel unterworfen wird, bis er schließlich ganz von sich selbst entleert ist. Die Dinge, die wir versuchen, werden zu einem Prüfstein für uns. Hier, im Mittelpunkt der Gelehrsamkeit der heidnischen Welt, entdeckt der Apostel den wahren Zustand der Heiden. Ihrer natürlichen Weisheit folgend, hatten sie dem unbekannten Gott“ einen Altar errichtet, damit sie nur nicht den Gott irgendeines Volkes übersehen möchten. Diese Tatsache bot dem Apostel, als er auf dem Areopag stand, Gelegenheit, eine sehr gedrängte Zusammenfassung der Wege Gottes mit den Menschen zu geben; es war nicht einfach das Evangelium, obgleich das darin eingeschlossen war, es war eher die „Predigt“, wie sie in 2. Tim 4,17 genannt wird.

In Apg 18 sehen wir Paulus in Korinth, Es ist nicht leicht, alles was dieser große Knecht auf den verschiedenen Stufen, die er erklomm, erreichte, zu beschreiben oder auch nur gut zu verstehen; aber es ist äußerst anziehend, zu erkennen, daß sie zusammen bewirkten, daß er ein wirkungsvollerer Diener der Kirche würde, da sie von Gott dazu bestimmt waren. Hier in Korinth „wurde Paulus hinsichtlich des Wortes gedrängt und bezeugte den Juden, daß Jesus der Christus sei. Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut komme auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen“ (V. 6). Dies war ein großer Schritt: er hat jetzt erkannt, daß die Kirche von der Synagoge der Juden ganz verschieden ist. Wie wir in V. 8 sehen, ermutigt der Herr ihn in ganz besonderer Weise: „Krispus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Hause; und viele der Korinther, welche hörten, glaubten und wurden getauft“. Die Korinther waren sehr üppige Menschen. Die Gnade Gottes wurde ihnen auf das Reichlichste zuteil, aber ihre mangelnde Übereinstimmung mit der Wahrheit zeigte dem Apostel, wie das Fleisch dem Worte Gottes ausweicht und wie von Gott reich begabte Männer bis zum Äußersten hinabsteigen können, wenn das Kreuz Christi mit seinen praktischen Wirkungen übersehen wird. Die Briefe des Apostels Paulus an die Korinther sind daher von höchstem Interesse. Einerseits beschreiben sie uns, welche Segnungen sie besaßen, – sie hatten „in keiner Gnadengabe Mangel“ und erwarteten die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi“ –, und sie zeigen uns andererseits, wie selbstsüchtig und unheilig sie überall, drinnen und draußen, in der Versammlung und in der Welt, gewesen waren.

Wir lesen, daß Paulus „zu Kenchräa das Haupt geschoren hatte, denn er hatte ein Gelübde“. Er hat sich noch nicht von den Gebräuchen und Vorschriften des Gesetzes losgemacht. Wir übersehen leicht, wie langsam und allmählich ein jeder von uns von seinen herrschenden Neigungen befreit wird, und mehr noch, von irgendwelchen religiösen Vorurteilen, die das Gewissen beschweren.

Paulus gelangt nun nach Ephesus, aber dort hält er sich nicht auf. „Als sie ihn aber baten, daß er längere Zeit bei ihnen bleiben möchte, willigte er nicht ein, sondern nahm Abschied von ihnen und sagte: Ich muß durchaus das zukünftige Fest in Jerusalem halten; ich werde, wenn Gott will, wieder zu euch zurückkehren“ (V. 20+21). Wir sehen, daß Apollos dorthin kam, als Paulus nicht in Ephesus blieb, und wie das folgende Kap. zeigt, wurde er dort gesegnet, denn Paulus findet dort später etliche Jünger. Diese empfangen den Heiligen Geist. Hier ist Paulus entschiedener als zu Korinth. „Als aber etliche sich verhärteten und nicht glaubten, und vor der Menge übel redeten von dem Wege, trennte er sich von ihnen und sonderte die Jünger ab, indem er sich täglich in der Schule des Tyrannus unterredete“ (Kap 19,9). Er hat sich nun endgültig abgesondert, und Ephesus wird der große Mittelpunkt seines Werkes in Kleinasien, sowie die am meisten von Gott gesegnete Versammlung. Sie hatte einen höchst anziehenden Anfang: die Hingabe der Gläubigen ist sehr auffällig, und sie empfingen wirklich große geistliche Reichtümer, wie wir aus dem an sie gerichteten Brief sehen können. Das Wirken des Apostels dort war mit großer Macht verbunden (siehe V.11–12). Im 1. Brief an Timotheus sehen wir, welch ein besonderes Interesse Paulus für die Gläubigen in Ephesus hegte. Dort wurde er dem heftigen Widerstand, der durch Demetrius angestachelt wurde, gegenübergestellt. Die ganze Stadt war von Aufruhr erfüllt. Demetrius brachte die heidnische Frömmigkeit in Aufruhr, damit er nicht seines Gewerbes beraubt wurde. So muß der Apostel zu seinen Erfahrungen das schmerzliche Gefühl über die heidnische Unduldsamkeit hinzufügen.

Um diese Zeit schrieb Paulus wahrscheinlich den Brief an die Galater. Wie er die Korinther, denen doch jede Gnade zuteil geworden war, wegen ihrer Schlaffheit zurechtweisen mußte, so muß er jetzt die Galater ermahnen, weil sie sich, um das Fleisch zu unterdrücken, zum Gesetz zurückgewandt hatten. Sie hatten im Geiste angefangen und versuchten im Fleisch zu vollenden. Die Versuche des Fleisches, sich einen Platz zu verschaffen, sind eigenartig und tief eingewurzelt. „Haut um Haut, ja, alles was der Mensch hat, gibt er für sein Leben“. Welch eine segensreiche Erziehung war es für den Apostel, nicht nur diesen Mitteln, die das Werk Gottes verderben und entkräften wollten, gegenüberzustehen, sondern zu erfahren, daß er sie mit einem besonderen Worte des Herrn vernichten konnte. Wenn die Korinther den Tod Christi verstehen mußten, mit dem sie sich am Tische des Herrn einsmachten, so mußten die Galater lernen, daß der Geist Gottes wider das Fleisch gelüstet und wir die Lust des Fleisches nicht vollbringen, wenn wir im Geiste wandeln (Gal 5).

In Apg 20,16 sehen wir ein rührendes Beispiel von dem Interesse des Apostels für Ephesus. „Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten der Versammlung herüber“ (V. -17). Der Apostel erinnert sie an seine Arbeit und seine Lehrtätigkeit unter ihnen, (und zwar bevor er den Brief an sie schrieb) und sagt ihnen zugleich, daß sie sein Angesicht nicht mehr sehen würden.

Wir kommen nun zu der tiefsten und traurigsten Lehre, die der Apostel je erhielt. Auf dem Wege nach Jerusalem verweilte er im Hause Philippus', des Evangelisten, und dort nahm der Prophet Agabus „den Gürtel des Paulus und band sich die Hände und die Füße und sprach: Dies sagt der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem also binden und in die Hände der Nationen überliefern. Als wir aber dies hörten, baten sowohl wir als die daselbst Wohnenden, daß er nicht nach Jerusalem hinaufgehen möchte. Paulus aber antwortete: Was machet ihr, daß ihr weinet und mir das Herz brechet? Denn ich bin bereit, nicht allein gebunden zu werden, sondern auch in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesu zu sterben. Als er sich aber nicht überreden ließ, schwiegen wir und sprachen: Der Wille des Herrn geschehe! Nach diesen Tagen aber machten wir unsere Sachen bereit und gingen hinauf nach Jerusalem“ (Kap. 21,11–15), Paulus besteht darauf, nach Jerusalem zu gehen. Ein merkwürdiger Drang beeinflußt den Dienst des Apostels, so daß er darauf besteht, nach Jerusalem zu gehen. Offenbar ließ der Herr es zu, damit Sein Knecht selbst erfahren sollte, daß das Volk, das Christum, als Er auf Erden war, verworfen und die unverzeihliche Sünde begangen hatte, dem Heiligen Geist zu widerstehen, indem es Stephanus steinigte, der freien Gnade Gottes noch ebenso hartnäckig widerstrebte wie eh und je. Das erfährt Paulus nun selbst. Er kommt nach Jerusalem, und Jakobus rät ihm: „Tue nun dieses, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben. Diese nimm zu dir und reinige dich mit ihnen und trage die Kosten für sie, damit sie das Haupt scheren lassen; und alle werden erkennen, daß nichts an dem ist, wessen sie über dich berichtet sind, sondern daß du selbst auch in der Beobachtung des Gesetzes wandelst“. Diesen Rat befolgte Paulus (siehe V. 26). „Als aber die 7 Tage beinahe vollendet waren, sahen ihn die Juden aus Asien im Tempel und brachten die ganze Volksmenge in Aufregung und legten die Hände an ihn“. Der Oberste rettet den Apostel aus der Gewalt des Pöbels, der ihn getötet hätte, und schließlich wendet sich Paulus von den Stufen der Burg aus in hebräischer Sprache an das Volk. Er berichtet, wie der Herr ihn berufen hat, aber um seine Zuhörer, die Juden, zu fesseln, fügt er gewisse Einzelheiten hinzu, die der Bericht in Kap. 9 verschweigt, – und ebenso ist der Bericht in Kap. 26 besonders für die Nationen bestimmt. – „Sie hörten ihm aber zu bis zu diesem Worte und erhoben ihre Stimme und sagten: Hinweg von der Erde mit einem solchen; denn es geziemte sich nicht, daß er am Leben blieb! Als sie aber schrien und ihre Kleider wegschleuderten und Staub in die Luft warfen, befahl der Oberste, daß er in das Lager gebracht würde“ (Kap. 22,22–23). Das ist das Ergebnis; nichts als tödlicher Hass wird hervorgerufen; und der Oberste, der Vertreter der irdischen Macht, war bereit, das Volk zu unterstützen.

In Kap. 23 wird Paulus vor den Hohen Rat gestellt, denselben Gerichtshof, vor dem einst Stephanus stand und litt. Das Ergebnis erfahren wir in V. 10: „Als aber ein großer Zwiespalt entstand, fürchtete der Oberste, Paulus möchte von ihnen zerrissen werden, und befahl, daß das Kriegsvolk hinabgehe und ihn aus ihrer Mitte wegreiße und ins Lager führe“. Es war keine Einigung zustande gekommen; der Beamte rettete Paulus aus ihren Händen. In der folgenden Nacht aber stand der Herr bei ihm und sprach: Sei gutes Mutes! denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so mußt du auch in Rom zeugen“ (V. 11). In gnädiger Weise erkennt der Herr Seinen leidenden Knecht an. Aber in unauslöschlichem Haß „rotteten sich die Juden zusammen, verfluchten sich und sagten, daß sie weder essen noch trinken würden, bis sie Paulus getötet hätten.“ Mehr als 40 von ihnen zettelten eine Verschwörung an, in die die Hohenpriester und Ältesten verwickelt wurden und sich zu trügerischem Handeln verleiten ließen. Sie wollten ihren Einfluß bei dem Obersten geltend machen, um ihren teuflischen Plan ausführen zu können, aber sie werden beschämt, und Paulus entgeht ihnen. Aber wie muß es sein Herz getroffen haben, als er durch einen nahen Verwandten von ihrer Bosheit erfuhr! Er wird nun dem römischen Statthalter übergeben, und da er sich wegen der ungerechten Willfährigkeit dieses Mannes gegenüber den Hohenpriestern auf den Kaiser beruft, besteigt er das Schiff, das ihn nach Rom bringen soll. Der in Kap. 27 beschriebene Schiffbruch gibt ein Bild vom völligen Zusammenbruch einer irdischen Ordnung, die auf Erden Sicherheit geben soll, und wobei sich die Mitreisenden des Paulus sicher ans Land retten konnten.

Als Gefangener der Nationen, in deren Hand die Macht, die Gott dem Menschen gegeben hatte, nun lag, gelangt Paulus nach Rom. Hier ist er abgeschnitten von allem, was er auf Erden schätzte. Zweifellos wird nun seine ganze Aufmerksamkeit auf die herrlichen Augenblicke gelenkt, die er vor vielen Jahren im dritten Himmel verbringen durfte; denn hinsichtlich der Erde konnte ihn nun nichts mehr hindern. Die Vollkommenheit und die Schönheit jener Szene konnten nicht vergrößert werden, aber während vieler Jahre war er jeder Art von Erziehung unterworfen gewesen, damit er allen irdischen Neigungen entfremdet und in jeder Weise mit der himmlischen Berufung eines Menschen in Christo“ in Übereinstimmung gebracht würde; und wir werden sehen, wie vollkommen und deutlich er das darstellte, was er einst erfahren hatte, und wie die Erziehung, der er unterworfen gewesen war, ihn für den Dienst zubereitet hatte, so daß er im Innern wie im Äußeren in vollem Einklang mit seiner Lehre stand. Er verkündigte nicht nur himmlische Gedanken, sondern er war selbst ein Himmlischer.

Es ist nicht leicht, die Gefühle des Apostels zu verstehen, als er vor dem Herrn alles das verwirklichte, was er erlitten hatte. Er hatte eine ganz besondere Erziehung durchgemacht. Seine Gefühle für Israel waren nicht nur die eines Mannes für seine Familie, sondern für das Volk Gottes, aus dem der Christus hervorgegangen war, und er klammerte sich bis zuletzt daran, in der Hoffnung, daß Jerusalem der große Mittelpunkt des Christentums werden würde, aber Gott ließ es geschehen, daß er am eigenen Leibe verspürte, daß jede solche Hoffnung eitel war. Nachdem nun jede Hoffnung, daß Israel in Jerusalem teilhaben sollte, zerstört ist, werden ihm, dem Gefangenen, in Rom, der Hauptstadt der Macht der Nationen, die Schönheit und die Größe der Kirche als dem Leibe Christi geoffenbart. Die Erziehung hatte ihre Wirkung getan; sie hatte das, was irgendwie das große, ihm geoffenbarte Geheimnis verdecken oder überschatten konnte, beseitigt. Sein natürlicher Wunsch, Israel gesegnet zu sehen, war vernichtet worden, und sein Herz war auf die großen Offenbarungen, die ihm im Paradiese gegeben worden waren, gerichtet. Niemand, der nicht etwas Ähnliches erfahren hat, kann verstehen, welche Wirkung eine so vollständige Beseitigung eines Gegenstandes, der die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf sich lenken konnte, weil er die natürlichen Gefühle berührte, hervorrief, so daß die Seele ganz frei ist, den nunmehr einzigen Gegenstand ohne Störung betrachten zu können. Wenn Paulus begehrt hatte, daß sein Volk an den Segnungen der Kirche teilhaben sollte, so hatte er nun auf schmerzliche Art erfahren, daß es Christo hartnäckig widerstand, und darum befand er sich jetzt als Gefangener in Rom und konnte in einer wolkenlosen Atmosphäre die ganze Schönheit und Größe des großen Geheimnisses betrachten.

Es ist sehr anziehend, die Wirkungen der Erziehung an unserem Apostel zu sehen. Wir hören keine Worte der Enttäuschung, sondern jetzt, aus dem Gefängnis in Rom, schreibt er den Brief an die Epheser. Manche behaupten, daß es ein Rundschreiben war, aber das ist von nebensächlicher Bedeutung; wichtig ist, daß wir in diesem Brief die vollkommenste Offenbarung des großen Geheimnisses – Christus und die Kirche – haben. Wenn Israel, Gottes irdisches Volk, einst der Mittelpunkt aller Wege Gottes auf Erden war, so trifft das auf die Kirche, den Leib Christi, jetzt in unendlich viel größerem Maße zu. Nach der Auflösung jedes Bandes, das ihn noch mit Israel verknüpfte, wird der Apostel vom Geiste dahin geführt, das Geheimnis Gottes, das seit Grundlegung der Welt verborgen gewesen war, völlig und bis in die praktischen Einzelheiten zu erfassen.

Dies Geheimnis besitzt zwei große Besonderheiten: zum einen, daß wir alle – Juden wie Heiden – zusammen erhoben und in Christo in die himmlischen Örter versetzt worden sind; zum anderen, daß dieselbe Macht, die Christum auferweckt hat, auch uns auferweckt. Diese Macht steht vollkommen außerhalb und über allem was menschlich ist; und deshalb, weil diese Macht in uns wirksam ist, sollten wir zu Ihm hin wachsen, der das Haupt aller Dinge ist. Das sollte einen absoluten und entschiedenen Sieg über alle Macht des Teufels herbeiführen, der uns nicht nur die Höhe zeigt, zu der wir aus allem was hier ist erhoben sind, sondern die unendliche sittliche Überlegenheit, in die wir hier auf der Erde versetzt sind, dem Schauplatz unserer einstigen Entfremdung von Gott. Wir sind durch die größte Macht, die Macht, die Christum auferweckte, in die höchste Höhe gebracht worden, und weil wir nun den himmlischen Charakter tragen, sind wir berufen, von Christo zu zeugen, und zwar im höchsten Kreise, der Versammlung, ebenso wie in den niedrigsten persönlichen Umständen, und sind zugleich den Ränken und der Macht des Teufels überlegen. Wie überwältigt muß der Apostel gewesen sein, als der Geist ihm dies alles in inspirierten Worten vorstellte. Wie wird er Gott gedankt haben für die Erziehung, der er unterworfen worden war, damit er ein Gefäß würde, das geeignet war, die größten Mitteilungen, die ein Mensch jemals empfing, weiterzugeben. Wir erkennen nur schwach, welche Mühe der Herr Sich mit uns gibt, um uns für Sein Werk einigermaßen geeignet zu machen. Nur Er weiß, was geeignet ist, und daß diese Eignung durch nichts anderes als die Erziehung, die Er, der alle Dinge kennt, uns zuteil werden läßt, erreicht wird. Wie rührt es uns, wenn wir den Apostel schreiben sehen „welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“, und durch das den Engeln die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan wird. (Eph 3,9+10): „auf daß jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes.“

Die letzten Lebensjahre des Apostels scheinen in zwei Teile geteilt zu sein: in dem einen wurde er in die Höhe geführt und in die Segnungen der Geheimnisse eingeführt, und er teilt seine persönlichen Erfahrungen hierin den Philippern mit; in dem zweiten sehen wir den furchtbaren Abfall (2. Timotheus), wie er verlassen wurde (Kap. 4), und die Hilfe des Herrn in einer solchen Zeit.

Es ist interessant und nützlich für uns, daß wir im Brief an die Philipper die Erfahrungen des Apostels zu dieser Zeit finden. Mir scheint, es sind zwei Teile: zunächst – der Anfang seiner Gefangenschaft, als er die gesegneten Ergebnisse seiner Berufung durch Gott genoß, wie sie im Epheserbrief beschrieben sind; während er zum Schluß, als alle in Kleinasien ihn verlassen hatten und das Abweichen von der Wahrheit fast überwältigend geworden war, in besonderer Weise vom Herrn gestärkt und ermuntert wurde und so für uns ein Vorbild ist. Beides ist für uns von großem Interesse. Das eine zeigt uns, welch eine erhabene Glückseligkeit auch unter den schwierigsten Umständen unser Teil ist. Der Gefangene in Rom sieht und schreibt nicht nur von Dingen von unendlicher Größe, sondern vom Heiligen Geist geleitet berichtet er uns auch seine Erfahrungen zu dieser Zeit. In Phil 1 ist es der sehnlichste Wunsch seines Herzens, „bei Christo zu sein, denn es ist weit besser“; aber da es für die Gläubigen besser ist, daß er bleibt, weiß er, daß er bleiben wird; aber jetzt wie immer ist es seine Hoffnung, daß Christus in seinem Leibe hoch erhoben werde, sei es durch Leben oder durch Tod.

Kap. 2. Christo gleichgesinnt zu sein, gleich Ihm ein Knecht zu sein, erfüllte seine Freude.

In Kap. 3 ist Christus sein Ziel; er gibt alles, was der Natur ein Gewinn ist, auf für Christum, er vergißt die Dinge, die dahinten sind und jagt dem Ziel nach, der Berufung Gottes droben; als Himmelsbürger schaut er aus nach Ihm, der kommt, um seinen Leib der Niedrigkeit umzugestalten in einen Leib der Herrlichkeit, der dem verherrlichten Leib Christi gleich ist. Schließlich, in Kap. 4 zeigt er, daß er gelernt hat, sich zu begnügen mit dem, worin er sich befindet, und daß er alles vermag in Dem, Der ihn kräftigt. Daher begehrt er, bei Christo zu sein, aber auch ein Knecht wie Er zu sein; Christus ist sein einziges Ziel, aber auch die Kraft, die ihn über alles hier hinweg trägt. Diese vier Stücke sind das Ergebnis der zwei Seiten der Berufung.

Bevor wir den ersten Teil seiner Gefangenschaft verlassen, wollen wir noch einen Augenblick bei der Anspielung auf den Kampf, den er um die Kolosser hatte, in Kol 2,1 verweilen. Hier wird uns ein Blick in sein Inneres gewährt, wie er als Gefangener für den Segen der Seelen rang und vom Herrn dazu gebracht wurde, die Anfänge eines Sauerteigs bloßzulegen, der die Kirche überall durchdrungen hat, aber auch den einzigen Weg zu zeigen, auf dem sie davor bewahrt bleiben konnte. Es ist sehr ermutigend, sich gleichsam neben den Apostel in seinen Ketten zu versetzen und bis zu einem gewissen Maße den Kampf zu verstehen, den er durchlebte, um die Gläubigen vor diesem bösen Sauerteig, einer Mischung aus Religiosität und Verstand, zu bewahren. Welcher Gegensatz besteht zwischen seinem Leben mit dem Herrn, das so gesegnet und so strahlend war, und seinen Umständen in den Augen der Menschen! Wie herrlich ist es, zu wissen, daß das Festhalten am Haupte, – Christus alles und in allem – uns von diesem Sauerteig reinigt und bewahrt.

Die letzte Zeit seiner Gefangenschaft enthüllt uns einen ganz anderen Zustand der Dinge als der erste Teil seiner Gefangenschaft. Man nimmt an, daß der -i. Brief an Timotheus nach der 1. Gefangenschaft geschrieben wurde, und vieles spricht dafür; es ist offenbar, daß zwischen dem 1. und dem 2. Brief an Timotheus eine deutliche Veränderung eingetreten ist. Im 1. Brief beschäftigt sich der Apostel mit der Ordnung, indem er an Timotheus nach Ephesus schreibt, im zweiten dagegen mit der Unordnung, und wie der Mensch Gottes in einer solchen Zeit wandeln soll. Wir bemerken, daß Paulus im 1. Brief, in Verbindung mit der Ordnung der Versammlung zwei große drohende Übel anprangert, nämlich das Prinzip des Katholizismus in Kap. 4, und den Radikalismus in Kap. 6; mit anderen Worten: Religion in Unabhängigkeit von Gott einerseits, die Meinung, daß die Gottseligkeit ein Mittel zum Gewinn sei andererseits. Das eine erhöhte den Menschen unter dem äußeren Mantel christlicher Religion, beim anderen war das menschliche Fortkommen alles.

Im 2. Brief an Timotheus, der den Zustand während des Endes der zweiten Gefangenschaft des Paulus beschreibt, befindet sich der Apostel in ganz anderen Umständen als am Anfang seiner ersten Gefangenschaft, als er schrieb: „ich will aber, daß ihr wisset, Brüder, daß meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind“ (Phil 1,12).

Der 2. Timotheus-Brief wurde nach seiner ersten Verantwortung (4,16) geschrieben, bei der keiner der Gläubigen ihm beigestanden hatte. Er beginnt, indem er sagt: „Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“, und kündigt im gleichen Kapitel an, „daß alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes“. Wenn wir uns vor Augen halten, daß Kleinasien das Gebiet war, wo er hauptsächlich gewirkt hatte, können wir uns einen Begriff von dem Kummer machen, den dieser Abfall ihm bereitete. Wie rührend. hängt sein Herz an einem einzelnen dort, denn er schreibt: Der Herr gebe dem Hause des Onesiphorus Barmherzigkeit“.

Aber Paulus ist nicht entmutigt. Wenn er uns im Epheserbrief zu den herrlichen Höhen der göttlichen Berufung geführt hat so ist er es jetzt, der uns in der schlimmsten Verwirrung stärkt und leitet, wo Lieblosigkeit und äußerster Verfall in der Versammlung vorherrschend sind, wo „statt des Gürtels ein Strick, ... Brandmal statt Schönheit“ ist (vgl. Jes 3,24)In wenigen Sätzen, reich an göttlichem Segen, belehrt er Timotheus, und mit ihm alle, die Christo treu bleiben möchten, was in einer solchen Zeit zu tun ist. Seine Belehrungen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: 1. Stark in der Gnade, d. i. in Christo Jesu, sollte Timotheus die Dinge, die er von dem Apostel empfangen hatte, „treuen Männern (anvertrauen), welche tüchtig sein werden, auch andere zu lehren“. 2. Er sollte sich vollständig von den Gefäßen der Unehre absondern. „Wenn sich nun jemand von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“ (2. Tim 2,21).

Wie der Apostel von Gott zubereitet war, ein geeignetes Gefäß für die Offenbarung der Schönheit und Herrlichkeit des Gegenstandes von Gottes Hauptinteresse auf Erden zu sein, so wird er auch jetzt belehrt, uns vor den kommenden schweren Zeiten zu warnen. „Dieses aber wisse, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden“ (Kap 3,1). Das Ziel der Feinde wird dasselbe sein wie bei Jannes und Jambres; wie jene Mose widerstanden, so widerstehen die Feinde in den letzten Tagen der Wahrheit. Ihr Charakter wird mit den Worten: „die eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen“ gekennzeichnet, und: „die immerdar lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können', wodurch angedeutet wird, was für Menschen diese sind. Unsere erste Hilfsquelle ist die Lehre und das Betragen des Paulus (s. V. 10–11) nicht nur die Lehre, welche alle, die in Asien waren, verlassen hatten, sondern die Erziehung, die er erfahren hatte, war Beweis genug, daß er sich auf dem rechten Pfade befand. Das Zweite ist: Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt“. (V. 14–17).

Nachdem uns der Apostel auf die letzten Tage vorbereitet hat, teilt er uns mit, daß sein Lauf zu Ende ist. Er sagt: „Ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben“ (Kap. 4, 6–8). Welch ein gesegnetes Ende seines großen Dienstes! Und dann kann er in der Ruhe und dem Vertrauen eines Menschen, der dem Willen Gottes völlig unterwürfig ist, daran denken, wie nützlich es wäre, wenn er Timotheus bei sich hätte: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen-, und: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir“. Nichts wird übersehen: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente“. So beschließt dieser teure, geehrte Knecht seinen Lauf, Wenn sein Anfang in Apg 9 gekennzeichnet war durch das Licht, das aus dem Himmel auf ihn schien, so umgibt ihn bei seinem Hingang eine Schönheit und sittliche Größe, die niemals übertroffen wurde, außer von dem vollkommenen Herrn, Dem er diente. Die Trübsal hatte Geduld bei ihm bewirkt; ja, die Geduld hatte ein vollkommenes Werk getan. In wie gesegneter Weise war die göttliche Erziehung wirksam gewesen, so daß Christus in seinem Leibe, durch Leben oder durch Tod, verherrlicht wurde.

Während wir dem Herrn danken, daß Er der Kirche einen solchen Diener gegeben hat, möchten wir von diesem Diener lernen, nur auf Ihn zu schauen, Der uns auf demselben Pfade des Glaubens zu führen vermag...https://www.bibelkommentare.de/kommentare/k-1730/die-erziehung-in-der-schule-gottes/paulus

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