Schwester Hildegard und der Sunnyboy

Bluehorse

Es war in einem Park, an einem schönen sommerlichen Sonntag. Die Vögel bedeckten sich mit grünen Blättern und die Bäume sangen lustige Lieder. Eine schon leicht in die Jahre gekommene Ordensschwester las dort in einem Buch, als sich zu ihr auf die Bank ein nicht wirklich gepflegter junger Mann setze.

JM: Horch emol, Schwester, darf ich sie mal was fragen?
S. Hildegard: Ja gerne, mein Sohn.

JM: Ich geh da so in eine Kirche. Nach dem Gottesdienst gibt es im Sommer immer ein Picknick mit grünem Salat.
S. Hildegard: Das ist gut, mein Sohn. Der Gottesdienst bildet die Herzen und Salat ist gesund.

JM: Na, deswegen geh ich nicht hin. Das Picknick interessiert mich, weil ich hoffe, ich krieg auch mal was Anständiges zu essen. Ich komme auch eher am Ende des Gottesdienstes.
S.Hildegard: Oh

JM: Und ich hätte da mal eine Frage.
S.Hildegard: ich höre…

JM: Mh, ja, es ist so, dass es auf dem Picknick manchmal Streit gibt zwischen dieser und jener Person.
Da sagt die Uli, die kenn ich, die hat mir auch eine Limo organisiert: Die Jutta lügt und ist hochmütig.
Warum sagt die Uli das?

S.Hildegard: Weil es so ist?
JM: ja, aber wenn es nicht stimmt?

S. Hildegard: Finde es heraus.
JM: Eigentlich will ich etwas anderes herausfinden.

S.Hildegard: Was denn?
JM: ich brauch ein Dach über dem Kopf, ordentlich was zu essen, nicht nur Salat, und mir gehen die friedlichen Leute auf den Senkel, die immer so fromm tun und behaupten, sie wüssten, was gut für mich ist. Ich frage mich, ob sie nur so tun oder wirklich fromm und naiv sind.

S. Hildegard: Finde es heraus.
JM: Und wie soll ich das machen?

S.Hildegard: Stell Dich in den Mittelpunkt. Steig auf einen Tisch und erzähle mit weinerlicher Stimme, man hätte Dir Unrecht getan. Der Antichrist sei plötzlich aufgetaucht und hätte liebe Geschwister verführt zu behaupten, dass Du kein Christ seiest, obwohl alle wissen, dass Du sonntags in den Gottesdienst gehst.

JM: Und was passiert dann?
S.Hildegard: Viele werden Dich bedauern. Andere wieder werden auf die schimpfen, die sowas von Dir behaupten. Und andere werden eine theologische Diskussion beginnen und evt. sogar sich streiten. Und dann wird es Leute geben, die erzählen, welches Unrecht man ihnen zugefügt hat und werden versuchen, etwas Mitleid abzubekommen, was Dir zufließt.

JM: Ja, aber was mach ich, wenn jemand Genaues wissen will? Beweise oder so für meine Behauptung?
S.Hildegard: Keine Sorge, das macht niemand. Auch Christen sind nur Menschen, die mehr an Behauptungen interessiert sind, als an der Wahrheit. Du brauchst über andere Christen, die noch nicht mal bei der Party sind, nur was Schlechtes behaupten, und schon glauben Dir alle, die der Meinung sind, dass die Welt nur schlecht ist. Vergiss nicht, ein trauriges Gesicht zu machen, dann wirkst Du glaubwürdig.

JM: Ja, und wie komm ich zu dem Dach über den Kopf und ordentlich was zu essen?
S.Hildegard: Ganz einfach. Geh still und leise weg und zu den nicht-christlichen Nachbarn. Die haben den Krach aus dem Gemeindegarten mitbekommen und werden Dich versorgen, sozusagen als Ausgleich für Deine schrecklichen Erlebnisse mit den Christen.

JM: Danke für die Ratschläge. Du bist aber eine komische Schwester. Von Dir hätte ich solche Ratschläge nicht erwartet. Wo hast Du das gelernt?
S.Hildegard: Ich gehöre zum Orden der nachdenklichen Menschen. Und nun geh, mein Sohn.

JM: Ich muss auch unbedingt die Frau anrufen, die sich bisher als meine Mutter ausgegeben hat. Zwei Mütter, das ist ja komisch.