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Die Tradition aus kath. Sicht

Die Tradition aus kath. Sicht
Die Tradition – aus katholischer Sicht
Nachfolgend die Wiedergabe (in Kurzform) der Ausarbeitung zum Thema Tradition aus theologischer und philosophischer Sicht des kath. Theologen und Philosophen Prof. Karl-Heinz Weger 1932 – 1998). Er war u.a. Professor für Grundlegung der Systematischen Theologie und Philosophischen Anthropologie an der Hochschule für Philosophie in München. Dort gründete und leitete er viele Jahre das Institut für Fragen der Religionskritik.

Wenn wir uns um das Verständnis von Menschen und Religionen bemühen, stoßen wir überall auf den Begriff „die Tradition“. Nicht nur die traditionellen Inhalte sind unterschiedlich, auch das Verständnis, was Tradition ist oder sein soll, kann von allgemeinem Verständnis abweichen. In Schwarz die Aussagen von Prof. Weger, in Grün meine Anmerkung.

Mit Tradition ist folgendes gemeint:
Gott hat sich selbst den Menschen geoffenbart, und er hat seine heilschaffende Selbstoffenbarung im Leben und in der Lehre des fleischgewordenen Wortes vollendet und erfüllt, so dass bis zur Parusie (Wiederkunft Christi) keine neue öffentliche Offenbarung Gottes an die Menschen mehr möglich ist. In der Begegnung mit Christus, im Glauben an sein Wort und im Geschehenlassen seiner Gnade empfängt der Mensch sein übernatürliches Heil. Wie aber erreicht die Fülle der Offenbarung Gottes durch die Jahrhunderte hindurch unversehrt und unverfälscht den einzelnen Menschen, so dass sich dieser wirklich von Gottes Wort und nicht von einem der vielen Menschenworte angesprochen und gefordert weiß? Die Antwort lautet: Durch die Tradition der Kirche. Es gibt eine Gemeinschaft der Glaubenden, die im lebendigen Vollzug von Leben, Lehre und Kult das Wort Gottes unter dem Beistand des Heiligen Geistes durch allen Wandel der Geschichte bewahrt.

Anmerkung: Hier wird davon ausgegangen, dass als Garant für Echtheit des gehörten oder gelesenen Wortes die Tradition der Kirche ist und nur unter dem Beistand des Heiligen Geistes erkannt und bewahrt werden kann. Ohne den Heiligen Geist ist Tradition, ob kirchlich oder nicht, nur menschliches und damit fehlerhaftes Ausüben von Gelerntem.

Der Mensch lebt schon immer aus der Überlieferung. (Er ist sozial geprägt) Er kann in seiner freien endgültigen Selbstwerdung (als geprägter Mensch) zu seiner Umwelt Stellung nehmen, das Überlieferte annehmen oder ablehnen. Er nimmt sie entweder als das „Natürliche“ und Selbstverständliche hin, oder er stellt sie mehr oder weniger radikal in Frage, da er sie (die Tradition) als nicht notwendig so sein müssende erkennt. So entsteht Traditionskritik, d.h. die Frage: Was hat am Überlieferten bleibenden Wert, bzw. was kann, was muss u.U. geändert werden?

Wo sich jedoch eine Tradition aufgrund eines geschichtlichen Ereignisses gebildet hat und gleichzeitig diesem geschichtlichen Ereignis eine bleibende Bedeutung zuerkannt wird, ist die Norm einer möglichen Traditionskritik zunächst einmal nur die „Rückkehr zur Quelle“, das Erforschen des ursprünglich Geschehenen, Getanen, Gemeinten.

Katholisches Traditionsverständnis
Als Offenbarungsreligion gründet das Christentum auf einem geschichtlichen Ereignis: dem Leben, der Lehre, dem Sterben des Jesus von Nazareth. Die Apostel erfuhren dieses geschichtliche Ereignis als ihr eigenes, von Gott gewirktes Heilsereignis und wussten es gleichzeitig als das endgültige Heilsereignis für die gesamte Menschheit. Darum gaben sie im Auftrag des Herrn Zeugnis von ihm. Das apostolische Zeugnis in Wort und Tat bildet die bleibende Grundlage aller christlichen Traditionen.
Dieses Zeugnis ist nicht nur eine im Glauben erfolgte Weitergabe eines vergangenen Ereignisses, das nur in der subjektiven Erinnerung weiterlebt und als Idee wirksam bleibt. Vielmehr ist es der auferstandene Herr selbst und sein Heiliger Geist, der in diesem Zeugnis der glaubenden Apostel die Freiheit des Menschen fordert, seine Gnade anbietet und sein Leben schenkt.

Tradition ist nicht in erster Linie ein in Sätzen und Praktiken überlieferter, stets sich gleichbleibender Inhalt, sondern Tradition der Kirche ist gelebter Glaube, also nicht ein Etwas, eine verobjektivierte Gegebenheit, sie ist weder ausschließlich die Weitergabe des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift, noch die Tradierung niedergelegter Wahrheiten und Frömmigkeitsformen, sondern Überlieferung ist der gelebte Glaube der Kirche, der immer mehr ist als seine satzhafte Ausdrücklichkeit, da einmal in diesem Glauben Christus selbst wirkt und zweitens auch nicht jede Glaubenserfahrung adäquat reflektierbar und aussagbar ist.

Mit anderen Worten: Nicht mehr das verobjektivierte Leben Jesu ist alleiniger Inhalt der Tradition, sondern es fließen auch spätere Glaubenserfahrungen ein, die nicht reflektierbar sind. An der Stelle ist die Rückkehr zur Quelle nicht möglich. Ergebnis: Die Tradition der Kirche übersteigt inhaltlich das geschriebene Wort des Evangeliums, der apostolischen Briefe.

Der gelebte Glaube der Kirche und ihr Selbstverständnis sind deshalb auch die letzte Norm der innerkirchlichen Traditionskritik. Sosehr also einerseits die Tradition der Kirche das geschriebene, satzhaft ausgedrückte und reflektierte Wort oder das mit dem Zeichen verbundene Wort übersteigt, so muß doch andererseits der christliche Glaube auch aussagbar und abgrenzbar sein. Es muss die Möglichkeit geben, den auf ein geschichtliches Ereignis gründenden Glauben so zu formulieren, dass er für alle Zeiten verständlich bleibt. Es ist deshalb auch ein allgemeines Phänomen, dass eine Glaubensgemeinschaft ihren Glauben schriftlich zum Ausdruck bringt. So hat es auch die Urkirche getan. Im 1. Jahrhundert fand die „apostolische Predigt“ in den Schriften des NT ihren Niederschlag. Jedoch ist die Heilige Schrift mehr als etwa bloß das erste Glied in einer Reihe von Büchern, die die geschriebene Überlieferung ausmachen und andere Bücher gleichwertig nachfolgten.

Mit anderen Worten: „andere Bücher, in denen z.B. subjektive Glaubensüberzeugungen und -erfahrungen niedergeschrieben sind, werden dem verschriftlichten Glauben der Urkirche als gleichwertig zuerkannt und bilden mit ihnen die katholische Tradition.

Wie aber verhält es sich mit der nachbiblischen Tradition der Kirche, mit jenen Glaubenssätzen, die erst zu einer späteren Zeit formuliert, als solche in den Schriften des NT nicht zu finden sind und „nur“ die jeweilige Aktualisierung des christlichen Glaubens in einer bestimmten Zeit sind? Wie muss sich der Katholik zur Tradition seiner Kirche verhalten? Dass es eine solche nachbiblische Tradition gibt und geben muss, - und – dass eine solche Tradition unter Umständen Norm der Kirchenzugehörigkeit werden kann, folgt aus der Geschichtlichkeit der Kirche von selbst.

Ist es aber so, dass alle nachbiblischen Traditionen, wie es die evangelische Theologie will, so, dass eben als einzig gültiges Kriterium der Tradition nur der Wortlaut der Heiligen Schrift gelten darf? Die Reformatoren forderten ja, und wie es zunächst scheint folgerichtig, eine Rückkehr zur Quelle, d.h. zur Heiligen Schrift, um den Ballast, der sich im Laufe der Jahrhunderte im christlichen Glaubensraum angesammelt hatte, loszuwerden.

Es ist aber verständlich, dass die kath. Theologie den reformatorischen Ansatzpunkt übernehmen musste und ihre Tradition durch Rückführung auf die apostolische Zeit zu rechtfertigen suchte, sei es durch einen (vielleicht nicht immer geglückten) Schriftbeweis, sei es durch Vorstellung einer „zweiten Quelle“ der Offenbarung, nämlich der von den Aposteln herkommenden, mündlichen Überlieferung. 

Nun ist aber folgendes zu bedenken: Auch wenn man die Schriften des NT als ein mehr oder weniger zufälliges gesammeltes Schriftwerk verschiedenster Autoren bezeichnet, das von sich aus gar nicht den Anspruch erhebt, den Glaubensinhalt der Urkirche lückenlos darzustellen und somit ruhig angenommen werden kann, dass der Glaube der Urkirche in gewisser Weise breiter war, als er sich in den Schriften des NT niederschlug, so gibt es doch auch keinen zwingenden Grund zu der Annahme, dass die Schriften des NT als von Gott gewollte, bleibende Norm für alle Zeiten der späteren Kirche materiell nicht das gesamte, wesentliche Glaubensgut des Christentums enthalten. Auch die Berufung auf das, was die Kirche „immer“ geglaubt und „immer“ gelehrt hat, scheint aus diesem Grund problematisch.

Und noch eine weitere Frage muss sich die kath. Theologie von den evang. Kirchen gefallen lassen. So unverständlich es ist, dass es keine zeitgemäße Aktualisierung der Heiligen Schrift und des christlichen Glaubens geben sollte, die auch nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten, so ist es doch auch andererseits nicht ohne weiteres einsichtig, dass es sich bei den in diesem Zusammenhang immer wieder aufgeführten Mariendogmen der jüngsten Zeit um eine für alle Zeiten gültige Aktualisierung der Schrift handle und so stellt sich auch für den Katholiken die Frage, die er a priori (grundsätzlich, ohne weitere Beweise) verneinen muss, ob hier nicht doch etwas „Neues“ als Offenbarung definiert wurde, das nur aus der nachapostolischen Zeit gewachsen, nicht mehr wäre als ein vielleicht ehrwürdiger Frömmigkeitsausdruck.

Soweit erstmal

Kommentare

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Bluehorse 12.10.2021 23:56
schwerer zu verstehender Text? 
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