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Reicht lesen Können wirklich aus, um zu verstehen?

Reicht lesen Können wirklich aus, um zu verstehen?
Ihr Lieben,

beim Lesen in Nehemia habe ich eine interessante Aussage entdeckt, die ich gerne mit euch teilen möchte.
Es gibt ja bei manchen Christen unter uns die Vorstellung, dass lesen können das einzig Notwendige ist, um die Inhalte der Bibel zu verstehen.

Schon öfter habe ich Sätze gelesen wie: 
"Ich brauche Keinen, der mir die Bibel auslegt. Ich kann lesen. Das reicht völlig."

Folgende Bibelstelle widerlegt - aus meiner Sicht - diese Denkweise:

Nehemia 8
7 Und Jeschua, Bani, Serebja, Jamin, Akkub, Sabbetai, Hodija, Maaseja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan, Pelaja, die Leviten, erklärten dem Volk das Gesetz, während das Volk an seinem Platz blieb.

8 Und sie lasen aus dem Buch des Gesetzes Gottes deutlich vor und erklärten den Sinn, sodass man das Gelesene verstand.

Wenn man schon Erklärungen braucht, um das Gesetz Gottes zu verstehen, braucht man dann nicht erst recht Erklärungen, um einige Aussagen unseres Herrn Jesus Christus / Offenbarungen über Geistliches zu verstehen?

Es wäre schön, uns in gegenseitigem Respekt, in Frieden - im Geist der Liebe auszutauschen. Wer möchte, ist willkommen.

Löschen würde ich ungern. Deshalb bitte auch möglichst nah am Thema bleiben.

In Jesu Liebe verbunden  Joanne ❤

Kommentare

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Avokado 23.09.2021 12:16
Die Erklärung war wichtig von denen zu hören, die die Torah bereits studierten. Das Volk Israel war gerade zurück aus der Babylonischen Gefangenschaft angekommen, quasi aus dem Zug ausgestiegen und kurz mal rüber zur Willkommensveranstaltung. Eine Bibel hatten die nicht zur Hand, deswegen war es wichtig, dass ein paar Schriftgelehrte sie unterwiesen, anhand der Torah versteht sich.
 
Sulzbacher 23.09.2021 12:16
Das Lesen biblischer Texte

Lesen im Altertum
Lesen in der Synagoge
Lesen in der Gemeinde
Lesen, um zu verstehen
Verständlich lesen
Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, Kurfürstendamm 153. Sonntag 2. März 1997, 18.30 Uhr. Das Alte Testament ... von Anfang bis Ende in Fortsetzungen gelesen von Elisabeth Orth und Michael König. 8. Fortsetzung "Der Herr sprach zu Mose: Sage zu den Israeliten: Wenn einer ohne Vorsatz gegen eins der Gebote des Herrn sündigt und etwas Verbotenes tut ...".

Die Künstlerin begründete das staunenswerte Unterfangen: "Wir wollen das gesamte Alte Testament lesen. Weil der Text einfach eine Menge hergibt, weil es sich lohnt, darauf zu hören - und mehr an Begründung braucht es gar nicht."[1]

Bibel lesen - Bibel vorlesen. Zwei Unterfangen, die es in sich haben. Zunächst lesen, dann aber auch vorlesen. Lesen bedeutet, "geschriebene oder gedruckte Zeichen und Zeichengruppen einzeln und in ihrem Zusammenhang erfassen und in Sprache umsetzen".[2] Bibel vorlesen bedeutet, den Text der Bibel verstehen und in hörbare Sprache umsetzen. Beim Bibellesen geschieht aber noch viel mehr, denn wer Bibel liest, wird durch Gott selbst belehrt, denn er liest Gottes Wort und wer die Bibel vorliest, gibt diese göttliche Unterweisung an andere Menschen weiter. Josua 8,34f: "Dann las Josua das ganze Gesetz vor, auch die Segenszusagen und Fluchandrohungen, alles, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht. Er ließ kein Wort von dem weg, was Mose gesagt hatte. Die ganze Gemeinde Israel hörte zu, auch die Frauen und Kinder und die Fremden, die bei ihnen lebten."

1. Lesen im Altertum
Wer im Altertum lesen konnte, tat dies grundsätzlich laut. Das hebräische Verb für lesen [ QaRa´ ] bedeutet nämlich "rufen", eigentlich "laut rufen". Selbst wenn man keine Zuhörer hatte, las man noch hörbar und bewegte die Lippen. Das hebräische Verb dafür bedeutet "murmelnd lesen" oder "halblaut lesen" [ HaGaH ]. Jos 1,8: "Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben."

Was die EÜ mit Nachsinnen wiedergibt, ist das Wort "HaGaH", murmelnd lesen. Wir können gut verstehen, dass Philippus damals den Äthiopier lesen hörte , wie es Apg 8,30 berichtet. "Philippus aber lief hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen und sprach: Verstehst du auch, was du liest?"

Im Altertum verstand man das leise Lesen ohne Lippenbewegungen offenbar noch nicht. Augustin erzählt[3] dass Ambrosius[4] diese neue, merkwürdige Gewohnheit hatte. Er berichtet: "... wenn er las, liefen seine Augen über die Blätter und sein Herz durchsuchte die Bedeutung, aber seine Stimme und seine Zunge ruhten. Oft, wenn wir dabei waren - denn es war niemand verboten hineinzukommen, und es war auch nicht Gewohnheit, jemand dabei zu helfen - sahen wir ihn so schweigend lesen und niemals anders ..." Augustin vermutet, dass Ambrosius vielleicht so schneller lesen konnte, "... obschon auch die Absicht, seine Stimme zu schonen, die gern heiser wurde, vielleicht noch mehr die Ursache des stillen Lesens war. Aber mit welcher Absicht er dies auch tat, geschah es zweifellos in einer guten."[5]

2. Lesen in der Synagoge
2.1 Thoralesung
Ein wesentlicher Teil des jüdischen Gottesdienstes[6] bestand in der Vorlesung der Thora, des alttestamentlichen Gesetzes, das wir in den fünf Büchern Mose finden. Man hatte die Thora in Abschnitte eingeteilt, so dass man spätestens im Lauf von drei Jahren den ganzen Text gelesen hatte.[7]

Das Vorlesen der Thora im Gottesdienst stand prinzipiell jedermann zu. Meist lasen mehrere Männer den Abschnitt nacheinander. Es war die Sache des Synagogenvorstehers, diese Personen am Vortag zu bestimmen. Im Gottesdienst rief dann der Synagogendiener sie öffentlich auf. Der Aufgerufene trat nach vorn, öffnete die Thorarolle, blickte hinein und sprach zuerst einen Lobspruch darüber, worauf die Gemeinde mit Amen antwortete. Dann begann er mit dem Vorlesen seines Abschnitts, um nach einigen Versen dem nächsten Vorleser Platz zu machen. Das Vorlesen selbst musste ein wirkliches Lesen sein, d.h. die Stelle durfte nicht aus dem Gedächtnis gesagt werden. Außerdem musste der Leser dabei stehen und sich bemühen, seinen Abschnitt mit wohllautender Stimme vorzutragen.

Jakobus bestätigt, dass dieses Praxis überall gepflegt wurde. Apg 15,21: "Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt , die ihn predigen, da er an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen wird."

Zur Zeit Jesu musste der in Hebräisch verlesene Text in die aramäische Landessprache übersetzt werden, weil nicht mehr alle Hebräisch konnten. Jeder Mann, der des Hebräischen mächtig war, durfte den verlesenen Text übersetzen. Die Übersetzung folgte frei nach jedem verlesenen Vers, d.h. der Übersetzer durfte nicht aus schriftlichen Aufzeichnungen vorlesen.

2.2 Prophetenlesung
Auf die Lesung der Thora folgte die Lesung eines Abschnitts aus den Propheten, der wahrscheinlich frei ausgesucht wurde und inhaltlich zu der Thorastelle passte. Das erfolgte nach der gleichen Prozedur: Nachdem der Leser die Rolle aus der Hand des Synagogendieners empfangen hatte, sprach er einen Lobspruch, las dann den Text und gab dem Diener die Rolle zurück.

2.3 Predigt
Nach der Textlesung wurden gewöhnlich einige Worte der Ermahnung an die Versammelten gerichtet. Das konnte der Vorleser tun oder auch ein anderer. Im Gegensatz zur Schriftlesung setzte er sich dabei vor die Versammlung. Ein schönes Beispiel dafür findet sich in Lukas 4,16ff:

Jesus kam auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er, wie er es gewohnt war, in die Synagoge. Er stand auf, um aus der Schrift vorzulesen, und man reichte ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er rollte sie auf und las die Stelle, an der es heißt: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt mit dem Auftrag, den Armen gute Botschaft zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen." Jesus rollte die Buchrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn gespannt an. Er begann zu reden. "Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt", sagte er zu ihnen, "Ihr seid Zeugen."
In Apostelgeschichte 13,14ff berichtet Lukas noch ein anderes Beispiel aus Antiochia in Pisidien:

Am Sabbat gingen sie dort in die Synagoge und setzten sich unter die Zuhörer. Nach der Lesung aus dem Gesetz und den Schriften der Propheten ließen die Synagogenvorsteher den Gästen sagen: "Brüder, wenn ihr ein ermutigendes Wort zu sagen habt, dann sprecht!" Da stand Paulus auf, bat mit einer Handbewegung um Ruhe und begann: "Ihr Männer aus dem Volk Israle und ihr anderen, die ihr den Glauben Israels teilt ..."
Dass Paulus hier zum Reden aufsteht hängt damit zusammen, dass er nicht lehrte, sondern ein Wort der Ermahnung an das Volk richtete. Nach rabbinischer Praxis erging die Lehre immer nur an eingeweihte Jünger im engen Kreis. Und nach den Regeln der großen Thora-Schulen geschah das Lehren immer im Sitzen. Gleichnisreden oder Schriftlesungen wurden stehend vorgetragen. Andere Anweisungen konnten im Gehen weitergegeben werden. Aber die offizielle Unterweisung geschah im Sitzen. Wir sprechen selbst heute noch vom Lehrstuhl eines Professors.

3. Lesen in der Gemeinde
Auch im christlichen Gottesdienst nahm das Vorlesen der alttestamentlichen Schriften einen großen Raum ein, denn Paulus konnte in den zum großen Teil heidenchristlichen Gemeinden eine Kenntnis der Schrift voraussetzen, die nur durch häufig wiederholtes Vorlesen erreichbar war. (Nur wenige Christen konnten sich eine Abschrift des Alten Testaments leisten und persönlich lesen. Eine von Hand auf Pergament geschriebene Thorarolle kostet heute noch je nach Ausführung zwischen 40.000 und 140.000 DM.) Deshalb ermahnte Paulus den Timotheus (1Tim 4,13):

"Bis ich komme, achte auf das Vorlesen, auf das Ermahnen, auf das Lehren!"

Timotheus sollte das Alte Testament vorlesen. Dazu gebrauchte er die griechische Übersetzung, die sogenannte Septuaginta, denn Griechisch verstand man fast überall im Römischen Reich. Das Neue Testament existierte zu dieser Zeit erst in wenigen Teilen, die außerdem nur einzelnen Gemeinden bekannt waren. Allerdings wurden diese Schriften sofort regelmäßig im Gottesdienst vorgelesen. Der Theologe Schlatter sagt:

"Die neutestamentlichen Schriften haben nicht erst später auch eine gottesdienstliche Verwendung gefunden, sondern wachsen von Anfang an aus dem Kultus hervor. Die Evangelien wurden dazu verfasst, um hintereinander als Ganzes der versammelten Gemeinde vorgelesen zu werden, wodurch auch ihrem Umfang das Maß gesetzt war."[8]
Allerdings las man in den Gemeinden auch andere Schriften, die man für sehr wichtig hielt, die aber dann nicht in die Sammlung des Neuen Testaments aufgenommen wurden. So berichtet zum Beispiel Dionysius, der Bischof von Korinth in einem Brief an Klemens, den Bischof der Gemeinde von Rom (diesen Klemens bezeichnete Paulus übrigens als seinen Mitkämpfer - Phil 4,3): "Wir feiern heute den heiligen Tag des Herrn und haben an demselben euren Brief verlesen, welchen wir gleich dem früheren durch Klemens uns zugesandten Schreiben stets zur Belehrung verlesen werden." Der Klemensbrief wurde auch in einigen anderen Gemeinden öffentlich vorgelesen, wie Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte erwähnt.

Den Christen in Kolossä schrieb der Apostel Paulus (Kol 4,16): Wenn dieser Brief (damit meinte er den Kolosserbrief) bei euch vorgelesen worden ist, dann schickt ihn nach Laodizea, damit er auch dort verlesen wird. Und lest auch den Brief, den ich nach Laodizea geschrieben habe. - Das meinte natürlich vorlesen. Das Vorlesen biblischer Texte hat nun mal eine besondere Verheißung.

Um 150 n.Chr. beschrieb Justin der Märtyrer in einer Bittschrift an den Kaiser den Ablauf eines sonntäglichen Gottesdienstes:

"An dem sogenannten Tag der Sonne findet eine allgemeine Versammlung aller in der Städten und auf dem Lande wohnenden (Christen) statt, und es werden die Erinnerungen der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, soviel als die Zeit es gestattet. Hat dann der Vorleser aufgehört, so hält der Vorsteher (der Gemeinde) eine Ansprache, worin er zu Nachahmung dieser edlen (Wahrheiten und Vorbilder) ermahnt und anfeuert."[10]
Offenbarung 1,3: "Wie glücklich ist der, der die Worte der Weissagung liest und die, die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht!"

Hier ist nicht gemeint, dass da einer für sich allein liest, sondern dass der Text anderen laut vorgelesen wurde. Aber natürlich gilt die Seligpreisung auch dem, der den Text für sich liest.

4. Lesen um zu verstehen
Der HERR JESUS fragte seine pharisäischen Gegner und die Schriftgelehrten oft, ob sie eine bestimmte Stelle denn nicht gelesen hätten. Er hatte es offenbar getan und wusste genau Bescheid. Beispiele:

[Mt 12,3] Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und die bei ihm waren hungerte?
[Mt 12,5] Oder habt ihr nicht in dem Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester in dem Tempel den Sabbat entheiligen und (doch) schuldlos sind?
[Mt 19,4] Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an (als) Mann und Frau schuf?
[Mt 21,16] Ja, habt ihr nie gelesen: "Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet"?
[Mt 21,42] Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr nie in den Schriften gelesen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen"?
[Mk 12,26] Was aber die Toten betrifft, dass sie auferweckt werden: Habt ihr nicht im Buch Moses gelesen, wie Gott beim Dornbusch zu ihm redete und sprach: "Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs"?

Lesen bedeutet also auch verstehen. Werner de Boor schreibt in seinem Vorwort zur Erklärung der Briefe des Paulus an die Philipper und an die Kolosser:

Der große Lehrer der Kirche, Prof. D. Adolf Schlatter, hat es seinen Studenten immer wieder gesagt: "Meine Herren, Sie können nicht lesen!" Natürlich konnten die Studenten "lesen", sogar ganz leidlich ihr griechisches Neues Testament. Schlatter aber verstand unter "Lesen" jene offene und selbstlose Hinwendung zu einem Text mit der ich treu und genau aufnehme, was der Text wirklich sagt, und alle die eigenen, gewohnten und lieben Gedankengänge zurückstelle, die sich sofort in mein Erfassen des Textes eindrängen oder einschleichen wollen. Welch ernste Mühe, welch tapfrer Kampf gehört zu solchem echten "Lesen"! Wie selbstverständlich sehen ganze Kirchen und Gemeinschaften biblische Abschnitte sofort und ausschließlich im Licht ihrer gewohnten Dogmatik und merken überhaupt nicht mehr, dass die Schrift selbst hier etwas ganz anderes meint und sagt ... Man kann in manchen lieben, gläubigen Kreisen die Bibel aufschlagen, wo man will: Was da tatsächlich geschrieben steht, interessiert gar nicht und wird gar nicht aufgenommen, sondern man redet rasch wieder von den immer gleichen Wahrheiten, die in diesen Kreisen besondere Geltung haben. Dadurch bleiben wir arm und oft genug auch schief gewachsen und lassen uns die ganze Tiefe des Reichtums entgehen, den Gott in seinem Wort für uns bereitet hat.
5. Verständlich Lesen
Verständlich lesen kann nur der, der den Text verstanden hat. Wer den Sinn eines Satzes nicht vorher erfasst, kann ihn nicht richtig vorlesen. Er wird den Text entstellen, wird Pausen an den unmöglichsten Stellen machen, er wird die Wörter falsch betonen und unter Umständen sogar bei einzelnen Begriffen stolpern. Darum: Man versetzte sich in den Text hinein als ob man ihn selbst erleben würde, man fühle mit den handelnden Personen, man ahne die Absicht des Verfassers. Verständlich lesen heißt also nicht nur deutlich lesen, aber es heißt es auch, wie Spurgeon bemerkt:

"Herrliche Wahrheiten können langweilig erscheinen, wenn man sie eintönig vorträgt. Ein sehr geachteter Prediger, der aber nur vor sich hin zu murmeln pflegte, wurde treffend mit einer Hummel im Krug verglichen ... Wenn die Stimme quiekt wie eine rostige Schere, oder wenn die Worte ineinander fließen, als hätte der Redner Brei im Mund, so sind das Untugenden, die man sich unter allen Umständen abgewöhnen muss ... Die Evangelien haben nicht umsonst von unserem HERRN geschrieben: Er tat seinen Mund auf und lehrte sie. Öffnet die Tore weit, damit die edle Wahrheit heraustreten kann. Vermeidet es, die Nase zum Sprechwerkzeuge zu machen, denn die größten Autoritäten stimmen darin überein, dass sie zum Riechen da ist ... Sprecht immer hörbar. Manche Männer sprechen laut genug, aber nicht deutlich, ihre Worte stolpern und purzeln übereinander. Deutliche Aussprache ist wichtiger als ein starker Blasebalg. Gebt dem Wort Gelegenheit, ordentlich herauszukommen; brecht ihm nicht in der Heftigkeit das Genick, lasst es nicht in der Eile die Füße brechen. Es ist empörend, einen großen Menschen, dessen Lunge für die lautesten Töne ausreicht, murmeln und flüstern zu hören; andererseits mag ein Mann noch so lebhaft darauf los schreien, man versteht ihn nicht, wenn er die Worte ineinander fließen lässt. Zu langsames Reden ist schrecklich und kann lebhafte Zuhörer ganz nervös machen. Wer kann denn einen Redner anhören, der zwei Kilometer in der Stunde kriecht? Heute ein Wort und morgen eins ist ein Gebratenwerden auf langsamem Feuer, das nur für Märtyrer ein Genuss ist. Aber sehr schnelles Reden, ein Rennen, Rasen und Toben ist ebenso unverzeihlich. Es kann niemals Eindruck machen, außer vielleicht auf Schwachsinnige., denn anstatt eines geordneten Heers von Worten kommt ein Pöbelhaufe auf uns zu, und der Sinn wird vollständig in einem Meer von Tönen ersäuft ..."[9] .
Also: Mut zum lauten Bibellesen. Manche Bibeltexte habe ich das erste Mal halbwegs verstanden, nachdem ich sie laut gelesen hatte.


Fußnoten
[1] Idea Spektrum 1997/4
[2] Berthelsmann Discovery 2000
[3] Kirchenvater Augustinus 354-430 n.Chr. in seinen "Bekenntnissen".
[4] 340-397 n.Chr.
[5] Zitiert bei Külling in "Bibel und Gemeinde" 1963/4 S. 261
[6] Strack-Billerbeck IV.1 S. 153ff
[7] Die babylonischen Juden lasen den Text in einem Jahr durch. Diese Einteilung des Pentateuch in 54 Paraschen findet sich heute noch in den hebräischen Bibeln.
[8] Schlatter S.80
[9] Spurgeon S. 49ff
[10] Zitiert bei Zahn, Skizzen S. 215
 
 
Rena 23.09.2021 13:00
Wie oft habe ich in einem bekannten Text wieder neues entdeckt.
Oft auch weil es mich anders ansprach.
Darum sind Auslegungen interesant und Austausch eine wertvolle Ergänzung zum eigenen regelmässigen lesen.
 
Joanne 23.09.2021 13:35
@Sulzbacher

Danke für deinen Beitrag über "Lesen". Sehr umfangreich und interessant!

Einen Abschnitt daraus möchte ich gerne heraus greifen und nochmal separat darauf aufmerksam machen:

"  Schlatter aber verstand unter "Lesen" jene offene und selbstlose Hinwendung zu einem Text mit der ich treu und genau aufnehme, was der Text wirklich sagt, und alle die eigenen, gewohnten und lieben Gedankengänge zurückstelle, die sich sofort in mein Erfassen des Textes eindrängen oder einschleichen wollen. Welch ernste Mühe, welch tapfrer Kampf gehört zu solchem echten "Lesen"! Wie selbstverständlich sehen ganze Kirchen und Gemeinschaften biblische Abschnitte sofort und ausschließlich im Licht ihrer gewohnten Dogmatik und merken überhaupt nicht mehr, dass die Schrift selbst hier etwas ganz anderes meint und sagt ... Man kann in manchen lieben, gläubigen Kreisen die Bibel aufschlagen, wo man will: Was da tatsächlich geschrieben steht, interessiert gar nicht und wird gar nicht aufgenommen, sondern man redet rasch wieder von den immer gleichen Wahrheiten, die in diesen Kreisen besondere Geltung haben. Dadurch bleiben wir arm und oft genug auch schief gewachsen und lassen uns die ganze Tiefe des Reichtums entgehen, den Gott in seinem Wort für uns bereitet hat."
 
Joanne 23.09.2021 13:38
@Avocado

" Die Erklärung war wichtig von denen zu hören, die die Torah bereits studierten."

Ja, das verstehe ich auch so. 
Zeigt für mich aber deutlich, dass es nicht ausreicht, einfach nur des Lesens mächtig zu sein, wie manche Christen fälschlicherweise annehmen.
 
Joanne 23.09.2021 13:40
@Rena

Was du beschreibst kann dann geschehen, wenn wir es schaffen, uns immer wieder neu beglücken zu lassen, von diesen Texten 😊

Deshalb hatte ich den Abschnitt aus dem Beitrag von @Sulzbacher nochmal separat eingestellt.  13:35 h
 
(Nutzer gelöscht) 23.09.2021 13:47
Das unterschiedliche Lesen ist mir selber auch sehr wichtig, deswegen stelle ich auch gern unterschiedliche Übersetzungen mit unterschiedlichen Kommentaren (in meinen Blogs und in Beiträgen) ein:
die alte Luther mit Kommentaren von Dr. Ossiander
die katholische Allioli-Übersetzung aus der Vulgata (mit Kommentaren)
das neue jüdische Testament (messianische Juden mit Kommentaren)
die Peschitta (aramäische Bibel) mit Kommentaren aus der aramäisch-assyrischen Kirche

oder Bibelauslegungen verschiedener orthodoxer und katholischer Kirchenväter.

Es ist immer wieder faszinierend, was da an neuen Einblicken möglich ist und die eigene Wahrnehmung der Texte - für mich selber neu - erschließt
 
Rosenlied 23.09.2021 14:32
⛪Danke @Joanne für die intressante Seite. 
Ich glaub auch, dass manchmal "lesen können"
nicht ausreicht, um eine Stelle in der Bibel richtig 
zu verstehn. 

🎨Mir ist es schon passiert, dass ich nach längerer
Zeit eine Stelle, die mir früher unverständlich war,
auf einmal begriffen hab... 
Vielleicht lag das daran, dass ich inzwischen durch Erfahrungen mehr erkennen konnte. 

⛪Intressant finde ich, dass Du uns anhand von 
Bibelstellen gezeigt hast, dass uns manches durch Erklärungen verständlicher wird.

⛪Dein neues Bild als Braut finde ich wunderschön.
 
Putz 23.09.2021 15:04
Beim Lesen der Bibel kann es gehen wie beim Lesen eines Kochbuchs. Wenn ich die Zutaten, die Gemüse- und Gewürze usw nicht kenne, kann ich sie nicht richtig anwenden, verstehe auch ihre Wirkung nicht. Ich brauche einen Erklärer. Im Neuen Testament, der Apostelgeschichte des Lukas gibt es einen Text, der das schön illustriert, Apostelgeschichte Kapitel 8, Verse 26-40. Der Christ Philippus trifft einen Wagen, auf dem ein nicht unwichtiger Mensch sitzt und laut liest (laut lesen war damals üblich). Philippus fragt, ob er diesen Text auch versteht. Antwort: Ich kann nicht, denn niemand erklärt ihn mir. Die Begegnung endet mit der Taufe desjenigen, der nun diesen Text nicht nur gelesen, sondern auch verstanden hatte. Konsequenz heute: Gebrauche nicht nur deine Sinne, sondern auch deinen Verstand und Willen und sei anderen, die noch auf dem Wege sind, Helfer und Erklärer, daß sie VERSTEHEN!, 
 
Joanne 23.09.2021 15:08
@Rosenlied

Ja so geht es mir auch. Plötzlich wird eine Bibelstelle klar. 
Oder ich habe etwas erlebt und im Nachhinein verstehe ich plötzlich eine Bibelstelle in diesem Zusammenhang. In einer Art, auf die ich nicht gekommen wäre.

Ich denke dabei auch immer wieder an die Aussage von unserem Herrn Jesus Christus:
Johannes 16
12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.

Ich glaube wir Menschen verstehen nach und nach, weil wir im Glauben tragfähig und auch im Leben umsichtig und verständig werden müssen.

Und ja, mir wird immer klarer, dass wir von Solchen viel lernen, die schon ein paar Schritte weiter sind, die wirklich studieren in den Schriften und auch von anderen etwas annehmen können. Mit solchen, die nur sich selbst und ihre eigene Erkenntnis annehmen, bin ich inzwischen vorsichtig und halte Abstand. Es gibt inzwischen zu viele selbsternannte Bibellehrer.

@Rosenlied:  "Dein neues Bild als Braut finde ich wunderschön."

Dankeschön 😊
 
Joanne 23.09.2021 15:17
@Putz

" Konsequenz heute: Gebrauche nicht nur deine Sinne, sondern auch deinen Verstand und Willen und sei anderen, die noch auf dem Wege sind, Helfer und Erklärer, daß sie VERSTEHEN!,"

Lass aber auch zu, dass andere dir Helfer und Erklärer sind, für dein Verständnis, ehe du los läufst, um andere zu belehren.

Der Vergleich mit den Zutaten und Gewürzen gefällt mir. 
Solange man ein Kochrezept mit eindeutigen Zutaten hat, ist das ja noch relativ einfach.

Wenn aber zum Beispiel meine Oma gesagt hätte:

"Die Zwiebeln musst du anschwitzen, das angebratene Fleisch stäuben und dann das Ganze einkochen lassen.", wäre es schwierig geworden. Man muss ein paar grundsätzliche Vorgänge beim Kochen gelernt haben, um das machen zu können. Selbst wenn man es sich anlesen würde wird es wahrscheinlich nicht so gut, wie wenn es einem jemand vormacht und einen mitmachen lässt. 

Mein Vater sagte oft:
"Früher gab es Meisterschüler. Sie haben den Meister bewundert, haben ihm auf die Finger gesehen und von ihm gelernt.".

Jesu Gebot war: "... macht sie zu Jüngern.".
 
Putz 23.09.2021 16:50
@Joanne:  ich stimme dir voll zu, es geht mir nicht ums Belehren, sondern ums Erklären. Die Rollen, die man einnimmt, können auch immer wieder wechseln. Wir sind Lernende und Erklärende zugleich.
 
Joanne 23.09.2021 17:24
@Putz

👍

ja, wir brauchen einander und das ist auch gut so.
 
Avokado 23.09.2021 18:27
Josua 1,8 Lass dieses Buch des Gesetzes nicht von deinem Mund weichen, sondern forsche (lesen reicht nicht) darin Tag und Nacht, damit du darauf achtest, alles zu befolgen, was darin geschrieben steht; denn dann wirst du Gelingen haben auf deinen Wegen, und dann wirst du weise handeln!
 
(Nutzer gelöscht) 23.09.2021 19:09
Avocado
Hier sind wir beim Lesen -  1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener

Dein Text sagte Gott zu Josua...
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