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Thea, Lia - und der Rabbi

Thea, Lia - und der Rabbi
Die beiden Schwestern Lia (82) und Thea (92) kennen sich im Leben und in Bocholt aus. Aber einen Rabbi hatten sie noch nie getroffen. Das änderte sich und wurde zu einem merkwürdigen Erlebnis, als sie auf ihrer Einkaufstour waren.
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Lia: Thea, schau mal. Der Mann da schaut komisch aus. Bart und Zöpfchen… nee, das hab ich ja noch nie gesehen. Ob er ein Wunderheiler oder sowas ist?
Thea: Das ist ein Rabbi.
Lia: Ach. So hab ich mir Rabbiner nicht vorgestellt. Sprechen Rabbiner Deutsch?
Thea: Frag ihn doch.
Lia: Ich trau mich nicht.
Thea: Dann lass es eben sein.
Lia: Du könntest ihn fragen. Du bist die Mutige von uns beiden.
Thea: Meinetwegen.
Lia: Ja, du bist ein Schatz.

Thea: Hallo, guten Tag. Wir sind die Thea und die Lia. Wir wohnen hier in Bocholt. Kennen Sie sich hier in Bocholt aus?
Rabbi: Mein Name ist Rothschild. Und nein, ich kenne mich hier nicht aus. Aber ich bin auch nur auf der Durchreise.
Lia: Wohin reisen Sie so?
Thea: Sei nicht so neugierig!
Rabbi: Ich reise zu einem Vortrag für Menschen, die Schüler werden wollen.
Thea: Ach. Braucht man dafür eine Qualifikation? Abitur oder sowas?
Rabbi: Abitur ist nicht verkehrt, auch ein Studium ist hilfreich. Aber danach frage ich nicht.
Thea: Wenn ich fragen darf: Wonach fragen Sie denn?
Rabbi: meine Frage stelle ich, wenn sich jemand als Schüler bei mir bewirbt.
Lia: Dann bewerbe ich mich jetzt.
Thea: Ach, das meinst Du jetzt nicht im Ernst. Auf einmal bist Du mutig?
Lia: Ja, Bluehorse meint doch immer, dass Weiterbildung wichtig ist.
Herr Rabbi, muss ich dafür umziehen?
Rabbi: Nein, um mein Schüler zu werden, muss niemand umziehen.
Thea: Da hast Du ja Glück gehabt, meine Liebe.
Lia: Ja – und wie geht das, wenn ich jetzt Schülerin werden will?
Rabbi: Ich habe nur eine Frage, die ich auch zur Bedingung mache:
Lieben Sie Gott?

Lia: Oh. Gott habe ich noch nie gesehen oder gehört. Ehrlich – nein.
Rabbi: Haben Sie wenigstens Sehnsucht, Gott zu lieben?
Lia: Manchmal schon. Aber im Alltag geht die Sehnsucht schnell verloren.
Rabbi: Haben Sie wenigstens die Sehnsucht, die Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben?
Lia: Ja, das hab ich. Manchmal tut es mir leid, dass ich so wenig an Gott denke. Aber wenn Sie mit meiner Schwester zusammenleben müssten, dann würden Sie mich verstehen.
Thea: Was soll das denn jetzt heißen?
Lia: Das sag ich Dir später. Lieber Herr Rabbi, was meinen Sie? Bin ich durchgefallen?
Rabbi: Nein. Die Sehnsucht nach der Sehnsucht Gott zu lieben, das genügt.

Thea: Jetzt tausch die Adresse, dann kannst Du ihm schreiben oder ihn anrufen. Aber jetzt müssen wir gehen. Meine Füße tun mir schon weh.

------------- Am Nachmittag rief mich Lia an. ---------------
Riiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing

Bluehorse: Notarztzentrum für verunglückte Schildkröten. Wo brennt es?
Lia: Bluilein, ich bin’s, die Lia.
Bluehorse: Hallo Lia. Wie schön, Dich zu hören. Ich war doch gestern erst bei Euch. Hast Du solche Sehnsucht nach mir?
Lia: Nein, oder ja, ich meine, ich habe eine Frage.
Bluehorse: Was denn nun? Sehnsucht nach mir oder nicht oder nur eine Frage?
Lia: Mit Deinen Fragen machst Du mich ganz wuschig. Dabei habe ich doch eine Frage!
Bluehorse: Dann erzähle.

--------- Und Lia erzählte von ihrer Begegnung mit dem Rabbi -----------   

Lia: Und dann hat der Rabbi gesagt: „Sehnsucht nach der Sehnsucht Gott zu lieben genügt.“
Bluehorse: Ja und? Wo ist das Problem?
Lia: Ja, aber Gott will doch geliebt werden. So hat es doch Jesus gesagt.
Bluehorse: Ja – und?
Lia: Ja, aber ich habe doch nur die Sehnsucht nach der Sehnsucht Gott zu lieben. Das ist doch nicht genug.
Bluehorse: Doch. Schau mal. Gott kommt uns Menschen auch in der Sehnsucht entgegen.
Lia: Ach.
Bluehorse: Ja, Gott hat Sehnsucht nach uns Menschen. Seine Sehnsucht kommt unserer Sehnsucht entgegen. Wo spürst Du denn Sehnsucht?
Lia: Thea hat Sehnsucht nach Erdbeerkuchen.
Bluehorse: Ach – Du nicht?
Lia: Ja, eigentlich schon. Das ist sicher falsch, oder?
Bluehorse: Nein. Sehnsucht nach Erdbeerkuchen, nach einem Menschen, nach Bestätigung oder nach Zuwendung ist nur der irdische Ausdruck von Sehnsucht.
Lia: Ja, aber der Rabbi hat gesagt, dass die Sehnsucht nach der Sehnsucht Gott zu lieben gut ist. Oder so ähnlich hat er es gesagt.
Ich verstehe nicht, was die Sehnsucht nach Erdbeerkuchen mit Gott zu tun hat.
Bluehorse: Nun, der Rabbi sagte ja, dass die Sehnsucht nach der Sehnsucht Gott zu lieben genügt. Aber wenn Du ihm länger zugehört hättest, dann hätte er Dir auch den Grund nennen können.
Lia: Und was ist der Grund?
Bluehorse: Als Schüler bist Du zunächst ein Anfänger im Glauben und in der Liebe zu Gott. Aber ein Anfang ist immerhin ein Anfang. Im Laufe der Schulzeit lernst Du, die Sehnsucht – wo und wann immer sie auftaucht – mit Gott zu verbinden. Der gelehrige Schüler erkennt, dass die Sehnsucht – wenn sie sich auf irdische Dinge konzentriert und sich damit begnügt – vergänglich ist und in einer Enttäuschung endet. Erkennen wir, dass alle irdische Sehnsucht nur ein Vorgeschmack ist und uns vor Enttäuschungen nicht bewahrt, dann erst sind wir offen für die Sehnsucht, die uns mit Gott verbindet und die erst endet, wenn wir bei IHM angekommen sind.
Lia: Mh. Das klingt nach Vertrösten auf die Ewigkeit. Und was sollen wir in der Zwischenzeit tun?
Bluehorse: Genieße die Sehnsucht nach Erdbeerkuchen in dem Wissen, dass sie nur ein kleines Zeichen ist für die große Sehnsucht, die uns ergreift, je mehr wir uns mit Gottes Liebe befassen. Sehnsucht nach Irdischem ist der Weg nur zur endlichen Freude, wenn wir uns damit begnügen. Werde anspruchsvoll! Das ist es, was wir in der Zwischenzeit tun können!

© JJ

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 01.08.2021 14:44
Vielen Dank,Bluehorse,für die schöne Geschichte !
 
Engelslhaar 01.08.2021 15:06
ja, aus einem Senfkorn Glauben kann sehr viel entstehen...
 
Weinrebe 01.08.2021 17:04
Wieder so eine schöne Geschichte..danke.
 
Schneeball 01.08.2021 18:47
 . . . " die Sehnsucht nach der Sehnsucht" . . . das gefällt mir und bringt
einige Gedanken in's Gehirn .
1. Tatsächlich den alten Goethe : "Nur wer die Sehnsucht kennt,weiß
was ich leide".
Diese Aussage stammt aus seinem Werk: "Wilhelm Meister's Lehrjahre".
Mit 46 hat Goethe diesen Roman 1795 geschrieben,inhaltlich könnte er auch von
2021 sein.
Ich mache mir mal die Mühe,das Gedicht hier einzustellen.
Im Roman ist es ein Lied,das von einem alten Harfner und einer
jungen Frau gesungen wird :
"Nur wer die Sehnsucht kennt,weiß was ich leide!
Allein und abgetrennt von aller Freude,
seh' ich an's Firmament
nach jener Seite.

Ach! Der mich liebt und kennt,ist in der Weite.
Es schwindelt mir,es brennt! Meine Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,weiß,was ich leide!"

Ob in dem Gedicht an Gott oder an einen geliebten Menschen
gedacht wurde,konnte ich auf die Schnelle nicht ausmachen.

Aber - dieses "merkwürdige Ziehen" in jedem Menschen
ist schon eine gewaltige Kraft.
Und gut,wenn es wenigstens wieder soweit "wach" wird,daß
eine Sehnsucht nach der Sehnsucht wahr genommen wird.

2. Im Umkehrschluß sagt man heute vom postmodernen Menschen
häufig : Er hat vergessen,daß er Gott vergessen hat !
--
3. Da hatte der "alte" Kirchenvater Augustinus doch noch eine
sehr lebendige Selbstwahrnehmung,wenn er konstatieren konnte :
"Unruhig ist mein Herz,bis es Ruhe findet in DIR!"

Und er war wahrlich kein biederer,dummer Zeitgenosse !
 
Engelslhaar 01.08.2021 20:48
Lieber bluehorse, aber diese Geschichte ist jetzt im Kern nicht von dir, ich hatte sie schon mal in ähnlicher Form gelesen, du hast sie jetzt mit Thea und Lia verknüpft , natürlich wieder auf sehr anschauliche Weise

So, wie ich dich und auch Schneeball verstehe, ist diese Sehnsucht nach Gott im Menschen angelegt und auch, wenn man zunächst nur ein zaghaftes Ziehen spürt, ist das doch der Anfang
 
Bluehorse 01.08.2021 21:52
Die Geschichte von dem Rabbi hörte ich in einer Predigt und habe sie umgewandelt verwendet. 
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