weiße TaubeChrist sucht Christ Logo ohne Taube

Denken in Freiräumen

Denken in Freiräumen
Was zeichnet menschliche Intelligenz aus?
Welche Stärke hat unser Denken in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung und technischen Entwicklung?

Der Mathematiker und Medienpädagoge Professor Edwin Hübner sagte kürzlich im Lebensmagazin a tempo, dass manche Entwickler der künstlichen Intelligenz davon träumten, "dass der Mensch durch Gehirn-Computer-Schnittstellen und durch Hochladen des Bewusstseins in digitale Speicher seine Intelligenz exponentiell steigern könne, eine Verschmelzung von Mensch und Maschine möglich sei und letztlich eine neue Spezies entstehe.
Es komme die Zeit des Transhumanismus".

In seiner umfangreichen Studie "Menschlicher Geist und Künstliche Intelligenz.
Die Entwicklung des Humanen inmitten einer digitalen Welt" zeichnet Edwin Hübner die allmähliche und nun explosionsartige Eroberung der menschlichen Intelligenz durch "intelligente" Maschinen.
"Die technische Entwicklung hat einzigartige Ergebnisse gebracht", hebt er hervor.
"Wenn man einen gelähmten Menschen mit einem Exoskelett versehen kann und er dann wieder in der Lage ist, zu gehen, oder man einem Tetraplegiker einen Chip ins Gehirn implantiert und er einen Roboterarm steuern kann, sind das bewundernswerte Errungenschaften.
Daran schließt sich aber eine weiterführende Frage an:
Sehen wir den Menschen der Zukunft als Roboter an – im Sinne des Transhumanismus – oder bekommen wir auch seinen geistigen und seelischen Anteil in den Blick?"

Bei dieser Frage kommt dem Denken eine nicht unwesentliche Rolle zu, wenn man es nicht auf das Gehirn "beschränkt".
Denn das Gehirn ist zwar das Organ des Denkens, wie ein Arm ein Organ des Körpers ist, aber niemand behauptet, die Armbewegung sei die Ursache dafür, dass man die Kaffeetasse nimmt.
Sondern man hat einen Wunsch, die Tasse zu nehmen, und der Arm ist das ausführende Organ.
Ähnlich ist es mit dem Denken und dem Gehirn.
"Im Denken ist immer auch ein zukünftiges Moment.
Ein digitales, programmiertes Gerät dagegen, das gilt auch für die leistungsfähigsten Computer, besteht aus vergangenem Denken, das eingespeist wurde", erklärt Edwin Hübner.
"Für mich ist das Denken die zentrale Fähigkeit des Menschen.
Und es ist nicht einfach linear, sondern hat verschiedene Stufen.
Ich habe, wenn ich etwa durch die Stadt laufe, eine Art assoziatives, träumerisches Denken.
Durchdenke ich einen mathematischen Beweis, bin ich dagegen hoch konzentriert; das ist eine linear-logische Art des Denkens.
Darüber hinaus gibt es auch eine bildhafte, imaginative Form.
Man kann das Denken so weiterführen, dass es fähig wird, geistige Zusammenhänge in der Natur und im Leben wie in einem Bild zusammenzufassen.
Es macht einen geistigen Zusammenhang verstehbar, gibt Einsicht.
Das wäre eine neue, bildhafte Stufe des Denkens."

Dieses bildhafte Denken, das nicht aus dem Intellekt, sondern dem Herzen und Empfinden gebildet wird, hat auch große Bedeutung in der aktuellen Bildungsdebatte.
Bei allen Vorzügen und der Notwendigkeit des digitalen Lernens und der digitalen Lernangebote brauchen Kinder Angebote, die zu innerer Aktivität anregen.
Sie brauchen Freiräume für eigenes Denken, für kreative Prozesse.
"Kunst ist keine Nebensache", bringt Edwin Hübner es auf den Punkt, denn "in ihr kann ich experimentieren und mich an bildhaftem Empfinden und Denken üben.
Hier muss in der Schule noch viel geleistet – und durch die Erfahrungen mit der Coronapandemie – nachgeholt und aufgebaut werden.
Oft verderben wir bei Kindern diese Fähigkeit, sodass sie die Lust am Denken verlieren können."


Menschen brauchen Freiräume für eigenes Denken.

Auch für uns Erwachsene stellt sich immer wieder die Frage, welche Bereiche und Verantwortungen wir bereit sind, an Maschinen abzugeben.
Denn in den vergangenen Monaten – und in den kommenden wird sich daran wenig ändern – konnten wir alle eines wahrnehmen:
Es gibt Dinge, die eine Maschine nicht kann, nämlich jemanden gern zu haben.
"Die Liebe ist die Fähigkeit des Menschen", betont Edwin Hübner – und beim Blick in und auf die Gesellschaft führt er aus:
"Wir müssen daher auch die Bereiche finanziell gut ausstatten, in denen menschliche Zuwendung gebraucht wird:
Altenpflege, Kindergärten, Schulen – alles, wo Menschen sozial miteinander zu tun haben.
Es geht darum, eine Kultur zu entwickeln, in der der Mensch sein ureigenstes Moment zum Tragen bringen kann.
Wir sind dazu aufgerufen, der technologischen Entwicklung, die außerhalb von uns stattfindet – und die ich auch gut finde − eine innere, seelische Entwicklung zur Seite zu stellen.
Wenn das geleistet wird, haben wir das ausgleichende Gewicht zu dem, was wir in die technische Entwicklung investieren.
Wir können und müssen unsere eigenen Fähigkeiten schulen."

Kommentare

Schreib auch du einen Kommentar
 
einSMILEkommtwieder 21.07.2021 17:52
Den Artikel habe ich gestern im dm-Magazin Juli 2021 gelesen!
 
Bluehorse 21.07.2021 18:35
Es wird in Zukunft möglich sein, die Menschen in zwei neue Gruppen einzuteilen.

Gruppe 1: Menschen mit relativ geringer Erkenntnis von Zusammenhängen. Diese Menschen verstehen z.B. keine Funktionsweise von Algorithmen und neigen dazu, der "Maschine" bzw. dem Computer alles zu glauben. Diese Menschen neigen dazu, alle Verantwortung so weit es geht abzugeben und das Denken auf ein Minimum zu beschränken.

Gruppe 2: Es sind Menschen, die das Glück der Erkenntnis von Zusammenhängen haben. Sie verstehen die Grenzen der Technik und je mehr sie diese Grenzen erkennen, desto höher ist der Grad ihrer persönliche Verantwortung, die sie wahrnehmen - oder nicht.    
 
(Nutzer gelöscht) 21.07.2021 21:01
Hochbegabung und Intelligenz

https://images.app.goo.gl/tMGNH9dBVKhpjyRH6
weiße TaubeJetzt kostenlos registrieren