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Mit dem Rücken zum Volk Teil 8

Mit dem Rücken zum Volk Teil 8
DIE VORMESSE

Stufengebet

Die Vormesse beginnt mit dem Stufengebet. Wie schon sein Name andeutet, wird es vor der untersten Altarstufe verrichtet, und zwar in erster Linie zur geistlichen Einstimmung des Priesters und der Altar­diener auf das heilige Messopfer.

Altarstufen

Die zumeist drei Altarstufen erinnern einerseits an den Aufstieg der Seele zu Gott durch die drei göttlichen Tugenden (Glaube, Hoffnung und Liebe). Andererseits ver­sinn­bilden sie den Berg Golgotha, auf dem Jesus sein Blut für uns vergossen und sein Kreuzesopfer dargebracht hat.

Schon im Alten Bund spielen Berge als Orte der Nähe Gottes und als Opferstätten eine wichtige Rolle. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang das Opfer des Abraham auf dem Berg Moria: „Gott sprach: ‚Nimm deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, den Isaak, begib dich in das Land Moria und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir zeigen werde, zum Brandopfer dar!‘“ (Gen 22, 2)
Nach alten Überlieferungen könnte Moria durchaus mit Gol­gotha identisch sein. Wie Isaak ist auch Jesus der einzig geliebte Sohn, der selbst das Holz für sein Opfer getragen hat.

Die symbolische Deu­tung des Altares als Golgotha­berg wird auch durch die Gegenstände auf dem Altar unter­strichen: Das Altar­kreuz erinnert an das blutige Opfer Jesu, die drei Leinentücher stehen für die Grabtücher, und die Kerzen symbolisieren das Licht der Auferstehung. All das soll uns bewusst machen, dass im heiligen Mess­opfer dasselbe geschieht wie damals auf Golgotha, denn das Kreuzes­­opfer wird in jeder heiligen Messe in unblutiger Weise auf dem Altar gegenwärtig gesetzt. Daher ziemt es sich, mit einer eben solchen inneren Haltung zum Altar hinzuzutreten, wie sie einem Aufstieg auf Golgotha entspricht.

Über die Bedeutung des Emporsteigens schreibt Romano Guardini: „Das Unten ist nun einmal vom Wesen her Gleichnis für das Geringe, Schlechte; das Droben Gleichnis für das Edle, Gute, und jedes Emporsteigen spricht vom Aufstieg unseres Wesens zum ‚Allerhöchsten‘, zu Gott. ... Darum führen die Stufen von der Straße zur Kirche. Sie sagen: Du gehst hinauf, zum Haus des Gebetes, näher zu Gott. Vom Schiff der Kirche führen wieder Stufen zum Chor. Sie sagen: Nun trittst du ins Allerheiligste ein. Und Stufen tragen zum Altar empor. Wer die hinaufgeht, dem sagen sie, wie einst Gott zu Moses auf dem Berge Horeb: ‚Ziehe die Schuhe von den Füßen, denn die Stätte, darauf du stehst, ist heiliges Land.‘ (Ex 3, 5) Der Altar ist Schwelle der Ewigkeit. Wie groß ist das! Nicht wahr, nun wirst du die Stufen wissend steigen? Wissend, dass es emporgeht? Wirst alles Niedrige drunten lassen und wirklich ‚zur Höhe‘ steigen? Aber was soll man da viel sagen? Es muss dir innerlich klar werden, damit die ‚Aufstiege des Herrn‘ sich in dir ereignen, das ist alles.“ (Von heiligen Zeichen, S. 26 f.)

Kreuzzeichen

Das Stufengebet beginnt „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Mit dem Kreuzzeichen stellen wir uns unter das Kreuz Jesu und bekennen in Wort und Gestus die beiden grundlegendsten Geheimnisse des christlichen Glaubens: Der Mund bekennt den dreifaltigen Gott, während die Hand ein Kreuz zeichnet und so den Glauben an das Geheimnis der Menschwerdung und die Erlösung durch das Kreuz zum Ausdruck bringt.

Psalm ‚Judica‘

Der Psalm ‚Judica‘ (Ps 42) ist besonders gut dazu geeignet, den Gang zum Altar zu deuten, denn er enthält in groben Zügen eine wunderbare Zusammenschau der ganzen heiligen Messe.

Der vierte Vers wird zum Kehrvers: „Introibo ad altare Dei ... - Ein­treten will ich zum Altare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut.“ Gemeint ist hier nicht so sehr die leibliche Jugend. Vielmehr steckt darin ein Hinweis auf die neue Geburt durch die heilige Taufe (vgl. Joh 3, 5), von welcher der hl. Ambrosius sagt: „Du hast abgelegt das Alter der Sünde und angelegt die Jugend der Gnade.“ Die Sünde lässt die Seele altern, macht sie hässlich und führt zum ewigen Tod. Die göttliche Gnade aber schenkt neue Jugend, die hinführt zum ewigen Leben. Eine Seele im Stand der Gnade ist immer jugendlich schön, und: „Mag auch unser äußerer Mensch aufgerieben werden, so wird doch der innere von Tag zu Tag neu.“ (2 Kor 4, 16) Durch die Sakra­mente und vor allem im heiligen Messopfer wird das göttliche Leben der Seele vermehrt. Wir nahen uns dem Quell des Lebens, um ‚erfreut‘ zu werden mit frischer Jugend.

„Wie vielfältig hast Du Deine Barmherzigkeit erwiesen, o Gott! Die Menschenkinder aber, im Schutz Deiner Flügel werden sie hoffen. Sie werden berauscht vom Überfluss Deines Hauses, und mit dem Strom Deiner Wonne wirst Du sie tränken. Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens, und in Deinem Licht werden wir schauen das Licht.“ (Ps 35, 8-10)

Drei Wege

Die Lehrer des geistlichen Lebens sprechen von drei ‚Wegen‘, die der Mensch gehen muss, um zur Vereinigung mit Gott zu gelangen: dem Weg der Reinigung, dem Weg der Erleuchtung und dem Weg der Einigung. Dem entspricht auch die innere Ordnung der gesamten heiligen Messe. Zunächst steht deutlich der Gedanke der Reinigung im Vordergrund, während Lesung, Evangelium und Predigt hauptsächlich der Erleuchtung dienen. Höhepunkt der heiligen Messe sind die heilige Wandlung und die sakramentale Vereinigung mit Christus in der heiligen Kommunion.

Auch der Psalm Judica spiegelt dieses geistliche Grund­gesetz wider: Der erste Vers („Judica me, Deus ...&ldquozwinkerndes Smiley bringt das Verlangen nach Reinigung und nach Abgrenzung von der gottfremden Welt zum Ausdruck. Der „homo iniquus et dolosus - der ungerechte und tückische Mensch“ ist der ‚alte‘ Mensch, der in uns gekreuzigt werden soll (vgl. Röm 6, 6). So sagt der hl. Apostel Paulus: „Wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die Werke des Fleisches zum Sterben bringt, werdet ihr leben.“ (Röm 8, 13)
In der Bitte des dritten Verses erkennen wir den Weg der Erleuchtung: „Sende aus Dein Licht und Deine Wahrheit; sie haben mich geleitet und mich herbeigeführt zu Deinem heiligen Berg und in Dein Gezelt.“ Im Heiligtum selbst aber und durch den Segen, der vom Altar kommt, werden wir aufs Innigste mit Gott vereint: „Und eintreten will ich zum Altare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut.“

Confiteor

Das Confiteor (= Schuldbekenntnis) erinnert an das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner im Tempel: „Der Zöllner aber ... wollte nicht einmal die Augen zum Himmel erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: ‚Gott, sei mir Sünder gnädig!‘“ (Lk 18, 13) Ebenso nimmt der Priester die tief gebeugte Haltung eines Sünders ein, der sich zerknirscht an die Brust schlägt, um sein armes Herz zu heil­samer Reue zu erschüttern, während er den ganzen himmlischen Hof zu Zeugen anruft: „Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria, dem heiligen Erzengel Michael, dem heiligen Johannes dem Täufer, den heiligen Aposteln Petrus und Paulus, allen Heiligen, und euch Brüdern, dass ich viel gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld ...“

Das Schlagen an die Brust deutet Romano Guardini: „Du hast vielleicht schon einmal auf alten Bildern Sankt Hieronymus in der Wüste knien sehen, wie er mit einem Stein in der Hand schütternd an die Brust schlägt. Es ist ein Schlag, kein zierliches Getue. Er soll wider die Pforten unserer inneren Welt fahren und sie durchschüttern. ... Das also bedeutet es, wenn der Mensch an seine Brust schlägt: Er weckt sich auf. Er rüttelt die innere Welt wach, damit sie Gottes Ruf vernehme.“ (Von heiligen Zeichen, S. 23 f.)

Versikel

Das Stufengebet endet mit drei in leicht gebeugter Haltung gesprochenen Versikeln.

Der hl. Ignatius von Loyola fordert in seinen geistlichen Übungen dazu auf, jeweils vor den Betrachtungen um das zu bitten, was man als besondere Gnade begehrt. Vielleicht dürfen wir die Versikel des Stufengebetes ganz ähnlich deuten, nämlich als innige Bitte um das, was wir als Frucht der heiligen Messe begehren: „Gott, wende Dich uns zu und gib uns neues Leben. Dann wird Dein Volk in Dir sich freuen. - Zeige, Herr, uns Deine Huld. Und schenke uns Dein Heil. - Herr, erhöre mein Gebet. Und lass mein Rufen zu Dir kommen.“

Aufstieg zum Altar

Während der Priester die Stufen zum Altar emporsteigt, betet er still das Gebet Aufer a nobis: „Nimm weg von uns, so bitten wir, Herr, unsere Sünden, damit wir ins Allerheiligste mit reinem Herzen einzutreten vermögen.“

Das Wort „Sancta sanctorum“ (= Allerheiligstes) erinnert an den alttestamentlichen Tempel Salomons (vgl. 1 Kön 6, 16) und bezeugt tiefe Ehr­furcht vor der Heiligkeit des Altars.

Altarkuss

Der Priester stützt zunächst die gefalteten Hände auf den Altar, beugt sich dann tief nieder und küsst ihn, während er still das Oramus te spricht: „Wir bitten Dich, Herr, durch die Verdienste Deiner Heiligen, deren Reliquien hier ruhen, und aller Heiligen, Du mögest gnädig nachlassen alle meine Sünden.“

Indem er die Hände auf den Altar stützt, will er andeuten, „dass er nicht auf eigene Kraft, sondern auf Christus und die Heiligen sich ­stütze und dass er im Vertrauen auf die Verdienste derselben Nachlass all seiner Sünden von Gott hoffe und erflehe“ (Gihr, S. 334).

Der Kuss gilt dem Altar, insofern er Sinnbild Christi ist. Nach ur­alter Tradition muss nämlich auf jedem Altar ein Altarstein sein, der bei der Weihe vom Bischof mit Chrisam gesalbt wurde. Das Chrisam deutet auf Christus (= der Gesalbte) hin. Unterstützt wird diese Symbolik durch fünf Kreuze, die auf dem Altarstein eingraviert sind und die an die fünf Wunden Jesu erinnern.

Ganz ausdrücklich gilt der Kuss aber auch den Reliquien der Martyrer, die bei der Altarweihe im Altarstein eingemauert wurden. Zu Zeiten der frühen römischen Kirche war es Brauch, besonders am Ge­­dächtnistag eines Martyriums die heilige Messe direkt über den Gräbern der Martyrer zu feiern. Schon um das Jahr 270 bestätigt dies Papst Felix I. als eine längst bestehende Gewohnheit. Als später die Christen in Freiheit Kirchen bauen konnten, nahmen sie die Leiber der Martyrer mit und bestatteten sie unter den Altären. Dabei denken wir an das geheimnisvolle Wort von der Öffnung des fünften Siegels in der Apokalypse des hl. Apostels Johannes: „Als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die hingemordet waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, an dem sie festhielten.“ (Offb 6, 9)

Die Martyrer haben in Treue zu Christus und im Bekenntnis des wahren Glaubens ihr Blut vergossen. Die Kraft zur Darbringung ihres Lebensopfers hatten sie aber nicht aus sich selbst, sondern gerade aus der Vereinigung mit jenem Opfer, „von dem jedes Martyrium seinen Ausgang nimmt“ (Secret vom Donnerstag nach dem 3. Fastensonntag). Der Kuss des Martyrergrabes soll Zeichen der Bereitschaft sein, verbunden mit der Bitte, auch uns möge das Opfer des Altares zum Kraftquell für ein frohes und mutiges Glaubenszeugnis werden.

Schließlich setzt dieser Kuss den Glauben an die Auferstehung des Fleisches voraus. Als Vertreter der streitenden Kirche auf Erden grüßt der Priester die Heiligen, deren sterbliche Überreste hier ruhen. Sie haben ihr Ziel bereits erreicht und erwarten in seliger Freude die Auferstehung ihrer Leiber (resurrectio carnis) am Jüngsten Tag. So wird der Kuss zum Ausdruck der festen Hoffnung, dass auch unsere Leiber auferstehen werden in Herrlichkeit: „Unser Heimatrecht ist im Himmel, von wo wir auch den Heiland erwarten, den Herrn Jesus Christus. Er wird unseren armseligen Leib umgestalten, dass er teilhabe an der Gestalt seines verherrlichten Leibes vermöge der Kraft, mit der er sich auch zu unterwerfen vermag das All.“ (Phil 3, 20 f.)

Wenn der Priester sich zum Kuss niederbeugt, mag er in Demut daran denken, dass einer, der zur engsten Freundschaft mit Jesus berufen war, ihn ausgerechnet durch einen Kuss verraten hat: „Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: ‚Judas, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn?‘“ (Lk 22, 47 f.)

Kommentare

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Martin123 07.07.2021 17:57
 
Martin123 07.07.2021 17:58
 
Martin123 07.07.2021 17:59
Der zweite Teil der Vormesse wird morgen vorgestellt.
 
Engelslhaar 07.07.2021 19:05
Wie schön alles im Detail erklärt ist, das ist sehr interessant!
Die Ausgestaltung des Altars mit den Altartüchern z.B. als Erinnerung an die Grablegung Christi, ich werde den Altar in Zukunft mal aufmerksamer betrachten
 
Engelslhaar 07.07.2021 19:06
Dieser Abschnitt gefällt mir besonders gut:
Die Lehrer des geistlichen Lebens sprechen von drei ‚Wegen‘, die der Mensch gehen muss, um zur Vereinigung mit Gott zu gelangen: dem Weg der Reinigung, dem Weg der Erleuchtung und dem Weg der Einigung. Dem entspricht auch die innere Ordnung der gesamten heiligen Messe
 
Engelslhaar 07.07.2021 19:08
Das leuchtet mir ein: Zunächst erfolgt die Reinigung im Confiteor, ich bekenne, dann die Erleuchtung im Sinne der Erkenntnis durch die Texte und die Predigt, dann folgt die Vereinigung mit Christus in der Eucharistie
 
Engelslhaar 07.07.2021 21:42
Jetzt lese ich auch das erste Mal von dem stillen Gebet, das der Priester spricht, wenn er den Altar küsst, dieses drückt Demut und Hingabe aus
 
(Nutzer gelöscht) 07.07.2021 22:59
Mir fällt gerade ein das die modernen "Priester" von heute nicht mehr den Altar küssen und dieses stille Gebet beten.
Ach wie jegliche Heiligkeit aus den Kirchen verschwindet.....😢
Danke lieber Martin das Du uns eine so wunderbare Fortbildung ermöglichst!
🌻🌷🌼⚘🌹🌺🌲🌳
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