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Einigkeit oder Demokratie?

Einigkeit oder Demokratie?
Mein Vater und meine Mutter waren sich nicht einig, wie sie mich nennen sollten. Daher einigten sie sich darauf, uneinig zu sein und gaben mir zwei Vornamen: Johannes und Christian. Meine Oma war mit beiden Namen nicht einverstanden und nannte mich „mein Bübchen“. Nach ca. 10 Jahren hatte sie sich auch an den Namen Johannes gewöhnt. Mein Familienname ist Israel. Daraus kann man schließen, dass Gott etwas mit mir vorhat. Was das sein könnte, beschäftigt mich schon seit über 60 Jahren.

Zunächst geht es um das morgendliche Aufstehen. Die ganze Nacht war das Schiff in Richtung Hafen unterwegs. Aber in welchem sind wir gelandet? Meiner Erinnerung nach müsste es Hongkong sein. Ich lausche mit geschlossenen Augen und vermisse das Geräusch von 10 Millionen Stimmen im Hafen. Also doch nicht Hongkong. Aber wo bin ich dann gelandet? Ich würde ja gerne Johannes oder Christian fragen, aber die beiden schlafen noch. Herrn Israel will ich auch nicht wecken, weil der dann sofort mit irgendwelchen Wünschen kommt, und dass kann ich morgens gar nicht leiden. In meinem Kopf gehe ich alphabetisch die verschiedenen Stadtnamen durch in der Hoffnung, so einen Hinweis auf meinen momentanen Aufenthaltsort zu erfahren. Aachen kommt nicht in Frage. Berlin auch nicht. Chile ist unmöglich. Nach 3 Minuten bin ich bei V wie Voerde angelangt. Das sagt mir was. Aber diese Information ist ohne Kaffee nicht nützlich. Also stehe ich auf, lasse dabei die Augen geschlossen, um die anderen Drei nicht zu wecken. Nach 4 Schritten stoße ich meinen Fuß an etwas. Ich lasse mich von meinem Vorhaben nicht abbringen und steige einfach drüber. Durch jahrelanges Training geübt fülle ich die Kaffeemaschine und setze sie in Betrieb, ohne bis dahin die Augen geöffnet zu haben. Das ist gut so, denn das Licht würde die anderen Drei wecken. Sicherheitshalber mache ich für jeden eine Tasse Kaffee. Bei nur 3 Tassen gibt es Streit.

Blindes Gehen und Hantieren bringt das Konzentrationsvermögen in den Arbeitsmodus. Das hilft mir zu überlegen, was jetzt zu tun wäre. Zuerst mit Gott reden, fällt mir ein. "Aber mit ungeputzten Zähnen ist das nicht schicklich", meint Herr Israel. Aha, der ist also auch schon wach. Johannes schaltet sich ein und schlägt vor, die Zähne von rechts nach links zu putzen. Christian meint, von links nach rechts wäre besser. Ich ignoriere beide und putze meine Zähne von oben nach unten.

Jetzt trinke ich eine erste Tasse Kaffee und lese meine Andacht. „Ich lese in der Apostelgeschichte 9, 32-43: Petrus durchzog das ganze Land und besuchte die einzelnen Gemeinden.“  Man soll sich ja an der Bibel orientieren, aber durch das ganze Land will ich nun doch nicht ziehen. Eine Gemeinde zu besuchen sollte erstmal reichen. Heute ist Donnerstag. Wenn ich das heute am Vormittag tun würde, stünde ich vor verschlossener Türe. Christian schlägt vor, ein Frühstück einzunehmen, denn das viele Reisen macht hungrig. „Ohne Mampf, keinen Kampf“, fügt er hinzu. Herr Israel stimmt zu. Johannes ist unschlüssig. Ich zünde mir erstmal eine Pfeife an. „Das Rauchen ist ungesund“, meint Herr Israel. „Ich rauche nicht. Bei Pfeife spricht man von schmauchen.“ Ob Herr Israel den Unterschied eines Tages auch mal lernt? Christian meint, ich soll mit dem alten Herrn geduldig sein. Am besten, wir diskutieren jetzt nicht über Nebensächlichkeiten und beten. Aber was? Johannes meint, ich soll für die Nacht danken. Die Erinnerung an die nächtliche Seefahrt und dass wir nicht in Hongkong vor Anker gingen, lässt mich zögern. Herr Israel fragt: „was wolltest Du in Hongkong?“ Darauf weiß ich keine Antwort. Na, dann ist es doch gut, dass wir in Voerde sind. Hier weißt Du wenigstens wo der Bäcker ist und wir können uns in deutscher Sprache leicht verständlich machen, meint Christian. „Das ist ein Argument“, gebe ich zu. Lobend stelle ich fest, dass ich nicht rechthaberisch, sondern guten Argumenten zugänglich bin. „Wir sind eben konziliant“, meint Christian. Aha, da kommt bei ihm der Lehrer durch. „Bitte jetzt keine Animositäten“, fügt Herr Israel hinzu. Ok ok, ich bin nicht auf Streit aus, es sei denn, man reizt mich.

Wo waren wir stehen geblieben? Was wollte ich denn noch tun?
Ach ja, Gott danken. Also danke ich Gott für die Harmonie in unserer Männer-WG, die uns vier – völlig unterschiedliche Männer, zu einem Team verschweißt hat. Und dann danke ich Gott für das Schöne und Gute, was ich heute noch mit IHM erleben werde. „was wir erleben werden“, wirft Johannes ein. Er ist kein Lehrer, war er noch nie, und will mich trotzdem korrigieren. „Er hat aber Recht“, meint Herr Israel. Also gebe ich klein bei, denn ich bin nun mal ein Harmonie bedürftiger Mensch. Christian fragt, ob Petrus auch harmoniebedürft war. „Ja sicher“, meint Herr Israel, denn sonst hätte er in jeder Gemeinde, die er besuchte, rumgemeckert und Streit provoziert. „Also hat er zu allem was er in den Gemeinden erlebte „ja und amen“ gesagt? Meine Frage bewirkt bei allen Drei ein Nachdenken. „Ja, sollen sie ruhig nachdenken“

Inzwischen geh ich mal Brötchen kaufen. Das klappt mal wieder hervorragend. Mit 2 Brötchen komme ich zurück. Johannes stellt fest: „Du hast 2 Brötchen gekauft, wir sind aber vier!“ „Zwei Brötchen sind 4 halbe“ gebe ich zu bedenken. „Das passt doch“, meint Herr Israel. Na, wenigstens einer von den Dreien, der noch den Überblick hat. Jetzt liegt im Kühlschrank noch 1 Scheibe Schinken und 1 Scheibe Käse. Ansonsten gibt es viel Marmelade und Konfitüre. „Stimmen wir ab, wer den Schinken bekommt“, meint Christian. Während die Drei über das korrekte Abstimmungsverhalten debattieren, esse ich mein erstes Brötchen. Ich mache da nicht mit. Beim Essen hört die Demokratie auf! Ich esse, was es gibt und ich kriegen kann. „Über Grundbedürfnisse und ihre Befriedigung darf man nicht demokratisch abstimmen“ meint Herr Israel. „Warum nicht?“ fragt Johannes. „Ganz einfach“, wirft Christian ein, „weil Grundbedürfnisse existieren, ob wir sie wollen und akzeptieren, oder nicht. Es gibt auch andere Grundbedürfnisse, wie Freiheit der Rede und des Denkens“. Christian ist ein Weitdenker, finde ich. „Gehört der Glaube auch zu den Grundbedürfnissen?“ fragt Johannes. „Du lebst was Du glaubst“, meint Herr Israel. „Auch über Glauben kann man nicht demokratisch abstimmen.“ Wir vier tun das auch nicht. „Demokratie und Glaube passen so gut zusammen, wie Erdbeertorte und Gulasch“ werfe ich ein. „Deine Vergleiche waren auch mal besser“, meint Christian. „Hauptsache, wir sind uns wieder mal einig“. Ja, das sind wir. Gott sei Dank. „Ich glaube“, meint Johannes, dass Gott in Gemeinden keine Demokratie eingeführt hat, weil es IHM auf Einigkeit ankam und nicht auf Mehrheitsverhältnisse.“ Mannomann, was sind wir wieder geistlich und schlau heute. Ich bin tief beeindruckt.

© JJ

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 17.06.2021 14:21
Bluehorse du bist einfach Klasse. Vielen lieben Dank!
 
(Nutzer gelöscht) 17.06.2021 21:16
Das ist wieder eine sehr interessante und auch lehrreiche Geschichte von dir, Bluehorse! Vielen Dank! 👍 An "Wer bin ich und wenn ja - wie viele?" lässt sie mich denken. 😀
 
(Nutzer gelöscht) 17.06.2021 22:48
Dein Nachdenken über den eigenen gegenwärtigen Standort (Hafen) und die Herstellung der Einigkeit der vier Persönlichkeiten...nicht immer ist der demokratische Weg der praktikable,  jedenfalls nicht, wenn es um die Grundbedürfnisse geht und auch die sind nicht für jeden die gleichen. Du hast einen erfrischenden Humor. Nochmals Danke!
 
Friedensstifter 17.06.2021 23:18
Danke "Bluehorse", für diese erfrischende und geistreiche Konversation.😊
Ich freue mich damit auch, dass es hier noch so etwas gutes zu lesen gibt.👍
 
rehpinab 18.06.2021 15:54
Dann dauert der Tag aber auch viermal so lang...und um viermal so spät kann einer von ihnen nur Termine wahrnehmen... Vorsicht: Unpünktlichkeit vorprogrammiert... und das Schiff findet keinen freien Ankerplatz... und bleibt dann doch in NRW... Garantie: Am Rhein ist es schön! "Warum...?"  😉
 
Bluehorse 18.06.2021 15:56
nein, rehpinab,
der Tag dauert nicht viermal so lang, er wird aber aus 4 verschiedenen Perspektiven erlebt.
 
rehpinab 18.06.2021 16:25
Hat er nicht recht? Franz von Sales: "Wünsche nicht zu sein, was du nicht bist, sondern wünsche, was du bist, sehr gut zu sein...Was nützt es uns, Schlösser in der Ferne zu bauen, wenn wir hier wohnen müssen." (etwas freier zitiert...)
 
Bluehorse 18.06.2021 16:49
Mein Kleeblatt sorgt für Bodenhaftung bei gleichzeitiger Farbenvielfalt.
 
rehpinab 18.06.2021 17:40
Aber in deinen Träumen wollen die vier anscheinend in die Fremde... es trägt sie das Wasser - hoffentlich ruhiges - fort, bis der eine wenigstens wieder - sicheren Trittes daheim - Hand anlegt, und alle vier zu Taten schreiten... natürlich Farbe in den doch gewohnten Alttag klecksend...🥘🎨
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