Thea, Lia und das Glück

Bluehorse

Thea, Lia und das Glück

Ich habe Glück, dass ich (67) die beiden Schwestern Lia (82 ) und Thea (92), im Café Rosenbusch kennengelernt habe.
Wir drei sind irgendwie miteinander glücklich und das Glück wurde auch mal zum Thema.


Lia: Ich glaube Thea, Du solltest Dich beim Hauswirt entschuldigen.
Thea: Wieso das denn? Den alten Stinkstiefel, der jeden anmeckert, hab ich schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Welch ein Glück.
Lia: Aber ich habe ihn heute morgen getroffen. Er hat mich angemeckert, weil die Familie im Parterre ihren Kinderwagen im Flur geparkt hatte.
Thea: Und deshalb soll ich mich entschuldigen?
Lia: Nein, wegen mir. Das Gespräch verlief so:

Er: Hörense, bevor Sie das Haus verlassen, könnten Sie mal den Kinderwagen da wegstellen. Der gehört da nicht hin.
Ich: Entschuldigen Sie bitte. Ich hatte es heute eilig, weil ich zum Psychiater musste.
Er: Ach, was der gesagt?
Ich: Er hat gesagt, dass er nichts machen kann. Sie müssten schon persönlich erscheinen.

Thea: Wenn wir Glück haben, kündigt er uns nicht die Wohnung. Dass Du auch immer so frech sein musst.
Lia: Mit manchen Männern hat man aber auch so seinen Ärger.
Thea: Man braucht sie ja nicht heiraten.
Lia: Also ich war glücklich mit meinem Willi.
Thea: Der tat ja auch alles was Du wolltest.
Lia: Er hat mir nur die Welt zu Füßen gelegt.
Thea: Mehr gibt es ja auch nicht.
Lia: Du bist ja nur neidisch, weil Willi immer sehr lieb war.
Thea: Wie kommst Du darauf, daß ich neidisch bin? Mein Karl hat mir die Sterne vom Himmel geholt.
Lia: Dafür musste er sich die Leiter bei den Nachbarn besorgen, mit denen er sich dann Mut antrinken musste.
Thea: Aber immerhin, ich war mit ihm glücklich.

Lia: Ob die Männer mit uns glücklich waren?
Thea: Sicher!
Lia: Ich glaube eher nicht.
Thea: Wieso?
Lia: Sie sind so früh gestorben.

Thea: Glück ist sowieso bei Männern und Frauen verschieden.
Lia: Wie meinst Du das?
Thea: Na ja. Für Männer ist Glück das mögen, was man muß und das dürfen, was man mag.
Lia: Und wie sieht Glück für Frauen aus?
Thea: Glück ist für Frauen nie genau das, was frau sich vorgestellt hat.
Lia: Ich weiß nicht. Das leuchtet mir nicht ein. Ist Glück nicht der Augenblick, den wir nicht gegen das Nichtsein eintauschen wollen?
Thea: Na ja, sich selbst genug sein kann auch sehr schön sein.
Lia: Ich meine, dass Glück die Seele durcheinander rütteln muß.
Thea: Das gibt es nur bei Straßenarbeiter, wenn sie ihre lauten Maschinen bedienen. Denen kann es wohl nicht laut genug sein.
Lia: Ich weiß was von Hemmingway.

Thea: Was denn, die Schuhgröße?
Lia: Nein, was er von Glück gesagt hat. Er sagte: Glück ist eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.
Thea: Also daran kann ich mich nicht erinnern.

Lia: Bluehorse kann uns sicher genauer sagen, was Glück eigentlich ist.
Thea: Wenn er Glück hat, ist er gerade nicht zuhause.
Lia: Wieso?
Thea: Als ob er schon wieder von Dir angerufen werden will.
Lia: Er ist sehr hilfsbereit.
Thea: Ja, aber das mußt Du ja nicht so oft ausnutzen.
Lia: Lass mich. Das gehört auch zur Freundschaft.
Thea: Also ich würde es mir verbitten, von Dir so oft angerufen zu werden.
Lia: Das ist ja auch nicht nötig. Wir wohnen zusammen.

Riiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing

Bluehorse: Guten Morgen, hier sind Rotkäppchen und der Wolf
Lia: Hallo, ich bin’s doch nur, die Lia.
Bluehorse: Hallo Lia, schön Deine Stimme zu hören.
Lia: Du, wir sprechen gerade über Glück.
Bluehorse: Ja, und?
Lia: Wir wollten wissen, was Glück ist.

Bluehorse: Es gibt viele Glücksarten. Ich denke, das definieren die meisten Menschen ganz unterschiedlich. Die meisten machen wohl Glück von ihren Gefühlen abhängig.
Lia: Aha. Und was ist für Dich Glück?

Bluehorse: Das wichtigste Glück ist für mich die Erkenntnis von Zusammenhängen. Da gibt es den Zusammenhang zwischen meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart. Und dann gibt es den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung.

Lia: Und warum ist das Glück?

Bluehorse: Nun, wenn ich solche Erkenntnisse in großem Umfang habe, nenne ich das Glück, weil ich in der Lage bin, gute Entscheidungen für mein Morgen zu treffen.
Lia: Danke, das sag ich mal der Thea. Mehr wollte ich nicht wissen. Tschüssi

Thea: Da habe ich ja Glück.
Lia: Wieso?
Thea: Weil Du heute mal nicht stundenlang mit ihm telefoniertest. Du kannst jetzt endlich Kaffee machen.
© JJ