Thea, Lia und die Mystik

Bluehorse

Trotz Lockdown hatte Café Rosenbusch geöffnet. Die beiden Schwestern Lia (82 ) und Thea (92), die ich (67 ) im Café Rosenbusch näher kennengelernt hatte, hatten das zufällig bemerkt und sich dort auf einen Kaffee mit echtem Erdbeerkuchen niedergelassen.


Riiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing

Bluehorse: Ja, hallo, hier ist der Nachbar meines Nachbarn. Wer dort?
Thea: Huhuuuu, Bluilein. Rat mal wer hier ist?
Bluehorse: Das Finanzamt?
Thea: Iwo, wo denkst Du hin.
Bluehorse: Dann bist Du sicher die älteste Tochter Deiner Mutter.
Thea: Jaaaaaa, und nun rate mal, wo ich bin.
Bluehorse: Im Himmel?
Thea: Fast richtig. Lia und ich sind im Café Rosenbusch und essen Erdbeerkuchen.
Bluehorse: Das ist ja bei den aktuellen Umständen schon so was wie ein mystisches Erlebnis.
Thea: Was ist ein mystisches Erlebnis?
Bluehorse: Dazu fallen mir spontan zwei Bibelstellen ein: Hiob 5,11
„Gott erhöht die Niedrigen und hilft den Betrübten empor.“
2. Korinther 1,3-4 „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis.“ Und immer steht Gott im Vordergrund, der uns Gutes tut. Wenn man sowas erlebt, dann kann man das ein mystisches Erlebnis nennen.

Thea: Da bin ich ganz Deiner Meinung. Komm‘ mal nachher zu uns, ich bringe Dir ein Stück Erdbeerkuchen mit. Mit Sahne, das magst Du doch.
Bluehorse: OK, danke, da bin ich gerne dabei. Dann bin ich in ca. 1,5 Std bei euch. Ciaoooo, ihr Süßen.
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Lia: Du hast ihn angerufen. Und ich bringe ihm das Stück Erdbeerkuchen  mit.
Thea: Nimm Dich nicht so wichtig.
Lia: Ach, das musst ausgerechnet Du mir sagen.
Thea: Na gut, dann bringen wir beide Bluehorse ein Stück Erdbeerkuchen mit.
Lia: Dann hat er zwei.
Thea: Ich bin ganz erstaunt, wie gut Du heute zählen kannst. Wo hast Du das gelernt?
Lia: Bei Dir sicher nicht!

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Ungefähr 1,5 Stunden später. Riiiiiiing, tüüütelüüüt
Thea: Mach auf, es ist sicher Bluehorse
Lia: Ich geh ja schon. Bluehorse, wie pünktlich!
Bluehorse: Ja, obwohl es 90 Minuten dauerte. Ich wollte ja schon in 1,5 Stunden hier sein.
Lia: Das macht nichts. Die Verspätung ist nicht der Rede wert. Komm zu uns an den Tisch. Ich mache gerade Tee. Magst Du auch Tee?
Bluehorse: Wenn er schwarz ist und dann mit Milch und Zucker.
Thea: Du bist mir ja ein Süßer. Lia, hol ihm Milch und Zucker. Ich trinke am liebsten Pfefferminztee.
Lia: Aber wir haben auch Darling-Tee.
Bluehorse: Die Sorte kenn ich noch nicht. Wenn er so schwarz ist wie meine Fußnägel, trinke ich auch Darling-Tee.
Thea: Ach, Lia meint Darjeeling-Tee. Sie kennt sich mit fremd klingenden Namen aus südlichen Ländern nicht so aus.
Lia: Ich war auch noch nicht so oft in Bayern wie Du.
Thea: Das ist jetzt nicht so wichtig. Bring mir mal bitte 2 Kissen. Ich mag heute höher sitzen.
Lia: Warum? Bis jetzt hat Dir der gut gepolsterte Stuhl immer gereicht.
Thea: Bluehorse hat mich auf die Idee gebracht. Er erzählte von Hiob. Der hat gesagt: „Gott erhöht die Niedrigen“ und das nennt man Mystik.
Bluehorse: Ich sagte aber auch: „.. und Gott hilft den Betrübten empor.“
Und bist Du betrübt?
Thea: Ich warte immer noch auf meinen Tee.
Bluehorse: Ich denke nicht, dass Hiob das meinte, wenn er ein mystisches Erlebnis hatte.
Lia: Siehst Du, Thea, Du legst die Bibel immer gerne zu Deinen Gunsten aus.
Bluehorse: Das ist auch nicht so ganz verkehrt. Immerhin will uns Gott Gutes tun. Wir sollten das nur nicht auf Genüsse des Körpers beziehen.
Lia: Aha. Hiob war ein Mann. Du bist ein Mann. Mystik ist was für Männer. Mein Willi war auch Mystiker.
Bluehorse: Wie kommst Du jetzt darauf?
Lia: Willi sagte so oft: Jetzt müsstig mal eine rauchen.
Bluehorse: Die Zigarette macht aus einem Menschen noch keinen Mystiker.
Thea: Und kann man das auch als Frau lernen?
Bluehorse: In monotheistischen Religionen wie Christentum, Judentum und Islam ist mystische Erfahrung als Gotteserfahrung bzw. Glaubenserfahrung auf die göttliche Wirklichkeit bezogen. Sie finden in unterschiedlichen Begriffen und Wendungen Ausdruck, die oftmals auch in Grundschriften wie der Bibel Verwendung finden: Licht, Geistestaufe, Feuer (Brennender Dornbusch), Pfingstwunder, Liebe (Briefe des Johannes), göttliches Du, Gott als innerstes Innen (bei Augustinus). So ein Erlebnis kann man nicht machen. Gott begegnet dem Menschen. Darauf kommt es an. Das Gegenteil von Mystik ist das Profane.

Lia: Und das Profane ist was zum Beispiel?
Thea: Wenn Du endlich Tee machst.
Lia: Mecker nicht so viel. Der Tee ist schon längst fertig.
Thea: Dann bring ihn doch bitte. Wir warten schon, nicht wahr, Bluehorse?
Bluehorse: Ich habe Geduld und kann warten…. Lia macht das schon.
Lia: Ich habe noch so viel heißes Wasser übrig. Was soll ich damit machen?
Thea: Frier es doch ein. Heißes Wasser können wir immer brauchen.
Bluehorse: Du gibst ja tolle Tipps, Thea.

Thea: Dann gib Du doch mal einen Tipp für mystisches Erleben. Oder wenigstens für eine gute Voraussetzung.
Bluehorse: Geduld üben und lieb zu Menschen sein und auf Gott warten, dass ER tut, was Ihm wichtig in unserem Leben ist. Ich denke, das ist eine gute Haltung.
Thea: Verstehe. Lia, hast Du gehört? Auch die Haltung ist wichtig. Sitz nicht so krumm da.
Bluehorse: Ich habe den Eindruck, Mystik ist ein etwas schweres Thema für Euch.

Lia: Warum? Ich habe alles verstanden! Nur Thea tut sich so schwer mit Mystik. Für Mystik braucht sie zwei Kissen.
Thea: Das denkst auch nur Du. Mit Dir müsstig mal ein ernstes Wort reden, Schwesterlein.
Bluehorse: Für heute geb ich es auf. Habt ihr einen Likör für mich?
Thea: Sowas Profanes aber auch.
© JJ