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Das wichtigste Geschenk: Aufmerksamkeit

Das wichtigste Geschenk: Aufmerksamkeit
Der Brief kam vor einigen Wochen.
Ein Geburtstagsbrief.
Einer unter vielen.
Ich hatte die Geburtstagspost gesammelt und nun noch einmal hervorgeholt.
Und siehe da: Jetzt las ich die Post ganz anders als an dem Festtag, da man im Trubel der persönlichen und telefonischen Glückwünsche die Briefe und Karten leider viel zu schnell zur Kenntnis nahm, nicht achtend auf all das, was zwischen den Zeilen mitschwingt.

Der Brief kam von einem jungen Freund, und er schrieb einen höchst erstaunlichen Satz.
Er wünschte mir, "dass ich im neuen Lebensjahr immer die Aufmerksamkeit von den Menschen finden möge, die mir wichtig sind".
Das war ein Gedanke, den ich bisher in keinem Glückwunschschreiben je gefunden habe.

Und wenn ich nun länger darüber nachdenke – der Mann hat Recht!
Denn Aufmerksamkeit ist wie Sauerstoff, den wir einatmen – bekommen wir ihn nicht, gehen wir zugrunde.
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, versuchen wir das nicht alle täglich, stündlich, minütlich?
Durch die Kleidung, durch Einladungen, durch Briefe und Telefonate – durch all die Signale, die wir aussenden und auch ganz gezielt an einzelne Menschen adressieren: Dich mag ich, genau dich, mit dir möchte ich in Kontakt bleiben, der Faden möge niemals reißen, der uns verbindet.

Ja es gibt Situationen und Augenblicke, da wir nach Aufmerksamkeit geradezu dürsten – wenn wir den Tod eines lieben Menschen beklagen, wenn uns gekündigt wird, wenn die Freundin abgesprungen ist, wenn wir an dem Sinn unseres Daseins zweifeln – wenn uns plötzlich das Gefühl übermannt, dass die Weisheit wohl doch stimmen könnte, die da lautet: Fährt der Zug einem falschen Ziel entgegen, ist jede Station auf unserer Lebensreise falsch.

Und hat man sich in einer solchen schicksalsschweren Situation an einen Menschen gewandt, von dem man zumindest insgeheim hoffte, er sei einem freundschaftlich verbunden – und man bleibt ohne Antwort, dann ist das wie ein Faustschlag ins Gesicht.

Aber auch die leisen Töne hoffen auf ein Echo.
Sie haben beispielsweise einem Menschen einen Brief geschrieben, weil er in Ihrem Leben – oder auch nur in der Welt Ihrer Gedanken – eine Rolle spielt.
Und dann geschieht das Bestürzende: Ihr Brief bleibt unbeantwortet.
Sie schauen Tag für Tag in den Briefkasten, aber Sie finden zumeist nur Rechnungen und Reklame.
Sie trösten sich: Es wird schon noch eine Rückmeldung geben.
Aber wehe, die Rückmeldung bleibt aus!

Das gleiche gilt fürs Telefon.
Ihr Anruf landet auf einem Anrufbeantworter.
Sie sprechen Ihren Text – erbitten einen Rückruf.
Aber der Rückruf kommt nicht.
Sie fragen sich, ob Sie etwas falsch gemacht haben?
Ach, wenn man doch bloß nicht so zart besaitet wäre, dass man die fehlende Aufmerksamkeit wie einen Stich ins Herz empfindet.

"Das größte Übel, das wir unseren Mitmenschen antun können, ist nicht, sie zu hassen, sondern ihnen gegenüber gleichgültig zu sein; das ist absolute Unmenschlichkeit" – ein Gedanke des irischen Dramatikers und Nobelpreisträgers Georg Bernard Shaw, der in seinem Dramen die gesellschaftliche Heuchelei anprangert.

Natürlich habe ich meinem jungen Freund gedankt, weil er mich mit seinem feinsinnigen Geburtstagswunsch an den Wert der Aufmerksamkeit erinnerte – nicht selbstverständlich, gerade heute.
Denn wir sind alle Kinder einer gigantischen Kommunikationsgesellschaft, denen man etwas verspricht, was es eigentlich gar nicht geben kann: Immer mit der ganzen Welt verbunden zu sein, per E-Mail blitzschnell mit jedem Menschen in Kontakt, der auf "communication" so versessen ist wie wir selbst, Chatten rund um den Globus – ein Fremder in Kalkutta kann per Internet mein "Internet-Freund" werden, ich kann mit ein paar Klicks einen Liebespartner suchen und vielleicht sogar finden -, was für ein herrliches Zeitalter, mein Freund, was willst du eigentlich mehr?

Und doch, und doch: Täuschen wir uns nicht!
Diese Fülle ersetzt nicht den einen Brief, auf den wir warten.
Und dieser Brief muss unaufgefordert kommen.
Denn Zuwendung kann man nicht herbeikommandieren.
Darum ist Aufmerksamkeit kostbar wie nur weniges in unserem Leben.


aus "Nachdenken mit Peter Bachér"

Kommentare

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einSMILEkommtwieder 11.03.2021 09:28
"Interesse und Aufmerksamkeit sind nahe Verwandte."

(Ernst Ferstl)
 
(Nutzer gelöscht) 11.03.2021 09:41
Es wird wenige Menschen geben, die ihre Gefühle anderen gegenüber als Hass bezeichnen - aber "der ist mir doch schnuppe", "der geht mir am A... vorbei" schön häufiger.
Die Gleichgültigkeit anderen gegenüber ist weit verbreitet und in der heutige Ich-Gesellschaft (leider) Normalität.

Dabei ist es gar nicht so schwer, jemanden anzulächeln, ein paar Worte zu wechseln und Aufmerksamkeit zu zeigen - es tut einem ja selber gut
 
Autumn 11.03.2021 09:43
                              ~ ~ ~ ~ ~ ♡ ~ ~ ~ ~ ~

" Aufmerksamkeit und Liebe bedingen einander wechselseitig. "

Hugo von Hofmannsthal
 
Dotterle 11.03.2021 09:48
Es könnte mein Bericht sein.Gleichgültigkeit, ist eines der schmerzlichen Dinge in meinem Leben. Fehlende Aufmerksamkeit machen einsam, traurig sogar wütend und enttäuscht. Da trifft doch das Sprichwort :was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Ich wünsch uns allen, genau die Aufmerksamkeit, die wir uns wünschen. Bei unserem Vater im Himmel, haben wir sie auf jeden Fall. 
 
(Nutzer gelöscht) 11.03.2021 13:01
Mir fällt da einfach ein:
Eine herzliche Umarmung ist oft mehr wert,wie ne handvoll Medikamente
 
einSMILEkommtwieder 11.03.2021 14:01
@Vivianna
DANKE für DEINEN Kommentar und weil Treffen mit Umarmungen ja zurzeit eingeschränkt sind, denke ich an das Briefe- und Kartenschreiben … aber ich bin ja auch eine "Hobby-Karten-Schreiberin", die sehr gerne handschriftliche "Schneckenpost" verschickt. 😉
 
Autumn 11.03.2021 14:56
Liebe Vera,
handgeschriebene Briefe und Karten sind zu einer solchen Seltenheit geworden,
dass sie den Empfänger freudig überraschen, wenn er den Briefkasten öffnet.

Ein sehr guter Ersatz für eine Umarmung
und ein großes Zeichen für Aufmerksamkeit.   ✏  ✉  📬  😊
 
(Nutzer gelöscht) 11.03.2021 16:57
Ich habe heute sehr hübsche Karten mit Fühlingsmotiven gefunden und freue mich schon darauf sie mit Ostergrüßen zu verschicken.
 
Autumn 11.03.2021 17:51
"Aufmerksamkeit schenken ist jemandem Zeit schenken."

Das ist wohl wahr.

Aufmerksamkeit schenken
bedarf also nicht "nur" Interesse und Liebe, wir wir gesehen haben,
sondern auch Zeit. - Und die scheint kaum Jemand mehr wirklich zu haben,
zumindest ist sie sehr kostbar geworden; und somit auch die Aufmerksamkeit.
 
(Nutzer gelöscht) 11.03.2021 18:23
Danke für den Blog und das Thema... ja jemandem Aufmerksamkeit und Zeit schenken ist sehr wertvoll.. kostet nichts..und vielen Fällen bekommt man es auch wieder zurück ☺
 
Defne1981 11.03.2021 19:10
Das wichtigste Geschenk ist für mich ist bin dankbar , dass ich gesund bin und arbeiten kann um mein Leben zu finanzieren ! Mit viel Licht und Liebe
 
einSMILEkommtwieder 12.03.2021 08:13
@Defne1981
DANKE für DEINE Erinnerung an die Dankbarkeit, dazu folgende Gedanken:

Es gibt viele Dinge, die man nicht mit Geld bezahlen kann, wohl aber mit einem Lächeln, einer Aufmerksamkeit oder mit einem guten Wort.
Ein Dankeschön ist zwar nur eine kleine Geste, doch wenn sie von Herzen kommt, ist es vielleicht mehr wert, als manches großes Geschenk.

Dankbarkeit und Liebe bleiben die beiden Kräfte, die in unserer Welt oft mehr bewirken als viele scheinbar so wichtige Werke.
Und weil uns alles, was wir auf Erden verschenkt haben, in den Himmel begleiten wird, lohnt es sich allemal, ein offenes Herz für andere zu haben.
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