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Als sich das Gebet von den Menschen zurückzog

Als sich das Gebet von den Menschen zurückzog
Längst hatte das Gebet gespürt, dass es den Menschen überall im Wege stand.
Man wusste nicht mehr wo man ihm Platz geben sollte.
Auf öffentlichen Plätzen und bei gemeinsamen Anlässen, im Beruf und in der Schule war es schon lange abgeschafft worden.
Man hatte es in einige Gebäude mit Türmen und Glocken vertrieben.
Dort konnte es noch offen, aber nicht mehr öffentlich dabei sein.

Aber diese Verbannung tat dem Gebet nicht einmal besonders weh.
Es hatte früher oft darunter gelitten, dass es sich an allen Ecken und Plätzen hatte ausstellen lassen und zu üblen Dingen hatte herhalten müssen.
Es hatte sich dabei nur wehren können, dass es alle Worte für sich behalten und nicht weitergeleitet hatte.
Nun war es wenigstens befreit im Namen anderer nur eine öffentliche Rolle spielen zu müssen.

Doch bald musste es einsehen, dass auch die Innenräume der Menschen ihm keinen rechten Platz verschaffen konnten.
In den Menschen selbst war ihm kein Ort gewiss.
Die Knie waren empfindlich geworden, die Hände anderweitig beschäftigt, die Lippen und Zungen sonst voller Bewegung und die Augen nur nach außen gerichtet.

Immer tiefer versuchte es in die Menschen einzudringen und so vielleicht einen Schlupfwinkel zu erhaschen.
Es wollte sich in ihren Gedanken und Gefühlen bemerkbar machen um wenigstens im Verborgenen mitzuschwingen.
Aber wo es auch hinkam - alle Räume waren besetzt.
Man ließ es zwar kurz hineingucken, wie man es etwa einem früheren Bekannten gestattet, wieder einmal schnell einzukehren.
Aber man bat es nicht, sich niederzulassen und wie zu Hause zu sein.
Das Gebet wurde überall eine ungebetener Gast.
Es wurde heimatlos.
Voll Trauer und Enttäuschung wollte es sich zunächst rächen.
Es beabsichtigte, sich an jener Stelle einzuschleichen, wo das Vergangene am Tiefsten haften bleibt und die Menschen noch lange beunruhigt, im Gewissen.
Die Erinnerung an jene Zeiten in denen es noch regelmäßig geübt worden war, sollte als schlechtes Gewissen die Menschen erschrecken und den Verlust ahnen lassen.
Vielleicht könnte dies der Anfang einer neuen Sehnsucht sein.

Doch darüber erschrak es selbst.
Nie und nimmer war es sein Auftrag gewesen, die Menschen zu zwingen.
Von Anfang an hatte der, der es zu den Menschen geschickt hatte, betont, dass es nie zum Zwang und zum Gesetz greifen dürfe.
Wer mit ihm reden wolle, solle es aus freien Stücken tun - so wie ein Freund zu einem Freund redet.
Aber es schämte sich auch, zurückzugehen und IHM zu melden, dass es keine solchen Freunde mehr gab.

Das Gebet verkroch sich in die Dunkelheit der Nacht.
Im Schlaf waren die Menschen ja nicht mehr völlig sie selbst.
Sie vergaßen sich und gaben sich preis.
Das war der einzige Ort, an dem sie ohne es zu wissen, etwas anderem als sich selbst vertrauten.
So schlüpfte das Gebet in die Atemzüge und atmete heimlich mit.
In den Ohren dessen, der es gesandt hatte, sollte es wie das Gebet freier Menschen tönen.
Doch bald entdeckten die Menschen auch diese Heimlichkeit.
Und nun holten sie zum letzten Angriff aus.
Sie trafen das Gebet an seiner empfindlichsten Stelle.
Sie zerredeten es.
Sie rechneten ihm erst vor, wie es ihre Hände gebunden und an ihrem Handeln gehindert hätte.
Sie hielten ihm seine mangelhaften Antworten vor, die nie oder zu spät oder unverständlich waren.
Sie fanden dass es nur das Echo irdischer Wünsche und eine religiöse Tarnung menschlicher Selbstgespräche sei.
Das Gebet konnte sich nicht wehren und schwieg.
Da schämten sich seiner auch jene, die noch ein wenig an ihm festgehalten hatten.
Sie legten es ab wie ein altes Kleidungsstück oder ein Spielzeug aus Kindertagen.

Da zog sich das Gebet traurig von den Menschen zurück.


(aus "Liturgische Nacht Gründonnerstag 05.04.2007", St. Antonius Künzell)

Kommentare

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einSMILEkommtwieder 01.03.2021 09:24
In der Stille angekommen,
werd ich ruhig zum Gebet.
Große Worte sind nicht nötig,
denn Gott weiß ja, wie´s mir geht.

(Christoph Zehendner)
 
(Nutzer gelöscht) 01.03.2021 09:35
"Gebet ist das Atemholen der Seele."
John Henry Newman
 
Wounded 01.03.2021 09:44
Da fällt mir ein Spruch von Robert Lembke ein..

"Im Flugzeug gibt es während starker Turbulenzen keine Atheisten." 😜
 
(Nutzer gelöscht) 01.03.2021 09:46
Gib mir ein festes Herz

Gib mir , o Herr  ,  ein festes Herz ,
dass keine unwürdige Leidenschaft
niederzieht ;

gib mir ein unüberwindliches Herz,
das keine Trübsal niederbeugt ;
gib mir ein aufrechtes Herz,
das kein niedriges Streben
auf Abwege bringen kann !

Erfülle mich auch ,  o Herr  , mein Gott
mit Verstand ,
dich zu finden ,  mit einer Treue ,
dass ich am Ende dich umarmen darf !

Thomas von Aquin
 
(Nutzer gelöscht) 01.03.2021 12:13
Kommt her zu mir,die ihr mühselig und beladen seid,so will ich Euch erquicken!
Nehmt auf Euch mein Joch und lernt von mir,denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet Ihr Ruhe finden für Euere Seelen!
Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Matthäus 11,28-30

Ich wünsche Euch noch einen frohen,gesegneten Tag und viel Licht im Herzen
 
sigrid61 01.03.2021 16:55
Das Gebet ist die Kraftquelle für uns Menschen und ich wünsche mir, das dies immer mehr neu entdeckt wird.
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