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Denkformen der Theologie

Denkformen der Theologie
Die hier widergegebenen Gedanken basieren auf einer Ausarbeitung von Dr. theol. Dr. Phil. Dres. h.c. Michael Welker, emeritierter Professor für systematische Theologie der Universität Heidelberg.

Es werden verschiedene Denkformen ausgemacht, die nachstehend betrachtet werden.

1. Die Orientierung an der alteuropäischen Metaphysik

sie sieht den wesentlichen Bezug von Religion und Theologie in einem universalen Bezugssystem. Die Religion soll "das Ganze" oder "die Einheit der Wirklichkeit" als Sinntotalität erfassen, beschreiben und bedenken. Jedoch können Menschen mit unterschiedlicher Perspektive keine Ganzheits- oder Totalitätsentwürfe in ihrem Leben integrieren. Gewiss kann innerhalb dieses Ansatzes versucht werden, den Geist ganzheitlich als universale Kraft verstehen, die alle Realitäten übersteigt. 

Dabei kann man sich sogar auf einige wenige Aussagen aus der Bibel berufen, wie "der Geist Gottes erfüllt den Erdkreis , und er, der alles zusammenhält, kennt jeden Laut." Weisheit 1,7 Oder auch: "denn in allem ist dein unvergänglicher Geist." Weisheit 12, 1. (siehe auch Psalm 139,7)

Doch mit dieser Feststellung, dass der Geist Gottes alles durchdringe, ist noch wenig Aufschlussreiches gesagt.

Wie haben wir die Feststellung, dass der Geist Gottes in allem sei und alles wirke, mit der Erkenntnis zu verbinden, dass der Geist schöpferisch wirksam ist?

Erst wenn wir die Universalität des Geistes von den verschiedenen spezifischen Bestimmungen des Geistes ausgehend verstehen, können wir ein Niveau erreichen, auf dem wir aktuelle kosmologische, sozialtheoretische und philosophische Fragestellungen auf das Wirken des Geistes beziehen können.

2. Orientierung am dialogischen Personalismus

In dieser Denkform wird versucht, alle wesentlichen Inhalte des Glaubens, Denkens und Handelns in der Ich-Du-(Liebe)-Korrelation zu erfassen. Die Theologie versucht hier das Selbstverhältnis des dreieinigen Gottes, das Verhältnis von Gott und den Menschen sowie zwischenmenschliche Verhältnisse zu bedenken und zu formulieren. Dabei projiziert sie die übersichtliche Form der Ich-Du-Kommunikation in alle sozialen Verhältnisse hinein. 
Dieses Vorgehen hat auch einen Anhalt in biblischer Überlieferung. Doch die wenigen Belege, die das Wirken des Geistes an eine echte Ich-Du-Kommunikationssituation oder gar an den Wechsel von Rede und Gegenrede binden, stehen in einem auffallenden Kontrast zu der Absolutsetzung. 

3. Die Orientierung am Sozialmoralismus

Der Sozialmoralismus bringt alles Erleben und Handeln unter einen Veränderungsdruck. Allen zu steuernden Prozessen wird von einem besser/schlechter Gefälle beherrscht. Dem Sozialmoralismus liegt ein Fortschrittsgedanke zugrunde, z.B. die Hypothese, dass wir alle(oder eine bestimmte Gruppe) an einem Prozess teilnehmen, der z.B. von Unfreiheit zur Freiheit verläuft, sofern alle (Glieder der Gemeinschaft) sich in bestimmter Weise verhalten. 

Diese spätestens seit Kant ("Die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft"zwinkerndes Smiley ist die kulturell einflussreichste Denkform unserer Zeit.  Diese Denkform steht der theologischen Pneumatologie am nächsten, weil sie sehr allgemeine  und zugleich spezifische Aussagen über den Zusammenhang von Gottes Wirken und die Beteiligung des Menschen daran zu machen glaubt. So kann sie abstrakte wie auch spekulative, nicht moralisch gemeinte Aussagen treffen, wie z.B: "Wir Menschen sind beziehungsreich in die Unterschiedlichkeit Gottes einbezogen und wir werden in diesem auf Gott bezogenen Werden immer menschlicher."   

So zeichnet sich diese Denkform dadurch aus, dass sie Schwierigkeiten hat zu zeigen, dass die Gerechtigkeit, der Friede und die Freiheit, die jeweils erreicht werden sollen, tatsächlich die vom Geist Gottes gewirkte Gerechtigkeit, der vom Heiligen Geist gegeben Frieden und die im Geist bestehende Freiheit tatsächlich ist. Es stellt sich die Frage: Inwiefern ist bei den vorgestellten und initiierten Prozessen der Heilige Geist am Werk und nicht nur ein gesunder Menschenverstand, eine moralische Sensibilität, ein normales Maß an Humanität und Mitgefühl?

4. die realistische Theologie

Eine realistische Theologie gibt die Illusion auf, von einem einzigen Bezugssystem aus über Gott und Gottes Macht disponieren zu können. 

Eine realistische Theologie nimmt bewusst die verschiedenen biblischen Überlieferungen mit ihren unterschiedlichen Sitzen im Leben ernst. Realistische Theologie geht davon aus, dass keine menschliche Erfahrung über "Gott an sich" verfügt, sondern dass Gott Seine Offenbarung in vielfältigen menschlichen Beziehungen vermittelt. 

Da dies menschliche Bezeugungen sind, sind sie jeweils durch Verstellung, Irrtum und Lüge gefährdet. Sofern sie auf Gott verweisen, können sie auch in vielfältiger Weise herausfordern, verstärken und zu deutlicher Offenheit gegenüber Gottes Wirken anleiten.

Realistische Theologie überprüft immer wieder neu zurückliegende und gegenwärtige Gotteserfahrungen sowie Erwartungen an Gott auf Zusammenhänge und Differenzen.
Die Orientierung an biblischen Überlieferungen hat hier insofern eine sachliche Grundlage, als diese sehr differenziert und dennoch hochkomplex den Zusammenhang zwischen Zeugnissen der Gegenwart und des Wirkens Gottes darstellen.

Gott passt sich nicht in metaphysische Konstrukte ein, die von uns auf uns wichtige Lebenszusammenhänge abgestimmt sind. Gottes Lebendigkeit und Gottes Freiheit kommen vielmehr in einer Vielzahl von Lebenszusammenhängen zum Ausdruck, die nicht ohne weiteres immer verträglich sind. 

Die Theologie des Heiligen Geistes handelt von den Kriterien des Zusammenhangs und der Deutlichkeit dieser Gotteserkenntnis.

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 10.10.2020 16:51
Moin Bluehorse,

leider muss ich gleich ein paar Stunden weg und kann danach erst versuchen das Ganze zu lesen und, wo möglich, zu verstehen. Es liest sich ja nicht "einfach so weg". Hoffe, ich schaffe das nachher. Jetzt muss ich erstmal wegen Dekonstruktivismus denken, nachschauen, zitieren, denken - und danach etwas fort sein.

 
 
Bluehorse 10.10.2020 16:55
ist ok. Gottes Segen
 
(Nutzer gelöscht) 11.10.2020 18:25
Moin Bluehorse,

habe mir den Text gestern ausgedruckt und spätabends gelesen. Gedruckt verliert er einiges an Unzugänglichkeit.

Es werden ja 4 Denkformen benannt:
1.) alteuropäische Metaphysik
2.) dialogischer Personalismus
3.) Sozialmoralismus
4.) realistische Theologie

Ich verstehe den Text bislang wie folgt:
zu 1.)
Das Ganze und die nicht-das-Ganze-erfassende-Teileinsicht,
der schöpferisch wirksame Geist, der als Geist Gottes in allem sei und wirke
und
den allumfassende Geist (top) und die verschiedenen spezifischen Bestimmungen des Geistes (bottom) in einem bottom-up-Verstehen erfassen.

Man versucht also in einem vom-Teil-zum-Ganzen den Geist Gottes und letztlich Gott selbst zu verstehen. So weit das überhaupt möglich ist.

zu 2.)
 in einer Ich-Du-Korrelation  wird versucht, Gott und sein Wirken in der Welt zu erfassen: Inhalte des Glaubens, Denkens und Handelns bis in die sozialen Verhältnisse hinein versucht man, in solchen ggf. projektiven Strukturen zu erfassen.

zu 3.)
Sozialmoralismus wird diese Denkform genannt. Sie benötigt ein "Gefälle" von schlechter nach besser. Dies erzeugt einen Veränderungsdruck. Ob aber nun stattfindende Veränderungen "durch den gesunden Menschenverstand" oder mittels des Hl. Geistes entstehen, ist oft unentscheidbar.

zu 4.)
Die Denkform der "realistischen" Theologie.
Bem.: realistisch" kommt her von "res", lat.: Sache, Ding
für mich fraglich: evtl.  auch von res-aliter "eine andere Sache" -i.S.von getrennt, gegensätzlich . Da wüsste ich von eineM qualifizierteren/R LateinerIN, als ich es bin, ob man das Wort "realitas" so aufteilen kann.

Der für mich zentrale Satz lautet:
"Realistische Theologie geht davon aus, dass keine menschliche Erfahrung über "Gott an sich" verfügt, " sondern immer der Mit-Teilung, der Offenbarung (des Handelns Gottes in der Welt / am Menschen) bedarf.
Dabei sind Verstellung(en), Irrtümer und Lügen als Gefahren des  Zuganges enthalten.

Gefragt, welche Theologie mir am nächsten steht, überlege ich, ob ich mehr zu 2. oder zu 4. tendiere.

Der "moralische" Gott, den ich bei Kant zu erkennen glaube, greift mir zu kurz: in der Sterbestunde wird Moralität irrelevant: der Kontakt mit DEM HÖCHSTEN steht unmittelbar bevor. Da sind noch so große (geklaute) Goldklumpen nicht mehr wichtig.

1. führt mich ggf. zu einem Pan-Theismus. Nicht mein Ding.
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