Warum nur?

RolfK

Warum nur?

Vor ein paar Jahrzehnten: Er war ein großer, stämmiger Mann und Polizist. Er war mit seiner Frau da. Und beide waren wichtige Mitglieder in der christlichen Gruppe. Seine Weltsicht weiß ich noch: Die Welt wird von Illuminaten beherrscht, und es gibt eine jüdische Weltverschwörung. Manche heutige Einstellungen sind da nicht viel anders.

Neulich ein anderer Mensch: Nachdem er auf eindrückliche Weise Christ geworden war, hat er – ich weiß nicht wie lange – andere Menschen mit seiner gesetzlichen Haltung gepeinigt. Er hat sie damit immer wieder vor den Kopf gestoßen. Aber die Menschen haben mit Liebe darauf reagiert. Inzwischen bedauert er seine damalige Haltung. Und jetzt, wo er nachdrücklich ein viel freieres Christentum vertritt, sieht er sich aber in der Pflicht, seinerseits mit Liebe auf Gesetzlichkeit oder sonstige blinde Flecken bei anderen Christen zu reagieren.

Für mich sind Weltverschwörungstheorien, gesetzliches Christentum und andere blinde Flecken völlig unverständlich. Und ich bin entsetzt, wenn auf CsC dramatische Lügen geglaubt und weiterverbreitet werden. Ich frage mich da immer wieder: Warum lässt Gott das zu? Warum nur?

Bei Christen sind solche Verschrobenheiten für mich ein Zeichen, dass sie christlich noch nicht genug „durchgegart“ sind. Der Hang zu Ansichten und Einstellungen, die oft vom Ego bestimmt sind, ist bei ihnen teilweise noch ungebrochen. Sie haben Ecken, in die Jesus mit seiner Erlösungstat bisher nicht vorgedrungen ist.

Wenn ich das so sage, muss ich mich allerdings prompt an die eigene Nase fassen und mich erinnern: Ich habe doch auch lange eine egogesteuerte Einstellung mit mir herumgetragen. Und es hat furchtbar lange gedauert, bis die sich aufgelöst hat …..

Deswegen habe ich – in Gottes Sinne – auch mit stoischer Ruhe und Liebe auf mich störende Eigenheiten anderer zu reagieren – was natürlich längst nicht immer gelingt. Nur Gott bestimmt die Zeit, wann er die anderen ein Stück weiterführt. Chambers hat es mal so ausgedrückt: Gott ruft uns dann eine Stufe höher zu sich herauf.

Aber bis dahin sind die, an deren Ecken und Kanten wir uns stoßen, eine Lernaufgabe für unsere Liebe. Gott wirft uns Nächstenliebe nicht einfach nach, sondern zum Teil müssen wir sie uns ausdrücklich erbitten und ebenso bewusst erarbeiten.