Serotonin auf dem Friedhof der Depressionen?

Serotonin auf dem Friedhof der Depressionen?
Die Untersuchung von Depressionen wird wichtiger genommen als z.B. die Untersuchung von Trauer, da die Selbstmordraten ständig steigen, in den USA seit 1999 um mehr als 30%. 

Wenn heute eines sicher ist, dann dass monokausale Hypothesen - z.B. die Depression ist durch einen Serotoninmangel verursacht - allgemein falsch sind. 

Serotonin ist ein Neurotransmitter. Jahrelang war er die populärste Erklärung für die Ursache von Depressionen.

Ursprünglich (1950) testete man gegen Tuberkulose das neue Medikament Iproniazid an entsprechend erkrankten Patienten. Iproniazid wurde aus einer ätzenden, giftigen und explosiven Substanz namens Hydrazin gewonnen.  Hydrazin wurde im Nazi-Deutschland als Raketentreibstoff verwendet. 
Als man Iproniazid bei den Tuberkulose-Patienten anwendete, stellte man ungewöhnliche Nebeneffekte fest: Mürrische und bettlägerige Patienten standen auf, bewegten sich und hüpften.
Innerhalb weniger Jahre wurde Iproniazid zum beliebten Mittel in der Behandlung von Depressionen.

Iproniazid hemmt Monoaminoxidase (MAO) ein Enzym, das eine Gruppe von Verbindungen namens Monoamine abbaut, zu denen die Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin gehören. Da MAO-Hemmer das Enzym hemmen, welches Serotonin und Noradenalin aus dem Gehirn entfernt, führen sie zu einem Anstieg des Serotonin- und Noradrenalinspiegels im Gehirn. 
Der Höhepunkt dieser Entwicklung von Antidepressiva wurde wohl mit Fluoexetin (Prozac) erreicht. Bis 1994 war es nach Zantac (gegen Sodbrennen) das meist verkaufte Medikament der Welt. Später kamen Citalopram (Celexa), Seratralin (Zoloft) und Paroxetin (Paxil) hinzu. Bereits 2005 nahmen mehr als 10% der Amerikaner ein Antidepressivum ein. Angemessene Serotonin-Spiegel wurden als Voraussetzung für das Glück betrachtet. Niedrige Serotonin-Spiegel wurden mit Traurigkeit und Depressionen gleichgesetzt. 

Dies ging so lange, bis auffiel, dass die meisten Serotonin-beeinflussenden Medikamente im Durchschnitt 3-4 Wochen lang täglich eingenommen werden müssen, bevor sie beginnen, irgendwelche positiven Wirkungen zu verbreiten. Warum gibt es Verzögerungen? ==> Verzögerungen deuten darauf hin, dass etwas an der Serotonin-Hypothese falsch ist. Es muß noch einen Mechanismus geben, der involviert ist, um einen antidepressiven Einfluss auszuüben. Und dieser Mechanismus braucht eben einige Wochen. Darüber hinaus haben Studien, in denen der Serotoninspiegel abgesenkt wurde, nicht zwangsläufig zu Symptomen einer Depression geführt. Ausserdem gibt es eine Reihe von Therapien, die genauso gut wirken, aber überhaupt nicht auf das Serotoninsystem zielen. Andere Studien zeigten, dass Serotonin-beeinflussende Antidepressiva nicht viel besser wirken als Placebos. Das bedeutet nicht, dass Serotonin bei der Behandlung keine Rolle spielt. Aber es legt nahe, dass seine Rolle komplizierter ist, als eine einfache Gleichung: Serotonin = Glück
 
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Und weil es evt. ein sehr trockenes Thema ist, hier etwas zum Lockerwerden:

Nach der langen Sitzungsserie fragt der Psychologe den Patienten:
"Na wie sieht es nun mit Ihren Minderwertigkeitskomplexen aus?"
-"Prima, sie sind weg. Das verdanke ich allein Ihnen, Sie aufgeblasener, alter Sack."

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