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Du bist - was Du denkst Teil IX Der Hinterfrager

Du bist - was Du denkst  Teil IX Der Hinterfrager
Das ist das ganze Unglück, dass die Dummen so sicher sind und die Klugen voller Zweifel. (Bertrand Russell)

Thema der Reihe heute: Der Hinterfrager

Es geht heute um Menschen, die sich in vielen Bereichen mit Entscheidungen schwer tun, bei denen andere keine Sekunde mit Nachdenken "verschwenden". 
Zum Beispiel beim Einkaufen fragen sie nicht nur nach dem Preis, sondern fragen sich, welche Kriterien außerdem berücksichtigt werden müssen? Sie fragen nach Qualität, ökologischem Anbau, Arbeitsbedingungen im Herstellerland und nicht zuletzt nach dem echten Bedarf.
In Diskussionen gehen sie den Fragen nach: ist eine Behauptung schon deswegen wahr, weil sie lauthals in den Raum gestellt wird? Gibt es Belege, die dafür oder dagegen sprechen? Wurde die Quelle auf Seriosität geprüft? Wer kann hier den Sachverhalt tatsächlich beurteilen? Sind alle Fakten bekannt, um sich eine qualifizierte Meinung zu bilden? Gibt es zu einer geäusserten Meinung nur deswegen so viele Pro-Stimmen, weil der Meinungsmacher beliebt ist?

Vorgesetzte und andere Autoritäten lieben es meistens gar nicht, wenn ihre Meinungen oder ihre Anweisungen hinterfragt werden. Hinterfrager gehören nicht unbedingt zu der beliebten Spezie Mensch. Gerade bei Menschen, die lieber schnell zu einer Meinung kommen, sind Hinterfrager unangenehme Bremser. 

Heute muß alles schnell gehen. Der Skeptiker steht im Generalverdacht, zu lange zu zögern und den ganzen Betrieb aufzuhalten. Dieser Generalverdacht besteht nicht zu Recht, denn aus eigener Erfahrung können wir wissen: Die Dinge sind nicht unbedingt so, wie sie scheinen. Der appetitliche Fisch im Buffet ist manchmal nur eine Deko-Version aus Plastik. Die Fata Morgana spiegelt dem Wüstenwanderer die baldige Erfüllung seiner Wünsche vor. Vieles nicken wir einfach so ab, weil es die anderen behaupten, weil uns die Gewohnheit verleitet oder schlicht, weil es uns in den Kram passt. Paradoxerweise glauben wir negativen Meldungen besonders gerne "Meteorit bedroht die Erde!" oder auch Wunderberichte "gerettet, er fliegt an uns vorbei!". Gerade besonders spektakuläre Nachrichten werden oft nicht hinterfragt, weil wir so sehr ins Staunen geraten, dass wir sie nicht mehr in Zweifel ziehen. 

Kinder beherrschen zum Leidwesen ihrer Eltern die Warum-Frage so perfekt, dass sie ihre Eltern damit zur Verzweiflung bringen können.

Pyrrhon (ca. 360 - 270 v. Chr.) aus dem griechischen Elis und seine Nachfolger professionalisierten das Zweifeln zur grundsätzlichen Skepsis.

Auch wenn eine Schlacht gewonnen wird, kann sie doch so sehr schwächen, dass der Krieg verloren geht. Insofern wird eine gewonnene Schlacht dann zum Pyrrhus-Sieg.

Selbst in Krisensituationen, die scheinbar zu sofortigem Handeln drängen, wären wir besser beraten, Zurückhaltung zu üben und uns vorschneller Urteile zu enthalten. Immer wieder brechen gutwillige Helfer auf dem dünnen Eis zugefrorener Seen ein, so dass statt einer Person nun zwei Personen gerettet werden müssen. Und in allen Kriegen sterben zahlreiche Soldaten durch "friendly fire" , durch Beschuss eigener Kameraden, von denen sie fälschlicherweise für Gegner gehalten werden.

Statt gleich Stellung zu beziehen, sucht der pyrrhonische Skeptiker zunächst einmal eine Begründung des Behaupteten mit einer eigens dafür entwickelten dialektischen Technik:

- Er zeigt, dass sich bei allen Thesen ebenso gute Gründe für das Gegenteil finden lassen, wenn man nur intensiv danach sucht.

- Er prüft, ob man sich nicht auf Voraussetzungen beruft, die sich bei näherem Hinsehen als unbewiesen erweisen. Daher fragt man erstmal, warum eine Aussage oder Behauptung stimmen sollte.

- Bei wissenschaftlichen Diskussionen würde er die Frage stellen: Sind nicht einige Wissenschaftler anderer Meinung? Ist es nicht denkbar, dass wir noch unbekannte Einflüsse ausser Acht gelassen haben?

- Er weiß, dass am Ende jeder Begründungsversuch zu einer unendlichen Folge weiterer Begründungsthesen oder zu einem Zirkelschluß oder einfach zu einer dogmatischen Festlegung bzw. zu einem Verbot weiterzufragen führt.

Der antike Skeptiker fand zu dem Ergebnis, dass es oft besser ist, sich einer eigenen Meinung zu enthalten, weil es eine prinzipielle Unentscheidbarkeit jeglicher Aussagen gibt. Diese Erkenntnis führt lt. Pyrrhon zur Seelenruhe, weil man so die Nutzlosigkeit allen Grübelns erkennt und es dabei belässt. Auf diese Haltung "ich treffe keine Entscheidung" treffen gläubige Christen oft im Gespräch mit Nicht-Christen.  

Chancen des Hinterfragers:
- Ein kritischer Geist verabscheut Dogmen. Eine gesunde Skepsis schützt vor Leichtgläubigkeit sowie vor Manipulationen, die von Politik, Wirtschaft und religiösen Vertretern zu allen Zeiten gerne genutzt werden, um andere für dumm zu verkaufen.
- Wenn die seelenberuhigende Enthaltsamkeit von einem Urteil gelingt, schützt sie, sich mit ungelegten Eiern unnötig zu beschäftigen oder sich unnötige Sorgen zu machen.
- die zweifelmutigen Hinterfrager sind Experten im Leben mit Unsicherheiten und ersparen sich damit endgültige irreversible Entscheidungen, mit denen sich Menschen ins Unglück stürzen.
- Die kritische Distanz zur Ratberliteratur eröffnet dem Skeptiker den Weg zu einem selbstbestimmten Leben.

Risken des Hinterfragers:
- Auch am Zweifel kann am Ende wieder gezweifelt werden. Wer zweifelt, braucht am Ende etwas, an dem er zweifeln kann, einen Glauben, eine pragmatische Annahme oder zumindest eine vorläufige Überzeugung. Ohne dies ist und bleibt er hilflos.
- Wer alles hinterfragt, wird unsicher, kommt nie zum Ende mit der Folge, dass er sich kein Urteil mehr zutraut und verliert so seine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Das Leben besteht aus Unsicherheiten und ganz ohne Annahmen über die Welt und ethischen Bewertungen kommt man nicht hindurch. Unser Wissen bleibt immer bruchstückhaft.
- Ein absoluter Skeptizismus mit der Enthaltung von jeglichem Urteil ist zwar theoretisch nicht widerlegbar, lässt sich aber im praktischen Leben - wenn überhaupt - nur unter Verzicht auf Wesenszüge des Menschseins durchhalten. Der absolut skeptische Mensch orientiert sich dann nur noch an seinen Bedürfnissen oder an dem, was ihm den geringsten Ärger einbringt oder an dem, was andere tun.
- im schlimmsten Fall entsteht aus solcher Unentschlossenheit blinde Gefolgschaft gegenüber Neigungen und Konventionen oder Mitläufertum bei großen gesellschaftlichen Strömungen.

Friedrich Nietzsche meinte dazu: "Ich lobe mir eine jede Skepsis, auf welche mir erlaubt ist zu antworten: Versuchen wir's! Und ich mag von allen Dingen und allen Fragen, die das Experiment nicht zulassen, nichts mehr hören."

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 03.07.2020 13:23
und das Ganze jetzt noch mal unter biblischen Aspekten betrachtet, was würde das Wort zu so einer charakterlichen Ausrichtung sagen............?

das würde mich interessieren, wenige was Nietzsche dazu meint.......
 
Bluehorse 03.07.2020 14:19
Oh, IST, Nietzsche hat eigentlich n.m.M. einen wertvollen Beitrag geschrieben, um das sogenannte Glaubenswagnis einzugehen.

Viele Menschen bezweifeln die Richtigkeit, den Aussagen der Bibel Glauben zu schenken. Der ewige Skeptiker, der nie zu einer Entscheidung gelangt, bleibt in seinem Unglauben gefangen. (siehe auch o.g. Risken...)

Wir begegnen im AT und im NT vielen Menschen, die Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen oder auch nicht getroffen haben.  In der Bibel treffen wir auf viele Skeptiker. Sei es die Schlange "sollte Gott gesagt haben...." oder denken wir an Moses oder an den König Saul oder an das Volk Israel oder an Zacharias, dem Vater von Johannes dem Täufer oder an den sogenannten ungläubigen Thomas. Die Bibel zeigt auf, wie Skeptiker mit ihrer Skepsis umgingen und wie Gott/Jesus agierte und reagierte. Es werden sowohl positive als auch negative Begebenheiten geschildert.  Nicht immer wird in der Bibel Skepsis deutlich in Worten benannt, manchmal - so scheint es mir - ist sie auch nur "fühlbar".

In der Bibel begegnen wir dem Wort "Skepsis" nicht, jedoch den Worten Zweifel, Zweifler, zweifeln. So z.B. Jakobus 1,8: Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen. Oder auch: Jud. 22: "Erbarmt euch derer, die zweifeln." Der Glaube ist der Sieg über den Zweifel: Matth. 21, 21: "wenn ihr Glauben habt, und nicht zweifelt... " Und in Hebräer 11, 1  lesen wir: "Es ist der Glaube eine feste Zuversicht auf das was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Lutherbibel)
In der Guten-Nachricht-Bibel steht: "Glauben heißt Vertrauen und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen.... Und in Vers 2: "In diesem Vertrauen haben unsere Vorfahren gelebt und dafür bei Gott Anerkennung gefunden."

Die Bibel geht sehr bewusst mit Skepsis um. Das Hinterfragen wird zur Aufgabe. So macht uns Paulus (in Römer 2, 18) aufmerksam:  "prüfe Du, was das Beste zu tun sei." Prüfen bedeutet immer, dass wir Argumente "dafür" und Argumente "dagegen" in die Waagschale werfen.
 
(Nutzer gelöscht) 03.07.2020 15:07
sehr gut @Bluehorse, das ist eine gute Ausführung,

tja Nietzsche war ja auch ein Pfarrerssohn und wenn jemand den Zweifel kennt, dann er.....

der Auftrag in der Bibel zu prüfen bezieht sich meines Erachtens nicht auf ein Erwägen von Für und Wider, sondern was ist Gottefällig und was nicht, was kommt von Gott und was nicht, das ist schon eine andere Weisheit als die der Welt.

Römer2,18 ..........und kennst seinen Willen und prüfst, weil du aus dem Gesetz unterrichtet bist, was das Beste sei................

der Vollständigkeit halber nochmal zitiert

ja, und es ist tatsächlich so, dass man entscheiden kann, glaube ich oder glaube ich nicht
eine Schwester im Herrn sagt häufig, ich habe mich dazu entschieden an das zu glauben, was die Bibel sagt, die Bibel sagt, fürchte dich nicht (Psalm91 z.B) und deshalb fürchte ich mich jetzt nicht

es ist dann eine Entscheidung, die wir treffen,
dann gibt es noch den Glauben, der eine Gewissheit ist, wenn viele Glaubenserlebnisse den Glauben ins Herz fallen lassen und er dort erstarkt, das ist jetzt weniger eine Entscheidungsfrage, sondern eher ein Wirken des Heiligen Geistes, aber auch dafür kann man sich entscheiden ob man ihn einläd oder nicht, ob man sein Herz öffnen will oder nicht
 
Bluehorse 03.07.2020 15:20
Mir ist das Thema der "philosophischen" Charakterstudie wichtig, weil sie das Denken und das Verhalten von verschiedenen Menschentypen verdeutlicht. (Siehe auch die bereits erfolgten Beschreibungen vom Geniesser, dem Glücksfinder, dem Schwarzseher, dem Pflichtbewussten, Lebenskünstler, Quergeister und dem Freund der Gemeinschaft. Wenn jemand diese Typen nachlesen will, gebe ich gerne den Link dazu.) Da erkenne auch ich mich in dem einen oder anderen Typen wieder. 

Hier, beim Skeptiker, dem Hinterfrager, fällt mir auf, dass ich diesem Menschen oft bei Nicht-Gläubigen begegne. Es gehört schon etwas Geschick dazu, mit solchen Menschen ein konstruktives Gespräch zu führen und zwar so, dass eben deutlich wird, dass der Zweifel eben nicht der letzte Punkt einer Gedankenkette sein muß. Auch Christen haben mal mehr und mal weniger irgendwelche Zweifel. Da müssen wir durch! Meine These dazu lautet: Auch der Zweifel darf bezweifelt werden! Damit kenne ich mich aus.
 
(Nutzer gelöscht) 03.07.2020 15:32
Den Zweifel zu bezweifeln ist noch nicht glauben, das ist noch ein Schritt weiter, mit Glauben meine ich, an Jesus glauben, nicht an irgendwas, sondern an Jesus,

meistens bezieht sich das den Zweifel zu bezweifeln auf sich selbst und auf Fragen zur eigenen Lebensführung oder auch in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit anderer und natürlich auch meiner eigenen, aber in Bezug auf Jesus ist das eine Vertrauensfrage und eher weniger eine des Zweifels, außer Thomas, aber da hatte der Sachverhalt eine andere Gewichtung.

Jesus ist vertrauenswürdig!

Kann ich das glauben oder nicht,
so stellt sich das für mich zumindest dar,
und weniger
zweifle ich daran , dass Jesus vertrauenswürdig ist,

dieser Unterschied ist vielleicht auch nicht so sonderlich bedeutsam
fiel mir nur jetzt ein, dazu

die griechischen Philosophien sind dem christlichen Glauben nicht zuträglich, deshalb beschäftige ich mich eher nicht mit diesem Gedankengut
 
Schneeball 03.07.2020 15:39
Hier eine Handvoll "unüblicher" Gedanken:
Vorweg - damit ich besser verstanden werde: Schwimmen geschieht im
Wasser,Gehen,Laufen in/an der Luft.
Die Tätigkeiten: "Zweifeln/Glauben" sind,was "ihr Umfeld" anbetrifft
(ähnlich wie bei "schwimmen" und "laufen"zwinkerndes Smiley in zwei so verschiedenen
"Räumen",daß sie gar nicht verschiedener sein könnten:
Beim "Zweifeln" ist das handelnde Subjekt der Mensch,der zweifelt.
Der Maßstab für die Einschätzung;Bewertung ist und bleibt ausschließlich
ein Ego.Und genau hier liegt - in Bezug auf Information aus einer Welt,die
nicht nur mit rationalen Mitteln erschlossen werden kann - das tödliche
Verhängnis des Zweifelsgrinsendes Smileyer Zweifler kann aufgrund seines Zweifelns
die rettende Botschaft nicht aufnehmen,da er sich nicht von seinem
Maßstab wegbewegen kann.Er bleibt in sich selbst gefangen.Die Bibel
sagt : "Unerlöst".(Insofern ist das "Entscheiden"(vgl.@ist,15.07) der
springende Punkt.)
Jetzt zur Tätigkeit des "Glaubens".
Glauben,vertrauen ist per se auf ein Objekt ausgerichtet,holt den Glaubenden also aus der "Ich-zentriertheit" heraus.
Deshalb ist "vertrauen/glauben" DAS Fundament für Beziehungen/Freund-
schaften  - ja selbst für Geschäftsbeziehungen,die erfolgreich sein wollen.
---
Zweifel kappt also den Weg zum "Du"  - Vertrauen baut ihn.
Deshalb definiert der Hebräerbrief so glasklar : . . . ein Nichtzweifeln an
dem,was man nicht sieht !
Eben - Gott ist nicht zu sehen - und dennoch glaube ich,ja weiß' ich,daß
ER existiert. Und - es geht sogar noch einen Schritt weiter : Weil ER
existiert,ja lebt - auch das ist übrigens mehr - lebe,existiere ich.
 
Schneeball 03.07.2020 15:43
Oh sorry  - die Smilies sind total unbeabsichtigt.
Beim zweiten Smilie muß es heißen:  Das Verhängnis des Zweifels :
Der Zweifler kann . . . .
 
(Nutzer gelöscht) 03.07.2020 19:51
Ich bete für Glauben. Dem Zweifel den Tod 
 
Bluehorse 03.07.2020 23:20
hallo Schneeball

ich lese von Dir: "Der Maßstab für die Einschätzung; Bewertung ist und bleibt ausschließlich ein Ego." 

Nein, ich denke, das ist falsch. Die Bewertung wird vom Ich anhand eigenen Wissens, Erfahrungen und Erkenntnisse durchgeführt. Das hat mit Ego nichts zu tun. 

"Und genau hier liegt - in Bezug auf Information aus einer Welt,die
nicht nur mit rationalen Mitteln erschlossen werden kann - das tödliche
Verhängnis des Zweifelsgrinsendes Smileyer Zweifler kann aufgrund seines Zweifelns die rettende Botschaft nicht aufnehmen, da er sich nicht von seinem Maßstab wegbewegen kann. Er bleibt in sich selbst gefangen." 

Darin ist ein Trugschluß enthalten. Zu zweifeln bedeutet nicht, dass der Zweifler zwangsläufig im Zweifel stehen bleibt. So bot Jesus dem ungläubigen Thomas seine Hilfe an. Natürlich - die Hilfe annehmen ist Sache des Zweiflers.    
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