Kolumne von Gutsch: Was feiern wir? Das Leben?
22.11.2015 16:43
Kolumne von Gutsch: Was feiern wir? Das Leben?
22.11.2015 16:43
Kolumne von Gutsch: Was feiern wir? Das Leben?
ACHTUNG: SATIRE! Wer zu hohem Blutdruck oder Wutausbrüchen neigt, möge bitte zu einem anderen Blog weiterklicken.
Wenn man den inneren Empörungsschalter über Flüche und lästerliche Darstellungen, die unserem Glauben widersprechen, einmal ausschaltet, ist das ein sehr anrührender und witziger Text, der nachdenklich machen kann…
------------------------------------------------------------
Was feiern wir? Das Leben?
von Jochen-Martin Gutsch
Berliner Zeitung, 21.11.2015
Im Himmel. Mohammed hat sich seit einer Woche im Klo eingeschlossen. Jesus klopft an die Tür. „Mohammed, mach die Tür auf, Kumpel. Wir vermissen dich!“
Mohammed ruft: „Ich weiß doch, was hinter meinem Rücken getuschelt wird. Wie ihr alle lästert. Ich werde gemobbt!“
Jesus: „Unsinn. Wir sind im Himmel. Hier gibt’s kein Mobbing. Was glaubst du, was ich mir alles anhören muss. Homo-Priester-Witze, Inquisitions-Witze, Kreationisten-Witze...“
Gott kommt. Klopft kräftig an die Tür: „Mohammed! Hier ist Gott. Ähm, Allah!“
Mohammed öffnet langsam die Tür. Sein Gesicht ist verweint. In der rechten Hand hält er eine französische Fahne, in der linken Hand ein Baguette. Auf dem Kopf trägt er eine Baskenmütze und einen Rohmilch-Brie. Dazu ein T-Shirt mit den Slogans: „Pray for Paris“, „Nicht in meinem Namen“, „Je suis Paris“.
Gott lacht: „Scheiße, Mo. Findest du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?“
Mohammed: „Ich fühle mich so schuldig, so missverstanden von den Gläubigen.“
Jesus seufzt: „Kenn‘ ich.“
Gott seufzt: „Kenn‘ ich.“
Mohammed und Jesus folgen Gott in sein Büro. Gott holt eine Flasche Whisky hervor. Single Malt. Jahrgang: 1789. Er legt die Füße auf den Schreibtisch, schaut aus dem Fenster und trinkt die Flasche aus.
Mohammed: „Alkohol ist doch aber keine Lösung. Das habe ich im Koran…“
Gott: „Klappe halten! Die Welt ist gerade so beschissen, wie soll ich da nicht saufen? Außerdem habe ich den Alkohol erfunden. Kurz nach dem Ameisenbären, dem Hefeteig und der Ironie.“ Gott trinkt weiter, wird immer trauriger. „Wisst ihr, was mich fertigmacht? Dass dieser ganze Hass, Mord, Terror, immer in meinem Namen geschieht. Für Gott! Für Allah! Im Namen des Herrn! Ich könnte kotzen! Seit Jahrhunderten geht das so. Wisst ihr, wie sich das anfühlt? Sie machen mich zum Mittäter! So steht es in der Bibel! Sagen sie. Im Koran! Gottes Wort! Es ist so … infam."
Gott stehen die Tränen in den Augen.
Mohammed: „Diese Gläubigen denken, sie sind euch ein Wohlgefallen, wenn …“
Jesus: „Sie wollen dich ehren durch …“
Gott: „Bullshit! Am liebsten würde ich ihnen den Arsch aufreißen, wenn ich nicht so barmherzig wäre! Denken diese Erbsenhirne wirklich, es interessiert mich, ob irgendjemand an mich glaubt oder nicht? Ich bin Gott! Nicht der VfL Wolfsburg. Ich brauche keine Fans. Mir ist auch egal, ob mich irgendjemand anbetet. Richtung Mekka oder Richtung Zerpenschleuse. Von all den verdammten Gebeten habe ich schon Tinnitus, beidseitig!“
Jesus: „Vati, beruhige dich!“
Gott schweigt kurz. Trinkt eine zweite Flasche Whisky. Jahrgang: 20 v. Chr. „Leider werde ich nicht besoffen. Ich könnte 300 Jahre saufen und nichts passiert. Ich bin der einzige Alkoholiker ohne Rausch, gottverdammte Scheiße.“
Gott schaut zu Jesus und Mohammed.
„Wisst ihr, was meine glücklichste Zeit war?“, fragt Gott.
Jesus: „Oh ja, als ich, dein Sohn, mit den Menschen lebte!“
Gott: „Blödsinn! Es war die Steinzeit. Völlig öde, einerseits. Immer nur Steine. Die Menschen sahen aus wie Affen und schlugen sich die Köpfe ein. Aber es gab keine Religionen, keine Ideologien. Keine Kriege. Wenn ich die Erde noch mal bauen würde…“ Gott lächelt selbstversunken.
Es klopft an der Tür. Jungfrau Maria. Kurzer Rock, High Heels, Haar wie Seide. Mohammed und Jesus starren verträumt. „Chef, die Opfer von Paris sind da“, sagt Jungfrau Maria.
Gott: „Na endlich! Warum hat das so lange gedauert?“
Jungfrau Maria: „Helmut Schmidt hatte tagelang die Himmelspforte blockiert. Sitzstreik. Wegen des Rauchverbots bei uns.“
Gott (müde): „Heute dürfen alle rauchen. Wir machen eine Party! Maria, Schätzchen, wir brauchen: Champagner, Wein, Cognac, Austern, Jim Morrison und …“, Gott schaut zu Mohammed: „… 72 Jungfrauen.“
Jesus (aufgeregt): „Darf Jungfrau Maria auch kommen, Vati?“
Mohammed (irritiert): „Was feiern wir?“
Gott (unendlich melancholisch): „Keine Ahnung. Das Leben? Die Toten? Den kurzen Moment zwischen der einen Tragödie und der nächsten? Scheißegal. Santé!“
Wenn man den inneren Empörungsschalter über Flüche und lästerliche Darstellungen, die unserem Glauben widersprechen, einmal ausschaltet, ist das ein sehr anrührender und witziger Text, der nachdenklich machen kann…
------------------------------------------------------------
Was feiern wir? Das Leben?
von Jochen-Martin Gutsch
Berliner Zeitung, 21.11.2015
Im Himmel. Mohammed hat sich seit einer Woche im Klo eingeschlossen. Jesus klopft an die Tür. „Mohammed, mach die Tür auf, Kumpel. Wir vermissen dich!“
Mohammed ruft: „Ich weiß doch, was hinter meinem Rücken getuschelt wird. Wie ihr alle lästert. Ich werde gemobbt!“
Jesus: „Unsinn. Wir sind im Himmel. Hier gibt’s kein Mobbing. Was glaubst du, was ich mir alles anhören muss. Homo-Priester-Witze, Inquisitions-Witze, Kreationisten-Witze...“
Gott kommt. Klopft kräftig an die Tür: „Mohammed! Hier ist Gott. Ähm, Allah!“
Mohammed öffnet langsam die Tür. Sein Gesicht ist verweint. In der rechten Hand hält er eine französische Fahne, in der linken Hand ein Baguette. Auf dem Kopf trägt er eine Baskenmütze und einen Rohmilch-Brie. Dazu ein T-Shirt mit den Slogans: „Pray for Paris“, „Nicht in meinem Namen“, „Je suis Paris“.
Gott lacht: „Scheiße, Mo. Findest du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?“
Mohammed: „Ich fühle mich so schuldig, so missverstanden von den Gläubigen.“
Jesus seufzt: „Kenn‘ ich.“
Gott seufzt: „Kenn‘ ich.“
Mohammed und Jesus folgen Gott in sein Büro. Gott holt eine Flasche Whisky hervor. Single Malt. Jahrgang: 1789. Er legt die Füße auf den Schreibtisch, schaut aus dem Fenster und trinkt die Flasche aus.
Mohammed: „Alkohol ist doch aber keine Lösung. Das habe ich im Koran…“
Gott: „Klappe halten! Die Welt ist gerade so beschissen, wie soll ich da nicht saufen? Außerdem habe ich den Alkohol erfunden. Kurz nach dem Ameisenbären, dem Hefeteig und der Ironie.“ Gott trinkt weiter, wird immer trauriger. „Wisst ihr, was mich fertigmacht? Dass dieser ganze Hass, Mord, Terror, immer in meinem Namen geschieht. Für Gott! Für Allah! Im Namen des Herrn! Ich könnte kotzen! Seit Jahrhunderten geht das so. Wisst ihr, wie sich das anfühlt? Sie machen mich zum Mittäter! So steht es in der Bibel! Sagen sie. Im Koran! Gottes Wort! Es ist so … infam."
Gott stehen die Tränen in den Augen.
Mohammed: „Diese Gläubigen denken, sie sind euch ein Wohlgefallen, wenn …“
Jesus: „Sie wollen dich ehren durch …“
Gott: „Bullshit! Am liebsten würde ich ihnen den Arsch aufreißen, wenn ich nicht so barmherzig wäre! Denken diese Erbsenhirne wirklich, es interessiert mich, ob irgendjemand an mich glaubt oder nicht? Ich bin Gott! Nicht der VfL Wolfsburg. Ich brauche keine Fans. Mir ist auch egal, ob mich irgendjemand anbetet. Richtung Mekka oder Richtung Zerpenschleuse. Von all den verdammten Gebeten habe ich schon Tinnitus, beidseitig!“
Jesus: „Vati, beruhige dich!“
Gott schweigt kurz. Trinkt eine zweite Flasche Whisky. Jahrgang: 20 v. Chr. „Leider werde ich nicht besoffen. Ich könnte 300 Jahre saufen und nichts passiert. Ich bin der einzige Alkoholiker ohne Rausch, gottverdammte Scheiße.“
Gott schaut zu Jesus und Mohammed.
„Wisst ihr, was meine glücklichste Zeit war?“, fragt Gott.
Jesus: „Oh ja, als ich, dein Sohn, mit den Menschen lebte!“
Gott: „Blödsinn! Es war die Steinzeit. Völlig öde, einerseits. Immer nur Steine. Die Menschen sahen aus wie Affen und schlugen sich die Köpfe ein. Aber es gab keine Religionen, keine Ideologien. Keine Kriege. Wenn ich die Erde noch mal bauen würde…“ Gott lächelt selbstversunken.
Es klopft an der Tür. Jungfrau Maria. Kurzer Rock, High Heels, Haar wie Seide. Mohammed und Jesus starren verträumt. „Chef, die Opfer von Paris sind da“, sagt Jungfrau Maria.
Gott: „Na endlich! Warum hat das so lange gedauert?“
Jungfrau Maria: „Helmut Schmidt hatte tagelang die Himmelspforte blockiert. Sitzstreik. Wegen des Rauchverbots bei uns.“
Gott (müde): „Heute dürfen alle rauchen. Wir machen eine Party! Maria, Schätzchen, wir brauchen: Champagner, Wein, Cognac, Austern, Jim Morrison und …“, Gott schaut zu Mohammed: „… 72 Jungfrauen.“
Jesus (aufgeregt): „Darf Jungfrau Maria auch kommen, Vati?“
Mohammed (irritiert): „Was feiern wir?“
Gott (unendlich melancholisch): „Keine Ahnung. Das Leben? Die Toten? Den kurzen Moment zwischen der einen Tragödie und der nächsten? Scheißegal. Santé!“
So dominiert das Bild von lieblosen Anhängern Gottes gegenseitig. Dass Gott jeden Menschen vollkommen liebt, bleibt dabei außen vor. Gerade unter nicht gläubigen Freunden höre ich daher ein nicht nach Religionen differenziertes Aufstöhnen, dass Religion nur zur Gewalt führe. Dessen sollten wir uns bewusst sein...