Pflege die Wahrheit.

Pflege die Wahrheit.
Joh 15,26-16,4

Wenn der Beistand kommen wird, den ich euch vom Vater her senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird über mich Zeugnis ablegen. Auch ihr aber legt Zeugnis aber, weil ihr von Anfang an mit mir seid. Das habe ich euch gesagt, damit ihr nicht zu Fall kommt. Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Ja es kommt die Stunde, zu der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen Dienst zu leisten. Und das werden sie tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkannt haben. Aber das habe ich euch gesagt, damit ihr, wenn ihre Stunde kommt, euch daran erinnert, dass ich es euch gesagt habe.

Liebe Gemeinde,
in einer Geschichte von Mark Twain flüchtet Huckleberry Finn zusammen mit einem entflohenen Sklaven auf dem Mississippi durch die Südstaaten der USA. Irgendwann bekommt Huckleberry Finn ein schlechtes Gewissen, weil er so erzogen war, dass man entflohene Sklaven unbedingt anzeigen und ausliefern müsse. Darauf antwortet ihm sein farbiger Freund ungefähr folgendes: „Wenn alle meinen, dass eine Sache wahr ist, dann muss sie noch lange nicht wahr sein.“

Vor wenigen hundert Jahren glaubten alle Menschen, dass die Erde im Mittelpunkt steht und die Sonne sich um die Erde bewegt. Alle glaubten es, viele Beobachtungen sprachen auch dafür. Ich muss ehrlich sagen, dass diese Theorie bestechend ist, da man ja tagtäglich beobachten kann, wie die Sonne morgens im Osten aufgeht und aus meiner Sicht einen großen Bogen macht und im Westen untergeht. Viele hundert Jahre kam keiner auf den Gedanken, dass es anders sein könnte. Alle Lehrer und alle Gebildeten Leute bestätigten, dass dieser Sachverhalt wahr ist. Und die ersten Wissenschaftler, die etwas anderes behaupteten, weil sie gemerkt hatten, dass die Berechnungen so nicht stimmen können, wurden bedroht, ja verfolgt.

In dieser Hinsicht stimmt es, dass eine Sache, die alle für wahr halten, nicht unbedingt wahr sein muss.

Liebe Gemeinde, es ist schon immer sehr schwer gewesen, gegen den Trend einer Zeit, gegen den Strom etwas zu behaupten. Denn zum einen schwimmt man ja selber mit in dem Strom. Man hat Eltern, man hat Lehrer, man hat Freunde. Und alle behaupten: „Das, was wir glauben und tun, ist gut so – das ist die Wahrheit“ Wer kommt da schon auf die Idee, diese Wahrheit in Frage zu stellen? Und zum anderen: „Aus welcher Quelle kann ich denn die Wahrheit finden?“

Jesus verspricht seinen Nachfolgern, dass sein Geist der Wahrheit sie führen werde.

Liebe Gemeinde, so bin ich davon überzeugt, dass der Heilige Geist, jeden Christen, der sich ihm öffnet, immer mehr in die Wahrheit über Jesus Christus hineinführen wird.

Doch diese Wahrheit, dieses Zeugnis von Jesus verhält sich nicht sehr stromlinienförmig zum Zeitgeist.

Ich möchte es an persönlichen Beispielen veranschaulichen. Früher glaubte ich zwar, dass Gott die Welt erschaffen hatte, aber ich glaubte, dass er es durch das Prinzip der Evolutionstheorie getan hatte. Doch irgendwann merkte ich, dass diese beiden Vorstellungen des Anfangs nicht miteinander übereinstimmen.

Zur Evolutionstheorie z.B. gehört der Tod und das Prinzip des Stärkeren von Anfang an mit zur Entwicklung. Der Starke, also derjenige, der sich wehrt, andere überlistet und unterbuttert und auffrisst, der gewinnt und seine Art überlebt. Von Sünde kann schon gar nicht die Rede sein.

Die Bibel behauptet das genaue Gegenteil: Sie behauptet, dass gerade dieser Kampf, dieses gegenseitige Unterdrücken den Tod und den Untergang besonders bei Menschen hervorrufen. Und dass die ganze Natur und Schöpfung stöhnt und seufzt unter diesem Prinzip des Todes, das durch die Sünde in die Welt hineingekommen ist. Erzählen sie das einmal irgendwelchen gebildeten Menschen von heute. Im besten Fall werden Sie ausgelacht.

Gängiger Glaube von heute ist: Jeder kann in seinem Glauben selig werden. Wenn jemand voll hinter seinen Überzeugungen steht, dann ist das gut so.

Wer an diesem modernen Dogma rüttelt, wer Sünde z.B. beim Namen nennt, wer behauptet, dass wir nur durch Jesus errettet und selig werden können, der wird als Fundamentalist, als intolerant, als mittelalterlich verschrien.

Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Gemeinde, ich bin froh, dass wir in einem Land und in einer Zeit leben, in der man respektvoll mit verschiedenen Anschauungen umgeht, dass wir uns nicht in Glaubenskriegen zerfleischen. Aber ich bin überzeugt, dass diese Worte Jesu auch für uns noch zu Lebzeiten sehr aktuell werden können.

„Das habe ich euch gesagt, damit ihr nicht zu Fall kommt. Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Ja es kommt die Stunde, zu der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen Dienst zu leisten.“

Genau wie hier beschrieben, haben es die Jünger erlebt. Wenn jemand zum Glauben kam, wurde er aus seiner Religionsgemeinschaft ausgestoßen. Für Juden hieß das, dass sie ihre Eltern und Großeltern, ihre Verwandten, Nachbarn und Freunde nicht mehr sehen durften, dass sie von der Sozialfürsorge ausgeschlossen wurden, dass sie im römischen Reich den rechtlichen Status einer geschützten Religionsgemeinschaft entbehrten. Und in den 90iger Jahren des ersten Jahrhunderts wurde in die Liturgie des Gottesdienstes die Verfluchung der Minim und Nozrim eingefügt. Die Verfluchung der Ketzer und Nazarener.

Liebe Gemeinde – ich muss ehrlich bekennen, dass ich mich sehr davor fürchte, von meiner Kirche und meiner Gemeinde, die mir sehr am Herzen liegt und die ich sehr lieb habe, als Sektierer verschrien und vom Dienst suspendiert zu werden und die Altersversorgung zu verlieren.

Liebe Gemeinde, ich von mir aus, könnte nicht dagegen standhalten. Und ich glaube auch, das dies die ersten Christen nur konnten, weil sie einen guten Beistand hatten. Den Geist der Wahrheit. Und in diesem Fall ist die Wahrheit einfach stärker, als jeder Zwang und aller Druck.

Liebe Gemeinde, Jesus sagte dies seinen Jüngern, um sie auf darauf vorzubereiten. Es ist immer besser, wenn man kommenden Schwierigkeiten vorbereitet begegnen kann. Wir werden solchen Konfrontation mit dem Zeitgeist nur bestehen können, wenn wir einen Beistand haben. Darum ist die beste Vorbereitung auf eine Zeit der Verfolgung, dem Heiligen Geist viel Raum zu geben.

Wie geht das?

Dazu drei Richtlinien:

1. Öffnen Sie Jesus ihr ganzes Herz.

Beten Sie z.B.: Ja, Jesus ich bin auf Deinen Namen getauft. Dir gehöre ich, ich bin dein Eigentum und ich vertraue Dir. Fülle mein Herz mit Deinem Heiligen Geist und nimm alles von mir, was Dir nicht gefällt.

2. Leben Sie in der Gemeinschaft seines Wortes.

Der Heilige Geist entfaltet seine Kraft in der Regel im Zusammenhang mit dem Wort Gottes. Z.B. Am Anfang schwebt der Geist Gottes über dem Chaos. Noch geschieht nichts. Doch dann: Und Gott sprach – und dann kann der Heilige Geist wirken. So kann der Heilige Geist wirken, wenn wir Gottes Wort in unser Herz aufnehmen und es beherzigen. In Gemeinschaft heißt, dass wir als Gemeinde dabei einander behilflich sein können.

3. Pflegen Sie die Wahrheit.

Achten sie auf ihre Worte. Sagen Sie die Wahrheit, möglichst in Liebe. Keine Übertreibungen, keine Heuchelei, keine Floskeln. Und wenn Sie mal gelogen haben, bekennen sie so schnell wie möglich ihre Lüge. Üben Sie sich darin, dass ihr Ja, ein Ja sei und ihr Nein ein Nein. Wenn Sie etwas zugesagt haben, dann halten sie es. Ich merke, dass dies besonders in der Kindererziehung sehr schwer ist. Und vermeiden sie dummes Geschwätz und ungute Wörter wie „Verdammt, der Teufel soll dich holen, Hals und Beinbruch. So etwas wünschen wir keinem Menschen. Also nehmen wir es auch gar nicht den Mund.

Liebe Gemeinde, wenn wir uns darin üben, dann werden wir ein Gespür für die Wahrheit bekommen, die nicht immer stromlinienförmig ist. Und der Geist der Wahrheit wird uns so stark machen, dass wir, wenn die Stunde der Bewährung kommt, wahrhaft und standhaft bleiben. Dann werden wir, auch wenn alle anderen etwas anderes denken, Dank seines Beistandes der Wahrheit treu bleiben. Und wir werden seine Zeugen sein.

Amen.


Autor: Predigt von Pfarrer Martin Schuler am 1. Juni 2003

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