Unser Sonntag: Nomen est Omen

Unser Sonntag: Nomen est Omen
Der Vater bestätigt den Paradigmenwechsel vom alten zum neuen Tempel, so Pfarrer Ulrich Filler. Getauft zu sein – das ist aber nicht nur ein anderer Seinszustand, sondern ein Auftrag, eine Berufung - und wann haben wir zuletzt für unsere Taufe gedankt?
Pfarrvikar Ulrich Filler

Taufe des Herrn, Lk 3, 15–16.21–22

 

Gott ist gegenwärtig in der Mitte seines Volkes, das ist der Glaube Israels seit jeher. Das Geheimnis von Weihnachten offenbart, dass die alte Zeit nun in eine neue Zeit hineinmündet. Die Zeit des alten Tempels ist vorbei, in Betlehem kommt der neue Tempel Gottes zur Welt. Dieser Umbruch wird angekündigt im Namen, für die Bibel gilt: Nomen est omen. 


Der Name Gottes, offenbart dem Mose im Alten Bund, lautet Jahwe: Ich bin, der ich bin. – Ich bin der »Ich-bin-da.« Gott ist da – für die Menschen. Er geht mit auf dem Weg durch die Wüste, sein Name ist gegenwärtig im Allerheiligsten des Tempels von Jerusalem, in der Mitte seine Volkes. 




Mit Weihnachten beginnt die neue Zeit
Mit Weihnachten beginnt die neue Zeit, die neue Art und Weise, wie Gott bei den Menschen sein will. Dabei wird die alte Art und Weise fortgesetzt und auf eine ganz neue Ebene gehoben. Die alte Art und Weise war die Gegenwart Gottes in seinem Wort: Bei der Erschaffung von Himmel und Erde ruft der Schöpfer durch sein lebendiges Wort alles ins Dasein: Gott spricht, und die Dinge und Menschen entstehen aus dem Nichts. Gottes Wort ist festgehalten auf den Tafeln des Bundes: Die Zehn Gebote, die Zehn Worte beschreiben die Lebensgrundlage und den Freiheitsraum des Menschen vor und mit Gott. 

„Jetzt, seit Weihnachten, wird Gott in seinem Wort und Namen auf eine neue Weise gegenwärtig: MENSCHLICH.“


Als der Engel Gabriel dem heiligen Josef die wunderbare Empfängnis und Geburt des Messias ankündigt und ihm die Rolle des Nährvaters Jesu zuweist, nennt er die beiden Namen Gottes, in denen sich das Geheimnis von Weihnachten vollzieht: »Ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.« (Mt 1, 21) Jesus – Je-schua heißt: Jahwe rettet. Der heilige Gottesname, der bei den frommen Juden aus Ehrfurcht nicht laut ausgesprochen wird, weil die Anrufung seines Namens Gott selbst gegenwärtig macht, bekommt nun eine menschlich-konkrete, handhabbare Form.

„Der Immanuel, der Nobiscum-Deus, der Gott-mit-uns ist neu und konkret gegenwärtig in Jesus, dem Christus, das heißt: dem Messias.“


Es ist der Name eines Babys, das man auf den Knien schaukeln und an der Brust bergen kann. Das Streicheleinheiten und Windelwechsel braucht. Das zärtlich und liebevoll mit seinem Namen angesprochen wird: Da ist der kleine Jesus, der große Gott. Auch ein zweiter Name wird vom Engel genannt. Dieser wurde in einer berühmten Prophezeiung von Jesaja verkündet: »Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns.« (Mt 1, 23) An Weihnachten wird der Mittelpunkt des Glaubens Israels neu verortet. Der Immanuel, der Nobiscum-Deus, der Gott-mit-uns ist neu und konkret gegenwärtig in Jesus, dem Christus, das heißt: dem Messias. 

Jesus im ununterbrochenen Dialog mit dem Vater
Bei der Taufe des Herrn durch Johannes wird diese Neuverortung des Glaubens eindrucksvoll bestätigt. Im Zeichen der Bußtaufe zeigt Jesus, was Gott tut: Er wird Mensch, um in die ganze Wirklichkeit unseres Menschseins, um auch in das Menschlich-Allzumenschliche hineinzugehen, um die Dunkelheit, den Schmerz, die Sünde und das Leid in allen Formen anzunehmen, aufzunehmen, sich hineinzugeben und so zu überwinden. Diese Hingabe seines ganzen Lebens, hier in dem kurzen Akt des Untertauchens unter Wasser zusammengefasst, wird vom Himmel eindrucksvoll bestätigt. Lukas berichtet zunächst: Jesus betet. Das göttliche Wort, der Logos, nahm unser Fleisch an in Jesus von Nazaret und dieser Mensch, der Sohn Gottes ist, ist im ununterbrochenen Kontakt und Dialog mit dem himmlischen Vater. 

Opferfeuer und Räucherwerk
Im Tempel von Jerusalem reißt der Gebetsbetrieb nicht ab, unaufhörlich steigen die Gebete der Menschen mit den Rauchschwaden der Opferfeuer und dem Duft des Räucherwerks und Weihrauchs zum Himmel, nie reißt der Strom der Opfertiere und Priester, der Pharisäer und Geldwechsler, der Bettler und Beter ab, die den Tempel Tag und Nacht bevölkern. 

„Jesus und öffnet einen neuen und echten Weg direkt in das Herz Gottes“


Auf ganz andere, neue und wahrhaft bahnbrechende Weise betet Jesus und öffnet einen neuen und echten Weg direkt in das Herz Gottes hinein. In Jesus Christus begegnet uns ein Mensch, der ganz und gar Gottes Willen tut, weil er selbst Gott ist. Er allein betet Gott so an, wie es ihm gebührt – denn er ist ohne jede Schuld. So ist sein Gebet der einzig wahre, echte Gottesdienst, in dem sich die Sehnsucht aller Völker und die Verheißungen Israels zum ersten Mal ganz und gar erfüllen. Dieser Gottesdienst, dieses Gebet Jesu, ist wirksam – denn es öffnet den Himmel »und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.« 

Paradigmenwechsel vom alten zum neuen Tempel
Der Vater bestätigt den Paradigmenwechsel, vom alten zum neuen Tempel. Der Himmel bestätigt eindrucksvoll, dass Jesus tatsächlich Gottes lebendiges Wort ist, in dem er nun wirklich auf menschliche Weise in dieser Welt, in der Mitte seines Volkes, gegenwärtig ist. Durch Jesus handelt Gott. Das sichtbare, menschliche Handeln Jesu ist immer auch unsichtbares Handeln Gottes. Indem Jesus menschliche Worte spricht, verkündet er uns Gottes Weisung. Wenn der Herr mit seiner Hand einen Kranken berührt, wird dieser geheilt durch die Allmacht Gottes. Und als der Mensch Jesus am Kreuz starb, schenkte der Sohn sich dem Vater hin. So wird Jesus Christus zur Brücke zwischen dem göttlichen Vater und der Menschheit, die durch den Sündenfall voneinander getrennt waren. In seiner Person kommen Gott und Mensch wieder in wechselseitigen Kontakt: Gott handelt durch den Menschen Jesus zum Heil aller Menschen – der Mensch kommt durch die Person Christi wieder in Beziehung zu Gott. Er gelangt in Gottes Nähe, wie sie größer nicht gedacht werden kann. Indem Gott Mensch wird, ist dem Menschen eine Tür geöffnet: Er darf Anteil am Sein Gottes erhalten in einer Weise, die seine Natur unvorstellbar übersteigt. 

Jesus ist der neue Weg
Hier wird auch sichtbar, wie die Menschen Gott in der neuen Zeit, im neuen Tempel, der Jesus ist, begegnen können. Sie müssen nicht mehr auf den Tempelberg hinaufsteigen, nicht durch die Türe und Tore des Tempels eintreten, nicht über die verschiedenen Plätze und Vorhöfe schreiten. Jetzt gibt es einen neuen und anderen Weg, der direkt in das Allerheiligste, direkt in Gottes Herz führt. »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Joh 14, 6) wird Jesus später sagen und sich selbst als neuen Weg zu Gott offenbaren. 

Und bereits Johannes der Täufer kündigt an, wie wir diesen neuen Weg beschreiten können, wie wir den Mittler Jesus Christus erreichen und berühren können. Gerade für uns heute ist diese Frage wichtig, haben wir doch nicht die Möglichkeiten menschlicher Kontaktaufnahme wie die Menschen, die Jesus damals begegnet sind. Johannes gibt die Antwort: »Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.« (Lk 3, 16) 

Mittler zwischen Gott und Menschen
Am Fest der Taufe des Herrn sehen wir, wie Jesus im Dialog mit dem himmlischen Vater den Gottesdienst des neuen Bundes vollzieht, dessen Kernsatz lautet: Dein Wille geschehe. Der Heilige Geist kommt aus dem offenen Himmel auf ihn herab und die Stimme des Vaters offenbart ihn als neuen Tempel, als Mittler zwischen Gott und den Menschen. »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.« (Lk 3, 22) – Hier klingt noch die Freudenbotschaft der Engel auf den Feldern von Betlehem nach: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.« (Lk 2, 14) Der Mensch des göttlichen Wohlgefallens, derjenige, der Gott wirklich die Ehre geben kann, weil er selbst Gott ist, er ist der Mittler und der Weg, auf dem wir gehen. 

Taufe: Schwestern und Brüder Jesu Christi
Und das geschieht, weil das gnadenvolle Ereignis bei der Bußtaufe des Johannes, der sich Jesus unterworfen hatte, weil dieses Ereignis sich in jeder Tauffeier wiederholt. In der Stunde, als wir – in der Regel auf den Armen unserer Eltern und Paten – in die Kirche getragen und über den Taufstein gehoben wurden, auch da öffnete sich der Himmel, wurden wir vom Heiligen Geist erfüllt, Gottes Eigentum, unser Leib sein Tempel; seine Gnade und Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung durchströmt uns vollkommen und wir wurden Schwestern und Brüder Jesu Christi. Seit jener Stunde hallt die Stimme Gottes in unserem Leben nach: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

Anteil an Christi Dienst als Mittler
Nomen est omen: Das gilt auch für uns. Als Getaufte, Schwestern und Brüder Jesu, sind wir ihm anverwandt, mit ihm verbunden, haben Anteil an seinem Dienst als Mittler, haben wir den direkten Draht zu Gott, den wir vertrauensvoll als Abba, als lieben Vater ansprechen dürfen. Das Geschenk der Taufe bedeutet DEN großen Paradigmenwechsel unseres Lebens. Getauft zu sein – das ist aber nicht nur ein anderer Seinszustand, sondern ein Auftrag, eine Berufung. Denn nur, wenn wir die uns geschenkte Jesus-Ähnlichkeit realisieren, wenn wir sein Bild ausprägen in unserem Leben, können wir auf diesem Weg schreiten, der er selber ist – miteinander und füreinander.

Noch Fragen? Nur eine: Wann haben Sie zum letzten Mal für das Geschenk und die Gnade der eigenen Taufe gedankt? Eben. Es wird höchste Zeit! Amen. 

 

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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